Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 267/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 108/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Überbrückungsgeld (Übbg) für die Dauer weiterer vier Wochen.
Der am ... geborene Kläger absolvierte von 1987 bis 1991 erfolgreich ein Studium der Rechtswissenschaft und war von 1992 bis 1994 als Rechtsreferendar tätig. Vom 01.02.1995 bis 30.04.1997 arbeitete er beitragspflichtig als angestellter Rechtsanwalt. Vom 01.05.1997 bis 30.06.1997 bezog er Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 583,80 DM wöchentlich, das ihm mit Bescheid vom 23.05.1997 für die Dauer von 312 Leistungstagen bewilligt worden war. Am 01.07.1997 nahm der Kläger eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt auf.
Am 02.07.1997 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Er baue eine Einzelkanzlei mit Schwerpunkt Zivilrecht auf. Angestelltes Personal sei nicht vorhanden.
Auf Anforderung der Beklagten bestätigte die Rechtsanwaltskammer Sachsen in ihrer Stellungnahme vom 05.06.1997 die Tragfähigkeit der Existenzgründung.
Mit Bescheid vom 04.08.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.07.1997 bis 01.12.1997 Übbg in Höhe von 12.843,60 DM sowie Aufwendungen für die Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Altersversorgung in Höhe von 4.281,20 DM (insgesamt mithin 17.124,80 DM). Auf Grund der kurzen Bezugsdauer von Alg könne der Antrag nur für 22 Wochen bewilligt werden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 05.09.1997. Er begehre die Gewährung von Übbg für weitere vier Wochen. Sein Recht auf fehlerfreie Ermessenausübung sei verletzt, weil die Beklagte ihm wegen der kurzen Bezugsdauer von Alg lediglich Übbg für 22 Wochen, nicht hingegen für die Regelbezugsdauer von 26 Wochen, gewährt habe. Ein hinter der Entscheidung der Beklagten stehender Schluss, das Bestreben des Klägers auf Eintritt in die Selbstständigkeit sei gegenüber der Suche nach einer neuen Anstellung vordergründig gewesen, entspreche nicht dem Normzweck des § 55a AFG. Da in gleichgelagerten Fällen die Leistung ungekürzt gezahlt worden sei, sei eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten. Hinter diese müssten fiskalische Gesichtspunkte zurücktreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das Übbg werde nach § 55a Abs. 2 AFG grundsätzlich für die Dauer von 26 Wochen in Höhe des Betrages gewährt, den der Antragsteller zuletzt als Alg bezogen habe. Die Förderdauer könne jedoch um bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn das Alg erst kurze Zeit bezogen worden sei. In diesen Fällen würde es dem Versicherungsprinzip widersprechen, das Übbg in Höhe des Alg für die längstmögliche Dauer von 26 Wochen zu bewilligen. Vielmehr sei in diesen Fällen eine angemessene Verkürzung der Förderungsdauer angezeigt, um bei den begrenzten Finanzmitteln möglichst vielen Antragstellern die Hilfe zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gewähren zu können. Da der Kläger seinen Alg-Anspruch lediglich für 52 der bewilligten 312 Tage verbraucht habe, sei eine Verkürzung der Förderdauer um vier Wochen angezeigt. Auch sollten vorrangig Existenzgründungswillige gefördert werden, die wegen ihrer vergleichsweise ungünstigen Vermittlungsaussichten schon längere Zeit arbeitslos im Leistungsbezug der Beklagten gestanden hätten und für die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die einzige Alternative zur ansonsten fortbestehenden Arbeitslosigkeit darstelle. Da der Kläger lediglich kurzzeitig arbeitslos gewesen sei und die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit dargestellt habe, sei die Verkürzung der Förderdauer gerechtfertigt. Auch auf Grund der relativ kurzen Dauer der Arbeitslosigkeit sei davon auszugehen, dass die finanziellen Reserven des Klägers günstiger als bei einem Langzeitarbeitslosen seien, da er auf Grund eines hohen Arbeitslosengeldes auch ein verhältnismäßig hohes Übbg bewilligt bekommen habe.
Gegen den dem Kläger am 24.02.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid hat dieser am 24.03.1998 Klage zum Sozialgericht (SG) Dresden erhoben. Aus dem Wortlaut des § 55a Abs. 2 AFG sei ersichtlich, dass die Regelförderungsdauer 26 Wochen betrage. Von dieser dürfe nur in atypischen Fällen abgewichen werden. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Aus dem Versicherungsprinzip lasse sich die Leistungsverkürzung nicht herleiten.
Mit Urteil vom 12.05.2000 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.1998 verurteilt, dem Kläger Übbg für die Dauer von insgesamt 26 Wochen zu gewähren. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55a Abs. 1 AFG für die Gewährung von Übbg lägen vor. Die Gewährung von Übbg stehe im Ermessen der Beklagten. Dieses beziehe sich sowohl auf das "ob" als auch den Umfang der Leistungsbewilligung. Die Dauer der Leistungsgewährung betrage grundsätzlich 26 Wochen. Gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 AFG könne der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise des Übbg für eine kürzere Dauer als 26 Wochen bewilligt werden dürfe. Die Beklagte habe zwar von der Anordnungsermächtigung des § 55a Abs. 4 Satz 1 AFG Gebrauch gemacht und das Nähere über die Voraussetzungen, das Verfahren und die Gewährung von Übbg durch Anordnung des Verwaltungsrates bestimmt, sie habe jedoch gerade keine Regelung bezüglich des Umfanges des Leistungsanspruchs getroffen. Vielmehr habe sie einzelne Kriterien, die für die Dauer der Bewilligung von Übbg maßgeblich sein sollen, in einem Runderlass festgelegt. Dies sei jedoch unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 und 4 AFG nicht zulässig.
Gegen das der Beklagten am 22.05.2000 zugestellte Urteil hat diese am 13.06.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zwar habe sie von der Anordnungsermächtigung des § 55a Abs. 2 AFG keinen Gebrauch gemacht. Gleichwohl könne aus diesem Verzicht ein generelles Verbot, die Förderungsdauer von Übbg unter Ausübung von Ermessen im Einzelfall zu verkürzen, nicht hergeleitet werden. Vielmehr sei sie im Einzelfall zur Ausübung sachgemäßen Ermessens berechtigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Dresden vom 12.05.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gemacht hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG Dresden vom 12.05.2000 ist rechtmäßig.
Dem Kläger steht Übbg für insgesamt 26 Wochen zu. Gemäß § 55a Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Artikel 11 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594, kann die Bundesanstalt für Arbeit Arbeitlosen bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Übbg gewähren, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Voraussetzung für die Gewährung von Übbg ist danach die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung.
Die Beklagte hat das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 55a Abs. 1 AFG bejaht und damit über das "ob" der Bewilligung von Übbg entschieden. Der Senat ist derselben Auffassung. Der Kläger nahm ab 01.07.1997 eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden auf. Zuvor hatte er vom 01.05.1997 bis 30.06.1997, mithin mehr als vier Wochen, Alg bezogen. In der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Sachsen vom 05.06.1997 wurde die Tragfähigkeit der Existenzgründung bestätigt.
Die Beklagte war nicht berechtigt, von der Regelförderungsdauer von 26 Wochen abzuweichen. Nach § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG wird das Übbg grundsätzlich für 26 Wochen in Höhe des Betrages gewährt, den der Antragsteller als Alg zuletzt bezogen hat. Gemäß § 55a Abs. 4 Satz 1 AFG kann die Bundesanstalt das Nähere über die Voraussetzungen und das Verfahren der Gewährung von Übbg durch Anordnung bestimmen. Gemäß § 55a Abs. 4 Satz 2 AFG kann sie bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Übbg für die kürzere Dauer als 26 Wochen bewilligt werden darf.
Dem Wortlaut des § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG ist zu entnehmen, dass der Antragsteller grundsätzlich mit der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 55a Abs. 1 AFG einen Anspruch auf Übbg für die Dauer von 26 Wochen hat. Ausnahmsweise kann das Übbg für eine kürzere Dauer bewilligt werden. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist gerichtlich voll nachprüfbar. Lediglich in atypischen Fällen darf die Beklagte von der Regelförderungsdauer abweichen (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., Rdnr. 21 zu § 114).
Ein Ausnahmefall, der das Abweichen von der Regelförderungsdauer zulässt, ist vorliegend nicht gegeben.
Ein solcher lässt sich nicht auf die Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme (A FdA) vom 19.05.1989, ANBA 1998 S. 997, i. d. F. der 4. Änderungs-Anordnung zur A FdA vom 25.11.1994, ANBA 1995 S. 1, stützen.
Wie vom SG zutreffend festgestellt, erließ der Verwaltungsrat der Beklagten zwar auf der Basis des § 55a Abs. 4 i. V. m. § 191 Abs. 3 AFG die A FdA. Die A FdA in der maßgeblichen Fassung enthielt jedoch - wie vom SG ebenfalls zutreffend festgestellt - keine Regelung über die Voraussetzungen einer Verkürzung der Förderungsdauer. Vielmehr bestimmte der ÜbbG betreffende § 24 A FdA lediglich die Höhe der Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung sowie die Auszahlungsmodalitäten.
Der Ausnahmefall ergibt sich auch nicht aus einer Verwaltungsvorschrift der Beklagten. Zwar war die Beklagte nach der Rechtsprechung des BSG berechtigt, in einem Runderlass oder einer Dienstanweisung den Ausnahmefall i.S.d. § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG zu definieren (BSG, Urteil vom 11.11.1993, 7 RAr 52/93; BSG, Urteil vom 17.10.1990, 11 RAr 109/89, BSG, Urteil vom 25.10.1990, 7 RAr 14/90; Hennig, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Rdnr. 21 zu § 55a).
Nach dem Vorspann des Runderlasses der Bundesanstalt für Arbeit vom 03.01.1997 dürfen bei der Gewährung von Leistungen für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die zugeteilten Haushaltsmittel nicht überschritten werden. Nach Ziffer 3 des Runderlasses, der mit "Verkürzung der Förderungsdauer" überschrieben ist, kann die Förderungsdauer bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn der Alg-Anspruch schon weitgehend ausgeschöpft ist. In diesem Fall würde es nach dem Wortlaut des Runderlasses dem Versicherungsprinzip widersprechen, das Übbg in Höhe des Alg für die längstmögliche Dauer von 26 Wochen zu bewilligen. Ziffer 7 des Runderlasses regelt unter der Überschrift "Einengung der Zugangsvoraussetzungen", dass - soweit es darüberhinaus zur Einhaltung der zugeteilten Haushaltsmittel erforderlich sei - vorrangig Existenzwillige gefördert werden sollten, die wegen ihrer vergleichsweise ungünstigen Vermittlungsaussicht schon längere Zeit arbeitslos im Leistungsbezug standen und für die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die einzige Alternative zu ansonsten fortbestehender Arbeitslosigkeit darstellt.
Im Runderlass wurde mithin zwischen der Ermessensausübung nach § 55a Abs. 1 AFG in der mit "Einengung der Zugangsvoraussetzungen" überschriebenen Ziffer 7 und der Bestimmung der Voraussetzungen nach § 55a Abs. 2 AFG in Ziffer 3 ("Verkürzung der Förderungsdauer") unterschieden. Eine Verkürzung der Förderungsdauer war mithin nach dem Runderlass lediglich zulässig, wenn der Alg-Anspruch bei Antragstellung auf Übbg bereits weitgehend ausgeschöpft war.
Der Regelungsgedanke in Ziff. 3 des Runderlasses wurde durch Ziff. 1.24.121 der Dienstanweisung der Beklagten zur Gewährung von Übbg untersetzt. Danach sollte die Förderungsdauer von grundsätzlich 26 Wochen den finanziellen Anreiz erhöhen, möglichst frühzeitig aus dem Leistungsbezug auszuscheiden und dadurch die Arbeitslosenversicherung im Ergebnis zu entlasten.
Die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Förderungsdauer nach dem Runderlass lagen beim Kläger gerade nicht vor. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung lediglich Alg für die Dauer von 52 Leistungstagen bezogen, obwohl ihm die Leistung für die Dauer von 312 Leistungstagen bewilligt worden war. Ihm hätte folglich - falls er keine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hätte - noch Alg für mehr als 26 Wochen zugestanden.
Da die im Runderlass unter Ziffer 7 genannten Kriterien nach ihrem eindeutigem Wortlaut lediglich eine Hilfe zur Ermessensentscheidung nach § 55a Abs. 1 AFG darstellten und die Beklagte im vorliegenden Fall das "ob" der Förderung auch nach Auffassung des Senats zutreffend bejaht hatte, rechtfertigten die unter Ziffer 7 des Runderlasses genannten Kriterien die Verkürzung der Förderungsdauer im konkreten Fall nicht.
Die Beklagte kann einen Ausnahmefall auch nicht auf die Hinweise des Sächs. Landesarbeitsamtes an die Arbeitsämter in Sachsen vom 12.03.1997 stützen. Zwar ist hierin zur Untersetzung der Ziff. 7 des Runderlasses der Bundesanstalt ausgeführt, dass bei einer Ausschöpfung des Alg-Anspruchs von bis zu 20 % die Förderungsdauer um 4 Wochen zu verkürzen sei. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Hinweise des Sächs. Landesarbeitsamtes nicht durch den Runderlass der Bundesanstalt gedeckt sind. Wie bereits ausgeführt, handelte es sich bei Ziff. 7 des Runderlasses um ermessensleitende Richtlinien zur Entscheidung, ob die Förderung gewährt wird, mithin zu § 55a Abs. 1 AFG. Vorliegend kann dahinstehen, ob Ziff. 7 des Runderlasses von der Ermächtigungsnorm des § 55a Abs. 1 AFG gedeckt ist. Zweifel ergeben sich deshalb, weil nach dem Runderlass lediglich Langzeitarbeitslose ohne reelle Vermittlungschance in eine angestellte Tätigkeit förderungswürdig wären. Übbg würde hiernach folglich nur ganz wenigen Arbeitslosen gewährt. Die meissten Arbeitslosen, die sich selbstständig machen und Übbg beantragen, sind jedoch nicht langzeitarbeitslos und ohne Aussicht auf eine Vermittlung in eine angestellte Tätigkeit. In diesen Hinweisen des Sächsischen Landesarbeitsamtes wurde nicht beachtet, dass der Runderlass in Ziff. 7 ermessensleitende Richtlinien zu § 55a Abs. 1 AFG formulierte. Bei § 55a Abs. 1 AFG handelt es sich um eine Ermessensnorm. Gleiches gilt jedoch - wie bereits oben ausgeführt - nicht für § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine Ermessensnorm. Folglich war die Bundesanstalt für Arbeit, nicht berechtigt, ermessensleitende Richtlinien zu dieser Norm zu erlassen. Die Bundesanstalt war lediglich zur Definition des Ausnahmefalls i.S.d. § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG befugt. Ein Ausnahmefall liegt nach Ansicht des Senats hier aber nicht vor.
Die Regelung in den Hinweisen des Sächsischen Landesarbeitsamtes würde ferner zu einer Umkehrung des im Gesetz vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses führen. Lediglich relativ wenige Arbeitslose würden die im Widerspruchsbescheid genannten Voraussetzungen erfüllen, bei den meisten Antragstellern, die sich zum Gang in die Selbstständigkeit entscheiden, wäre das dagegen nicht der Fall.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist die BA jedoch trotz des Erlasses von Richtlinien in einem Runderlass zur Prüfung der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, im Einzelfall berechtigt und verpflichtet (BSG, Urteil vom 11.11.1993, 7 RAr 52/93; BSG, Urteil vom 17.10.1999, 11 RAr 109/88; Urteil vom 25.10.1990, 7 RAr 14/90; Hennig, a.a.O.; Winkler, in: Gagel, AFG, Rdnr. 14, 16 zu § 55a). Die im Ausgangsbescheid vom 04.08.1997 und im Widerspruchsbescheid vom 20.02.1998 gegebene Begründung für die Verkürzung der Förderungsdauer ist nach der Auffassung des Senats nicht von der Norm des § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG gedeckt und daher fehlerhaft. Danach wurde seitens der Beklagten das Vorliegen eines Ausnahmefalles damit begründet, dass Alg nur kurze Zeit bezogen und es deshalb dem Versicherungsprinzip widersprechen würde, das Übbg für die "längstmögliche Dauer von 26 Wochen" zu bewilligen.
Die Beklagte argumentiert im vorliegenden Fall entgegen den Grundsätzen des Runderlasses und ihrer Dienstanweisung. Nach den dortigen Hinweisen soll eine Verkürzung unter Berücksichtigung des Versicherungsprinzips dann erfolgen, wenn der Alg-Anspruch zum Zeitpunkt der Antragstellung weitgehend erschöpft war. Das wäre im Falle des Klägers beispielsweise dann anzunehmen gewesen, wenn er den Antrag auf Übbg am 01.04.1998 (mithin vier Wochen vor dem Ende des Alg-Bezuges) gestellt hätte. Dieses Ergebnis wäre dann unter Verweis auf das Versicherungsprinzip billig und gerecht. Der Kläger hat durch seine versicherungspflichtige Tätigkeit vom 01.02.1995 bis 30.04.1997 einen Anspruch auf Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit für die Dauer von 312 Leistungstagen erworben. Alg hätte er im o.g. Falle vom 01.05.1997 bis 30.03.1998 in Anspruch genommen (281 Leistungstage). Danach wäre ihm Übbg für weitere 22 Wochen (132 Leistungstage) bewilligt worden. Er hätte folglich insgesamt 16 Monate (413 Leistungstage) Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bezogen, obwohl er lediglich eine Anwartschaftszeit für 12 Monate (312 Leistungstage) erworben hatte.
Der vorliegende Fall liegt jedoch anders. Der Kläger hatte, obwohl ihm ein Anspruch auf Alg für die Dauer von 312 Leistungstagen zustand, die Leistung lediglich vom 01.05.1997 bis 30.06.1997 in Anspruch genommen. Die Bewilligung von Übbg für die regelmäßige Förderungsdauer von 26 Wochen wäre vorliegend gerade unter Berücksichtigung des Versicherungsprinzips (der Kläger erwarb eine Anwartschaft auf Leistungen der BA von 312 Leistungstagen; er erhielt jedoch lediglich sieben Monate derartige Leistungen) gerechtfertigt gewesen.
Da die Beklagte die Bewilligung mit einer dem eigenen Runderlass entgegenstehenden Begründung ablehnte, sind die Bescheide rechtswidrig. Auch die weitere Begründung der Verkürzung der Förderungsdauer im Widerspruchsbescheid vermag diese nicht zu rechtfertigen. Danach sollten vorrangig Existenzgründungswillige gefördert werden, die wegen ihrer vergleichsweise ungünstigen Vermittlungsaussicht schon längere Zeit arbeitslos waren und im Leistungsbezug der Beklagten standen und für die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die einzige Alternative zur ansonsten fortbestehenden Arbeitslosigkeit darstellt. Zunächst ist festzustellen, dass die gegebene Begründung auf Ziff. 7 des Runderlasses basierte. Ziffer 7 regelte jedoch die Einengung der Zugangsvoraussetzungen, mithin die Ausübung des Ermessens nach § 55a Abs. 1 AFG, nicht hingegen die Verkürzung der Förderungsdauer nach § 55a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 AFG. Wie bereits oben ausgeführt führt diese Argumentation nicht zum Vorliegen eines Ausnahmefalls.
Auch die weitere Begründung, der Antragsteller werde im ersten Förderungsjahr ein gutes Betriebsergebnis erzielen, basiert auf keinerlei tatsächlichen Feststellungen der Beklagten. Diese Aussage ist vielmehr spekulativ. Auf eine spekulative Aussage kann die Verkürzung der Förderdauer nicht gestützt werden.
Betrachtet man den vom Kläger am 30.06.1997, mithin vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeiten, erstellten Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan für das Gründungsjahr ab 01.07.1997 so ist festzustellen, dass er bis Dezember 1997 lediglich mit einem monatlichen Umsatz, nicht Gewinn, von 15.000,00 DM, jedoch mit Kosten von 32.544,00 DM rechnete. Es ist folglich festzustellen, dass die Kanzlei nach den aufgestellten Plänen während der Förderdauer von 26 Wochen ein negatives Betriebsergebnis erzielen würde. Daher ist eine Versagung der Förderung mit dieser Begründung nicht gerechtfertigt.
Auch ansonsten liegen nach Ansicht des Senats keine Gründe vor, die für die Annahme eines Ausnahmefalles i.S.d. § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG sprechen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG; Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Überbrückungsgeld (Übbg) für die Dauer weiterer vier Wochen.
Der am ... geborene Kläger absolvierte von 1987 bis 1991 erfolgreich ein Studium der Rechtswissenschaft und war von 1992 bis 1994 als Rechtsreferendar tätig. Vom 01.02.1995 bis 30.04.1997 arbeitete er beitragspflichtig als angestellter Rechtsanwalt. Vom 01.05.1997 bis 30.06.1997 bezog er Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 583,80 DM wöchentlich, das ihm mit Bescheid vom 23.05.1997 für die Dauer von 312 Leistungstagen bewilligt worden war. Am 01.07.1997 nahm der Kläger eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt auf.
Am 02.07.1997 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Er baue eine Einzelkanzlei mit Schwerpunkt Zivilrecht auf. Angestelltes Personal sei nicht vorhanden.
Auf Anforderung der Beklagten bestätigte die Rechtsanwaltskammer Sachsen in ihrer Stellungnahme vom 05.06.1997 die Tragfähigkeit der Existenzgründung.
Mit Bescheid vom 04.08.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.07.1997 bis 01.12.1997 Übbg in Höhe von 12.843,60 DM sowie Aufwendungen für die Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Altersversorgung in Höhe von 4.281,20 DM (insgesamt mithin 17.124,80 DM). Auf Grund der kurzen Bezugsdauer von Alg könne der Antrag nur für 22 Wochen bewilligt werden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 05.09.1997. Er begehre die Gewährung von Übbg für weitere vier Wochen. Sein Recht auf fehlerfreie Ermessenausübung sei verletzt, weil die Beklagte ihm wegen der kurzen Bezugsdauer von Alg lediglich Übbg für 22 Wochen, nicht hingegen für die Regelbezugsdauer von 26 Wochen, gewährt habe. Ein hinter der Entscheidung der Beklagten stehender Schluss, das Bestreben des Klägers auf Eintritt in die Selbstständigkeit sei gegenüber der Suche nach einer neuen Anstellung vordergründig gewesen, entspreche nicht dem Normzweck des § 55a AFG. Da in gleichgelagerten Fällen die Leistung ungekürzt gezahlt worden sei, sei eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten. Hinter diese müssten fiskalische Gesichtspunkte zurücktreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das Übbg werde nach § 55a Abs. 2 AFG grundsätzlich für die Dauer von 26 Wochen in Höhe des Betrages gewährt, den der Antragsteller zuletzt als Alg bezogen habe. Die Förderdauer könne jedoch um bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn das Alg erst kurze Zeit bezogen worden sei. In diesen Fällen würde es dem Versicherungsprinzip widersprechen, das Übbg in Höhe des Alg für die längstmögliche Dauer von 26 Wochen zu bewilligen. Vielmehr sei in diesen Fällen eine angemessene Verkürzung der Förderungsdauer angezeigt, um bei den begrenzten Finanzmitteln möglichst vielen Antragstellern die Hilfe zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gewähren zu können. Da der Kläger seinen Alg-Anspruch lediglich für 52 der bewilligten 312 Tage verbraucht habe, sei eine Verkürzung der Förderdauer um vier Wochen angezeigt. Auch sollten vorrangig Existenzgründungswillige gefördert werden, die wegen ihrer vergleichsweise ungünstigen Vermittlungsaussichten schon längere Zeit arbeitslos im Leistungsbezug der Beklagten gestanden hätten und für die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die einzige Alternative zur ansonsten fortbestehenden Arbeitslosigkeit darstelle. Da der Kläger lediglich kurzzeitig arbeitslos gewesen sei und die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit dargestellt habe, sei die Verkürzung der Förderdauer gerechtfertigt. Auch auf Grund der relativ kurzen Dauer der Arbeitslosigkeit sei davon auszugehen, dass die finanziellen Reserven des Klägers günstiger als bei einem Langzeitarbeitslosen seien, da er auf Grund eines hohen Arbeitslosengeldes auch ein verhältnismäßig hohes Übbg bewilligt bekommen habe.
Gegen den dem Kläger am 24.02.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid hat dieser am 24.03.1998 Klage zum Sozialgericht (SG) Dresden erhoben. Aus dem Wortlaut des § 55a Abs. 2 AFG sei ersichtlich, dass die Regelförderungsdauer 26 Wochen betrage. Von dieser dürfe nur in atypischen Fällen abgewichen werden. Ein atypischer Fall liege nicht vor. Aus dem Versicherungsprinzip lasse sich die Leistungsverkürzung nicht herleiten.
Mit Urteil vom 12.05.2000 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.1998 verurteilt, dem Kläger Übbg für die Dauer von insgesamt 26 Wochen zu gewähren. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55a Abs. 1 AFG für die Gewährung von Übbg lägen vor. Die Gewährung von Übbg stehe im Ermessen der Beklagten. Dieses beziehe sich sowohl auf das "ob" als auch den Umfang der Leistungsbewilligung. Die Dauer der Leistungsgewährung betrage grundsätzlich 26 Wochen. Gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 AFG könne der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise des Übbg für eine kürzere Dauer als 26 Wochen bewilligt werden dürfe. Die Beklagte habe zwar von der Anordnungsermächtigung des § 55a Abs. 4 Satz 1 AFG Gebrauch gemacht und das Nähere über die Voraussetzungen, das Verfahren und die Gewährung von Übbg durch Anordnung des Verwaltungsrates bestimmt, sie habe jedoch gerade keine Regelung bezüglich des Umfanges des Leistungsanspruchs getroffen. Vielmehr habe sie einzelne Kriterien, die für die Dauer der Bewilligung von Übbg maßgeblich sein sollen, in einem Runderlass festgelegt. Dies sei jedoch unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 und 4 AFG nicht zulässig.
Gegen das der Beklagten am 22.05.2000 zugestellte Urteil hat diese am 13.06.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zwar habe sie von der Anordnungsermächtigung des § 55a Abs. 2 AFG keinen Gebrauch gemacht. Gleichwohl könne aus diesem Verzicht ein generelles Verbot, die Förderungsdauer von Übbg unter Ausübung von Ermessen im Einzelfall zu verkürzen, nicht hergeleitet werden. Vielmehr sei sie im Einzelfall zur Ausübung sachgemäßen Ermessens berechtigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Dresden vom 12.05.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gemacht hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG Dresden vom 12.05.2000 ist rechtmäßig.
Dem Kläger steht Übbg für insgesamt 26 Wochen zu. Gemäß § 55a Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Artikel 11 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594, kann die Bundesanstalt für Arbeit Arbeitlosen bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Übbg gewähren, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Voraussetzung für die Gewährung von Übbg ist danach die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung.
Die Beklagte hat das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 55a Abs. 1 AFG bejaht und damit über das "ob" der Bewilligung von Übbg entschieden. Der Senat ist derselben Auffassung. Der Kläger nahm ab 01.07.1997 eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden auf. Zuvor hatte er vom 01.05.1997 bis 30.06.1997, mithin mehr als vier Wochen, Alg bezogen. In der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Sachsen vom 05.06.1997 wurde die Tragfähigkeit der Existenzgründung bestätigt.
Die Beklagte war nicht berechtigt, von der Regelförderungsdauer von 26 Wochen abzuweichen. Nach § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG wird das Übbg grundsätzlich für 26 Wochen in Höhe des Betrages gewährt, den der Antragsteller als Alg zuletzt bezogen hat. Gemäß § 55a Abs. 4 Satz 1 AFG kann die Bundesanstalt das Nähere über die Voraussetzungen und das Verfahren der Gewährung von Übbg durch Anordnung bestimmen. Gemäß § 55a Abs. 4 Satz 2 AFG kann sie bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Übbg für die kürzere Dauer als 26 Wochen bewilligt werden darf.
Dem Wortlaut des § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG ist zu entnehmen, dass der Antragsteller grundsätzlich mit der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 55a Abs. 1 AFG einen Anspruch auf Übbg für die Dauer von 26 Wochen hat. Ausnahmsweise kann das Übbg für eine kürzere Dauer bewilligt werden. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist gerichtlich voll nachprüfbar. Lediglich in atypischen Fällen darf die Beklagte von der Regelförderungsdauer abweichen (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., Rdnr. 21 zu § 114).
Ein Ausnahmefall, der das Abweichen von der Regelförderungsdauer zulässt, ist vorliegend nicht gegeben.
Ein solcher lässt sich nicht auf die Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme (A FdA) vom 19.05.1989, ANBA 1998 S. 997, i. d. F. der 4. Änderungs-Anordnung zur A FdA vom 25.11.1994, ANBA 1995 S. 1, stützen.
Wie vom SG zutreffend festgestellt, erließ der Verwaltungsrat der Beklagten zwar auf der Basis des § 55a Abs. 4 i. V. m. § 191 Abs. 3 AFG die A FdA. Die A FdA in der maßgeblichen Fassung enthielt jedoch - wie vom SG ebenfalls zutreffend festgestellt - keine Regelung über die Voraussetzungen einer Verkürzung der Förderungsdauer. Vielmehr bestimmte der ÜbbG betreffende § 24 A FdA lediglich die Höhe der Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersversorgung sowie die Auszahlungsmodalitäten.
Der Ausnahmefall ergibt sich auch nicht aus einer Verwaltungsvorschrift der Beklagten. Zwar war die Beklagte nach der Rechtsprechung des BSG berechtigt, in einem Runderlass oder einer Dienstanweisung den Ausnahmefall i.S.d. § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG zu definieren (BSG, Urteil vom 11.11.1993, 7 RAr 52/93; BSG, Urteil vom 17.10.1990, 11 RAr 109/89, BSG, Urteil vom 25.10.1990, 7 RAr 14/90; Hennig, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Rdnr. 21 zu § 55a).
Nach dem Vorspann des Runderlasses der Bundesanstalt für Arbeit vom 03.01.1997 dürfen bei der Gewährung von Leistungen für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die zugeteilten Haushaltsmittel nicht überschritten werden. Nach Ziffer 3 des Runderlasses, der mit "Verkürzung der Förderungsdauer" überschrieben ist, kann die Förderungsdauer bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn der Alg-Anspruch schon weitgehend ausgeschöpft ist. In diesem Fall würde es nach dem Wortlaut des Runderlasses dem Versicherungsprinzip widersprechen, das Übbg in Höhe des Alg für die längstmögliche Dauer von 26 Wochen zu bewilligen. Ziffer 7 des Runderlasses regelt unter der Überschrift "Einengung der Zugangsvoraussetzungen", dass - soweit es darüberhinaus zur Einhaltung der zugeteilten Haushaltsmittel erforderlich sei - vorrangig Existenzwillige gefördert werden sollten, die wegen ihrer vergleichsweise ungünstigen Vermittlungsaussicht schon längere Zeit arbeitslos im Leistungsbezug standen und für die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die einzige Alternative zu ansonsten fortbestehender Arbeitslosigkeit darstellt.
Im Runderlass wurde mithin zwischen der Ermessensausübung nach § 55a Abs. 1 AFG in der mit "Einengung der Zugangsvoraussetzungen" überschriebenen Ziffer 7 und der Bestimmung der Voraussetzungen nach § 55a Abs. 2 AFG in Ziffer 3 ("Verkürzung der Förderungsdauer") unterschieden. Eine Verkürzung der Förderungsdauer war mithin nach dem Runderlass lediglich zulässig, wenn der Alg-Anspruch bei Antragstellung auf Übbg bereits weitgehend ausgeschöpft war.
Der Regelungsgedanke in Ziff. 3 des Runderlasses wurde durch Ziff. 1.24.121 der Dienstanweisung der Beklagten zur Gewährung von Übbg untersetzt. Danach sollte die Förderungsdauer von grundsätzlich 26 Wochen den finanziellen Anreiz erhöhen, möglichst frühzeitig aus dem Leistungsbezug auszuscheiden und dadurch die Arbeitslosenversicherung im Ergebnis zu entlasten.
Die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Förderungsdauer nach dem Runderlass lagen beim Kläger gerade nicht vor. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung lediglich Alg für die Dauer von 52 Leistungstagen bezogen, obwohl ihm die Leistung für die Dauer von 312 Leistungstagen bewilligt worden war. Ihm hätte folglich - falls er keine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hätte - noch Alg für mehr als 26 Wochen zugestanden.
Da die im Runderlass unter Ziffer 7 genannten Kriterien nach ihrem eindeutigem Wortlaut lediglich eine Hilfe zur Ermessensentscheidung nach § 55a Abs. 1 AFG darstellten und die Beklagte im vorliegenden Fall das "ob" der Förderung auch nach Auffassung des Senats zutreffend bejaht hatte, rechtfertigten die unter Ziffer 7 des Runderlasses genannten Kriterien die Verkürzung der Förderungsdauer im konkreten Fall nicht.
Die Beklagte kann einen Ausnahmefall auch nicht auf die Hinweise des Sächs. Landesarbeitsamtes an die Arbeitsämter in Sachsen vom 12.03.1997 stützen. Zwar ist hierin zur Untersetzung der Ziff. 7 des Runderlasses der Bundesanstalt ausgeführt, dass bei einer Ausschöpfung des Alg-Anspruchs von bis zu 20 % die Förderungsdauer um 4 Wochen zu verkürzen sei. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Hinweise des Sächs. Landesarbeitsamtes nicht durch den Runderlass der Bundesanstalt gedeckt sind. Wie bereits ausgeführt, handelte es sich bei Ziff. 7 des Runderlasses um ermessensleitende Richtlinien zur Entscheidung, ob die Förderung gewährt wird, mithin zu § 55a Abs. 1 AFG. Vorliegend kann dahinstehen, ob Ziff. 7 des Runderlasses von der Ermächtigungsnorm des § 55a Abs. 1 AFG gedeckt ist. Zweifel ergeben sich deshalb, weil nach dem Runderlass lediglich Langzeitarbeitslose ohne reelle Vermittlungschance in eine angestellte Tätigkeit förderungswürdig wären. Übbg würde hiernach folglich nur ganz wenigen Arbeitslosen gewährt. Die meissten Arbeitslosen, die sich selbstständig machen und Übbg beantragen, sind jedoch nicht langzeitarbeitslos und ohne Aussicht auf eine Vermittlung in eine angestellte Tätigkeit. In diesen Hinweisen des Sächsischen Landesarbeitsamtes wurde nicht beachtet, dass der Runderlass in Ziff. 7 ermessensleitende Richtlinien zu § 55a Abs. 1 AFG formulierte. Bei § 55a Abs. 1 AFG handelt es sich um eine Ermessensnorm. Gleiches gilt jedoch - wie bereits oben ausgeführt - nicht für § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine Ermessensnorm. Folglich war die Bundesanstalt für Arbeit, nicht berechtigt, ermessensleitende Richtlinien zu dieser Norm zu erlassen. Die Bundesanstalt war lediglich zur Definition des Ausnahmefalls i.S.d. § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG befugt. Ein Ausnahmefall liegt nach Ansicht des Senats hier aber nicht vor.
Die Regelung in den Hinweisen des Sächsischen Landesarbeitsamtes würde ferner zu einer Umkehrung des im Gesetz vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses führen. Lediglich relativ wenige Arbeitslose würden die im Widerspruchsbescheid genannten Voraussetzungen erfüllen, bei den meisten Antragstellern, die sich zum Gang in die Selbstständigkeit entscheiden, wäre das dagegen nicht der Fall.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist die BA jedoch trotz des Erlasses von Richtlinien in einem Runderlass zur Prüfung der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, im Einzelfall berechtigt und verpflichtet (BSG, Urteil vom 11.11.1993, 7 RAr 52/93; BSG, Urteil vom 17.10.1999, 11 RAr 109/88; Urteil vom 25.10.1990, 7 RAr 14/90; Hennig, a.a.O.; Winkler, in: Gagel, AFG, Rdnr. 14, 16 zu § 55a). Die im Ausgangsbescheid vom 04.08.1997 und im Widerspruchsbescheid vom 20.02.1998 gegebene Begründung für die Verkürzung der Förderungsdauer ist nach der Auffassung des Senats nicht von der Norm des § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG gedeckt und daher fehlerhaft. Danach wurde seitens der Beklagten das Vorliegen eines Ausnahmefalles damit begründet, dass Alg nur kurze Zeit bezogen und es deshalb dem Versicherungsprinzip widersprechen würde, das Übbg für die "längstmögliche Dauer von 26 Wochen" zu bewilligen.
Die Beklagte argumentiert im vorliegenden Fall entgegen den Grundsätzen des Runderlasses und ihrer Dienstanweisung. Nach den dortigen Hinweisen soll eine Verkürzung unter Berücksichtigung des Versicherungsprinzips dann erfolgen, wenn der Alg-Anspruch zum Zeitpunkt der Antragstellung weitgehend erschöpft war. Das wäre im Falle des Klägers beispielsweise dann anzunehmen gewesen, wenn er den Antrag auf Übbg am 01.04.1998 (mithin vier Wochen vor dem Ende des Alg-Bezuges) gestellt hätte. Dieses Ergebnis wäre dann unter Verweis auf das Versicherungsprinzip billig und gerecht. Der Kläger hat durch seine versicherungspflichtige Tätigkeit vom 01.02.1995 bis 30.04.1997 einen Anspruch auf Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit für die Dauer von 312 Leistungstagen erworben. Alg hätte er im o.g. Falle vom 01.05.1997 bis 30.03.1998 in Anspruch genommen (281 Leistungstage). Danach wäre ihm Übbg für weitere 22 Wochen (132 Leistungstage) bewilligt worden. Er hätte folglich insgesamt 16 Monate (413 Leistungstage) Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bezogen, obwohl er lediglich eine Anwartschaftszeit für 12 Monate (312 Leistungstage) erworben hatte.
Der vorliegende Fall liegt jedoch anders. Der Kläger hatte, obwohl ihm ein Anspruch auf Alg für die Dauer von 312 Leistungstagen zustand, die Leistung lediglich vom 01.05.1997 bis 30.06.1997 in Anspruch genommen. Die Bewilligung von Übbg für die regelmäßige Förderungsdauer von 26 Wochen wäre vorliegend gerade unter Berücksichtigung des Versicherungsprinzips (der Kläger erwarb eine Anwartschaft auf Leistungen der BA von 312 Leistungstagen; er erhielt jedoch lediglich sieben Monate derartige Leistungen) gerechtfertigt gewesen.
Da die Beklagte die Bewilligung mit einer dem eigenen Runderlass entgegenstehenden Begründung ablehnte, sind die Bescheide rechtswidrig. Auch die weitere Begründung der Verkürzung der Förderungsdauer im Widerspruchsbescheid vermag diese nicht zu rechtfertigen. Danach sollten vorrangig Existenzgründungswillige gefördert werden, die wegen ihrer vergleichsweise ungünstigen Vermittlungsaussicht schon längere Zeit arbeitslos waren und im Leistungsbezug der Beklagten standen und für die die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die einzige Alternative zur ansonsten fortbestehenden Arbeitslosigkeit darstellt. Zunächst ist festzustellen, dass die gegebene Begründung auf Ziff. 7 des Runderlasses basierte. Ziffer 7 regelte jedoch die Einengung der Zugangsvoraussetzungen, mithin die Ausübung des Ermessens nach § 55a Abs. 1 AFG, nicht hingegen die Verkürzung der Förderungsdauer nach § 55a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 AFG. Wie bereits oben ausgeführt führt diese Argumentation nicht zum Vorliegen eines Ausnahmefalls.
Auch die weitere Begründung, der Antragsteller werde im ersten Förderungsjahr ein gutes Betriebsergebnis erzielen, basiert auf keinerlei tatsächlichen Feststellungen der Beklagten. Diese Aussage ist vielmehr spekulativ. Auf eine spekulative Aussage kann die Verkürzung der Förderdauer nicht gestützt werden.
Betrachtet man den vom Kläger am 30.06.1997, mithin vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeiten, erstellten Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan für das Gründungsjahr ab 01.07.1997 so ist festzustellen, dass er bis Dezember 1997 lediglich mit einem monatlichen Umsatz, nicht Gewinn, von 15.000,00 DM, jedoch mit Kosten von 32.544,00 DM rechnete. Es ist folglich festzustellen, dass die Kanzlei nach den aufgestellten Plänen während der Förderdauer von 26 Wochen ein negatives Betriebsergebnis erzielen würde. Daher ist eine Versagung der Förderung mit dieser Begründung nicht gerechtfertigt.
Auch ansonsten liegen nach Ansicht des Senats keine Gründe vor, die für die Annahme eines Ausnahmefalles i.S.d. § 55a Abs. 2 Satz 1 AFG sprechen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG; Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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