L 3 AL 120/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 2 AL 111/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 120/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Einarbeitungszuschusses (EZ) für die Zeit vom 01.02.1995 bis zum 31.07.1995 in Höhe von 2.508,00 DM.

Die Klägerin ist ein im Messebau (Auf- und Abbau von Messeständen) tätiges Unternehmen. Sie beantragte am 24.01.1995 Gewährung eines Einarbeitungszuschusses für die bisher arbeitslose Arbeitnehmerin M ... H ... (M. H.). M. H. hatte einen Berufsabschluss als Näherin. Vorgesehen war für sie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Einarbeitungszeit vom 01.01.1995 bis zum 31.07.1995 als Lageristin für Messesysteme. Die Einarbeitung sei erforderlich, weil sie Kenntnisse und Fertigkeiten in dem gesamten Modul-System sowie dessen Lagerung erwerben müsse. Das vereinbarte Bruttoarbeitsentgelt betrug monatlich 1.672,00 DM. Auf dem Antragsformular unterzeichnete der Geschäftsführer der Klägerin die Verpflichtungserklärung, jede Änderung gegenüber den Angaben im Antrag unverzüglich mitzuteilen. Von dem Inhalt der Anlage zum Antrag auf Gewährung eines EZ habe er Kenntnis genommen.

Mit Bescheid vom 10.04.1995 bewilligte die Beklagte einen Einarbeitungszuschuss für 6 Monate in Höhe von 30 %, also monatlich 501,60 DM.

Am 16.09.1995 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit M. H. fristlos und im "beiderseitigen Einvernehmen" aufgrund von Auftragsmangel. In der Arbeitsbescheinigung für M. H. wurde von der Klägerin keine nur vorübergehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses angegeben. M. H. meldete sich am 18.09.1995 arbeitslos, stellte sich der Arbeitsvermittlung ohne Einschränkung zur Verfügung und beantragte Arbeitslosengeld.

Hierauf forderte die Beklagte gestützt auf § 49 Abs. 4 AFG mit Bescheid vom 05.12.1995 von der Klägerin die Rückzahlung des Einarbeitungszuschusses, da das Arbeitsverhältnis vom Leistungsempfänger innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Einarbeitungszeit ohne wichtigen Grund beendet worden sei.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 08.12.1995. M. H. sei nur vorübergehend aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, da die Messepause eingesetzt habe. Sie werde jedoch spätestens zum 01.02.1996 wieder eingestellt. Die Winterpause sei von vornherein geplant und bekannt gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 49 Abs. 4 AFG sei ein Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis während der Einarbeitungszeit oder innerhalb von 6 Monaten nach Ende der Einarbeitungszeit beendet werde. Dies gelte lediglich dann nicht, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet hat oder der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, dieses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Dies entspreche auch § 25 Abs. 9 der Anordnung Fortbildung und Umschulung (AFuU) vom 29.04.1993 in der Fassung der 1. Änderungsanordnung vom 10.03.1994. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Die Arbeitnehmerin sei vielmehr aus betriebsbedingten bzw. wirtschaftlichen Gründen gekündigt worden. Daher sei die Klägerin verpflichtet, den erhaltenen Einarbeitungszuschuss zu erstatten.

Hiergegen hat sich die Klägerin am 09.02.1996 an das Sozialgericht Chemnitz (SG) gewandt. Am 15.09.1995 seien die Messearbeiten saisonbedingt beendet worden. Die Kündigung sei mit dem Vermerk erfolgt, dass der Arbeitsplatz für die Arbeitnehmerin ab dem 15.02.1996 bzw. spätestens 01.03.1996 wieder frei zur Verfügung stehe, da dann die Messesaison wieder anlaufe. Die Saisonpause sei der Vermittlungsstelle des Arbeitsamtes bei Stellung des Antrages mitgeteilt worden. Von Seiten des Arbeitsamtes seien hiergegen keine Einwände erhoben worden. Das Arbeitsverhältnis sei nicht auf Dauer gekündigt worden, sondern nur für die Zeit der Winterpause. Diese sei ca. 6 Wochen vorher angekündigt worden. Die Klägerin könne dem Arbeitnehmer nicht zumuten, "bei der Witterung in unbeheizten Hallen mit Wasser zu arbeiten".

Schließlich hat die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.1996 mitgeteilt, M. H. sei zum 01.04.1996 als Vollzeitarbeitskraft wieder eingestellt worden. Eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bedeute kein Ausscheiden aus der Firma. Die lange Winterpause sei von der Natur bestimmt worden. Normalerweise beginne die Frühjahrsarbeit Anfang Februar.

Hierzu hat die Beklagte entgegnet, M. H. habe sich im September 1995 als Vollzeitarbeitskraft der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt. Bei einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit von 6 1/2 Monaten (dies bedeute eine jährliche Beschäftigung von nur 5 1/2 Monaten) könne keinesfalls mehr von der Schaffung eines Dauerarbeitsplatzes gesprochen werden. Dies mache jedoch die Zielstellung der Gewährung des Einarbeitungszuschusses aus. Lediglich eine Unterbrechung von bis zu 3 Monaten sei noch unschädlich.

Nach einer handschriftlichen Stellungnahme der Arbeitsvermittlung vom 20.08.1996 unter Hinweis auf den Beratungsvermerk vom 20.01.1995 hatte die Klägerin bei Antragstellung keine saisonbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses angezeigt. In der Anlage zum Antrag auf Gewährung eines Einarbeitungszuschusses (EZ) sei u. a. bereits auf die Voraussetzungen von § 49 Abs. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) hingewiesen worden. Die Kenntnisnahme von dieser Anlage sei bei der Antragstellung unterschriftlich bestätigt worden.

Der Geschäftsführer der Klägerin hat hierzu vorgetragen, die beigefügte Anlage habe er bisher noch nie gesehen.

Mit Urteil vom 28.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen von § 49 Abs. 4 AFG i. V. m. § 25 Abs. 9 der Anordnung Fortbildung und Umschulung hätten vorgelegen. Dagegen seien Gründe, die eine Ausnahme rechtfertigten, nicht gegeben. Diese könnten auch nicht durch die beabsichtigte Wiedereinstellung begründet werden. § 49 Abs. 4 AFG regele die Ausnahmetatbestände abschließend.

Gegen das am 26.07.1999 abgesandte Urteil hat die Klägerin am 10.08.1999 (Eingang beim SG) "Einspruch" eingelegt. Am 21.05.1999 sei der Geschäftsführer schwer erkrankt und habe dies noch am gleichen Tag dem Gericht mit der Bitte um Terminsverschiebung mitgeteilt. Dies sei jedoch nicht berücksichtigt worden. Aus seiner Abwesenheit seien der Klägerin Nachteile entstanden. Daher lege er fristgerecht "Einspruch" ein und beantrage "eine Wiederaufnahme des Rechtsstreits".

Nachdem das SG dieses Schreiben als "Berufung" an das Sächsische Landessozialgericht abgegeben hat, hat sich die Klägerin in der Folgezeit auch mit einer "Berufungsbegründung" an dieses gewandt und einen neuen Verhandlungstermin beantragt. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, eine Zurückverweisung an das Sozialgericht Chemnitz sei sachlich nicht geboten, da der geltend gemachte Anspruch auf rechtliches Gehör auch im Berufungsverfahren nachgeholt werden könne.

Auf gerichtliche Anfrage hat M. H. durch Schreiben vom 27.12.2000 mitgeteilt, ihre Arbeitsaufgaben hätten darin bestanden, Messegut für die einzelnen Messen zusammenzustellen, zu packen und zu reparieren. Sie habe nicht davon ausgehen können, dass es zu einer Fortsetzung (der Beschäftigung) kommen werde. Am 15.09.1995 sei sie mit der Begründung gekündigt worden, es gebe zur Zeit keine Aufträge mehr, um Messestände zu bauen. Eine weitere Erklärung sei nicht erfolgt. Es sei ihr auch nicht bekannt gewesen, zu welchem genauen Zeitpunkt eine Fortsetzung der Arbeitstätigkeit erfolgen sollte.

Hierzu hat der Geschäftsführer der Klägerin erklärt, das Schreiben sei "etwas unglücklich formuliert" worden. Bei einer persönliche Anfrage habe er M. H. so verstanden, dass sie zum Ausdruck bringen wollte, bei der Entlassung zum 15.09.1995 sei ihr nicht genannt worden, zu welchem Zeitpunkt die Tätigkeit wieder fortgesetzt werde. Es sei richtig, dass zu diesem Zeitpunkt der Entlassung nicht voraussehbar gewesen sei, wann die Winterpause enden werde. Die Abteilung Messebau sei zum 01.01.1999 an einen Nachfolger übergegangen; in diesem Unternehmen sei M. H. heute noch beschäftigt. M. H. hat auf Vorhalt dieser Erklärung mitgeteilt, sie habe ihrem Schreiben vom 27.12.2000 nichts hinzuzufügen.

Auf gerichtliche Anfrage hat der Geschäftsführer der Klägerin mit Schreiben vom 12.03.2001 mitgeteilt, die Wiedereinstellung sei mit M. H. mündlich formuliert worden. An die genaue Formulierung und den Zeitraum könne er sich nicht mehr erinnern. Die Messepause habe sich aufgrund rar gewordener Messeausstellungen, "schlicht Auftragsmangel", ergeben. Nach dieser Zeit habe er auch ausländische Messeorte angesprochen und Aufträge zur Überbrückung der schwachen Monate in der BRD vereinbart. Die schwachen Zeiten in der BRD seien völlig unterschiedlich gewesen. Daher komme es seither nicht mehr zu einem Betriebsstillstand. Zu der damaligen Zeit habe er das Arbeitsamt informiert, dass es zu diesen Pannen kommen könne. Zum Zeitpunkt der Einstellung sei dies jedoch noch nicht erkennbar gewesen, da die Aufträge etwa zwei bis drei Monate vor Beginn der Ausführungen gekommen waren. Den Zeitraum habe er damals als unbekannt angegeben. Auf eventuelle Folgen sei er nicht aufmerksam gemacht worden.

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.05.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 05.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die Leistungsakte des Arbeitsamtes Chemnitz für M. H. (Stamm-Nr ...) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

I.

Zweifel an der Einlegung einer Berufung könnten hier allerdings insofern bestehen, als die Klägerin zunächst die Bezeichnung "Einspruch" gebraucht hat und erklärte, sie begehre eine "Wiederaufnahme des Rechtsstreits". Dies könnte - anstatt einer zulässigen Berufung - auch auf einen (unzulässigen) Antrag auf Erklärungen nicht rechtskundiger Verfahrensbeteiligter sind jedoch unter Berücksichtigung des tatsächlich Gewollten und der Gesamtumstände auszulegen (§§ 106 Abs. 1, 123 SGG). Die Klägerin wollte mit ihrem Schreiben vom 05.08.1999, welches an das Sozialgericht adressiert war, eine Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung rügen und eine nochmalige Verhandlung in der Sache erreichen. Da sie in der Folgezeit ohne Beanstandung mit dem Landessozialgericht als Berufungsinstanz korrespondierte, ist nicht davon auszugehen, dass sich ihr Überprüfungsbegehren speziell und ausschließlich an das Sozialgericht richtete, sondern sie vielmehr das gesetzlich eröffnete Rechtsmittel der Berufung einlegen wollte.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin den ihr gewährten Einarbeitungszuschuss (EZ) zurückzuzahlen hat. Der Bescheid vom 05.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.1996 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten angeordnete Rückzahlung des EZ ist § 49 Abs. 4 AFG i. d. F. des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21.12.1993 (BGBl I, Seite 2353) i. V. m. § 25 Abs. 9 der Anordnung Fortbildung und Umschulung vom 29.04.1993 i. d. F. der 1. Änderungsanordnung vom 16.03.1994 (AFuU). Danach ist der Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis während der Einarbeitungszeit oder innerhalb von 6 Monaten, in Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 2 AFG innerhalb von 12 Monaten nach dem Ende der Einarbeitungszeit beendet wird; dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet hat oder der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, dieses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.

Vorliegend ist das Arbeitsverhältnis i. S. d. § 49 Abs. 4, 1. Halbsatz AFG durch die von der Klägerin am 15.09.1995 ausgesprochene Kündigung beendet worden. Zwar stellt sich in der Rückschau nunmehr die Zeit zwischen dem 15.09.1995 und dem 01.04.1996 wie eine "Unterbrechung" dar, da M. H. nach Angaben der Klägerin bei der Rechtsnachfolgerin weiterbeschäftigt ist. Dies führt aber nicht dazu, dass es zunächst - mit dem 15.09.1995 - dennoch nicht zu einer Beendigung gekommen und das Arbeitsverhältnis lediglich ausgesetzt/suspendiert worden wäre. Zwar ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-), ein anderes Verständnis als "Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung" ergibt sich hier jedoch auch nicht durch Auslegung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände.

Das Schreiben der Klägerin vom 15.09.1995 trägt die Überschrift "Kündigung". Im Anschluss daran heißt es u. a.: "Nach beiderseitigem Einvernehmen kündigen wir ...". Der Inhalt der Begriffe "Kündigung" und "kündigen" ist eindeutig; er bedeutet die "Beendigung des Arbeitsverhältnisses". Auch die Formulierung "nach beiderseitigem Einvernehmen" läßt - entgegen der Behauptung des Geschäftsführers - auf keine andere Bedeutung schließen, denn mit dieser Formulierung wird lediglich erklärt, dass die Kündigung nicht angegriffen wird bzw. auch seitens des Arbeitnehmers Einverständnis mit dieser besteht.

Auch die Arbeitnehmerin M. H. ging ebenfalls von einer "Kündigung" i. S. einer Beendigung und nicht nur von einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses aus. Hierzu führte sie in ihrem Schreiben vom 27.12.2000 aus: "Ich wurde am 15.09.1995 gekündigt ...". In Übereinstimmung damit hat sie auch bei ihrer Arbeitslosmeldung am 18.09.01 keine nur vorübergehende Arbeitslosigkeit angegeben.

Auch die weiteren Umstände dieser Erklärung entsprachen der Bedeutung des Begriffes "Kündigung". Zweck der "Kündigung" war es, das mit M. H. bestehende Arbeitsverhältnis wegen Auftragsmangels zu beenden. Bereits durch die Begründung des Kündigungsschreibens wurde erkennbar, dass der Grund für die Kündigung nicht die Witterung war, wie der Geschäftsführer der Klägerin später in der Klageschrift erklärte, sondern die Auftragslage. In dem letzten Schreiben des Geschäftsführers an das LSG vom 12.03.2001 wird dieser Grund schließlich wieder bestätigt, denn anderenfalls hätte er nicht erklären können, dass eine "andere Beschäftigung ... in diesem Zeitraum nicht möglich (gewesen sei), weil der Betrieb völlig still stand", also "schlicht Auftragsmangel" bestanden habe und normalerweise die Frühjahrsaufträge bereits Anfang Februar begonnen hätten. Auch wenn die Klägerin möglicherweise eine Wiedereinstellung von M. H. in Betracht gezogen haben sollte, diese dann aber erst ab dem 01.04.1996 erfolgte, macht dies deutlich, dass ursächlich für die Kündigung die Unsicherheiten der Auftragslage waren. Da somit für M. H. im Zeitpunkt der Kündigung keine Arbeit mehr vorhanden war, sollte diese auf eine nicht vorherbestimmte Zeitdauer nicht (mehr) beschäftigt und entlohnt werden.

Etwas anderes ergäbe sich selbst dann nicht, wenn die Klägerin - entgegen der bisherigen, schriftlichen Erklärung von M. H. - mit dieser bereits im September 1995 eine Wiedereinstellung vereinbart hätte. Zwar kann aus einer solchen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Einzelfall ein Wiedereinstellungsanspruch ableitbar sein (vgl. LAG Frankfurt, Urteil vom 18.11.1996, NZA-RR 1997, 369 bis 371; ArbG Bonn, Urteil vom 13.10.1999 Az: 5 Ca 1311/99 EU; LAG Frankfurt, Urteil vom 10.11.1999 Az: 13 Sa 3769/98; Buchner, in: Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 1992, § 38 Rdnr. 335). Eine derartige Abrede ändert indes grundsätzlich nichts daran, dass das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis mit allen rechtlichen Folgen zunächst einmal beendet ist.

Nach den vorliegenden Umständen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Kündigung i. V. m. der - vom Geschäftsführer der Klägerin angegebenen - Wiedereinstellungszusage lediglich eine Aussetzung/Suspendierung der arbeitsvertraglichen Pflichten für eine bestimmte Zeit bezweckt war. Zwar ist ein übereinstimmender Wille der Parteien rechtlich auch dann allein maßgebend, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat; in diesem Fall hat das übereinstimmend Gewollte den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (Falsa demonstratio non nocet). Ausnahmsweise kann also trotz eindeutigen Wortlauts einer Willenserklärung das übereinstimmend Gewollte maßgebend sein (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Auflage, 1997, § 133 Rdnr. 6). Dies setzt allerdings voraus, dass der Empfänger einer empfangsbedürftigen Willenserklärung den wirklichen Willen des Erklärenden zumindest erkannt hat (Heinrichs, a. a. O.). Dafür, dass M. H. erkannt hätte, dass die Klägerin lediglich eine Aussetzung/Suspendierung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren wollte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. M. H. hat sich vielmehr anlässlich ihrer Arbeitslosmeldung am 18.09.1995 dahingehend geäußert, dass eine Arbeitgeberkündigung wegen Auftragsmangels erfolgt sei. Entsprechend dem Beratungsvermerk von diesem Tag war von einer Aussetzung der arbeitsvertraglichen Pflichten bzw. einer lediglich vorübergehenden Beendigung, verbunden mit einer Einstellungszusage, bei diesem Gespräch keine Rede. Bei ihrer folgenden Antragstellung auf Alg gab M. H. dementsprechend auch keine Einschränkungen für den Zeitraum der gewünschten Vermittlung an. Auch aus der Arbeitsbescheinigung ergab sich hierzu kein Hinweis. (Bei Vorliegen eines konkreten Willens zum Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses hätte z. B. angekreuzt werden können "das Beschäftigungsverhältnis ist beendet, das Arbeitsverhältnis besteht jedoch fort ...".) Zudem hat der Geschäftsführer der Klägerin in dem an das LSG gerichteten Schreiben vom 12.03.2001 deutlich gemacht, dass er, um M. H. Leistungen des Arbeitsamtes zu ermöglichen, auch selber keine vorübergehende Freistellung von der Arbeit ohne Lohnzahlung o. ä. beabsichtigt hatte.

Im Gegensatz zu dem dem Urteil des Senats vom 16.07.1997 (E-LSG AL 155 Az: L 3 AL 184/95 = SGb 199, 187) zugrunde liegenden Sachverhalt, war hier nicht bereits im unmittelbaren Zusammenhang mit der Kündigung schon das "weitere" Arbeitsverhältnis konkret vereinbart worden. Dies war deshalb schon nicht möglich, weil aufgrund der Ungewissheit der Auftragslage ein genauer Termin für den Beginn der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten nicht feststehen konnte. Zudem erfolgte weder die Vereinbarung des Fortwirkens arbeitsvertraglicher Nebenpflichten oder Rechte (z. B. Bestandsschutz auch in der Zeit ohne tatsächliche Beschäftigung) noch war eine zumindest "schwebende" Dienstbereitschaft von M. H. (Arbeitsverpflichtung bei Bedarf auf Abruf der Klägerin) vereinbart worden.

Mangels eines übereinstimmenden gegenteiligen Willens ist mithin die Erklärung der Klägerin vom 15.09.1995 als Kündigung die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 49 Abs. 1, 1. Halbsatz AFG zu verstehen. Eine Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, dass eine Kündigung, verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt, kommt nicht in Betracht. Zwar wäre es, ausgehend vom Zweck der EZ-Gewährung, nämlich der Erhöhung der beruflichen Beweglichkeit des Arbeitnehmers durch Erlernen neuer Kenntnisse und Fähigkeiten (vgl. BSG SozR 4100 § 49 Nr. 3), durchaus sinnvoll, eine Unterbrechung der Einarbeitung mit anschließender Verlängerung der Einarbeitungszeit um die Dauer der Unterbrechung zuzulassen, wenn z. B. witterungsbedingt die Einarbeitung ohnehin nicht durchgeführt werden kann. Arbeitsrechtlich könnte dem durch die Vereinbarung des Ruhens der arbeitsvertraglichen Pflichten Rechnung getragen werden; eine solche ist jedenfalls dann zulässig, wenn sie von vornherein für eine genau bestimmte, mit dem Grund der Arbeitsfreistellung korrespondierende Dauer vereinbart wird (vgl. BAG, Urteil vom 13.08.1980, DB 1981, 479). Dazu hätte allerdings - zum Schutz der Arbeitnehmerin Frau M. H. - eine bestimmte Zeit vereinbart werden müssen. Ob hierin dennoch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses i. S. von § 49 Abs. 4 AFG läge, kann indes offen bleiben. Denn eine solche Vereinbarung wurde zwischen der Klägerin und M. H., wie erläutert, nicht getroffen. Vielmehr erfolgte eine Kündigung, die das Arbeitsverhältnis beendet hat. Der eindeutige Wortlaut des § 49 Abs. 4 AFG, der die Rückzahlungspflicht an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses knüpft, lässt eine einschränkende Auslegung nicht zu. Das belegen auch die Ausnahmeregelungen des § 49 Abs. 4, 2. Halbsatz AFG (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.10.1997 - L 7 Ar 47/97). Sie wurden vom Gesetzgeber bewusst eng gefasst (vgl. BT-Drucks. I/3211 Seite 20). Lediglich beim Vorliegen eines wichtigen Grundes, der den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt, soll die Rückzahlungspflicht entfallen. Dies verbietet es, den Begriff der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 49 Abs. 4, 1. Halbsatz AFG erweiternd auszulegen und eine betriebsbedingte Kündigung - auch verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage - nicht als Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzusehen (LAG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 02.10.1997, a. a. O.).

Einer der in § 49 Abs. 4, 2. Halbsatz AFG genannten Ausnahmefälle, in denen die Pflicht zur Erstattung des EZ entfällt, ist nicht gegeben. Weder hat M. H. selbst gekündigt noch war die Klägerin zu einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB berechtigt, denn es lag kein wichtiger Grund i. S. dieser Norm vor, der der Klägerin eine Beschäftigung von M. H. sofort unzumutbar gemacht hätte, zumal nach dem Arbeitsvertrag vom 19.01.1995 lediglich eine Kündigungsfrist von 14 Tagen bestand.

Schließlich könnte auch eine - wie von der Klägerin behauptet - unterlassene Beratung über die eventuellen Folgen einer "Unterbrechung" des Arbeitsverhältnisses die Verpflichtung zur Rückzahlung nach § 49 Abs. 4 AFG nicht verhindern. Selbst wenn man eine pflichtwidrig unterlassene Beratungspflicht, die allerdings aus den vorliegenden Unterlagen in keiner Weise erkennbar ist, unterstellte, wäre dies nicht der Fall. Eine unzureichende Beratung kann im Sozialrecht gegebenenfalls einen so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen. Dieser Anspruch richtet sich jedoch auf Herstellung desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn die Verwaltung nicht rechtswidrig gehandelt hätte (Seewald in: KassKomm. Rdnr. 30 zu §§ 38 bis 47). Wären jedoch der Verwaltung die vorliegenden tatsächlichen Umstände bereits zuvor bekannt gewesen, so hätte sie einen EZ von vornherein nicht bewilligen können. Im Übrigen können im Wege des Herstellungsanspruchs zwar gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen, wie etwa eine verspätete Antragstellung als erfüllt angesehen werden; dies gilt jedoch nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnis liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht Einfluss auf den Leistungsanspruch haben (LSG, Urteil vom 12.07.1989 AZ: 7 RAr 62/88, NZA 1990, 76 m. w. N.). Es könnte daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keine andere Vertragsgestaltung (z. B. Änderung in eine Suspendierung des Arbeitsverhältnisses) fingiert werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision i. S. d. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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