L 3 AL 171/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 1149/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 171/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. September 1999 wird zurückgewiesen, soweit die Klage nicht zurückgenommen wurde.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Berufungsverfahren nunmehr nur noch die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen durch den Kläger für den Zeitraum vom 01. bis zum 31.12.1997.

Der am ...1970 geborene Kläger ist von Beruf gelernter Kfz- Mechaniker. Vom 01.01.1994 bis zum 18.07.1994 bezog er erstmals Arbeitslosengeld. Anschließend hatte er wieder eine Beschäftigung bis zum 31.08.1996. Vom 04.09. bis zum 04.11.1996 bezog der Kläger erneut Alg. Vom 05.11.1996 bis zum 06.04.1997 hatte er ein Arbeitsverhältnis als Liftbediener bei der Bergbahngesellschaft Z .../Österreich.

Hieran anschließend meldete er sich am 10.04.1997 wieder arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihm durch Bescheid vom 07.05.1997 Alg ab dem 21.04.1997. Hierbei ging sie von einem Bemessungsentgelt in Höhe von 740,00 DM sowie der Leistungsgruppe A aus. Dies ergab einen täglichen Betrag in Höhe von 46,10 DM.

Vom 01.12.1997 bis zum 01.05.1998 hatte der Kläger erneut ein Beschäftigungsverhältnis bei der S ...-Seilbahn/Österreich tätig. Während dieser Beschäftigungszeit war der Kläger bei der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen krankenversichert. Es handelte sich um ein Pflichtversicherungsverhältnis nach § 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG). Eine beitragsfinanzierte Pflegeversicherung im Sinne einer Pflichtversicherung besteht demgegenüber in Österreich nicht.

Eine rechtzeitige Unterrichtung vom Beginn dieser Beschäftigung ist aus der Akte nicht ersichtlich. Die Beklagte gab dazu an, sie habe von dieser Beschäftigung erst am 05.01.1998 durch einen Anruf der Mutter des Klägers Kenntnis erhalten. Der Kläger dagegen erklärte, die Arbeitsaufnahme bereits zuvor angezeigt zu haben.

Durch Bescheid vom 12.03.1998 hob die Beklagte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 01.12. bis zum 31.12.1997 auf und machte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.244,70 DM geltend. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Zur Berechnung der überzahlten Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge rechnete die Beklagte ein Bemessungsentgelt von 592,00 DM (80 % v. 740,00 DM) auf das beitragspflichtiges Bruttoentgelt in Höhe von 2.664,09 DM hoch. Bei einem Betragssatz von 12,8 % für die Krankenversicherung ergab sich für diese ein Betrag in Höhe von 341,00 DM und bei einem Beitragssatz von 1,7 % für die Pflegeversicherung ein Betrag von 45,29 DM. Diese Beträge forderte die Beklagte zunächst von der IKK Dresden (Beigeladene), an die sie die Beiträge entrichtet hatte, ein. Die IKK Dresden ein, teilte jedoch mit, ein weiteres Mitgliedschaftsverhältnis habe (bei ihr) nicht bestanden.

Durch Bescheid vom 27.08.1998 forderte daraufhin die Beklagte von dem Kläger die Erstattung der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 386,29 DM.

Dem widersprach der Kläger am 03.09.1998. Er habe im November 1997 die Arbeitsaufnahme telefonisch angezeigt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 03.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es habe für den Kläger kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden und zudem hätte auch keine rechtzeitige Meldung vorgelegen.

Hiergegen hat sich der Kläger am 17.12.1998 an das Sozialgericht Dresden gewandt. Er habe für den genannten Zeitraum bereits Beiträge in Österreich entrichtet.

Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, aus der Beschäftigung in Österreich ergebe sich kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis, da es sich nicht um ein solches nach § 5 SGB V handele. In § 4 Abs. 2 SGB V seien die möglichen Krankenkassen erschöpfend aufgezählt. Hierzu verwies die Beklagte auf die Dienstblatt-Runderlasse vom 11.05.1993 und vom 25.08.1995 (SG-Akte, Blatt 42 bis 47).

Durch Urteil vom 27.09.1999 hat das SG der Klage stattgegeben. Während der Beschäftigung in Österreich habe ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis i. S. v. § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestanden. Nach dem Wortlaut der Norm müsse es sich nicht zwingend um ein Versicherungsverhältnis nach § 5 SGB V handeln. Ziel der ursprünglichen Einfügung von § 157 AFG sei es gewesen, der Bundesanstalt für Arbeit einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu geben. Weiterhin solle derjenige, der Aufwendungen erspart habe, nicht kostenlos zu Lasten der BA versichert gewesen sein. Auch eine Versicherungspflicht in Österreich werde dieser Gesamtsituation gerecht.

Das SG hat die Berufung gegen diese Entscheidung ausdrücklich zugelassen.

Gegen das am 06.10.1999 zugegangene Urteil hat die Beklagte am 05.11.1999 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffas- § 157 Abs. 3a Satz 2 AFG (bzw. § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III) nicht bestanden habe. Dies sei ausschließlich bei einer Pflichtversicherung nach § 5 SGB V oder einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V gegeben.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2001 hat der Kläger die Klage hinsichtlich der Verpflichtung zur Erstattung der Pflegeversicherungsbeiträge i. H. v. 45,29 DM zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27.09.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, soweit die Klage nicht zurückgezogen wurde.

Die Beigeladenen stellen keine eigenen Anträge.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Akten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte Berufung (§ 141 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da sie das Sozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Urteil zugelassen hat.

Rechtsgrundlage für den nach dem 01.01.1998 geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 335 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Diese durch Artikel 1 Arbeitsförderungsreformgesetz (AFRG) eingeführte und mit Wirkung zum 01.01.1998 in Kraft getretene Norm entspricht im Wesentlichen der Vorgängervorschrift des § 157 Abs. 3a Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Gemäß § 335 Abs. 1 SGB III hat der Versicherte der Beklagten die Beiträge zu erstatten, soweit die Entscheidung, die zu einem Bezug von Alg, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld geführt hat, rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Diese Voraussetzungen liegen insoweit vor, als der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.03.1998 bezüglich der Erstattung des zu Unrecht bezogenen Alg bestandskräftig geworden ist. Der Kläger hat sich nicht gegen die Rückerstattung des Alg gewandt sondern lediglich gegen seine Verpflichtung zur Erstattung von Versicherungsbeiträgen, die für die Krankenversicherung der Höhe nach von der Beklagten unter Anwendung von § 232a Abs. 1 SGB III zutreffend mit 341,00 DM (vgl. SG-Akte, S. 28 Rücks. u. 30) beziffert wurden (zur Berechnung: BSG, Urteil vom 29.09.1997, SozR 3-2600 § 166 Nr. 1 = BSGE 81, 119-134). Daher wurde der Bescheid vom 12.03.1998 bestandskräftig gem. § 77 SGG. Das Gleiche gilt auf Grund der teilweisen Klagerücknahme im Berufungsverfahren für die Erstattung der Pflegeversicherungsbeiträge i. H. v. 45,29 DM.

§ 335 Abs. 1 SGB III knüpft mit der Erstattungspflicht an Beiträge i. S. v. § 251 Abs. 4a SGB V an. Es handelt sich mithin um Beiträge für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Versicherten, welche Alg, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld beziehen. Danach sind die genannten Leistungsempfänger als Pflichtversicherte in die gesetzliche Krankenkasse einbezogen, §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 251 Abs. 4a SGB V. Die Mitgliedschaft beginnt mit dem Tag, von dem an Alg bezogen wird, § 186 Abs. 2a SGB V. Sie endet mit Ablauf des letzten Tages des Leistungsbezuges, § 190 Abs. 12 SGB V. Diese Mitgliedschaft des Klägers bei der Beigeladenen auf Grund des tatsächlichen Leistungsbezuges trat grundsätzlich auch für die Zeit vom 01. bis 31.12.1997 ein. Nach dem Gesetzeswortlaut ist es entscheidend, ob die Leistung bezogen wird, d. h. es kommt darauf an, ob der Arbeitslose die Leistung tatsächlich erhält, denn nur ein Arbeitsloser im Leistungsbezug kann auf jeden Fall auf den bestehenden Versicherungsschutz vertrauen (BSG SozR 4100, § 159 Nr. 5). Die Versicherung nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 186 Abs. 2a SGB V entsteht auch, wenn der Arbeitslose Alg zu Unrecht erhält (BSG SozR 1100, § 159 Nr. 5; SozR 3-4100, § 155 Nr. 1 und § 157 Nr. 1). Eine Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses findet in diesen Fällen nicht statt. Selbst eine AFG-Leistung, die zurückgefordert und zurückgezahlt wurde, bleibt Grundlage der Krankenversicherung gem. § 155 AFG bzw. nunmehr § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (BSG SozR 3-2400, § 26 Nr. 6). Der Bezieher der Leistungen der Bundesanstalt hat jedoch dieser die entrichteten Beiträge zu erstatten.

Wird demgegenüber ohne Anzeige bzw. auch bei Nichtbeachtung einer entsprechenden Mitteilung durch das Arbeitsamt neben dem dann nicht rechtmäßigen Leistungsbezug eine Beschäftigung aufgenommen, bestehen zwei Versicherungsverhältnisse, die beitragsrechtlich getrennt zu behandeln sind. Rechtsfolge des Leistungsbezuges oder -anspruchs ist die Begründung einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ergibt und nach den Vorschriften des SGB V durchgeführt wird. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn vorher eine Krankenversicherung nicht bestanden hat. Ein Antrag des Arbeitslosen ist hierfür nicht erforderlich. Die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung besteht für Arbeitslose kraft Gesetzes, sie beruht nicht auf einer Entscheidung der Beklagten (Niesel/Düe, SGB III, § 335 Rdnr. 3). (Zwar besteht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V i. V. m. § 207a Abs. 1 Nr. 1 SGB III auf Antrag eine Befreiungsmöglichkeit; eine solche Situation war hier jedoch nicht gegeben.) Bei Bestehen eines solchen weiteren Krankenversicherungsverhältnisses wird der Leistungsbezieher grundsätzlich von seiner Erstattungspflicht befreit. Denn nach § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III begründet ein während des Leistungsbezugs aktuell bestehendes weiteres Krankenversicherungsverhältnis die Erstattungspflicht derjenigen Krankenkasse, die die Krankenversicherung nach den Vorschriften des SGB V durchgeführt hat. Dies führt dann zum Ausschluss einer Erstattungspflicht des Leistungsempfängers. § 335 Abs. 1 SGB V sowie die Vorgängervorschrift des § 157 Abs. 3a AFG stellen eine Reaktion des Gesetzgebers (BT-Drucks. 12/3211 S. 28 zu Nr. 45) auf die zuvor ergangene Rechtsprechung des BSG dar (vgl. zu den Gründen der Einführung von § 157 Abs. 3a AFG: BSG SozR 3-4100 § 157 Nr. 1 und Nr. 2, BSG SozR 3-4300 § 335 Nr. 1), die eine Rückzahlung der von der Beklagten während eines unrechtmäßigen Leistungsbezuges gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung durch den Leistungsempfänger nicht nur ausschloss, wenn neben die Krankenversicherung wegen Leistungsbezuges eine solche wegen Aufnahme einer Beschäftigung getreten war (BSG SozR 3-4100, § 157 Nr. 1), sondern auch im Falle des Betruges (BSG SozR 3-4100, § 155 Nr. 2; BSG SozR 3-4100, § 157 Nr. 2). Krankenversicherungsverhältnis i. S. d. § 157 Abs. 3a Satz 2 AFG sowie des § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III ist grundsätzlich ein Pflicht- oder freiwilliges Krankenverhältnis zu Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung im Geltungsbereich des AFG, vgl. §§ 5, 9 SGB V. Der Gesetzgeber hatte bei Schaffung der Regelungen des § 157 Abs. 3a Satz 2 AFG bzw. § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III die Fallgestaltungen im Blick, bei denen aus einem Nebeneinander von Leistungsbezug und einem anderen zur Krankenversicherung führenden Sachverhalt, z.B. einem Beschäftigungsverhältnis eine zweifache Versicherung begründet wird und eine Beitragspflicht aus jedem dieser Tatbestände erwächst (vgl. BSG SozR 3-4100, § 157 Nr. 2 m. w. N.). Die Situation der Leistungsempfänger ist in dieser Konstellation dadurch gekennzeichnet, dass ihr Krankenversicherungsschutz grundsätzlich bereits durch eine eigene Beitragsleistung begründet worden ist, so dass es unbillig wäre, sie zusätzlich mit einem Erstattungsanspruch für die von der Beklagten zur Krankenversicherung geleisteten Beiträge zu belasten.

Eine solche Situation war hier gegeben. Der Kläger unterlag im streitigen Zeitraum neben der durch den Alg-Bezug begründeten Krankenversicherung einer weiteren Krankenversicherungspflicht nach § 4 des Allgemeinen (österreichischen) Sozialversicherungsgesetzes. Auf Grund seiner Beschäftigung bei der Silvretta-Seilbahn AG in Ischgl/Österreich bestand für ihn nach dortigen Rechtsvorschriften kraft Gesetzes u. a. eine Krankenversicherungspflicht, auf Grund derer für ihn auch entsprechende Beiträge an die Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen entrichtet wurden.

Die Entscheidung des Sozialgerichts, dass eine Beschränkung der Regelung des § 157 Abs. 3a Satz 2 AFG bzw. § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III auf im Geltungsbereich des SGB V bestehende Krankenversicherungsverhältnisse nicht gerechtfertigt ist, ist jedenfalls dann zutreffend, wenn das umstrittene "weitere" Krankenversicherungsverhältnis - wie hier - im Geltungsbereich der Regelungen des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (BGBl. II, 1253) in der Fassung des Beitrittsvertrages vom 24. Juni 1994 (BGBl. II, 2022) i.V.m. dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 in der Fassung des Beitrittsvertrages vom 24. Juni 1994 angesiedelt ist. Der Wortlaut des § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III selbst enthält schon keine Beschränkung auf Versicherungsverhältnisse nach § 5 SGB V bzw. Krankenkassen nach § 4 Abs. 2 SGB V. Die Vorschrift ist bei einem durch Aufnahme einer in Österreich versicherungspflichtigen Tätigkeit bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bezug (vgl. EuGH SozR 3-6030 Artikel 48 Nr. 12) unter Berücksichtigung der Ziele des Artikel 48 ff. EWGVtr (nach Änderung jetzt Artikel 39 Abs. 2 EG) auszulegen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass ihre Anwendung geeignet ist, einen Wanderarbeiter davon abzuhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit aus Artikel 48 EWGVtr tatsächlich Gebrauch zu machen. Dies wäre jedoch der Fall, wenn man der Auffassung der Beklagten (und der Beigeladenen) folgte. Denn der Umstand, dass gleichzeitig zwei Krankenversicherungsverhältnisse im Geltungsbereich des SGB V bestehen, führt im Inland zum Wegfall der Erstattungspflicht nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Soweit diese Vergünstigung aber entfiele, wenn die vom Kläger selbst beitragsfinanzierte Krankenversicherung in einem anderen Mitgliedsstaat der EG durchgeführt wird, könnte dies ein Hindernis darstellen, dort eine Arbeitsstelle anzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. u. a. Urteil vom 24.09.1998 - C - 35/97, Urteil vom 21.11.1991, SozR 3-6048 Artikel 7 EWGV 1612/68 Nr. 1; Urteil vom 30.05.1989 - SozR 3-6030 Artikel 48 EWGVtr Nr. 13; Urteil vom 15.01.1986, SozR 6050 Artikel 73 Nr. 9; Urteil vom 16.05.2000 - C - 87/99, EuZW 410, 411, 2000) verbietet der in Artikel 48 EWGVtr und Artikel 7 EWGV 1612/68 verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung nicht nur offenkundige Diskriminierungen auf Grund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die mit Hilfe der Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu demselben Ergebnis führen können. Der Zweck des Artikel 48 wäre daher auch dann verfehlt, wenn die Arbeitnehmer die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Vergünstigungen verlören, die ihnen die Rechtsvorschriften ihres Mitgliedsstaates sichern (EuGH, Urteil vom 07.02.1991 SozR 3-6030 Artikel 48 EWGVtr Nr. 3; Urteil vom 07.03.1991 SozR 3-6030 Artikel 48 EWGVtr Nr. 4; SozR 6050 Artikel 78 Nr. 2). Auch wenn daher der Kläger im konkreten Fall sich nicht gehindert sah, eine Arbeitsstelle in Österreich anzunehmen, ist das nationale Recht unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels 48 EWGVtr so auszulegen, dass die tatsächliche Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit nicht mit Nachteilen verbunden sein darf, die nicht entstanden wären, hätte der Arbeitnehmer dieses Recht nicht für sich in Anspruch genommen (EuGH, Urteil vom 05.10.1994, SozR 3-6083 Artikel 4 EWGRL 79/7 Nr. 8; LSG Niedersachsen, Urteil vom 15.12.1998 L 7 AL 3798).

Für die entgegenstehende Auffassung der Beklagten spricht auch nicht die Vorschrift des § 335 Abs. 1 Satz 4 SGB III, wonach die Bundesanstalt und die Spitzenverbände der Krankenkassen (§ 213 SGB V) das Nähere über die Erstattung der Beiträge nach den Sätzen 2 und 3 durch Vereinbarung regeln können. Denn es handelt sich lediglich um eine Ermächtigung zu verfahrensrechtlicher Regelung für die interne Bearbeitung von Erstattungsfällen, die einen nicht im räumlichen Geltungsbereich des AFG angesiedelten Träger der Krankenversicherung zwangsläufig nicht erfassen kann. Hierauf beschränkt sich indes der Regelungsgehalt dieser Norm.

Dem steht auch das Urteil des BSG vom 10.08.2000 (SozR 3-4300 § 335 Nr. 1) nicht entgegen. Der der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsstreit betraf die Frage, ob bei einer privaten Krankenversicherung eine weiteres Krankenversicherungsverhältnis i. S. v. § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestehen kann. Dies hat das BSG abgelehnt. Bereits aus der Gesetzesterminologie "Krankenkassen" (§ 335 Abs. 1 Satz 3 SGB III) werde deutlich, dass es sich um Träger einer gesetzlichen Krankenversicherung handeln muss. Zudem könne der Leistungsempfänger, der zusätzlich einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlosen hat, dieser "doppelten Versicherung" - im Gegensatz zu dem Pflichtversicherten - ohne weiteres ausweichen. Die Vorschrift verfolge den Zweck, denjenigen von der Erstattung zu entlasten, dessen Beitragspflicht auf dem Eingreifen von zwei Versicherungspflichttatbeständen, beruhe. Denn die Versicherungspflicht tritt bei Vorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes ein. Eine Dispositionsbefugnis steht dem Leistungsempfänger insoweit nicht zu. Diese Situation war jedoch auch für den Kläger gegeben. Eine Versicherung gegen Krankheit erfolgte in einem der gesetzlichen Krankenversicherung i. S. d. SGB V vergleichbaren System. Die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) bestehende Versicherungspflicht knüpft - entsprechend den Regelungen des SGB V - an ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis an. Der Kläger hat daher keine Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Bestehens seiner Krankenversicherung bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen, als einem gesetzlichen Krankenversicherungsträger.

Der Wegfall der Erstattungspflicht ist hier auch nicht durch § 335 Satz 3 SGB II ausgeschlossen, denn der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum von der Beigeladenen zu 1) keine Leistungen aus der Krankenversicherung in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen der für sie günstigen Norm des § 335 Abs. 1 Satz 3 SGB III sind mithin nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der auf den Pflegeversicherungsbeitrag entfallende Anteil, hinsichtlich dessen der Kläger die Klage zurückgenommen hat, fiel hierbei nicht gesondert ins Gewicht.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die streitige Rechtsfrage hat nicht nur Bedeutung für diesen Einzelfall, sondern kann sich bei zahlreichen Beschäftigungen im europäischen EU-Ausland stellen.
Rechtskraft
Aus
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