L 3 AL 197/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 429/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 197/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.08.2000 und der Bescheid vom 31.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.1996 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Verfahrensinstanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Zuschüssen zum Arbeitsentgelt zur Einstellung eines Schwerbehinderten sowie die Geltendmachung einer Erstattungsforderung in Höhe von 10.800,00 DM.

Der am ... geborene Kläger betreibt eine Zahnarztpraxis.

Am 22.12.1992 beantragte er bei der Beklagten die Förderung der Einstellung und Beschäftigung der Schwerbehinderten Arbeitnehmerin ... (I. S.), bei der ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden war, in Form einer Eingliederungsbeihilfe sowie von Arbeitsentgeltzuschüssen. I. S. war zum Antragszeitpunkt die Schwiegermutter des Klägers. Sie wurde laut Arbeitsvertrag vom 23.12.1992 ab 01.01.1993 unbefristet als Verwaltungsangestellte/Rezeptionistin mit einem ortsüblichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.800,00 DM monatlich eingestellt.

Mit Bescheid vom 13.01.1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger anläßlich der Einstellung der Arbeitnehmerin I. S. für die Zeit vom 01.01.1993 bis 30.06.1993 eine Eingliederungsbeihilfe als Zuschuss in Höhe von 40 v.H. des bei Einstellung maßgeblichen und für die Bemessung zu Grunde zu legenden Arbeitsentgeltes von 1.800,00 DM, d.h. 720,00 DM monatlich.

Mit Bescheid vom 08.03.1993 gewährte die Beklagte einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt für die Dauer von zwei Jahren. Der Zuschuss betrage für den gesamten Förderzeitraum 19.440,00 DM. Im Zeitraum vom 01.01.1993 - 30.06.1993 würden monatlich 360,00 DM, vom 01.07.1993 - 31.12.1993 monatlich 1.080,00 DM und vom 01.01.1994 - 31.12.1994 monatlich 900,00 DM gezahlt. Nach dem Bescheidtext waren die als Anlage beigefügten Hinweise Bestandteil des Bescheides. In den Hinweisen erläuterte die Beklagte die gesetzlichen Voraussetzungen der Förderung. Sie wies auf die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung aller Änderungen (z.B. des Ausscheidens des Schwerbehinderten aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb der einjährigen Weiterbeschäftigungsfrist) hin.

Am 30.09.1994 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1994 wegen erheblicher finanzieller Schwierigkeiten seiner Praxis. Am 09.12.1994 meldete sich I. S. bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.01.1995 arbeitslos.

Mit Bescheid vom 31.05.1995 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 08.03.1993 mit Wirkung zum 08.05.1995 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X auf und forderte den Zuschuss in Höhe von 10.800,00 DM zurück. Mit Bescheid vom 08.03.1993 habe der Kläger ein Formblatt mit Hinweisen erhalten. Unter Punkt 3 der Hinweise sei vermerkt gewesen, dass bei einem Ausscheiden nach einer Förderzeit für jeden Monat, der zum vollen Jahr der Weiterbeschäftigung fehle, ein Betrag in Höhe des im letzten Monat der Förderzeit erbrachten Zuschusses zurückzuzahlen sei. Eine Rückzahlungspflicht bestehe nur dann nicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis vom Schwerbehinderten gekündigt oder es einvernehmlich beendet oder das Beschäftigungsverhältnis arbeitgeberseitig mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt wurde. Da der Kläger für die von ihm ausgesprochene Kündigung keine Zustimmung der Hauptversorgungsstelle eingeholt habe, sei er zur Rückzahlung verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 14.06.1995. Die Kündigung sei wegen erheblicher finanzieller Schwierigkeiten seiner Praxis erfolgt. Aus diesem Grunde sei er nicht zur Rückerstattung in der Lage. Eine solche hätte den Ruin seiner Praxis zur Folge. Die Einwilligung der Hauptfürsorgestelle sei aus Unkenntnis nicht eingeholt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.1996 änderte die Beklagte den Bescheid vom 31.05.1995 ab und hob den Bescheid vom 08.03.1993 insoweit auf, als der für die Dauer eines Jahres gezahlte Arbeitsentgeltzuschuss zu erstatten sei. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Es fehle ein volles Jahr der Weiterbeschäftigung. Innerhalb dieser Frist habe der Kläger auch keinen anderen Schwerbehinderten eingestellt. Durch die dem Bescheid beigefügten Hinweise sei er ausreichend über die Bestimmungen zur Gewährung von Förderleistungen und deren Rückzahlung informiert worden.

Am 20.05.1996 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Er habe nachträglich die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung erhalten. Sein Fehler sei zugegebenermaßen gewesen, dass er das Merkblatt nicht aufmerksam gelesen habe. Diesen Fehler mit "Konkurs" zu bestrafen, halte er für zu hart.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.09.1998 hat die Beklagtenvertreterin erklärt, die Erstattungsforderung werde nunmehr auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) gestützt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2000 die Klage abgewiesen. Zutreffende Aufhebungsbestimmung sei § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). § 10 SchwbAV stelle hierzu keine Sonderregelung dar, da diese Regelung als Rechtsfolge nicht die Aufhebung der Bewilligung vorsehe. Sie beinhalte vielmehr lediglich Nebenbestimmungen über eine Rückerstattung. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X bestehe darin, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis zur Arbeitnehmerin I. S. zum 31.12.1994 gekündigt habe. Gemäß § 10 SchwbAV würden Zuschüsse unter der Voraussetzung bewilligt, dass der Arbeitgeber den Schwerbehinderten während der Förderzeit beschäftige und bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen nach Ablauf der Förderzeit wenigstens ein Jahr weiterbeschäftige, mit der Auflage, den Zuschuss bei einem Ausscheiden nach der Förderzeit für jeden Monat, der zum vollen Jahr der Weiterbeschäftigung fehle, in Höhe des im letzten Monat der Förderzeit erbrachten Zuschusses zurückzuzahlen. Der Kläger habe der Arbeitnehmerin innerhalb der Nachbeschäftigungszeit gekündigt. Von einer Rückzahlungsverpflichtung sei nicht abzusehen, weil die in § 10 SchwbAV genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Eine Zustimmung der Hauptfürsorgestelle habe nicht vorgelegen. Gemäß § 18 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) sei die schriftliche Entscheidung der Hauptfürsorgestelle dem Arbeitgeber und dem Schwerbehinderten zuzustellen. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit, die Entscheidung schriftlich niederzulegen. Dementsprechend sei eine mündlich erteilte Zustimmung unwirksam. Der Kläger habe auch keine Ersatzeinstellung eines anderen Schwerbehinderten vorgenommen. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen vor. Der Kläger habe gewusst bzw. grob fahrlässig nicht gewusst, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch auf Grund der Kündigung weggefallen sei. Aus den dem Bewilligungsbescheid beigefügten Hinweisen, die Bestandteil des Bewilligungsbescheides gewesen seien, habe dem Kläger bekannt sein müssen, dass er die gewährten Zuschüsse nur dann behalten könne, wenn er den Arbeitnehmer innerhalb der Nachbeschäftigungsfrist von einem Jahr weiterbeschäftige.

Gegen den dem Kläger am 09.10.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 06.11.2000 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Er ist der Meinung, vom Arbeitsamt unfair behandelt worden zu sein. Die Kündigung sei erfolgt, damit die Arbeitnehmerin sofort Arbeitslosengeld erhalte. Im Grunde genommen, habe man sich jedoch einvernehmlich getrennt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.08.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren zunächst die Auffassung vertreten, der Rückzahlungsanspruch ergebe sich entgegen der Meinung des SG aus § 10 SchwbAV. Im Schriftsatz vom 14.08.2001 hat sie die Auffassung geäußert, die Bewilligung der Zuschüsse sei unter der Bedingung bewilligt worden, dass der Schwerbehinderte nach Ablauf der Förderzeit wenigstens ein Jahr weiterbeschäftigt werde. Da die Bedingung nicht eingetreten sei, bestehe eine Rückzahlungspflicht.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gemacht hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhobene Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG im Gerichtsbescheid vom 31.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.1996 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten.

I.

Zwar hat die Beklagte den Kläger vor Erlass des Aufhebungsbescheides nicht gemäß § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört; die Anhörung war auch nicht gemäß § 24 Abs. 2 SGB X entbehrlich. Gleichwohl ist der Anhörungsfehler durch Nachholung im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.

II.

Für die Erstattungsforderung der Beklagten fehlt es aber an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Entgegen der anfänglich im Berufungsverfahren von der Beklagten geäußerten Auffassung ist die Erstattungsgrundlage nicht § 10 der 2. Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung SchwbAV) vom 28.03.1988 in der Fassung des Artikel 7 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Änderung anderer Gesetze vom 26.07.1994 (BGBl. I S. 1792). Inhalt der mit "Nebenbestimmungen über die Rückzahlung" überschriebenen Norm des § 10 SchwbAV ist die Bewilligung von Zuschüssen unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber den Schwerbehinderten während der Förderzeit beschäftigt und bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen nach Ablauf der Förderzeit wenigstens ein Jahr weiterbeschäftigt. Die Bewilligung ist danach mit der Auflage vorzunehmen, den Zuschuss im Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers vor Ablauf der einjährigen Nachbeschäftigungsfrist für jeden Monat, der zum vollen Jahr der Weiterbeschäftigung fehlt, in Höhe des Betrages des im letzten Monat der Förderzeit erbrachten Zuschusses zurückzuzahlen.

§ 10 SchwbAV basiert auf § 33 Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (SchwbG) in der Fassung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2911). Danach kann die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur besonderen Förderung aus den ihr aus dem Ausgleichsfonds zugewiesenen Mitteln Arbeitgebern Geldleistungen gewähren, wenn diese ohne gesetzliche Verpflichtung oder über die gesetzliche Verpflichtung hinaus Schwerbehinderte, die unmittelbar vor Einstellung länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet waren, einstellen. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, das Nähere über Voraussetzungen, Personenkreis, Art und Höhe der Dauer der Leistung sowie über das Verfahren zu regeln.

Es kann dahinstehen, ob die Bundesregierung auf der Grundlage des § 33 Abs. 2 letzter Satz SchwbG überhaupt berechtigt war, eine Norm über eine Rückzahlungsverpflichtung in die SchwbAV aufzunehmen. Das Gesetz ermächtigte sie seinem Wortlaut nach hierzu nicht.

Jedenfalls kann aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAV keine gesetzliche Rückzahlungspflicht - ähnlich dem § 49 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.03.1988, Az: 11 RAr 62/86 = SozR 4100 § 46 Nr. 9; BSG, Urteil vom 17.03.1988, Az: 11 RAr 19/97 = SozR 4100 § 44 Nr. 1; vgl. auch LSG für das Saarland, Urteil vom 24.02.2000, L 6 AL 24/99) - entnommen werden. Gegen eine sich unmittelbar aus der Verordnung ergebende Rückzahlungspflicht ohne vorherige Aufhebung des Bewilligungsbescheides spricht bereits die Überschrift der Norm. Diese lautet "Nebenbestimmungen über die Rückzahlung". Die Beklagte sollte hiernach zwar berechtigt sein, Nebenbestimmungen in den Bewilligungsbescheid aufzunehmen. Die Überschrift spricht jedoch bereits gegen eine dadurch selbst gesetzlich normierte Rückzahlungspflicht.

Selbiges ergibt sich auch aus dem Wortlaut der Norm. Danach werden Zuschüsse mit der Auflage bewilligt, dass bei einem Ausscheiden nach dem Förderzeitraum für jeden Monat, der zum vollen Jahr der Weiterbeschäftigung fehlt, ein Betrag in Höhe des im letzten Monat der Förderzeit erbrachten Zuschusses zurückzuzahlen ist (Ebenso: LSG-Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2000, Az.: L 7 AL 17/59, Breithaupt 2000 S. 983). Die Verordnung lässt mithin lediglich eine Verbindung der Bewilligung mit einer diesbezüglichen Auflage zu. Die Beklagte wäre - hätte sie in dem Bewilligungsbescheid eine diesbezügliche Auflage aufgenommen - zum Widerruf der Bewilligung gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 2 SGB X berechtigt gewesen.

III.

Ein die Entscheidung der Beklagten tragender, rechtswirksamer Widerruf liegt nicht vor. Es kann letztlich offengelassen werden, ob der Aufhebungsbescheid der Beklagten in einem Widerrufsbescheid gemäß § 47 Abs. 2 SGB X umgedeutet werden kann. Gemäß der genannten Norm kann ein rechtmäßig begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).

Dahinstehen kann ferner, ob die Bestimmungen im Hinweisschreiben der Beklagten, dass dem Bewilligungsbescheid vom 08.03.1993 beigeheftet war, als Auflage im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X zu qualifizieren sind.

Jedenfalls hat die Beklagte das gemäß § 47 Abs. 2 SGB X erforderliche Ermessen nicht ausgeübt. Weder im Aufhebungsbescheid vom 31.05.1995 noch im Widerspruchsbescheid vom 17.04.1996 wurden Ermessensgesichtspunkte dargelegt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2000, a.a.O.).

IV.

Die Beklagte war - entgegen der Auffassung des SG - auch nicht zur Aufhebung der Bewilligung gem. §§ 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 50 Abs. 1 SGB X berechtigt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Bei dem Bewilligungsbescheid vom 08.03.1993 handelt es sich zwar um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil er Zuschüsse zum Arbeitsentgelt der Arbeitnehmerin I. S. gewährte, mithin ein Rechtsverhältnis begründete, das den Bezug von Sozialleistungen über die darin genannte Dauer zum Gegenstand hatte.

Es ist auch eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Vergleich zur Rechtslage bei Erlass des Bewilligungsbescheides eingetreten. Zum Zeitpunkt der Bewilligung der Leistung am 08.03.1993 bestand zwischen dem Kläger und der Arbeitnehmerin I. S. ein Arbeitsverhältnis. Ab 01.01.1995 bestand das Arbeitsverhältnis auf Grund der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht mehr.

Die Beklagte ist jedoch gemäß § 48 Abs. 1 SGB X lediglich zur Aufhebung ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse berechtigt. Eine Aufhebung mit Wirkung ab 01.01.1995 läuft daher leer, da im Bescheid vom 08.03.1993 eine Bewilligung lediglich für die Zeit vom 01.01.1993 bis 31.12.1994, mithin nicht mehr für die Zeit nach der wesentlichen Änderung am 01.01.1995 vorgenommen wurde.

Selbst wenn man jedoch eine Aufhebung mit Wirkung vom 01.01.1995 für zulässig erachten würde, stünde der Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der 10.800,00 DM zu.

§ 50 Abs. 1 gewährt einen Erstattungsanspruch lediglich, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da der Verwaltungsakt gemäß § 48 SGB X allenfalls mit Wirkung vom 01.01.1995 aufgehoben werden könnte und die Beklagte ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen mehr bewilligte, steht ihr ein Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X nicht zu.

V.

Auch die seitens der Beklagten erstmals im Schriftsatz vom 14.08.2001 vertretene Auffassung, die Bewilligung der Zuschüsse im Bescheid vom 08.03.1993 sei unter der Bedingung erfolgt, dass der Schwerbehinderte auch nach Ablauf der Förderzeit wenigstens ein Jahr weiterbeschäftigt werde, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.

Dem Bewilligungsbescheid war ein Formblatt beigefügt, das mit "Hinweise zum Antrag auf Leistungen nach § 33 Abs. 2 SchwbG" überschrieben war. Nach Ziff. 3 des Formblattes war bei einem Ausscheiden des Schwerbehinderten nach der Förderzeit für jeden Monat, der zum vollen Jahr der Weiterbeschäftigung fehlte, ein Betrag in Höhe des im letzten Monat der Förderzeit erbrachten Zuschusses zurückzuzahlen. Hierbei handelte es sich um die Wiedergabe des Wortlautes von § 10 Abs. 1 Ziff. 2 SchwbAV.

Eine Bedingung liegt nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X vor, wenn der Eintritt oder der Wegfall einer Rechtsfolge von einem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Aufl. Rnr. 14 zu § 32; Kopp VwVfG 5. Aufl., Rnr. 21 zu § 36).

Nebenbestimmungen i.S.d. § 32 SGB X sind von bloßen Hinweisen auf die gesetzliche Rechtslage, die keine Nebenbestimmung darstellen, abzugrenzen (Schroeder-Printzen, in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, a.a.O., Rnr. 3 zu § 32; Kopp, a.a.O. Rnr. 6 zu § 36). Lässt eine Bestimmung mehrere Auslegungen zu, ist die Behörde an diejenige gebunden, von der der Adressat vernünftigerweise ausgehen durfte, ohne eine mögliche Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit des Bescheides willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen (BSGE 62, 32; BSG SozR 3-1300 § 35 Nr. 2; Schroeder-Printzen, a.a.O., Rnr. 4 zu § 32). Bleibt auch aufgrund dieser Beurteilung eine Unklarheit, ist die für den Betroffenen weniger belastende Auslegung maßgebend (Schroeder-Printzen, a.a.O.).

Die dem Bewilligungsbescheid als Anlage beigefügten Ausführungen der Beklagten sind als bloße Hinweise auf die bestehende Rechtslage aufzufassen und stellen daher keine Bedingung dar. Dies ergibt sich sowohl aus dem klaren Wortlaut der Überschrift der Anlage als auch aus Ziff. 3 der Anlage zum Bewilligungsbescheid. Der objektive Empfänger eines Formblatts, das mit "Hinweise" überschrieben ist, fasst diese - sofern sich aus dem Wortlaut der Ausführungen nichts anderes ergibt - berechtigterweise auch als solche auf. Ebenso hat nach Sachlage auch der Kläger die Ausführungen verstanden.

Da die Beklagte in Ziff. 3 des dem Bewilligungsbescheid beigefügten Formblattes lediglich den Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAV wiedergab, sind keinerlei Anhaltspunkte vorhanden, um diese Ausführungen als Bedingung i.S.d. § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X auszulegen. Das Wort "Bedingung" benutzte die Beklagte an keiner Stelle (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 25.01.2001, Az.: B 4 RA 48/99R).

Weil die Beklagte somit nicht zur Rückforderung der Zuschüsse berechtigt ist, waren sowohl das Urteil des SG Chemnitz als auch die Bescheide der Beklagten in diesem Umfang aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulasssung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Bei § 10 SchwbAV handelt es sich bereits dem Wortlaut nach nicht um eine Rückforderungsnorm. Vielmehr berechtigt sie lediglich zur Verbindung des Bewilligungsbescheides mit einer Auflage. Die Problematik besteht vorliegend also nicht in der Klärungsbedürftigkeit von § 10 SchwbAV, sondern der Vorgehensweise der Beklagten. Sie verband den Bewilligungsbescheid entgegen der gesetzlichen Norm nicht mit einer Auflage, die zum Widerruf berechtigt hätte. Bei derartigen Fällen handelt es sich jedoch nicht um Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. Rnr. 7 zu § 160).

Zudem liegt auch deshalb keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil § 10 SchwbAV mit Wirkung zum 01.10.2000 durch Gesetz vom 29.09.2000 (BGBl. I S. 1394) außer Kraft gesetzt worden ist. Folglich ist § 10 SchwbAV nunmehr kein geltendes Recht mehr.
Rechtskraft
Aus
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