L 3 AL 54/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 515/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 54/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Der Kläger, ein seit 09. September 1998 im Vereinsregister eingetragener Verein, führt den Namen "Verein für Denkmalschutz, Verbesserung der ländlichen Strukturen und Umwelt und europäischer Kulturaustausch", § 1 der Vereinssatzung. Er bezweckt den Erhalt von denkmalgeschützten Gebäuden in Deutschland und den EWG-Staaten sowie die Förderung ländlicher Strukturen in Sachen Umwelt, Arbeitsbeschaffung und Ausbildung, § 2 der Vereinssatzung.

Vorsitzender des Vereins ist nach eigenen Angaben bei der Antragstellung Herr W ... J ... (W. J.), der nach einer Ausbildung zum Maurer vom 06. Juli 1998 bis 05. Juli 1999 in einem BHi-geförderten Arbeitsverhältnis mit der B ... P ... und O ... P ... GbR in deren Schloss Z ... als Hausmeister beschäftigt war. Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses wollte er eine Tätigkeit als Projektleiter im Rahmen von Sanierungsarbeiten des Schlosses aufnehmen.

W. J. beantragte als gesetzlicher Vertreter der Klägerin am 22. Oktober 1998 die Förderung folgender Maßnahmen:

1. Vier ABM-Stellen für Instandsetzungen der Freilichtbühne und des Schlossgrabens, wobei er das öffentliche Interesse auf Kunstausstellungen, Gruppenveranstaltungen, Musikabende, literarische und wissenschaftliche Lesungen, Forschung im Sinne des Denkmalschutzes und Sportveranstaltungen stütze (ABM 37/99),

2. vier ABM-Stellen für die Aufforstung und Instandsetzung des Grundstückes bzw. die Vorbereitung der Baumaßnahme. Das öffentliche Interesse an den Arbeiten bestehe in der Wiedernutzung der Schloss-Gaststätte, des Biergartens und Freigelände, der Nutzung der öffentlichen sanitären Einrichtungen und der Verschönerung der Objektansicht (ABM 38/99),

3. eine ABM für die Lohnbuchhaltung, kaufmännische Arbeiten (ABM 36/99).

Ergänzend legte W. J. eine Eintragungsbescheinigung des Vereins, die Vereinssatzung sowie ein Nutzungskonzept der B ... P ... und O ... P ... GbR über die Nutzung des Schloss Z ... für kulturelle Veranstaltungen, Planungen über Investitionsvorlagen und Lagepläne vor.

Aus haushaltstechnischen Gründen erging im Jahr 1998 keine Entscheidung. Diese wurde frühestens für Januar 1999 mit einem voraussichtlichen Maßnahmebeginn ab 01. Februar 1999 in Aussicht gestellt.

Die Anträge die Klägers wurden mit Bescheiden vom 15. Februar 1999 abgelehnt. Die Maßnahmen seien nicht förderungsfähig. Die Arbeiten lägen nicht im öffentlichen Interesse. Bei Maßnahmen, die der Erschließung von Grundstücksflächen, der Sanierung von Gebäuden oder der Herstellung sonstiger Objekte dienen, müsse die Nutzung im öffentlichen Interesse für mindestens fünf hervor, dass Eigentümer des Schloss Zschörna die Gesellschaft B ... P ... und O ... P ... GbR sei. Diese Gesellschaft beabsichtige in ferner Zukunft, Teile des Schlosses dem Verein zur Verfügung zu stellen. Eine Nutzung im öffentlichen Interesse sei somit nicht nachweisbar. Die Wiedernutzung der Schloss-Gaststätte, des Biergartens und der dazugehörigen sanitären Einrichtungen dienten nur erwerbswirtschaftlichen Interessen. Maßnahmen im gewerblichen Bereich seien nur förderfähig, wenn sie an ein Wirtschaftsunternehmen vergeben würden. Eine solche Vergabe sei laut Antrag nicht vorgesehen. Eine ABM mit kaufmännischem Inhalt werde nach Ablehnung der beiden anderen Anträge nicht benötigt.

Dagegen legte die Klägerin am 16. März 1999 Widerspruch ein. Die Ablehnung verstoße gegen Treu und Glauben. Die Klägerin habe nach persönlichen Vorsprachen des Vereinsvorsitzenden alle Beanstandungen ausgeräumt. Die Beklagte habe ihrerseits den voraussichtlichen Maßnahmebeginn (01. Februar 1999) vorgegeben.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 19. April 1999, zugestellt am 22. April 1999, zurück. Nutznießer der Förderung wäre allein der Eigentümer des Schlosses, die B ... P ... und O ... P ... GbR. Es könne nicht Gegenstand einer ABM sein, eine im Privatbesitz befindliche Immobilie mit öffentlichen Mitteln zu sanieren. Wenn von vorn herein abzusehen sei, dass das Ergebnis der Maßnahme nur einen eng begrenzten Personenkreis diene, sei das öffentliche Interesse nicht vorhanden. Außerdem würden mit der angestrebten Wiedereröffnung der Schloss-Gaststätte erwerbswirtschaftliche Zielstellungen verfolgt. Mit Schreiben vom 09. Dezember 1998 habe die Beklagte die Förderung der beantragten Maßnahmen nicht verbindlich zugesagt.

Der Kläger hat dagegen am 21. Mai 1999 Klage beim Sozialgericht Dresden erhoben. Er hat die Klage nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage nach vorherigem Hinweis mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 1999 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung der von ihr beantragten ABM. Die Voraussetzungen für die Förderung von ABM (§§ 260, 261 SGB III) lägen nicht vor, da nach Auswertung der durch den Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen die durchzuführenden Arbeiten nicht im öffentlichen Interesse lägen und eine schriftliche Zusicherung der Förderung nicht erfolgt sei.

Der Kläger hat gegen den mit PZU am 17. Februar 2000 zugestellten Gerichtsbescheid am 15. März 2000 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.

Er trägt vor, die beantragten Maßnahmen seien ausschließlich zur Nutzung für öffentliche Zwecke bestimmt. Es handele sich bei dem Objekt um ein denkmalgeschütztes Gebäude. Auch die Ziele des Vereins lägen im öffentlichen Interesse. Ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr K ..., habe gegenüber dem Vorsitzenden erklärt, den Anträgen würde stattgegeben.

Der in der mündlichen Verhandlung am 14. November 2001 nicht erschienene Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15. Februar 1999 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. April 1999 zu verpflichten, die beantragten ABM-Nrn. 36/99, 37/99 und 38/99 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und im Übrigen nach Aktenlage zu entscheiden.

Ergänzend trägt sie vor, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eigentümerin des Schlosses dem Kläger die für die beantragten Maßnahmen erforderlichen Verfügungsrechte übertragen habe. Entsprechende Miet- oder Pachtverträge habe der Kläger nicht vorgelegt. Die im öffentlichen Interesse liegende Nutzung des instandzusetzenden Objektes sei mit dem "Nutzungskonzept" auch nicht nachgewiesen.

Mit Beschluss vom 06. Juni 2001 wurde die O ... P ... & B ... P ... GbR beigeladen und hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten (Stamm-Nr.: 36/99, 37/99 und 38/99) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Aktenlage entscheiden, § 153 Abs. 1 i. V. m. § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten sind in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Für den Kläger ist zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Die Beklagte hat die Entscheidung nach Aktenlage beantragt.

Die Berufung ist zulässig. Die Statthaftigkeit folgt aus §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Der Kläger begehrt die Förderung von neun ABM-Stellen und damit die Zahlung von Leistungen über 1.000,00 DM.

Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Förderung. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren kommt §§ 260, 261 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Betracht.

Gem. § 260 Abs. 1 SGB III können Träger von ABM für die Beschäftigung von zugewiesenen Arbeitnehmern durch Zuschüsse und Darlehn gefördert werden, wenn

1. in den Maßnahmen zusätzliche und im öffentlichen Intresse liegenden Arbeiten durchgeführt werden und

2. die Träger oder durchführenden Unternehmen Arbeitsverhält nisse mit vom Arbeitsamt zugewiesenen förderungsbedürftigen Arbeitnehmern begründen, die durch die Arbeit beruflich sta bilisiert oder qualifiziert und deren Eingliederungsaussich ten dadurch verbessert werden.

Die Förderungsfähigkeit von Maßnahmen ist in § 261 SGB III geregelt. Voraussetzung ist, dass die im Rahmen der Maßnahme zu verrichtenden Arbeiten zusätzliche sind und im öffentlichen Interesse liegen, § 261 Abs. 1 SGB III.

Hier handelt es sich nach Sachlage um zusätzliche Arbeiten. Arbeiten sind nach § 261 Abs. 1, 2 SGB III zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Der Kläger hat die zu fördernden Arbeiten noch nicht durchgeführt. Ohne eine entsprechende Förderung sind diese nicht realisierbar.

Das öffentliche Interesse ist aber nicht gegeben.

Das Tatbestandsmerkmal "öffentliches Interesse" ist in Anlehnung an § 91 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in § 261 Abs. 3 SGB III wie folgt konkretisiert: Arbeiten liegen im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Arbeiten, deren Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder dem Interesse eines begrenzten Personenkreises dient, liegen nicht im öffentlichen Interesse. Das öffentliche Interesse wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das Arbeitsergebnis auch den in der Maßnahme beschäftigten Arbeitnehmern zugute kommt, wenn sichergestellt ist, dass die Arbeiten nicht zu einer Bereicherung einzelner führen.

Das Arbeitsergebnis ist hier die Sanierung und Instandsetzung des im Eigentum der Beigeladenen stehenden Schlosses und der Außenanlagen.

Unmittelbar dient das Arbeitsergebnis der Beigeladenen. Denn die Sanierungsarbeiten erhöhen den Wert des Schlosses.

Darüberhinaus sind aber auch die Interessen des Klägers und der Allgemeinheit betroffen.

Der Kläger bezweckt nach seiner Satzung den Erhalt von denkmalgeschützten Gebäuden in Deutschland und den EWG-Staaten sowie die Förderung ländlicher Strukturen in Sachen Umwelt, Arbeitsbeschaffung und Ausbildung. Das Arbeitsergebnis kommt diesem Zweck teilweise zugute. Denn das Schloß Z ... wird als denkmalgeschütztes Gebäude erhalten. Auf die unmittelbare Arbeitsbeschaffung darf dagegen bei Prüfung des öffentlichen Interesses nicht abgestellt werden. Denn entscheidend ist das Arbeitsergebnis, nicht die Beschäftigung an sich (vgl. Hennig SGB III, § 261 Rn. 11). grundsätzlich auch im Interesse der Allgemeinheit.

Soweit der Kläger darüberhinaus vorträgt, die Allgemeinheit habe aufgrund der künftigen Nutzung des Schlosses ein Interesse an den ABM, begründet dies kein öffentliches Interesse im Sinne von § 261 Abs. 3 SGB III. Zwar besteht ein Interesse der Allgemeinheit an kulturellen und Sportveranstaltungen. Das Arbeitsergebnis (Sanierung und Erhalt des Schlosses) dient diesem Interesse aber nur insoweit als eine Nutzung für derartige Zwecke in Aussicht gestellt wird. Dafür sind nach der Sanierung des Schlosses aber noch weitere Maßnahmen erforderlich. Das "Nutzungskonzept" enthält nur beispielhafte und ganz allgemein gehaltene Aufzählungen künftiger überwiegend kultureller Nutzungen. Daneben ist auch an "Forschungen im Sinne des Umweltschutzes" und die "Unterbringung von Rußlanddeutschen und von Aussiedlern" gedacht. Konkrete Planungen oder gar verbindliche vertragliche Vereinbarungen sind auch nur ansatzweise nicht zu erkennen. Deshalb kann ein Interesse der Allgemeinheit insoweit zwar behauptet, aber nicht festgestellt werden.

Ist das Arbeitsergebnis sowohl einzelnen als auch der Allgemeinheit von Nutzen, ist eine Abgrenzung danach vorzunehmen, ob die Arbeiten überwiegend im öffentlichen Interesse der Allgemeinheit liegen (vgl. Hennig, SGB III, § 261 Rn. 11; Niesel, SGB III, § 261 Rn. 9). Hier überwiegen die Interessen der Beigeladenen. Denn diese sind unmittellbar in sachlicher und zeitlicher Hinsicht betroffen. Dagegen werden die Interessen der Allgemeinheit nur unter dem Aspekt des Denkmalschutzes gefördert. Die nach dem Nutzungskonzept vorgesehene Kulturförderung ist insoweit nicht erheblich. Denn es handelt sich bei dem Konzept nur um eine Absichtserklärung. Auch die beabsichtigte Unterbringung von Aussiedlern dient überwiegend den erwerbswirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen und des Klägers.

Darüberhinaus besteht - selbst bei einem öffentlichen Interesse - kein Rechtsanspruch auf die beantragte Förderung (BSG SozR 4100 § 91 Nr. 5). Vielmehr steht die Gewährung von Geldleistungen zur Förderung der Errichtung neuer Arbeitsplätze im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Das Ermessen bezieht sich sowohl darauf, ob eine Maßnahme überhaupt gefördert wird, als auch auf Art und Umfang der Förderung (vgl. Niesel SGB III § 260 Rn. 4).

Eine Verpflichtung zur Förderung der ABM kann sich deshalb nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null ergeben. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Zu Recht weist die Beklagte auf die fehlende Verfügungsmacht des Klägers hin. Den Sanierungsarbeiten steht derzeit die rechtliche Unmöglichkeit entgegen. Denn der Kläger ist nicht Eigentümer des Schlosses. Die Beigeladene hat die Verfügungsbefugnis auch nicht insoweit auf den Kläger übertragen. Außerdem wäre die Eignung des Trägers der Maßnahme sowie die Sicherstellung der Gesamtfinanzierung bei einer sachgerechten Ermessensausübung zu berücksichtigen. Nach Aktenlage bestehen insoweit Zweifel. Diese konnte der Senat aber dahingestellt sein lassen, da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die beantragte Förderung nicht erfüllt sind. Eine Ermessensentscheidung war deshalb von der Beklagten nicht zu treffen.

Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf eine Zusage stützen. Die Beklagte hat keine rechtsverbindliche, schriftliche Zusage abgegeben. Die Beratungen bei der Antragstellung begründen den Anspruch ebensowenig wie das Schreiben vom 09.12.98, in dem eine Entscheidung frühestens im Januar 1999 und ein voraussichtlicher Maßnahmebeginn ab 01.02.1999 in Aussicht gestellt wurde.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 1 Nrn. 1, 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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