L 3 AL 70/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 1304/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 70/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. März 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte zur Leistung des Schadensersatzes als Gesamtschuldner verpflichtet ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Beklagten an die Bundesanstalt für Arbeit (Klägerin und Berufungsbeklagte, im Folgenden: Klägerin) Schadensersatz in Höhe von 6.449,31 DM zu leisten, streitig.

Die von der Klägerin gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Schadensersatzforderung beruht auf einer Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) an die vom Beklagten nunmehr getrennt lebende Ehefrau ... (F. R.) im Zeitraum vom 07.10.1993 bis 17.08.1994. Die am ... geborene F. R. arbeitete nach den Leistungsunterlagen des Arbeitsamtes ... unmittelbar vor dem für die strittige Schadensersatzforderung maßgeblichen Alg-Bezug im Zeitraum vom 10.12.1990 bis 30.09.1993 in dem vom Beklagten mit einem weiteren Mitgesellschafter (A. R.) in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebenen Gastronomiebetrieb " ...". Sie selbst war zunächst Inhaberin der Gaststättenerlaubnis für diesen Betrieb, welcher auch gewerberechtlich auf ihren eigenen Namen angemeldet war. Auf entsprechenden Antrag war F. R. durch Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 09.04.1992 rückwirkend ab dem 01.02.1991 unter Berücksichtigung einer privaten Lebensversicherung von der Rentenversicherungspflicht befreit worden.

Nach den Angaben des Beklagten im Berufungsverfahren war er ab dem 01.07.1993 selbst Inhaber der Gaststättenerlaubnis und übte ab diesem Zeitpunkt auch die Funktion als Geschäftsführer aus. Gleichzeitig ist F. R. aus der Betriebsleitung ausgeschieden und war auf Grund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung noch bis zum 30.09.1993 als Köchin und Kellnerin (im Angestelltenverhältnis) tätig. Ausweislich der dem Senat in Ablichtung vorgelegten Abrechnungen der Bruttobezüge für den Zeitraum Juni bis September 1993 wurden in diesem Zeitraum für F. R. u.a. außer Beitragszahlungen für eine "Direktversicherung" u.a. Beiträge zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung in Abzug gebracht. Mit Kündigung vom 07.03.1993 wurde das Arbeitsverhältnis mit F. R. mit Wirkung zum 30.09.1993 im beiderseitigem Einvernehmen beendet.

Auf einen Antrag vom 07.10.1993 bewilligte das Arbeitsamt ... F. R. ab dem Antragszeitpunkt Alg in Höhe von 205,80 DM wöchentlich (Bescheid vom 03.12.1993). Nach Anpassung zum 01.01.1994 wurde die Leistung in Höhe von 199,80 DM geleistet. Die Leistungsbewilligung beruhte u.a. auf den Angaben des Beschäftigungsbetriebes in einer Arbeitsbescheinigung vom 26.10.1993, in welcher u.a. mitgeteilt wurde, F. R. sei in der Zeit vom "10.12.1990 bis 30.09.1993" als "Angestellte/Küche" beschäftigt gewesen (zu Nr. 2 des Vordrucks). Für sie seien Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitslosenversicherungsbeiträge) an die BARMER-Ersatzkasse/ ... entrichtet worden. Die Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sei in der Angestelltenversicherung erfolgt (zu Nr. 4a und Nr. 4c). Die Frage (Nr. 4b), ob das "Beschäftigungsverhältnis" (zu irgendeinem Zeitpunkt) beitragsfrei (arbeitslosenversicherungsfrei) gewesen sei, wurde in der Arbeitsbescheinigung nicht beantwortet. Im Leistungsantrag hatte F. R. selbst u.a. angegeben (zu Frage Nr. 9b), zum 01.02.1991 von der Rentenversicherungspflicht befreit worden zu sein.

Im Februar 1995 erhielt die Klägerin durch ein an F. R. gerichtetes Schreiben der BfA, in welchem die Meldung von rentenversicherungsrechtlichen Beitragszeiten für den Zeitraum des Bezuges von Alg unter Hinweis auf die im Jahre 1991 erfolgte Befreiung von der Versicherungspflicht "beanstandet" wurde, Kenntnis von einer möglicherweise unrechtmäßigen Leistungsgewährung. Mit Schreiben vom 16.03.1995 teilte das AA ... daraufhin dem Beklagten die in Betracht kommende Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches in Höhe des errechneten Auszahlungsbetrages von 12.898,61 DM (einschließlich der KV- sowie RV-Beiträge) mit und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. In einer Stellungnahme vom 21.03.1995 trat dieser den von der Klägerin angekündigten Forderungen unter Darstellung der Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse ab 01.07.1993 entgegen.

Mit Schreiben vom 04.04.1995 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 12.898,61 DM auf. Er habe durch seine zumindest fahrlässig unrichtigen Angaben in der Arbeitsbescheinigung vom 26.10.1993 die unrechtmäßige Festsetzung und Gewährung von Leistungen verursacht. Dieser trug daraufhin mit Schreiben vom 08.06.1995 vor, ihm sei hinsichtlich der Beschäftigung seiner Ehefrau als Angestellte ab 01.07.1993 vom dafür zuständigen Versicherungsträger (der BARMER-Ersatzkasse) mitgeteilt worden, die private Rentenversicherung der Ehefrau reiche aus, diese könne weiterhin von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit bleiben. Dies habe sich jedoch im Nachhinein als falsch herausgestellt, weshalb später die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge für drei Monate ausgeglichen worden seien. Er sei sowohl von der Krankenkasse als auch vom Steuerberater falsch beraten worden. Die Arbeitsbescheinigung sei nicht von ihm, sondern von der Ehefrau des seinerzeitigen Firmenpartners ausgefüllt worden. Er habe in keiner Weise falsche Angaben machen wollen, die Probleme seien nur auf Grund von Unkenntnis eingetreten. Die Überzahlung der Leistung sei vom Leistungsempfänger zurückzufordern. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er Leistungen zurückzahlen solle, die ein Dritter erhalten habe.

Mit einem beim Sozialgericht Chemnitz vom 13.12.1995 eingereichten Schriftsatz hat die Klägerin gegen den Beklagten Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 12.898,61 DM erhoben. Dieser habe die unrechtmäßige Zahlung von Alg in dieser Höhe verursacht. Zwar habe die Leistungsempfängerin selbst (F. R.) in ihrem Antrag auch die Versicherungsfreiheit (in der Rentenversicherung) ab dem 01.02.1991 mitgeteilt. Dieser Umstand sei bei der Bewilligung des Alg übersehen worden. Unabhängig davon bleibe aber der Tatbestand der vom Beklagten fehlerhaft ausgefüllten Arbeitsbescheinigung bestehen. Hätte dieser darin die Mitteilung gemacht, dass die Leistungsempfängerin beitragsfrei beschäftigt gewesen sei, wäre es zu keiner Alg-Bewilligung gekommen. Unter Berücksichtigung der eigenen Mitverursachung der Bewilligung des Alg sei sie bereit, die Schadensersatzforderung auf die Hälfte der ausgezahlten Leistung, also auf den Betrag von 6.449,31 DM zu mindern. Es könne ihr aber nicht angelastet werden, dass der Beklagte nicht qualifiziert genug gewesen sei, eine Arbeitsbescheinigung ordnungsgemäß auszufüllen. Der "Punkt 4" der Arbeitsbescheinigung sei eindeutig und unmissverständlich ausgestaltet. Eine Rückforderung gegenüber der Leistungsempfängerin selbst scheitere daran, dass sie selber im Leistungsantrag keine falschen Angaben gemacht habe. Die Arbeitsverwaltung habe Anlass zu ergänzenden Ermittlungen von Sachverhalten nur dann, wenn die Unrichtigkeit (vom Arbeitgeber) bescheinigten Angabe als wahrscheinlich erscheinen müsse. Vorliegend habe die Beitragsfreiheit der Leistungsempfängerin jedoch nicht nahegelegen. Daher werde die Schadensersatzforderung gegenüber dem Beklagten als Arbeitgeber zu Recht erhoben.

In seiner Klageerwiderung hat der Beklagte vortragen lassen, die Arbeitsbescheinigung sei von der mit der Buchhaltung betrauten Ehefrau des Mitgesellschafters, Frau E. R ... (E. R.) ausgefüllt worden. Diese habe sich erstmals mit einem solchen Formular beschäftigen müssen. Dabei sei ihr nicht klar gewesen, dass bei der Frage nach "Dauer und Art des Beschäftigungsverhältnisses" eine Unterscheidung zwischen der beitragsfreien Zeit (zwischen 01.02.1991 und 30.06.1993) und der versicherungspflichtigen Tätigkeit (ab 01.07.1993) vorzunehmen gewesen sei. Auch ihm selbst sei das unbekannt gewesen. Er habe sich darauf verlassen, dass Frau E. R. die Arbeitsbescheinigung ordnungsgemäß ausgefüllt habe. Im Übrigen trage die Klägerin ein Mitverschulden an der unrechtmäßigen Leistung. Zwar könne sie sich grundsätzlich auf den Inhalt der Arbeitsbescheinigung verlassen, müsse dabei aber die ihr bereits bekannten Tatsachen berücksichtigen und sich ihr aufdrängenden Unstimmigkeiten nachgehen. Auf Grund der im Leistungsantrag enthaltenen Angaben habe sie ohne weiteres erkennen können, dass kein Alg zu bewilligen gewesen sei. Darüber hinaus sei die Klägerin gehalten, einen Rückforderungsanspruch zuerst gegenüber der Leistungsempfängerin selbst geltend zu machen. Es sei nicht ganz einzusehen, wieso der Beklagte als Arbeitgeber vorrangig in Anspruch genommen werde, obwohl er keinerlei Nutzen aus der Leistungsbewilligung gezogen habe. Auch darin liege ein weiteres Mitverschulden der Klägerin. Diese sei in keiner Weise ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen, so dass ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen sei.

Mit Urteil vom 14.04.1998 hat das Sozialgericht entsprechend dem im Verhandlungstermin gestellten Antrag den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 6.449,31 DM zu zahlen. Rechtsgrundlage der Forderung sei § 145 Nr. 1, § 133 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die Zahlung des Alg an F. R. sei auf Grund der Angaben des Arbeitgebers unrechtmäßig erfolgt. Die vom Beklagten ausgestellte Arbeitsbescheinigung sei hinsichtlich der Angaben über eine Beitragsfreiheit (Arbeitslosenversicherungsfreiheit) der Erwerbstätigkeit der F. R. (zu Punkt 4) unvollständig und deshalb objektiv unrichtig gewesen. Die fehlenden bzw. unrichtigen Eintragungen seien auch auf ein Verschulden des Beklagten zurückzuführen. Der Verschuldensmaßstab bestimme sich insoweit nach § 276 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach handele fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse. Eine derartige Sorgfaltspflichtverletzung sei dem Beklagten und der "Bearbeiterin", die die Arbeitsbescheinigung ausgefüllt hat, vorzuwerfen. Die Formulierung der unter Punkt 4 der Bescheinigung zu machenden Angaben über eine Beitragsfreiheit (Arbeitslosenversicherungsfreiheit) des Beschäftigungsverhältnisses sei eindeutig und hätte ohne weiteres beantwortet werden können. Aus der vom Beklagten vorgetragenen Anfrage bezüglich der weiteren Versicherungsfreiheit der F. R. (in der Rentenversicherung) ergebe sich auch, dass ihr die Bedeutung der zuvor vorliegenden Beitragsfreiheit bekannt gewesen sei. Gemäß § 278 BGB habe der Beklagte auch ein Verschulden des bei der Erstellung der Bescheinigung tätig gewordenen "Sachbearbeiters" zu vertreten. Auf Grund der unzutreffenden Angaben sei der Beklagten durch unrechtmäßige Leistungsgewährung in Höhe von 12.898,61 DM (zusammengesetzt aus Arbeitslosengeld sowie Beiträgen zur Renten- und Krankenversicherung), ein Schaden in der genannten Höhe entstanden. Davon habe die Klägerin im Hinblick auf ein erhebliches eigenes Mitverschulden eine Ersatzforderung nur in Hälfte des Betrages gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Der Umfang eines zu ersetzenden Schadens hänge gemäß § 254 BGB davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder den anderen Teil verursacht worden sei. Die Kammer gehe mit der Klägerin davon aus, dass im vorliegenden Fall ein Mitverschuldensgrad von jeweils 50 v. H. anzusetzen sei. Die Klägerin müsse sich das Mitverschulden des für die Leistungsfeststellung zuständigen Sachbearbeiters, welcher die Angaben der Leistungsempfängerin in dem Arbeitslosengeld-Antrag (unter Punkt 9b) nicht beachtet habe, zurechnen lassen. Dieser hätte bei Anwendung der möglichen und zumutbaren Sorgfalt erkennen können, dass ein Anspruch auf Alg wegen fehlender Erfüllung der Anwartschaft nicht bestehe. Eine - weitergehende - Schadensminderungspflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten liege dagegen nicht vor. Insbesondere könne die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, ihre Rückforderungsansprüche gegenüber der Leistungsempfängerin F. R. geltend zu machen. Diese setzten voraus, dass die Klägerin zu einer rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung befugt sei. Auch bei rechtswidriger Leistungsgewährung setze dies jedoch einen der Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) voraus. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass die Leistungsempfängerin auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe. Bei dem gegebenen Sachverhalt könne das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine mögliche rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung gegenüber der Leistungsempfängerin unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht angenommen werden. Auch die Forderung der Erstattung der zu Unrecht zu Gunsten der F. R. geleisteten Rentenversicherungsbeiträge sei berechtigt. Solange der Alg-Bewilligungsbescheid gegenüber F. R. Bestand habe, seien die entsprechenden RV-Beiträge zu Recht erbracht worden und eine Rückverrechnung mit dem zuständigen Rentenversicherungsträger nicht möglich.

Gegen die den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 10.06.1998 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 08.07.1998 eingelegte Berufung, mit welcher sich der Beklagte dagegen wehrt, Schadensersatzanspruch in einer den Betrag von 4.299,53 DM überschreitenden Höhe zu zahlen. Das Sozialgericht habe dem Klageanspruch insoweit zu Unrecht statt gegeben, da der Klägerin ein überwiegendes Verschulden an dem entstandenen Schaden anzulasten sei. Zwar habe (auch) der Beklagte fahrlässig gehandelt, jedoch stehe dem ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin entgegen. Im Gegensatz zum Beklagten, welcher in erster Linie Gastwirt sei, verfügten die Mitarbeiter der Klägerin über spezielle Sachkenntnisse. Darüber hinaus habe dieser ein wahrheitsgemäßer und unter Punkt 9b ordnungsgemäß ausgefüllter Antrag der Leistungsempfängerin F. R. vorgelegen. Damit habe der zuständige Sachbearbeiter ohne weiteres erkennen können, dass ein Anspruch auf Alg nicht bestanden habe. Soweit er Widersprüchlichkeiten zwischen den Angaben in dem Leistungsantrag und in der fehlerhaften Arbeitsbescheinigung selbst habe feststellen können, hätte er diese Widersprüche aufklären müssen, was nicht erfolgt sei. Eine Schadensquotelung von 2/3 zu Lasten der Klägerin und von 1/3 zu Lasten des Beklagten sei mehr als nur gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17.04.1998 dahin abzuändern, dass er Schadensersatz nur in Höhe von 4.299,53 DM zu leisten habe.

Die Berufungsbeklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat sich dem angefochtenen Urteil angeschlossen. Zwar hätte sich der zuständige Mitarbeiter (bei der Antragbearbeitung) auf Grund der Angaben im Leistungsantrag zunächst die Frage stellen können, weshalb die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erfolgt sei. Nachdem in der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers aber das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bestätigt worden sei, habe dazu kein zwingender Anlass mehr bestanden. Daher sei das Verschulden des Arbeitsamtes an der Schadensentstehung keinesfalls höher zu bewerten, als das Verschulden des Beklagten beim Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung.

Auf Anfrage des Senats hat die BARMER-Ersatzkasse, Geschäftsstelle ..., mitgeteilt, schriftliche Unterlagen, betreffend das Versicherungsverhältnis der F. R. seien nicht mehr vorhanden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.01.2001 hat der Senat den Berufungskläger zu Einzelheiten der Verhältnisse im Zeitpunkt der Änderung des Mitarbeiterverhältnisses der F. R. ab dem 01.07.1993 sowie den betrieblichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Ausstellung der Arbeitsbescheinigung persönlich angehört und die Leistungsempfängerin F. R. dazu uneidlich als Zeugin befragt. Wegen der ergänzenden Angaben des Berufungsklägers sowie der Aussagen der Zeugin wird auf den Inhalt der Niederschrift Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zum Verfahren beigezogenen Leistungsakten des Arbeitsamtes ... (Stamm-Nr. 132769) sowie die Verfahrensakten aus beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gesetzlich nicht ausgeschlossen (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und somit statthaft. Streitig ist zwischen den Beteiligten entsprechend des Berufungsantrages des Beklagten lediglich dessen Verpflichtung, einen den Verschuldensanteil von 1/3 entsprechenden Schadensersatzbetrag von 4.299,53 DM überschreitenden Schadensersatz von 6.449,31 DM zu leisten. Die am 08.07.1998 innerhalb offener Frist eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit dem angegriffenen Urteil zu Recht zur Leistung des von der Klägerin begehrten Schadensersatzes in Höhe von 6.449,31 DM unter Zugrundelegung eines hälftigen Mitverschuldens an dem durch unrechtmäßige Leistungszahlung in Höhe von insgesamt 12.898,61 DM der Klägerin entstandenen Schaden verurteilt. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten ergänzenden Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind im Ergebnis weder die tatsächlichen Feststellungen des Sozialgerichts noch die darauf gestützte rechtliche Wertung zu beanstanden.

Als Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten Forderung hat das Sozialgericht zutreffend § 145 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) i. V. m. § 133 AFG benannt. Die darin aufgestellten rechtlichen Voraussetzungen der Schadensersatzverpflichtung eines Arbeitgebers sind vom Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Klägerin zu Recht bejaht worden. Ergänzend zu den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ist auf Grund der weiteren Überprüfung im Berufungsverfahren zunächst festzustellen, dass die Klägerin entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht verpflichtet war, vor der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches zunächst Rückforderungsmaßnahmen gegenüber der Leistungsempfängerin F. R. einzuleiten. Bei dem hier gegebenen Sachverhalt bestanden - worauf im Ergebenis zutreffend auch vom Sozialgericht bereits hingewiesen wurde - für die rechtliche Zulässigkeit einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Alg und dessen Rückforderung gegenüber F. R. keine hinreichenden Aussichten. Die Richtigkeit dieser Einschätzung durch das Sozialgericht hat sich durch die Anhörung der F. R. als Zeugin im Berufungsverfahren bestätigt. Auf Grund der Bekundungen der Zeugin über ihre Funktion im Betrieb, ihre eigene Kenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse und insbesondere im Hinblick darauf, dass sie selbst in ihrem Leistungsantrag zu den hier wesentlichen Verhältnissen zutreffende bzw. jedenfalls nicht falsche Angaben gemacht hat, war das Vorliegen eines den Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X ausschließenden Sachverhaltes nicht feststellbar. Vielmehr konnten weder die Angaben der F. R. im Leistungsantrag als für die unrechtmäßige Alg-Zahlung ursächlich angesehen noch auch nur eine grobe Fahrlässigkeit der F. R. bei Bewilligung oder Inempfangnahme des Alg angenommen werden.

Die Einvernahme der Zeugin F. R. sowie die Anhörung des Beklagten im Verhandlungstermin haben im Übrigen nach Überzeugung des Gerichts auch die Richtigkeit der vom Sozialgericht vorgenommenen Wertung des Verschuldensanteils an der Schadensverursachung bestätigt. Daraus hat sich für den Senat übereinstimmend ergeben, dass auch bereits vor der förmlichen Bestellung des Beklagten zum alleinigen Geschäftsführer ab dem 01.07.1993 die wesentlichen geschäftlichen Angelegenheiten von diesem selbst, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit dem Geschäftspartner Rottloff wahrgenommen wurden. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, er selber habe keine umfassenden Kenntnisse über die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse gehabt und habe sich auf die ihm vom Steuerberater bzw. der BARMER-Ersatzkasse als zuständiger Beitragseinzugsstelle erteilten Auskünfte verlassen, kann ihn das ebensowenig entlasten, wie sein Hinweis, dass die Verwaltungs- und Büroangelegenheiten des Geschäfts von der Ehefrau des Geschäftspartners, E. R., erledigt worden seien, von welcher auch die für die F. R. ausgestellte Arbeitsbescheinigung ausgefüllt worden ist. Gerade im Hinblick darauf, dass in der Zeit bis Juli 1993 für F. R. als Geschäftspartnerin keine Lohnabrechnungen zu erstellen waren und die Regelungen der Rentenversicherungsangelegenheiten bei F. R. und dem Beklagten, als deren Ehemann, eine eher die Privatsphäre der beiden berührende Angelegenheit war, konnte der Beklagte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die von Frau E.R. - als zuständige Sachbearbeiterin - in der Arbeitsbescheinigung zu diesen sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen gemachten Angaben ohne entsprechende ausdrückliche Hinweise und jedenfalls ohne eine genaue Kontrolle als zutreffend unterstellt werden durften. Dies gilt umso mehr, als Frau E. R. nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten ungeachtet einer Ausbildung im Fach Wirtschaftsökonomie bei der Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung für F. R. sich erstmals mit einem solchen Formular hat beschäftigen müssen. Gerade dieser Umstand musste für den Beklagten sowohl auf Grund seiner Funktion als Geschäftsführer als auch im Hinblick auf seine eigene - private - Kenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse bei seiner damaligen Ehefrau Anlass sein, diese Arbeitsbescheinigung nicht ohne Überprüfung der darin gemachten Eintragungen durch seine Unterschrift als richtig zu bestätigen. Ebensowenig kann das Begehren des Beklagten erfolgreich auf den Hinweis gestützt werden, ihm sei im Zusammenhang mit der Aufnahme der Beschäftigung der Ehefrau als Angestellte ab dem 01.07.1993 von der BARMER-Ersatzkasse als zuständigem Versicherungsträger die Auskunft gegeben worden, F. R. könne im Hinblick auf die "private Rentenversicherung" weiterhin von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit bleiben. Ursächlich für die Entstehung des hier betreffenden Schadens bei der Klägerin waren nicht die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse der Beschäftigung der F. R. ab dem 01.07.1993, sondern die unzutreffenden Angaben über das Bestehen eines zur Bundesanstalt für Arbeit beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in der Zeit davor, nämlich zwischen 1991 und Ende Juni 1993. Insoweit hat sich nach den eigenen Worten des Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat niemand in dem Betrieb Gedanken über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Änderung in der Beschäftigungsart der F. R. gemacht. Gerade darin liegt jedoch das für die hier streitige Haftungsfrage maßgebliche Verschulden des Beklagten, dem durch die Verpflichtung zu einem dem hälftigen Verschuldensanteil entsprechenden Schadensersatz gegenüber der Klägerin sachgerecht Rechnung getragen wurde.

Da nach alldem das Sozialgericht mit dem angegriffenen Urteil zu Recht die Schadensersatzforderung der Klägerin, gegenüber deren rechnerischer Feststellung keine Einwendung erhoben wurden und auch auf Grund des Akteninhalts für den Senat nicht ersichtlich sind, bestätigt hat, musste der Berufung der Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht unter Berücksichtigung des Verfahrensausganges auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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