Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 2 AL 52/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 85/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin zustehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 18.05.1998 streitig.
Die am ... geborene, seit 16.10.1998 verwitwete Klägerin war nach ihren Angaben seit 1979 durchgehend bis April 1998 als kaufmännische Angestellte im Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes beschäftigt. Am 18.05.1998 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg, nachdem ihr Beschäftigungsverhältnis zum 03.04.1998 gekündigt worden war. In der Arbeitsbescheinigung vom 18.05.1998 wurde der Klägerin ein abgerechnetes monatlich gleich bleibendes Arbeitsentgelt von 1.500,00 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bescheinigt. Dieses sei auch für die Zeit bis einschließlich Februar 1998 zur Auszahlung gekommen. Das Arbeitsentgelt für die Monate März und April 1998 sei wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dagegen nicht geleistet und von der Klägerin insoweit die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug) beantragt worden. Nach den von der Klägerin eingeholten ergänzenden Angaben wurde ihr zunächst ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage eines Stundenlohnes, zuletzt ab dem 01.09.1992 in Höhe von 19,22 DM brutto gezahlt. Dieses Arbeitsentgelt wurde von den Arbeitsvertragsparteien - wohl auf Anraten eines Bankinstituts - einvernehmlich aus wirtschaftlichen Gründen des Beschäftigungsbetriebes bei unveränderter wöchentlicher Arbeitszeit ab dem 01.04.1994 auf monatlich 3.000,00 DM brutto und mit Wirkung ab dem 01.05.1996 auf monatlich 1.500,00 DM (Festgehalt) herabgesetzt. In der Lohnsteuerkarte der Klägerin für das Jahr 1998 war nach ihren Angaben im Leistungsantrag die Lohnsteuerklasse III (ohne Kinderfreibetrag) eingetragen.
Mit Bescheid vom 08.07.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem Antragszeitpunkt Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 300,00 DM in Höhe eines Leistungssatzes von 165,69 DM wöchentlich. Die Leistungsbemessung beruhte auf dem vom Arbeitgeber für die Abrechnungszeiträume zwischen dem 01.05.1996 und den 30.04.1998 vom Arbeitgeber als abgerechnet bescheinigten Arbeitsentgelt, der Leistungsgruppe C/0 und dem allgemeinen Leistungssatz von 60 v.H.
Zur Begründung des hiergegen wegen der Leistungshöhe am 05.08.1998 eingelegten Widerspruchs trugen die Bevollmächtigten der Klägerin vor, die den Anspruch mindernde Herabsetzung des der Klägerin ab dem 01.05.1996 auf 1.500,00 DM brutto monatlich gezahlten Arbeitsentgeltes sei ebenso wie die vorausgegangene Minderung auf 3.000,00 DM monatlich brutto ab dem 01.10.1994 jeweils auf ausdrückliches Betreiben der Sparkasse infolge der schlechten Wirtschaftslage des Betriebes erfolgt. Die Leistungsbewilligung nach dem geringeren Einkommen bedeute für die Klägerin, welche ihre Tätigkeit entsprechend den Merkmalen der Tarifgruppe V des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kfz-Gewerbes in Sachsen ausgeübt habe, eine unbillige Härte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die in der Bewilligungsentscheidung vorgenommene Leistungsbemessung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Sowohl bei Zugrundelegung des Regelbemessungszeitraumes von 12 Monaten als auch eines auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraumes (unter Härtegesichtspunkten) errechne sich jeweils ein maßgebliches wöchentliches Bemessungsentgelt von 300,00 DM, nach welchem das Alg gewährt worden sei. Im Hinblick auf die von der Klägerin in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeiten liege auch kein Härtefall im Sinne von § 131 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) vor.
Gegen die den Bevollmächtigten am 18.12.1998 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin mit einem am 18.01.1999 beim Sozialgericht Chemnitz eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Klage erheben lassen, zu deren Begründung im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt wurde.
Mit Urteil vom 17.02.2000 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf höheres Alg, als es ihr von der Beklagten bewilligt worden sei, nicht zu. Auf der Grundlage des vom Arbeitgeber für den maßgeblichen Bemessungszeitraum vom 01.05.1996 bis 30.04.1998 bescheinigten Gesamtbruttoarbeitsentgelts von 36.000,00 DM ergebe sich ein (ungerundetes) durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt von 346,15 DM und daraus ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 350,00 DM. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne ein höheres Alg auch nicht aus der Sonderbestimmung für die Leistungsbemessung nach einer Beschäftigung bei Ehegatten oder nahen Verwandten (§ 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III) abgeleitet werden, da diese Vorschrift lediglich das für die Leistungsbemessung maßgebliche höchste Arbeitsentgelt festlege, nicht jedoch vorsehe, dass ein entsprechendes tarifliches Arbeitsentgelt mindestens bei der Leistungsberechnung zu Grunde gelegt werden müsse, wenn ein solches Arbeitsentgelt tatsächlich nicht gezahlt worden sei. Die von der Beklagten vorgenommene Regelbemessung führe unter Berücksichtigung der beruflichen Tätigkeiten der Klägerin in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung auch nicht zu einer unbilligen Härte gemäß § 131 Abs. 1 SGB III. Das Urteil des Sozialgerichts ist den Prozessbevollmächtigten am 05.04.2000 zugestellt worden.
Mit der gegen diese Entscheidung am 04.05.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin unter Wiederholung der im Klageverfahren vorgetragenen Erwägungen ihr Begehren nach höherem Arbeitslosengeld weiter geltend gemacht. Die ihr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gezahlte Vergütung sei im Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Betriebes "vorbehaltlich einer wirtschaftlichen Besserung lediglich vorübergehend reduziert" worden. Eine wirtschaftliche Erholung dieses Betriebes sei jedoch wider Erwarten nicht mehr eingetreten. Die Bemessung des Alg nach dem zuletzt gezahlten, herabgesetzten Arbeitsentgelt stelle im Hinblick auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit eine unbillige Härte dar. Es dürfe bei der Bemessung ihrer Leistung nicht rein schematisch der gesetzlich vorgesehene Bemessungszeitraum herangezogen werden. Die von der Klägerin tatsächlich ausgeübte Arbeitstätigkeit habe der vereinbarten Vergütung nach Gehaltsgruppe V des einschlägigen Tarifvertrages entsprochen, so dass auch unter dem Gesichtspunkt einer Beschäftigung bei dem Ehegatten kein Abzug beim Bemessungsentgelt gerechtfertigt sei.
Die Beklagte hat sich in ihrer Berufungserwiderung vom 09.11.2000 dem angefochtenen Urteil angeschlossen und nochmals die gesetzlich vorgesehenen Bemessungsgrundsätze dargelegt.
Im Verhandlungstermin am 05.09.2001 hat der Vertreter der Beklagten erklärt, dass der Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die Regelungen im § 434c SGB III Alg auf der Grundlage eines pauschalisiert um 10 v.H. angehobenen Bemessungsentgeltes zustehe und ein solcher Anspruch anerkannt werde.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Im Übrigen hat die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17.02.2000 unter gleichzeitiger Aufhebung des Bescheides der Beklagten/Berufungsbeklagten vom 08.07.1998 in der Fasssung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 aufzuheben,
2. die Beklagte/Berufungsbeklagte zu verurteilen, der Klägerin/Berufungsklägerin Arbeitslosengeld ab Antragstellung unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe V des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kfz-Gewerbes in Sachsen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Leistungsunterlagen der Beklagten sowie der Verfahrensakten aus beiden Rechtszügen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung ist fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist die Berufung in dem nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten noch offenen Umfang nicht begründet.
Rechtsgrundlagen des der Klägerin zustehenden Alg-Anspruchs sind §§ 117, 129 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Das Sozialgericht hat insoweit die einschlägigen Rechtsvorschriften zutreffend in den Entscheidungsgründen benannt.
Zu Recht ist das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten davon ausgegangen, dass bei der Klägerin die Grundvoraussetzungen des Leistungsanspruches, insbesondere der Erwerb einer Anwartschaftszeit gemäß § 123 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 SGB III vorliegen. Für den Senat haben sich bei der eigenen Überprüfung der aktenkundigen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin während ihrer Beschäftigung in dem Betrieb ihres Ehemannes nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne der genannten Vorschriften gestanden, sondern eine versicherungsfreie, etwa familienhafte Mithilfe vorgelegen hätte.
Die Höhe des der Klägerin zustehenden Leistungsanspruchs richtet sich nach §§ 129 ff. SGB III. Die Richtigkeit der der Leistungsbemessung zu Grunde gelegten Leistungsgruppe (C/0) sowie des allgemeinen Leistungssatzes in Höhe von 60 v.H. bedarf im Hinblick auf die insoweit unstreitigen tatsächlichen Verhältnisse keiner besonderen Erläuterung. Auch im Übrigen ist die von der Beklagten vorgenommene Leistungsfestsetzung nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das Sozialgericht in Bestätigung der angefochtenen Bescheide zunächst festgestellt, dass sich der für die Bemessung maßgebliche Zeitraum gemäß § 130 Abs. 1 SGB III auf die Zeit vom 01.05.1997 bis 30.04.1998 erstreckt. Dabei hat es - stillschweigend - auch die Entgeltabrechnungszeiträume März und April 1998 in diesen Zeitraum mit einbezogen, obwohl das Arbeitsentgelt für diese Zeiträume nach der Arbeitsbescheinigung zwar abgerechnet war, aber infolge der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zur Auszahlung gelangt ist. Dies ist jedoch gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III - insoweit abweichend von dem Bemessungssystem des AFG - unschädlich. Ausgehend von dieser Regelungsgrundlage enthält der Bemessungszeitraum vom 01.05.1997 bis 30.04.1998 insgesamt einen Umfang von mehr als 39 Wochen mit Entgeltanspruch, welche vor der Entstehung des Leistungsanspruches liegen. Rechnerisch ergibt sich aus den für diesen Zeitraum vom Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung bestätigten versicherungspflichtigen Arbeitsentgelt ein gerundetes (wöchentliches) Bemessungsentgelt von 350,00 DM, welches die Beklagte der Leistungsbemessung zu Grunde gelegt hat.
Das Sozialgericht hat in Übereinstimmung mit der Beklagten zu Recht auch die Heranziehung eines abweichenden, höheren Entgeltes zur Leistungsbemessung abgelehnt. Eine rechtliche Grundlage für eine solche besondere Berechnung der Leistung ergibt sich zunächst nicht aus § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folgt, dass zunächst auch bei der Beschäftigung eines Ehegatten das - tatsächlich - "aus der Beschäftigung erzielte" Entgelt für die Leistungsbemessung zu Grunde zu legen ist. Eine Beachtlichkeit dieses tatsächlich erzielten Entgeltes wird allerdings auf den Betrag beschränkt ("gekappt"), welcher als Entgelt höchstens von familienfremden Arbeitnehmern bei einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit gezahlt würde. Eine Rechtsgrundlage für eine Anhebung eines niedrigeren tatsächlich gezahlten Arbeitsentgeltes zum Zwecke der Leistungsbemessung auf die Höhe eines vergleichbaren Entgeltes familienfremder Arbeitnehmer kann der Norm dagegen weder nach dem Wortlaut noch ihrer Zweckbestimmung entnommen werden.
Auch eine Bemessung des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes unter Heranziehung eines besonderen Bemessungszeitraumes gemäß § 131 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III kann jedenfalls nicht zu den von der Klägerin begehrten höheren Alg führen. Die Heranziehung eines besonderen Bemessungszeitraumes nach § 131 Abs. 1 ist bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich die berufliche Tätigkeit der Klägerin nach Inhalt oder zeitlichem Umfang weder innerhalb des Bemessungszeitraumes oder des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraumes, noch auch im Vergleich zu den Jahren davor verändert hat. Im Übrigen würde auch die nach § 131 Abs. 1 aus dem Gesichtspunkt der der Härte vorzunehmende Ausweitung des Bemessungszeitraumes "auf die letzten zwei Jahre vor der Arbeitslosmeldung", nicht zu einer Anhebung des Bemessungsentgeltes über 350,00 DM wöchentlich hinaus führen. Die Klägerin hat bereits seit dem 01.05.1996, also die gesamten vor der Arbeitslosigkeit liegenden zwei Jahre, nur noch ein 1.500,00 DM monatlich brutto betragendes Arbeitsentgelt erzielt. Alle unter dem Gesichtspunkt der Härtefallregelung in § 131 Abs. 2 SGB III vorgesehenen Sachverhalte sind bei der Klägerin unstreitig nicht gegeben. Ebenso wenig liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für eine abweichende Berücksichtigung von Bemessungsentgelt nach § 133 Abs. 1 SGB III vor, da die Klägerin zum 18.05.1998 erstmalig arbeitslos geworden ist.
Das für die Leistungsbemessung geltende Regelungssystem der §§ 129 ff. SGB III sieht eine mit § 112 Abs. 7 AFG vergleichbare, sonstige Härtefallregelung unter Heranziehung eines "fiktiven Arbeitsentgeltes" nicht vor. Auf Grund der abweichenden Gesamtregelung, insbesondere der Erweiterung des Bemessungszeitraumes auf die letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, besteht für eine derartige Sonderregelung auch kein vergleichbarer Bedarf. Eine Regelungslücke, deren Schließung etwa aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten wäre, ist nach Ansicht des Senats nicht ersichtlich.
Da die streitigen Bewilligungsentscheidungen der Beklagten in dem nach Annahme des Teilanerkenntnisses noch offenen Ausmaß tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden waren, musste der auf eine weitergehende Erhöhung der Leistung gerichteten Berufung der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin zustehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 18.05.1998 streitig.
Die am ... geborene, seit 16.10.1998 verwitwete Klägerin war nach ihren Angaben seit 1979 durchgehend bis April 1998 als kaufmännische Angestellte im Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes beschäftigt. Am 18.05.1998 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg, nachdem ihr Beschäftigungsverhältnis zum 03.04.1998 gekündigt worden war. In der Arbeitsbescheinigung vom 18.05.1998 wurde der Klägerin ein abgerechnetes monatlich gleich bleibendes Arbeitsentgelt von 1.500,00 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bescheinigt. Dieses sei auch für die Zeit bis einschließlich Februar 1998 zur Auszahlung gekommen. Das Arbeitsentgelt für die Monate März und April 1998 sei wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dagegen nicht geleistet und von der Klägerin insoweit die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug) beantragt worden. Nach den von der Klägerin eingeholten ergänzenden Angaben wurde ihr zunächst ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage eines Stundenlohnes, zuletzt ab dem 01.09.1992 in Höhe von 19,22 DM brutto gezahlt. Dieses Arbeitsentgelt wurde von den Arbeitsvertragsparteien - wohl auf Anraten eines Bankinstituts - einvernehmlich aus wirtschaftlichen Gründen des Beschäftigungsbetriebes bei unveränderter wöchentlicher Arbeitszeit ab dem 01.04.1994 auf monatlich 3.000,00 DM brutto und mit Wirkung ab dem 01.05.1996 auf monatlich 1.500,00 DM (Festgehalt) herabgesetzt. In der Lohnsteuerkarte der Klägerin für das Jahr 1998 war nach ihren Angaben im Leistungsantrag die Lohnsteuerklasse III (ohne Kinderfreibetrag) eingetragen.
Mit Bescheid vom 08.07.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem Antragszeitpunkt Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 300,00 DM in Höhe eines Leistungssatzes von 165,69 DM wöchentlich. Die Leistungsbemessung beruhte auf dem vom Arbeitgeber für die Abrechnungszeiträume zwischen dem 01.05.1996 und den 30.04.1998 vom Arbeitgeber als abgerechnet bescheinigten Arbeitsentgelt, der Leistungsgruppe C/0 und dem allgemeinen Leistungssatz von 60 v.H.
Zur Begründung des hiergegen wegen der Leistungshöhe am 05.08.1998 eingelegten Widerspruchs trugen die Bevollmächtigten der Klägerin vor, die den Anspruch mindernde Herabsetzung des der Klägerin ab dem 01.05.1996 auf 1.500,00 DM brutto monatlich gezahlten Arbeitsentgeltes sei ebenso wie die vorausgegangene Minderung auf 3.000,00 DM monatlich brutto ab dem 01.10.1994 jeweils auf ausdrückliches Betreiben der Sparkasse infolge der schlechten Wirtschaftslage des Betriebes erfolgt. Die Leistungsbewilligung nach dem geringeren Einkommen bedeute für die Klägerin, welche ihre Tätigkeit entsprechend den Merkmalen der Tarifgruppe V des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kfz-Gewerbes in Sachsen ausgeübt habe, eine unbillige Härte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die in der Bewilligungsentscheidung vorgenommene Leistungsbemessung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Sowohl bei Zugrundelegung des Regelbemessungszeitraumes von 12 Monaten als auch eines auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraumes (unter Härtegesichtspunkten) errechne sich jeweils ein maßgebliches wöchentliches Bemessungsentgelt von 300,00 DM, nach welchem das Alg gewährt worden sei. Im Hinblick auf die von der Klägerin in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeiten liege auch kein Härtefall im Sinne von § 131 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) vor.
Gegen die den Bevollmächtigten am 18.12.1998 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin mit einem am 18.01.1999 beim Sozialgericht Chemnitz eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Klage erheben lassen, zu deren Begründung im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt wurde.
Mit Urteil vom 17.02.2000 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf höheres Alg, als es ihr von der Beklagten bewilligt worden sei, nicht zu. Auf der Grundlage des vom Arbeitgeber für den maßgeblichen Bemessungszeitraum vom 01.05.1996 bis 30.04.1998 bescheinigten Gesamtbruttoarbeitsentgelts von 36.000,00 DM ergebe sich ein (ungerundetes) durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt von 346,15 DM und daraus ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 350,00 DM. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne ein höheres Alg auch nicht aus der Sonderbestimmung für die Leistungsbemessung nach einer Beschäftigung bei Ehegatten oder nahen Verwandten (§ 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III) abgeleitet werden, da diese Vorschrift lediglich das für die Leistungsbemessung maßgebliche höchste Arbeitsentgelt festlege, nicht jedoch vorsehe, dass ein entsprechendes tarifliches Arbeitsentgelt mindestens bei der Leistungsberechnung zu Grunde gelegt werden müsse, wenn ein solches Arbeitsentgelt tatsächlich nicht gezahlt worden sei. Die von der Beklagten vorgenommene Regelbemessung führe unter Berücksichtigung der beruflichen Tätigkeiten der Klägerin in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung auch nicht zu einer unbilligen Härte gemäß § 131 Abs. 1 SGB III. Das Urteil des Sozialgerichts ist den Prozessbevollmächtigten am 05.04.2000 zugestellt worden.
Mit der gegen diese Entscheidung am 04.05.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin unter Wiederholung der im Klageverfahren vorgetragenen Erwägungen ihr Begehren nach höherem Arbeitslosengeld weiter geltend gemacht. Die ihr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gezahlte Vergütung sei im Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Betriebes "vorbehaltlich einer wirtschaftlichen Besserung lediglich vorübergehend reduziert" worden. Eine wirtschaftliche Erholung dieses Betriebes sei jedoch wider Erwarten nicht mehr eingetreten. Die Bemessung des Alg nach dem zuletzt gezahlten, herabgesetzten Arbeitsentgelt stelle im Hinblick auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit eine unbillige Härte dar. Es dürfe bei der Bemessung ihrer Leistung nicht rein schematisch der gesetzlich vorgesehene Bemessungszeitraum herangezogen werden. Die von der Klägerin tatsächlich ausgeübte Arbeitstätigkeit habe der vereinbarten Vergütung nach Gehaltsgruppe V des einschlägigen Tarifvertrages entsprochen, so dass auch unter dem Gesichtspunkt einer Beschäftigung bei dem Ehegatten kein Abzug beim Bemessungsentgelt gerechtfertigt sei.
Die Beklagte hat sich in ihrer Berufungserwiderung vom 09.11.2000 dem angefochtenen Urteil angeschlossen und nochmals die gesetzlich vorgesehenen Bemessungsgrundsätze dargelegt.
Im Verhandlungstermin am 05.09.2001 hat der Vertreter der Beklagten erklärt, dass der Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die Regelungen im § 434c SGB III Alg auf der Grundlage eines pauschalisiert um 10 v.H. angehobenen Bemessungsentgeltes zustehe und ein solcher Anspruch anerkannt werde.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Im Übrigen hat die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17.02.2000 unter gleichzeitiger Aufhebung des Bescheides der Beklagten/Berufungsbeklagten vom 08.07.1998 in der Fasssung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 aufzuheben,
2. die Beklagte/Berufungsbeklagte zu verurteilen, der Klägerin/Berufungsklägerin Arbeitslosengeld ab Antragstellung unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe V des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kfz-Gewerbes in Sachsen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Leistungsunterlagen der Beklagten sowie der Verfahrensakten aus beiden Rechtszügen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung ist fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist die Berufung in dem nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten noch offenen Umfang nicht begründet.
Rechtsgrundlagen des der Klägerin zustehenden Alg-Anspruchs sind §§ 117, 129 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Das Sozialgericht hat insoweit die einschlägigen Rechtsvorschriften zutreffend in den Entscheidungsgründen benannt.
Zu Recht ist das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten davon ausgegangen, dass bei der Klägerin die Grundvoraussetzungen des Leistungsanspruches, insbesondere der Erwerb einer Anwartschaftszeit gemäß § 123 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 SGB III vorliegen. Für den Senat haben sich bei der eigenen Überprüfung der aktenkundigen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin während ihrer Beschäftigung in dem Betrieb ihres Ehemannes nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne der genannten Vorschriften gestanden, sondern eine versicherungsfreie, etwa familienhafte Mithilfe vorgelegen hätte.
Die Höhe des der Klägerin zustehenden Leistungsanspruchs richtet sich nach §§ 129 ff. SGB III. Die Richtigkeit der der Leistungsbemessung zu Grunde gelegten Leistungsgruppe (C/0) sowie des allgemeinen Leistungssatzes in Höhe von 60 v.H. bedarf im Hinblick auf die insoweit unstreitigen tatsächlichen Verhältnisse keiner besonderen Erläuterung. Auch im Übrigen ist die von der Beklagten vorgenommene Leistungsfestsetzung nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das Sozialgericht in Bestätigung der angefochtenen Bescheide zunächst festgestellt, dass sich der für die Bemessung maßgebliche Zeitraum gemäß § 130 Abs. 1 SGB III auf die Zeit vom 01.05.1997 bis 30.04.1998 erstreckt. Dabei hat es - stillschweigend - auch die Entgeltabrechnungszeiträume März und April 1998 in diesen Zeitraum mit einbezogen, obwohl das Arbeitsentgelt für diese Zeiträume nach der Arbeitsbescheinigung zwar abgerechnet war, aber infolge der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zur Auszahlung gelangt ist. Dies ist jedoch gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III - insoweit abweichend von dem Bemessungssystem des AFG - unschädlich. Ausgehend von dieser Regelungsgrundlage enthält der Bemessungszeitraum vom 01.05.1997 bis 30.04.1998 insgesamt einen Umfang von mehr als 39 Wochen mit Entgeltanspruch, welche vor der Entstehung des Leistungsanspruches liegen. Rechnerisch ergibt sich aus den für diesen Zeitraum vom Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung bestätigten versicherungspflichtigen Arbeitsentgelt ein gerundetes (wöchentliches) Bemessungsentgelt von 350,00 DM, welches die Beklagte der Leistungsbemessung zu Grunde gelegt hat.
Das Sozialgericht hat in Übereinstimmung mit der Beklagten zu Recht auch die Heranziehung eines abweichenden, höheren Entgeltes zur Leistungsbemessung abgelehnt. Eine rechtliche Grundlage für eine solche besondere Berechnung der Leistung ergibt sich zunächst nicht aus § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folgt, dass zunächst auch bei der Beschäftigung eines Ehegatten das - tatsächlich - "aus der Beschäftigung erzielte" Entgelt für die Leistungsbemessung zu Grunde zu legen ist. Eine Beachtlichkeit dieses tatsächlich erzielten Entgeltes wird allerdings auf den Betrag beschränkt ("gekappt"), welcher als Entgelt höchstens von familienfremden Arbeitnehmern bei einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit gezahlt würde. Eine Rechtsgrundlage für eine Anhebung eines niedrigeren tatsächlich gezahlten Arbeitsentgeltes zum Zwecke der Leistungsbemessung auf die Höhe eines vergleichbaren Entgeltes familienfremder Arbeitnehmer kann der Norm dagegen weder nach dem Wortlaut noch ihrer Zweckbestimmung entnommen werden.
Auch eine Bemessung des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes unter Heranziehung eines besonderen Bemessungszeitraumes gemäß § 131 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III kann jedenfalls nicht zu den von der Klägerin begehrten höheren Alg führen. Die Heranziehung eines besonderen Bemessungszeitraumes nach § 131 Abs. 1 ist bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich die berufliche Tätigkeit der Klägerin nach Inhalt oder zeitlichem Umfang weder innerhalb des Bemessungszeitraumes oder des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraumes, noch auch im Vergleich zu den Jahren davor verändert hat. Im Übrigen würde auch die nach § 131 Abs. 1 aus dem Gesichtspunkt der der Härte vorzunehmende Ausweitung des Bemessungszeitraumes "auf die letzten zwei Jahre vor der Arbeitslosmeldung", nicht zu einer Anhebung des Bemessungsentgeltes über 350,00 DM wöchentlich hinaus führen. Die Klägerin hat bereits seit dem 01.05.1996, also die gesamten vor der Arbeitslosigkeit liegenden zwei Jahre, nur noch ein 1.500,00 DM monatlich brutto betragendes Arbeitsentgelt erzielt. Alle unter dem Gesichtspunkt der Härtefallregelung in § 131 Abs. 2 SGB III vorgesehenen Sachverhalte sind bei der Klägerin unstreitig nicht gegeben. Ebenso wenig liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für eine abweichende Berücksichtigung von Bemessungsentgelt nach § 133 Abs. 1 SGB III vor, da die Klägerin zum 18.05.1998 erstmalig arbeitslos geworden ist.
Das für die Leistungsbemessung geltende Regelungssystem der §§ 129 ff. SGB III sieht eine mit § 112 Abs. 7 AFG vergleichbare, sonstige Härtefallregelung unter Heranziehung eines "fiktiven Arbeitsentgeltes" nicht vor. Auf Grund der abweichenden Gesamtregelung, insbesondere der Erweiterung des Bemessungszeitraumes auf die letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, besteht für eine derartige Sonderregelung auch kein vergleichbarer Bedarf. Eine Regelungslücke, deren Schließung etwa aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten wäre, ist nach Ansicht des Senats nicht ersichtlich.
Da die streitigen Bewilligungsentscheidungen der Beklagten in dem nach Annahme des Teilanerkenntnisses noch offenen Ausmaß tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden waren, musste der auf eine weitergehende Erhöhung der Leistung gerichteten Berufung der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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