L 3 AL 94/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 2 AL 1001/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 94/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten - auch des Berufungsverfahrens - sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Zeitraum vom 26.04.96 bis 14.09.96, Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) und ab 15.09.96 Anspruch auf Überbrückungsgeld hat.

Der am ... geborene , verheiratete Kläger war nach einer Tätigkeit als Patentingenieur, Justitiar bei mehreren Arbeitgebern, nämlich vom 01.05.88 bis 31.03.92 bei der Firma C ... B ... GmbH, vom 12.10.93 bis 31.12.94 bei der Firma D ... GmbH und zuletzt vom 01.12.95 bis zur rückwirkenden Auflösung des Arbeitverhältnisses am 26.04.96 zum 31.03.96 bei der Firma R ... I ... und B ... GmbH.

Der Kläger beantragte am 26.04.96 die Zahlung von Alg.

Der ehemalige Arbeitgeber erklärte in einer Arbeitsbescheinigung, das Arbeitverhältnis mit dem Kläger sei am 29.03.96 zum 31.03.96 durch "Kündigung seitens des Arbeitnehmers, Auflösungsvertrag" beendet worden.

Der Kläger nahm dazu wie folgt Stellung: Der Arbeitgeber habe ihm am 26.04.96 einen rückwirkend datierten Aufhebungsvertrag vorgelegt. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis beenden wollen und die Vergütung für den Monat April 1996 vorenthalten. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei auch deshalb nicht zumutbar gewesen, weil er keinen Dienstwagen erhalten habe und außerdem einen großen Wachhund in den Büroräumen erdulden musste. Er erklärte ferner, zum 01.07.96 werde er eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einer Sozietät in Chemnitz aufnehmen.

Die vor dem Arbeitsgericht Chemnitz gegen den ehemaligen Arbeitgeber erhobene Klage, mit der er den Arbeitslohn für den Zeitraum vom 01.04.96 bis 03.05.96 eingeklagt hatte, nahm der Kläger zurück. Der Arbeitgeber zahlte entsprechend einem außergerichtlichem Vergleich 60 % der noch ausstehenden Vergütung.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 03.09.96 den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen (01.04.96 - 23.06.96) und die Minderung der Anspruchsdauer um 97 Tage fest. Der Kläger habe einen Aufhebungsvertrag zur Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses zugestimmt und somit das Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er durch sein Verhalten die Arbeitslosigkeit herbeiführt.

Der Kläger legte dagegen am 10.09.96 Widerspruch ein. Der Aufhebungsvertrag sei unwirksam. Tatsächlich habe das Arbeitsverhältnis am 25.04.96 geendet. Außerdem habe er die Tätigkeit als Justitiar beenden müssen, um die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu behalten. Er habe den Termin zur Aufnahme eines Kanzleisitzes bereits überzogen gehabt. Die Verhängung einer Sperrzeit stelle eine unbillige Härte dar. Er habe noch rückständige Beiträge zur Krankenversicherung und anderen Pflichtversicherungen zu zahlen.

Die Beklagte zog eine ergänzende Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers bei, wonach der Aufhebungsvertrag auf Wunsch des Klägers geschlossen worden sei und eine arbeitgeberseitige Kündigung nicht erfolgt wäre.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.96 zurück. Das Arbeitsverhältnis sei auf Wunsch des Klägers durch Auflösungsvertrag beendet worden. Er habe die Arbeitslosigkeit nach Abschluss des Aufhebungsvertrages voraussehen müssen, da er erst zum 01.07.96 die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beabsichtigt habe. Dem Kläger habe für sein Verhalten kein wichtiger Grund zur Seite gestanden noch haben die Voraussetzungen für eine besondere Härte vorgelegen. Der Umstand, dass bei Nichtaufgabe der Beschäftigung die Zulassung des Klägers gefährdet gewesen sei, könne die Arbeitsaufgabe nicht rechtfertigen. Bei entsprechender Koordinierung hätte der Kläger die Arbeitslosigkeit vermeiden können.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger nach Ablauf der Sperrzeit Alg für den Zeitraum vom 24.06.96 bis 29.06.96 in Höhe von 263,40 DM wöchentlich nach der Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) und einem BE in Höhe von 860,00 DM (Bewilligungsbescheid vom 05.09.96) und erstellte einen entsprechenden Leistungsnachweis.

Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 05.09.96 und gegen den Leistungsnachweis am 13.09.96 Widerspruch ein und begehrt die "Neubestimmung der Arbeitslosenzeit". Er habe am 01.07.96 keine Arbeit aufgenommen und sich auch nicht aus dem Leistungsbezug abmelden wollen. Nach Absprachen mit dem zukünftigen Sozietätspartner, Rechtsanwalt Friedemann, werde er die selbstständige Tätigkeit zum 15.09.96 aufnehmen. Im Zeitraum vom 08.07.96 bis 11.09.96 habe er bereits stundenweise (4-7 Stunden pro Woche) für diesen Rechtsanwalt gearbeitet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.96 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 05.03.96 zurück. Der Kläger habe nach eigener Mitteilung der Arbeitsvermittlung ab 01.07.96 nicht zur Verfügung gestanden. Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes Zwickau seien deshalb unterblieben. Erst am 12.09.96 habe der Kläger telefonisch mitgeteilt, er habe die Abmeldung versehentlich vorgenommen. Damit fehle es an der Verfügbarkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.96 verwarf die Beklagte den Widerspruch gegen den Leistungsnachweis. Es handele sich um eine "Folgeerscheinung" des Bewilligungsbescheides und damit nicht um einen Verwaltungsakt.

Der Kläger beantragte am 03.06.96 die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt, wobei er im Antragsformular die Aufnahme zum 01.07.96 angab.

Bei einer persönlichen Vorsprache am 12.09.96 erklärte er, "er habe sich zum 01.07.96 nicht in Arbeit abgemeldet". Die fachliche Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Sachsen zur Tragfähigkeit der Existenzgründung beziehe sich auf eine Tätigkeitsaufnahme am 15.09.96.

Die Beklagte lehnte die Bewilligung des Überbrückungsgeldes gem. § 55a AFG i. V. m. § 24 Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme mit Bescheid vom 04.11.96 ab. Der Kläger habe unmittelbar vor der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht mindestens vier Wochen Alg, Alhi oder Uhg bezogen.

Dagegen legte der Kläger am 11.11.96 Widerspruch ein. Die Entscheidung über die Bewilligung von Alg sei vorgreiflich. Er beantragte deshalb die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens.

Der Kläger hat am 22.11.96 zwei Klagen beim Sozialgericht Chemnitz gegen die drei Widerspuchsbescheide vom 11.11.96 erhoben, die das Sozialgericht mit Beschluss vom 03.06.96 verbunden hat. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe keine Sperrfrist von 12 Wochen verhängen dürfen. Die Beendigung des Angestelltenverhältnisses sei zum Eintritt in die Freiberuflichkeit notwendig gewesen, die Beendigungsform zweitrangig. Nach der Vorlage des Aufhebungsvertrages sei das Vertrauensverhältnis gestört gewesen. Der Geschäftsführer, Herr R ..., habe die Arbeitnehmer schikaniert. Er habe aufgrund der Arbeitsbedingungen einen Hörsturz erlitten.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.96 den Widerspruch gegen die Ablehnung des Überbrückungsgeldes zurückgewiesen. Der Kläger hat die Klage insoweit erweitert und Anspruch auf Alg über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen und damit auch Anspruch auf Überbrückungsgeld.

Das Sozialgericht hat über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Firma R ... GmbH Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R ... und der Zeugin T ...

Der Zeuge R ... hat erklärt, der Kläger habe die Lösung des Arbeitsvertrages gewünscht. Er habe und hätte dem Kläger nicht gekündigt, sei mit der Auflösung aber einverstanden gewesen. Der Kläger habe den Entzug der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu befürchten gehabt.

Die Zeugin T ... hat ausgesagt, der Geschäftsführer habe ständig Kündigungen und Lohnkürzungen angedroht. Er habe sich gegenüber den Mitarbeitern cholerisch verhalten. Der Kläger habe Mitte/Ende April 1996 einen Auflösungsvertrag mit dem Arbeitgeber geschlossen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 09.03.99 die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.11.96, in dem der Widerspruch gegen den Leistungsnachweis verworfen wurde, zurückgenommen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.03.99 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Sperrzeit von 12 Wochen seien erfüllt. Der Kläger habe durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Der Zeuge R ..., an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestünden, hätte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht gekündigt. Der Kläger habe keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz gehabt. Ein wichtiger Grund für Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und die Einrichtung eines Kanzleisitzes im Amtsgerichtsbezirk C ... seien hier maßgebend gewesen. Gründe für die Herabsetzung der Sperrzeit gem. § 119 Abs. 3 AFG lägen nicht vor. Auch der Bewilligungsbescheid vom 05.09.96, mit dem dem Kläger Alg nach Ablauf der Sperrzeit vom 24.06.96 bis 29.06.96 bewilligt wurde, sei rechtmäßig. Der Kläger habe der Arbeitsvermittlung danach nicht mehr zur Verfügung gestanden. Er habe gegenüber der Beklagten erklärt, ab 01.07.96 eine Tätigkeit als Rechtsanwalt aufzunehmen. Erst am 12.09.96 habe er der Beklagten mitgeteilt, dass die Abmeldung versehentlich erfolgt sei. Auch die Ablehnung des Antrages auf Überbrückungsgeld sei rechtmäßig. Der Kläger habe vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit lediglich sechs Tage Alg bezogen.

Gegen das am 19.06.99 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.07.99 zwei inhaltlich übereinstimmende Berufungen beim Sächsischen Landessozialgericht (L 3 AL 94/99 und L 3 AL 95/99) eingelegt. Die Berufung mit dem Az. L 3 AL 95/99 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2001 zurückgenommen.

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren die Herabsetzung der Sperrzeit auf sechs Wochen, die Bewilligung von Alg im Anschluss daran sowie den "hälftigen Anspruch auf Überbrückungsgeld". Er habe den Aufhebungsvertrag unterschrieben, weil die Arbeitsbedingungen unzumutbar gewesen seien. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sei insoweit nicht von Bedeutung gewesen. Der Geschäftsführer R ... habe den Aufhebungsvertrag unerwartet vorgelegt. Er hätte das Arbeitsverhältnis aus eigener Initiative nicht beendet, aber sich weiter um eine andere Arbeitsstelle bemüht. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit habe er bereits seit März/April 1996 geplant gehabt. Außerdem habe er gegenüber dem Arbeitsamt am 10.06.96 auch nur unverbindlich mitgeteilt, dass er vielleicht schon ab 01.07.96 die selbstständige Tätigkeit aufnehmen könne. Diese Mitteilung habe er widerrufen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.03.99 aufzuheben und den Bescheid vom 03.09.96 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.96 abzuändern, den Bewilligungsbescheid vom 05.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.1996 abzuändern und die Sperrzeit auf 6 Wochen herbzusetzen sowie ihm im Anschluss daran Arbeitslosengeld zu gewähren,

2. den Bescheid vom 01.11.96 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.96 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Überbrückungsgeld ab 15. September 1996 für die Dauer von 13 Wochen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.03.99 sei nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat einen Befundbericht des Internisten Dr. med. K ... und des HNO-Arztes Dr. med. J ... über den Behandlungszeitraum Januar 1996 bis Mai 1996 beigezogen, wonach bei dem Kläger im fraglichen Zeitraum eine Bronchitis, Ohren- und Magenschmerzen vorgelegen haben. Der Kläger sei vom 28.02.96 bis 08.03.96 und vom 17.04.96 bis 19.04.96 arbeitsunfähig gewesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagte (Stamm-Nr.: ...), Gerichtsakten des Sozialgerichts Chemnitz (S 2 AL 1001/96 und S 2 AL 1002/96) und des Sächs. LSG (L 3 AL 94/99, L 3 AL 95/99) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beschwerdegegenstand übersteigt 1.000,00 DM. Denn der Kläger begehrt ab 24.04.1996 Arbeitslosengeld (Alg) und im Anschluss daran ab 15.09.1996 Überbrückungsgeld. Der wöchentliche Leistungssatz des Alg betrug im Juni 1996 263,40 DM.

Die Berufung ist aber unbegründet.

Im Berufungsverfahren macht der Kläger nur noch einen Anspruch auf Alg nach Ablauf einer Sperrzeit von sechs Wochen und Überbrückungsgeld ab 15. September 1996 für die Dauer von 13 Wochen geltend. In diesem Umfang erfolgt eine Prüfung der Streitsache.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage auch insoweit abgewiesen. Der Kläger hat lediglich vom 24.06.1996 bis 29.06.1996 Anspruch auf Alg. Darüberhinausgehende Ansprüche auf Alg und Überbrückungsgeld bestehen nicht.

I. Der Kläger hat den Sperrzeittatbestand des §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 119 a Nr. 1 AFG erfüllt.

Danach tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis mit der Firma R ... I ... und B ...GmbH durch Auflösungsvertrag rückwirkend zum 01.04.97 gelöst. Er hat damit die Arbeitslosigkeit Auflösungsvertrages hatte er keine Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz. Er beabsichtigte, zunächst Alg zu beziehen und in der Folgezeit eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen.

Dem Kläger steht für sein Verhalten kein wichtiger Grund zur Seite.

Nach Sinn und Zweck der Sperrzeittatbestände soll unter Abwägung der Interessen der Versicherten mit denen der Versichertengemeinschaft eine Sperrzeit dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles kein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Bei der Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses ist ein wichtiger Grund dann gegeben, wenn Umstände vorliegen, die nach verständigem Ermessen dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sein Interesse ansonsten in unbilliger Weise geschädigt würde (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 17; BSG Urt. vom 18.03.1997, Az.: 11 RAr 25/96 und 11 RAr 17/96).

Die festgestellten Umstände begründen eine solche Unzumutbarkeit nicht.

Der Kläger hat erklärt, er habe auf Veranlassung des Arbeitgebers den Auflösungsvertrag unterschrieben. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis rückwirkend beenden und die Vergütung für den Monat April 1996 vorenthalten wollen. Er hätte den Auflösungsvertag aber nicht unterschreiben müssen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des drohenden Entzuges der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Zulassung hätte er ggf. später erneut beantragen können.

Die alternativ von dem Kläger erwartete arbeitgeberseitige Kündigung wäre nach Angaben des Zeugen R ... nicht erfolgt. Unabhängig davon ist es dem Arbeitnehmer grundsätzlich zumutbar, eine Kündigung abzuwarten und deren Rechtmäßigkeit nach Ausspruch zu prüfen und ggf. ein Kündigungsschutzverfahren durchzuführen (vgl. Niesel, AFG, 2. Aufl., § 119 Rn. 68). Die damit verbundenen Belastungen wie Kosten, Dauer des Klageverfahrens und das Risiko hinsichtlich der Erfolgsaussichten sind Kündigungsschutzklagen immanent und belasten jeden Arbeitnehmer. Dennoch ist es insoweit geboten, effektiven Rechsschutz zu suchen.

Hier lag auch eine tiefgreifende Zerrütung des Mindestvertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vor. Der Kläger arbeitete zwar unter erschwerten Bedingungen. Die Zeugin T ... schilderte Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Zeugen R ..., den sie als cholerisch empfand. In den Büroräumen hielt sich ein Rottweiler auf, den der Kläger auf Veranlassung des Geschäftsführers besorgt hatte. Der Kläger erhielt keinen Dienstwagen, obwohl er nach eigenen Angaben ein Kfz benötigte. Er war außerdem schon zweimal von seinem Arbeitgeber abgemahnt worden, ohne dagegen arbeitsrechtlich vorgegangen zu werden. Eine Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer R ... war nicht völlig ausgeschlossen. Zwar war der Kläger psychischem Druck ausgesetzt. Er hätte aber nach eigenen Angaben das Arbeitsverhältnis fortgeführt, wenn ihm der Aufhebungsvertrag nicht vorgelegt worden wäre. Er suchte bereits nach Möglichkeiten, sich selbstständig zu machen. Er hätte also nur noch die Zeit bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit überbrücken müssen. Das erscheint auch objektiv zumutbar.

Soweit der Kläger ferner einen arbeitsbedingten Hörsturz anführt, ist damit ebenfalls kein wichtiger Grund i. S. d. § 119 AFG gegeben. Zwar können Gründe im persönlichen Bereich insoweit ausreichen. Bei gesundheitlichen Gründen ist der Arbeitnehmer aber zunächst gehalten, diese Gründe zu beseitigen. Die Fortführung eines Arbeitsverhältnisses ist nur dann unzumutbar, wenn die Leistungseinschränkungen von erheblichem Umfang sind. Davon ist nicht auszugehen. Der Kläger wurde wegen des Hörsturzes vom 18.04.96 bis 28.04.96 (jeweils nach Dienstende) behandelt. Er konnte nach Angaben des behandelnden HNO-Arztes die Tätigkeit als Justitiar nach Beendigung der ambulanten Therapie fortsetzen. Erhebliche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lagen zuvor nicht vor.

Nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen bedeutet die 12-wöchige Sperrzeit keine besondere Härte im Sinne des § 119 Abs. 2 Satz 1 AFG. Eine besondere Härte liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist. Maßgebende Tatsachen sind dabei solche, die mit dem Eintritt der Sperrzeit in einem ursächlichen Zusammenhang stehen (BSG SozR 4100 § 119 Rn. 32). Derartige Umstände liegen nicht vor. Eine über den Regelfall hinausgehenden Härte konnte nicht festgestellt werden. Die Regeldauer der Sperrzeit erscheint gerade nicht unverhältnismäßig.

Die Sperrzeit beginnt entgegen der Feststellung der Beklagten nicht am 01.04.1996, sondern erst am 27.04.1996. Denn gem. § 119 Abs. 1 Satz 2 AFG beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Das ist hier das Ende des Beschäftigungsverhältnisses (26.04.1996). Der Kläger ist durch den von der Beklagten festgestellten Beginn der Sperrzeit aber nicht beschwert. Er hat den Antrag auf Alg erst am 26.04.1996 gestellt und begehrt für den Zeitraum vom 01.04.1996 bis 26.04.1996 keine Leistungen der Beklagten. Damit hat die Feststellung keine leistungserheblichen Auswirkungen.

Die Minderung der Anspruchsdauer ergibt sich aus § 110 Abs. 1 Nr. 2 AFG. Danach mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Tage einer Sperrzeit nach § 119 AFG, in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 119 a AFG mindestens um 1/4 der Anspruchsdauer. Der Kläger hatte einen Restanspruch auf Alg von 390 Tagen. 1/4 des Anspruchs ergibt 97,5 Tage, die die Beklagte abgerundet hat.

II. Der Kläger hat nach Ablauf der Sperrzeit lediglich vom 24.06.1996 bis 29.06.1996 Anspruch auf Alg. Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht nicht.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 100 AFG liegen nicht vor. Danach hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.

Hier fehlt es an der in § 103 AFG näher bestimmten Verfügbarkeit. Der Arbeitsvermittlung steht danach zur Verfügung, wer

1. eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,

2. bereit ist,

a) jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf sowie

b) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen

sowie

3. das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.

Der Kläger gab in einer Stellungnahme zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 10.06.1996 an, ab 01.07.1996 stand er nach eigenen Angaben ab diesem Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Die Erklärung ist eindeutig und ohne Vorbehalte oder Einschränkungen abgegeben worden. Entgegen dem Vortrag des Klägers kommt die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit darin nicht zum Ausdruck.

Diese Erklärung hat er entgegen seiner Ansicht auch nicht wirksam widerrufen. Zwar erklärte der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache, die Abmeldung zum 01.07.1996 sei nicht verbindlich gewesen. Dieser "Widerruf" ging der Beklagten aber erst am 12.09.1996 und damit unmittelbar vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu. Damit wird die Verfügbarkeit nicht nachträglich hergestellt. Denn die Bereitschaft, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, fehlt, wenn der Arbeitslose erklärt, der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung zu stehen. Das ist hier der Fall. Die Beklagte musste davon ausgehen, dass der Kläger vom 01.07.1996 bis 12.09.1996 eine selbstständige Tätigkeit ausübt.

Auch für den Zeitraum vom 12.09.1996 bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 15.09.1996 ist die Verfügbarkeit zu verneinen. Denn diese ist ausgeschlossen, wenn an der Vermittlung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung offensichtlich kein Interesse besteht und eine solche von vornherein nicht in Betracht kommt. Davon ist hier auszugehen. Die Vermittlung einer solchen Beschäftigung ist bei einem Zeitraum von drei Tagen nicht möglich und entsprach auch nicht den Erwartungen des Klägers.

III. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld ab 15.09.1996 für die Dauer von 13 Wochen.

Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 55 a AFG in Betracht. Danach kann die Bundesanstalt Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Überbrückungsgeld gewähren, wenn der Arbeitlose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen hat.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 a AFG liegen nicht vor. Der Kläger hat vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit keine vier Wochen Alg oder Alhi bezogen. Er hat unmittelbar zuvor keine Leistungen des Arbeitsamtes erhalten, sondern nur für den Zeitraum vom 24.06.96 bis 29.06.96.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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