Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 619/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 98/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 05. April 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung hinsichtlich des in der Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 gewährten Einarbeitungszuschusses in Höhe von 10.800,00 DM.
Die Klägerin, die S ... GmbH C ..., beantragte am 09.11.1995 die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses für die Beschäftigung der seit 1992 arbeitslosen Arbeitnehmerin M ... B ... (M. B.) in der Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 als kaufmännische Angestellte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Das Bruttoarbeitsentgelt in der Einarbeitungszeit sollte 1.800,00 DM monatlich betragen.
Mit Bescheid vom 18.01.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Einarbeitungszuschuss in Höhe von 50 % des Arbeitsentgeltes in Höhe von 900,00 DM monatlich (insgesamt 10.800,00 DM) für die Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996.
Mit Schreiben vom 10.01.1997 kündigte die Klägerin der Arbeitnehmerin M. B. aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum 16.02.1997. Die Arbeitnehmerin reichte keine Kündigungsschutzklage ein. Am 17.02.1997 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Mit Schreiben vom 11.04.1997 teilte die Klägerin der Beklagten mit, das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin M. B. sei von ihr als Arbeitgeberin betriebsbedingt (wegen schlechter Auftragslage) unter Einhaltung der Kündiungsfrist zum 16.02.1997 beendet worden.
Mit Bescheid vom 06.05.1997 forderte die Beklagte den bewilligten Einarbeitungszuschuss in Höhe von 10.800,00 DM zurück. Das Arbeitsverhältnis sei innerhalb von 12 Monaten seit Beendigung der Einarbeitungszeit ohne wichtigen Grund zum 16.02.1997 beendet worden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 29.05.1997. Zu Beginn des Jahres 1997 habe sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin auf Grund fehlender Aufträge dramatisch verschlechtert. Die Liquidität des Unternehmens sei äußerst gefährdet gewesen. Zur Vermeidung der Gesamtvollstreckung und zur Erhaltung von Arbeitsplätzen seien durch die Gesellschafter folgende Maßnahmen beschlossen worden: - Beanspruchung eines Kredites der Hausbank zur Überbrückung der schwierigen finanziellen Situation; - Gehaltsveränderungen in gegenseitiger Übereinstimmung bis zur Verbesserung der finanziellen Situation des Unternehmens; - betriebsbedingte Kündigung von M. B. und Übernahme der anfallenden Arbeiten zusätzlich durch den Geschäftsführer und - Vorsprache beim Arbeitsamt zur Beantragung von Kurzarbeit. Ohne diese Entscheidung wären statt eines Arbeitsplatzes sieben verloren gegangen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung des Einarbeitungszuschusses gemäß § 49 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) lägen vor. Innerhalb der 12-monatigen Nachbeschäftigungszeit (13.11.1996 bis 12.11.1997) sei die Arbeitnehmerin M. B. unter Einhaltung der Kündigungsfrist aus betrieblichen Gründen gekündigt worden. Die vorgetragenen Gründe (schlechte Auftragslage) stellten keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB dar, der die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses hätte begründen können.
Am 15.07.1997 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 26.03.1997 müsse rückwirkend angewandt werden. Darin sei eine Nacharbeitspflicht nicht mehr vorhanden.
Mit Urteil vom 05.04.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei zur Erstattung des Einarbeitszuschusses verpflichtet. Die Erstattungsforderung basiere auf § 49 Abs. 4 AFG, dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorlägen. Die Nachbeschäftigungsfrist sei auch nicht rückwirkend auf Grund späterer gesetzlicher Änderungen entfallen. Der Gesetzgeber sehe auch in den zum 01.01.1998 in Kraft getretenen Regelungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) weiterhin eine Nacharbeitsfrist vor. Bei Nichteinhaltung dieser würden die Einarbeitungszuschüsse gemäß § 223 Abs. 2 SGB III zurückgefordert.
Gegen das an die Klägerin am 02.05.2000 abgesandte Urteil hat diese am 24.05.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Vor der Kündigung habe die Klägerin der Arbeitnehmerin M. B. eine Verkürzung der Arbeitszeit angeboten, die von ihr abgelehnt worden sei. Zudem habe der Gesetzgeber bei der Regelung des Einarbeitungszuschusses Fallgestaltungen nicht berücksichtigt, bei denen auf Grund der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers eine Einhaltung der Nachbeschäftigungsfristen nicht möglich gewesen sei. Auch fordere nunmehr das Arbeitsamt in derartigen Fällen den Einarbeitungszuschuss nicht mehr zwingend zurück.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 05.04.2000 sowie den Bescheid vom 06.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Unterschrift des Geschäftsführers unter dem Antrag auf Einarbeitungszuschuss habe die Klägerin bestätigt, ihr sei bekannt, dass der Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen sei, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf der Einarbeitungszeit beendet werde.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG Chemnitz im Urteil vom 05.04.2000 die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 06.05.1997 und der Widerspruchsbescheid vom 01.07.1997 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten.
Mit dem SG und der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klägerin verpflichtet ist, den für die Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 für die Arbeitnehmerin M. B. gewährten Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen. Gemäß § 49 Abs. 4 AFG ist der Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis während der Einarbeitungszeit oder innerhalb von sechs Monaten, in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 2 AFG (in denen der Einarbeitungszuschuss 50 % des Arbeitsentgeltes beträgt und länger als ein halbes Jahr gewährt wird) innerhalb von 12 Monaten nach dem Ende der Einarbeitungszeit beendet wird; dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen.
Im vorliegenden Fall ist - wie vom SG und der Beklagten zutreffend festgestellt - das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Arbeitnehmerin M. B. durch fristgerechte Kündigung der Klägerin vom 10.01.1997 mit Wirkung zum 16.02.1997 innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 dauernden Einarbeitungszeit beendet worden. Eine fristlose Kündigung lag nicht vor.
Die Klägerin war auch nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen. Als "wichtige Gründe" im Sinne des § 49 Abs. 4 AFG sind insbesondere solche anzusehen, die nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 626 BGB, zur fristlosen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses berechtigen. Nach § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.
Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin war nicht zu einer fristlosen Kündigung berechtigt. Wirtschaftliche Umstände sind grundsätzlich kein wichtiger Grund in diesem Sinne, weil das Betriebsrisiko der Arbeitgeber zu tragen hat (Putzo, in: Palandt, BGB, 54. Auflage, Rn. 55 zu § 626 BGB). Eine schlechte Auftragslage ist mithin keinen Rechtfertigungsgrund für eine fristlose Kündigung. Selbst Insolvenz eines Arbeitgebers gibt kein Recht zur fristlosen Kündigung (Putzo, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Wortlaut des § 49 Abs. 4 AFG auch nicht einschränkend ausgelegt werden. Wie die Ausnahmeregelungen des § 49 Abs. 4 2. Halbsatz AFG belegen, hat der Gesetzgeber des AFG diese bewusst eng gefasst (Vgl. BT-Drucks. 12/3211 S. 20; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.10.1997, L 7 AR 47/97). Lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt, soll die Rückzahlungspflicht entfallen. Dies verbietet es, den Begriff der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 49 Abs. 4 1. Halbsatz AFG einschränkend auszulegen und eine fristgemäße Kündigung als ausreichend anzusehen.
Da die streitgegenständlichen Bescheide vom 06.05.1997 und 01.07.1997 vor In-Kraft-Treten des SGB III ergingen und gemäß § 426 Abs. 1 SGB III die Vorschriften des 4. Unterabschnittes des 2. Abschnittes des AFG auch nach In-Kraft-Treten des SGB III weiter anzuwenden sind, weil der Anspruch auf Einarbeitungszuschuss vor dem 01.01.1998 entstand, ist das SGB III auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Abgesehen davon sieht auch das neue Recht in § 223 Abs. 2 SGB III in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung eine Nacharbeitsfrist innerhalb eines Zeitraumes, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von 12 Monaten nach Ende des Förderzeitraumes vor. Auch nach dem ab 01.01.1998 geltenden Recht war der Einarbeitungszuschuss lediglich dann nicht zurückzuzahlen, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (§ 223 Abs. 2 Nr. 1 SGB III).
Aus der durch das 2. SGB III-Änderungsgesetz vom 21.07.1999 (BGBl. I S. 1648) zum 01.08.1999 erfolgten teilweisen Änderung der Regelung des § 223 SGB III kann die Klägerin, da der Förderzeitraum weit vor In-Kraft-Treten der Neuregelung lag und die streitgegenständlichen Bescheide ebenfalls vor In-Kraft-Treten dieser ergangen sind, keine Rechte herleiten.
Da die Voraussetzungen des § 49 Abs. 4 AFG vorlagen, war die Beklagte zur Rückforderung berechtigt. Einer gesonderen Aufhebung der Leistungsbewilligung bedurfte es nicht. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten (vgl. Hennig, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, §49 Rdnr. 36), das für die Aufhebung von Leistungsbewilligungen die §§ 45 f. SGB X maßgebend seien. Dies ist aber nicht so zu verstehen, dass auch bei Erfüllung der Rückzahlungsvoraussetzungen des § 49 Abs. 4 AFG eine Aufhebung der Leistungsbewilligung erforderlich ist.
Die Vorschrift des § 49 Abs. 4 AFG ist durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und den anderen Gesetzen vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2044) eingeführt worden. Sie statuiert eine selbstständige Rückzahlungspflicht des Arbeitgebers im Falle der Erfüllung der in ihr enthaltenen Voraussetzungen, die im Verhältnis zu den §§ 45 ff. SGB X eine Sonderregelung darstellt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift ("ist zurückzuzahlen") und zum anderen aus dem Vergleich mit anderen im AFG enthaltenen Rückforderungsvorschriften. So sieht § 44 Abs. 6 AFG die Möglichkeit für die Bundesanstalt für Arbeit vor, das gewährte Unterhaltsgeld zurückzufordern, wenn ein Bezieher von Unterhaltsgeld die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme vor deren Beendigung ohne wichtigen Grund abgebrochen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus der Maßnahme gegeben hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 AFG sind Förderleistungen nach § 45 AFG zurückzuzahlen, wenn der Antragsteller innerhalb von vier Jahren nach Abschluss der Maßnahme ohne wichtigen Grund nicht wenigstens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hat. Zu beiden, der Regelung des § 49 Abs. 4 AFG vergleichbaren Vorschriften hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass es sich um gesetzliche Sonderregelungen handele, bei deren Vorliegen keine gesonderte Aufhebung bzw. Rücknahme des die Leistung bewilligenden Verwaltungsaktes erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.1988, 11 RAr 62/86 = SozR 4100 § 46 Nr. 9; BSG, Urteil vom 17.03.1988, 11 RAr 19/97 = SozR 4100 § 44 Nr. 1; vgl. LSG für das Saarland, Urteil vom 24.02.2000, L 6 AL 24/99). Das Gleiche gilt für die die Rückzahlung von Einarbeitungszuschüssen betreffenden Norm des § 49 Abs. 4 AFG.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung hinsichtlich des in der Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 gewährten Einarbeitungszuschusses in Höhe von 10.800,00 DM.
Die Klägerin, die S ... GmbH C ..., beantragte am 09.11.1995 die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses für die Beschäftigung der seit 1992 arbeitslosen Arbeitnehmerin M ... B ... (M. B.) in der Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 als kaufmännische Angestellte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Das Bruttoarbeitsentgelt in der Einarbeitungszeit sollte 1.800,00 DM monatlich betragen.
Mit Bescheid vom 18.01.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Einarbeitungszuschuss in Höhe von 50 % des Arbeitsentgeltes in Höhe von 900,00 DM monatlich (insgesamt 10.800,00 DM) für die Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996.
Mit Schreiben vom 10.01.1997 kündigte die Klägerin der Arbeitnehmerin M. B. aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum 16.02.1997. Die Arbeitnehmerin reichte keine Kündigungsschutzklage ein. Am 17.02.1997 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Mit Schreiben vom 11.04.1997 teilte die Klägerin der Beklagten mit, das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin M. B. sei von ihr als Arbeitgeberin betriebsbedingt (wegen schlechter Auftragslage) unter Einhaltung der Kündiungsfrist zum 16.02.1997 beendet worden.
Mit Bescheid vom 06.05.1997 forderte die Beklagte den bewilligten Einarbeitungszuschuss in Höhe von 10.800,00 DM zurück. Das Arbeitsverhältnis sei innerhalb von 12 Monaten seit Beendigung der Einarbeitungszeit ohne wichtigen Grund zum 16.02.1997 beendet worden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 29.05.1997. Zu Beginn des Jahres 1997 habe sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin auf Grund fehlender Aufträge dramatisch verschlechtert. Die Liquidität des Unternehmens sei äußerst gefährdet gewesen. Zur Vermeidung der Gesamtvollstreckung und zur Erhaltung von Arbeitsplätzen seien durch die Gesellschafter folgende Maßnahmen beschlossen worden: - Beanspruchung eines Kredites der Hausbank zur Überbrückung der schwierigen finanziellen Situation; - Gehaltsveränderungen in gegenseitiger Übereinstimmung bis zur Verbesserung der finanziellen Situation des Unternehmens; - betriebsbedingte Kündigung von M. B. und Übernahme der anfallenden Arbeiten zusätzlich durch den Geschäftsführer und - Vorsprache beim Arbeitsamt zur Beantragung von Kurzarbeit. Ohne diese Entscheidung wären statt eines Arbeitsplatzes sieben verloren gegangen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung des Einarbeitungszuschusses gemäß § 49 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) lägen vor. Innerhalb der 12-monatigen Nachbeschäftigungszeit (13.11.1996 bis 12.11.1997) sei die Arbeitnehmerin M. B. unter Einhaltung der Kündigungsfrist aus betrieblichen Gründen gekündigt worden. Die vorgetragenen Gründe (schlechte Auftragslage) stellten keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB dar, der die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses hätte begründen können.
Am 15.07.1997 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 26.03.1997 müsse rückwirkend angewandt werden. Darin sei eine Nacharbeitspflicht nicht mehr vorhanden.
Mit Urteil vom 05.04.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei zur Erstattung des Einarbeitszuschusses verpflichtet. Die Erstattungsforderung basiere auf § 49 Abs. 4 AFG, dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorlägen. Die Nachbeschäftigungsfrist sei auch nicht rückwirkend auf Grund späterer gesetzlicher Änderungen entfallen. Der Gesetzgeber sehe auch in den zum 01.01.1998 in Kraft getretenen Regelungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) weiterhin eine Nacharbeitsfrist vor. Bei Nichteinhaltung dieser würden die Einarbeitungszuschüsse gemäß § 223 Abs. 2 SGB III zurückgefordert.
Gegen das an die Klägerin am 02.05.2000 abgesandte Urteil hat diese am 24.05.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Vor der Kündigung habe die Klägerin der Arbeitnehmerin M. B. eine Verkürzung der Arbeitszeit angeboten, die von ihr abgelehnt worden sei. Zudem habe der Gesetzgeber bei der Regelung des Einarbeitungszuschusses Fallgestaltungen nicht berücksichtigt, bei denen auf Grund der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers eine Einhaltung der Nachbeschäftigungsfristen nicht möglich gewesen sei. Auch fordere nunmehr das Arbeitsamt in derartigen Fällen den Einarbeitungszuschuss nicht mehr zwingend zurück.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 05.04.2000 sowie den Bescheid vom 06.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Unterschrift des Geschäftsführers unter dem Antrag auf Einarbeitungszuschuss habe die Klägerin bestätigt, ihr sei bekannt, dass der Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen sei, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf der Einarbeitungszeit beendet werde.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG Chemnitz im Urteil vom 05.04.2000 die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 06.05.1997 und der Widerspruchsbescheid vom 01.07.1997 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten.
Mit dem SG und der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klägerin verpflichtet ist, den für die Zeit vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 für die Arbeitnehmerin M. B. gewährten Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen. Gemäß § 49 Abs. 4 AFG ist der Einarbeitungszuschuss zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis während der Einarbeitungszeit oder innerhalb von sechs Monaten, in den Fällen des § 49 Abs. 2 Satz 2 AFG (in denen der Einarbeitungszuschuss 50 % des Arbeitsentgeltes beträgt und länger als ein halbes Jahr gewährt wird) innerhalb von 12 Monaten nach dem Ende der Einarbeitungszeit beendet wird; dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen.
Im vorliegenden Fall ist - wie vom SG und der Beklagten zutreffend festgestellt - das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Arbeitnehmerin M. B. durch fristgerechte Kündigung der Klägerin vom 10.01.1997 mit Wirkung zum 16.02.1997 innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der vom 13.11.1995 bis 12.11.1996 dauernden Einarbeitungszeit beendet worden. Eine fristlose Kündigung lag nicht vor.
Die Klägerin war auch nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen. Als "wichtige Gründe" im Sinne des § 49 Abs. 4 AFG sind insbesondere solche anzusehen, die nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 626 BGB, zur fristlosen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses berechtigen. Nach § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.
Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin war nicht zu einer fristlosen Kündigung berechtigt. Wirtschaftliche Umstände sind grundsätzlich kein wichtiger Grund in diesem Sinne, weil das Betriebsrisiko der Arbeitgeber zu tragen hat (Putzo, in: Palandt, BGB, 54. Auflage, Rn. 55 zu § 626 BGB). Eine schlechte Auftragslage ist mithin keinen Rechtfertigungsgrund für eine fristlose Kündigung. Selbst Insolvenz eines Arbeitgebers gibt kein Recht zur fristlosen Kündigung (Putzo, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Wortlaut des § 49 Abs. 4 AFG auch nicht einschränkend ausgelegt werden. Wie die Ausnahmeregelungen des § 49 Abs. 4 2. Halbsatz AFG belegen, hat der Gesetzgeber des AFG diese bewusst eng gefasst (Vgl. BT-Drucks. 12/3211 S. 20; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.10.1997, L 7 AR 47/97). Lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt, soll die Rückzahlungspflicht entfallen. Dies verbietet es, den Begriff der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 49 Abs. 4 1. Halbsatz AFG einschränkend auszulegen und eine fristgemäße Kündigung als ausreichend anzusehen.
Da die streitgegenständlichen Bescheide vom 06.05.1997 und 01.07.1997 vor In-Kraft-Treten des SGB III ergingen und gemäß § 426 Abs. 1 SGB III die Vorschriften des 4. Unterabschnittes des 2. Abschnittes des AFG auch nach In-Kraft-Treten des SGB III weiter anzuwenden sind, weil der Anspruch auf Einarbeitungszuschuss vor dem 01.01.1998 entstand, ist das SGB III auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Abgesehen davon sieht auch das neue Recht in § 223 Abs. 2 SGB III in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung eine Nacharbeitsfrist innerhalb eines Zeitraumes, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von 12 Monaten nach Ende des Förderzeitraumes vor. Auch nach dem ab 01.01.1998 geltenden Recht war der Einarbeitungszuschuss lediglich dann nicht zurückzuzahlen, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (§ 223 Abs. 2 Nr. 1 SGB III).
Aus der durch das 2. SGB III-Änderungsgesetz vom 21.07.1999 (BGBl. I S. 1648) zum 01.08.1999 erfolgten teilweisen Änderung der Regelung des § 223 SGB III kann die Klägerin, da der Förderzeitraum weit vor In-Kraft-Treten der Neuregelung lag und die streitgegenständlichen Bescheide ebenfalls vor In-Kraft-Treten dieser ergangen sind, keine Rechte herleiten.
Da die Voraussetzungen des § 49 Abs. 4 AFG vorlagen, war die Beklagte zur Rückforderung berechtigt. Einer gesonderen Aufhebung der Leistungsbewilligung bedurfte es nicht. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten (vgl. Hennig, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, §49 Rdnr. 36), das für die Aufhebung von Leistungsbewilligungen die §§ 45 f. SGB X maßgebend seien. Dies ist aber nicht so zu verstehen, dass auch bei Erfüllung der Rückzahlungsvoraussetzungen des § 49 Abs. 4 AFG eine Aufhebung der Leistungsbewilligung erforderlich ist.
Die Vorschrift des § 49 Abs. 4 AFG ist durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und den anderen Gesetzen vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2044) eingeführt worden. Sie statuiert eine selbstständige Rückzahlungspflicht des Arbeitgebers im Falle der Erfüllung der in ihr enthaltenen Voraussetzungen, die im Verhältnis zu den §§ 45 ff. SGB X eine Sonderregelung darstellt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift ("ist zurückzuzahlen") und zum anderen aus dem Vergleich mit anderen im AFG enthaltenen Rückforderungsvorschriften. So sieht § 44 Abs. 6 AFG die Möglichkeit für die Bundesanstalt für Arbeit vor, das gewährte Unterhaltsgeld zurückzufordern, wenn ein Bezieher von Unterhaltsgeld die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme vor deren Beendigung ohne wichtigen Grund abgebrochen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus der Maßnahme gegeben hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 AFG sind Förderleistungen nach § 45 AFG zurückzuzahlen, wenn der Antragsteller innerhalb von vier Jahren nach Abschluss der Maßnahme ohne wichtigen Grund nicht wenigstens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hat. Zu beiden, der Regelung des § 49 Abs. 4 AFG vergleichbaren Vorschriften hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass es sich um gesetzliche Sonderregelungen handele, bei deren Vorliegen keine gesonderte Aufhebung bzw. Rücknahme des die Leistung bewilligenden Verwaltungsaktes erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.1988, 11 RAr 62/86 = SozR 4100 § 46 Nr. 9; BSG, Urteil vom 17.03.1988, 11 RAr 19/97 = SozR 4100 § 44 Nr. 1; vgl. LSG für das Saarland, Urteil vom 24.02.2000, L 6 AL 24/99). Das Gleiche gilt für die die Rückzahlung von Einarbeitungszuschüssen betreffenden Norm des § 49 Abs. 4 AFG.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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