Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 4 AL 825/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 99/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) im Zeitraum vom 09.04.1997 bis zum 07.04.1998 wegen einer fehlerhaft zu Grunde gelegten Leistungsgruppe/Steuerklasse.
Die am ... geborene Klägerin ist in zweiter Ehe verheiratet und hat drei Kinder. Von 1973 bis 1983 besuchte sie die Oberschule Z ... bis zum Abschluss der 10. Klasse. Anschließend absolvierte sie eine Lehre zur Facharbeiterin für Zerspanungstechnik. Von 1985 bis 1986 war sie als Schleiferin, Dreherin und Fräserin in der Maschinenfabrik Z ... beschäftigt. Von 1986 bis 1987 war die Klägerin als Verkäuferin im BT-Handel Süd Konsum tätig und von 1987 bis 1991 als Köchin in einer Gaststätte. Von Juli 1991 bis Oktober 1991 war sie Verkaufsfahrerin bei der Firma Th. Klein GmbH in W ... Hierbei fuhr sie sowohl Waren an Gaststätten als auch Spiel- und Schreibwaren aus. Bei der Auslieferung der Fast-Food-Artikel musste sie auch die Kosten der Lieferung errechnen und abkassieren. Weiterhin war sie jeweils kurzzeitig (maximal ca. zwei Monate) als Außendienstmitarbeiterin bei verschiedenen Firmen tätig. Im Anschluss an die Geburt ihres dritten Kindes am 09.04.1994 bezog sie bis zum 08.04.1997 Erziehungsgeld.
Die Klägerin meldete sich erstmals am 26.10.1991 arbeitslos. Ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma Th. Klein GmbH war zum 25.10.1991 gekündigt worden. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Steuerklasse IV und zwei Kinderfreibeträge auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen.
Die Beklagte bewilligte ihr durch Bescheid vom 21.01.1992 Alg ab dem 26.10.1991 und legte hierbei die Leistungsgruppe A zu Grunde. Der Anspruch war am 24.10.1992 erschöpft. Am 09.10.1992 stellte die Klägerin daher einen Antrag auf (Anschluss)-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Hierzu legte sie ihre Lohnsteuerkarte des Jahres 1992 vor, auf der die Lohnsteuerklasse IV eingetragen war. Die Beklagte bewilligte sodann Arbeitslosenhilfe ab dem 26.10.1992 weiterhin nach der Leistungsgruppe A.
In der Zeit zwischen dem 04.01. und dem 13.01.1993 übte die Klägerin eine kurzfristige Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin aus. In dem danach gestellten Antrag auf Wiederbewilligung von Alhi gab sie an, seit Januar 1991 getrennt lebend zu sein. Für das Jahr 1993 war auf ihrer Steuerkarte nunmehr die Steuerklasse II eingetragen. Durch Bescheid vom 12.02.1993 wurde ihr ab dem 14.01.1993 Alhi entsprechend in der Leistungsgruppe B bewilligt.
Vom 07.06.1993 bis zum 31.07.1993 ging die Klägerin wieder einer Beschäftigung nach, nach erneuter Arbeitslosmeldung wurde ihr ab dem 09.08.1993 Alhi nach der Leistungsgruppe B wiederbewilligt. In einem Schreiben vom 17.08.1993 beanstandete die Klägerin den Beginn der Leistung, da sie am 26.07.1993 bereits den Wiederbewilligungsantrag schriftlich eingereicht habe.
Nach ihrer Scheidung im September 1993 heiratete die Klägerin am 24.03.1994 erneut. Sie bezog vom 20.02.1994 bis zum 04.06.1994 Mutterschaftsgeld, vom 09.04.1994 bis zum 08.04.1996 Bundeserziehungsgeld und vom 09.04.1996 bis zum 08.04.1997 Landeserziehungsgeld.
Am 02.04.1997 stellte die Klägerin wiederum einen Antrag auf Alg ab dem 09.04.1997. Darin gab sie die Lohnsteuerklasse V an und verneinte diesbezüglich eine Änderung im Laufe des Jahres. Unter Pkt. 7 steht auf dem Antragsformular u. a. folgende Erklärung: "Das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Ihre Rechte, Ihre Pflichten", habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen." Dies unterschrieb die Klägerin am 04.04.1997. Anlässlich der Antragstellung hinterlegte sie die Lohnsteuerkarte des Jahres 1997.
Auf der Anweisungsverfügung wurde zur Leistungsgruppe fehlerhaft C statt D eingetragen. Hierauf bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 13.05.1997 ab dem 09.04.1997 Alg i. H. von 249,00 DM wöchentlich nach der Leistungsgruppe C, entsprechend der Steuerklasse III.
In einem Schreiben vom 28.05.1997 beanstandete die Klägerin die Differenz eines Betrages von 166,00 DM, der ihr für die Zeit vom 09.04. bis zum 07.05.1997 noch nicht ausgezahlt worden sei. Hierzu hatte sie den Betrag der wöchentlichen Leistung, welche in einem 14-tägigen Rhythmus ausgezahlt werde, mit ihren Kontoauszügen verglichen.
Nach dem Erschöpfen des Alg-Anspruchs am 04.07.1998 beantragte die Klägerin am 08.03.1998 wiederum Alhi. Die Leistung erfolgte nunmehr nach der Leistungsgruppe D.
Im Zusammenhang mit diesem Antrag stellte die Beklagte die unzutreffende Leistungshöhe des Alg fest. Am 18. März 1998 erließ sie daher zunächst einen Aufhebungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft, mithin ab dem 01.04.1998.
Weiter teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 27.03.1998 mit, auf Grund einer fehlerhaften Leistungsgruppe sei ihr vom 09.04.1997 bis zum 31.03.1998 zu viel Alg gezahlt worden: "Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie die Überzahlung nicht verursacht, Sie hätten jedoch erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Leistung nicht mehr vorlagen."
Hierzu nahm die Klägerin am 01.04.1998 Stellung: Es sei für sie nicht möglich gewesen, zu erkennen, welche Leistungsstufe ihr zustehe. Im Bewilligungsbescheid für Alg stehe nur Leistungsgruppe C und nicht Steuerklasse III. Daher könne sie nicht wissen, für was Leistungsstufe C stehe. Zudem habe sie sowohl ihre Steuerkarte hinterlegt, als auch die Steuerklasse zutreffend angegeben.
Durch "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 15. April 1998 hob die Beklagte entsprechend der Differenz zwischen Leistungsgruppe D und Leistungsgruppe C die Bewilligung des Alg auf und forderte von der Klägerin die Erstattung in Höhe von 4.692,10 DM. Als Rechtsgrundlage nannte sie § 48 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 18.04.1998. Sie habe die Überzahlung nicht verursacht, diese sei vielmehr auf die fehlerhafte Bearbeitung des Arbeitsamtes zurückzuführen. Auch ein Merkblatt sei ihr bei Antragstellung nicht ausgehändigt worden.
Durch weiteres Widerspruchsschreiben vom 11.05.1998 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sei schutzwürdig. Die Fehlerhaftigkeit liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich. Zu einer Überprüfung sei der Bürger nur verpflichtet, wenn offensichtlich Anlass zu Zweifeln bestünde. Andernfalls könne man sich auf ein rechtmäßiges Handeln der Behörde verlassen. Im Übrigen ergebe sich aus den auf der Rückseite des Bescheides dargestellten Berechnungsgrundlagen nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit des festgesetzten Arbeitslosengeldes. Schließlich habe die Klägerin die Leistungen für den Familienunterhalt in vollem Umfang verbraucht.
Durch Widerspruchsbescheid vom 19.10.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus der Rückseite der Bescheide sei die Zuordnung zu den Lohnsteuerklassen ersichtlich. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, in ihrem Fall werde anders verfahren, zumal bei ihr gerade kein Lohnsteuerklassenwechsel vorgelegen habe. Auch aus dem Merkblatt des Jahres 1997 ergebe sich, verdeutlicht durch eine schematische Darstellung, die Zuordnung zwischen Leistungsgruppen und Steuerklassen. Den Erhalt habe die Klägerin unterschriftlich bestätigt.
Hiergegen hat sich die Klägerin am 17.11.1998 an das Sozialgericht Leipzig gewandt. Ein Fehler sei für sie nicht offensichtlich gewesen. Dies zeige auch die wiederholte Bewilligung durch die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.1998, in dem wiederum von der Leistungsgruppe C ausgegangen worden sei. Auch der Behörde sei also die Unrichtigkeit nicht aufgefallen. Zudem weise sie nochmals darauf hin, dass sie das überzahlte Arbeitslosengeld verbraucht habe.
Durch Urteil vom 29. März 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe zumindest infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides nicht erkannt. Auf Grund des "Merkblattes für Arbeitslose" sei die Zuordnung zwischen Lohnsteuerklassen und Leistungsgruppen nachvollziehbar.
Gegen dieses am 10.05.2000 zugegangene Urteil hat die Klägerin am 02. Juni 2000 Berufung eingelegt. Mit dieser hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Zudem sei die Formulierung auf der Rückseite des Bescheides nicht klar: "Die Leistungsgruppe entspricht in der Regel der auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse ..." Diese Wortwahl lasse den Schluss zu, dass auch andere Bemessungsgrundlagen maßgebend sein könnten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29. März 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt hierzu aus, die Argumentation der Klägerin hinsichtlich der Formulierung "in der Regel" sei nicht überzeugend, da der Leistungsfall der Klägerin keinerlei Besonderheiten aufweise.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (Band I und II) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil des SG Leipzig ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 15.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1998 ist rechtmäßig.
Die Anhörung der Klägerin erfolgte ordnungsgemäß entsprechend den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). In dem Schreiben vom 27.03.1998 wies die Beklagte auch auf die subjektive Erkenntnisfähigkeit der Klägerin hin.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides und die Erstattungsforderung hinsichtlich des Alg im Zeitraum vom 09.04.1997 bis zum 31.03.1998 sind §§ 45 Abs. 4 Sätze 1 und 2, 50 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein anfänglich rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Er darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Nach dieser Legaldefinition liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Gemäß § 330 Satz 2 SGB III ist, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen, der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Im Ergebnis zu Recht hat das SG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Norm bejaht. Bei dem Bewilligungsbescheid vom 16.05.1997, der für die Zeit ab dem 01.01.1998 durch den Änderungsbescheid vom 21.01.1998 an die Leistungstabelle 1998 angepasst wurde, handelte es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Grundlage für die Bewilligung und Zahlung der Leistung sind die von der Klägerin angegebenen und zum Zeitpunkt der Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse. Dazu gehört u. a. gemäß § 111 Abs. 2 AFG die in der Lohnsteuerkarte des Leistungsempfängers zu Beginn des Jahres eingetragene Lohnsteuerklasse, durch welche die bei einem Arbeitnehmer gewöhnlich anfallenden Abzüge für Lohnsteuer bestimmt werden. Hiervon ausgehend wäre bei der Klägerin, welche im Zeitpunkt der Antragstellung und des Beginns des Leistungsbezuges am 09.04.1997 verheiratet war, drei unterhaltspflichtige Kinder hatte und deren Lohnsteuerkarte die Eintragung V/3 aufwies, das Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe D zu bemessen gewesen. Tatsächlich erfolgte dies jedoch infolge der fehlerhaften Eingabe der Leistungsgruppe C, entsprechend der Steuerklasse III. Die der Klägerin jeweils täglich bewilligte Leistung lag damit in der Zeit bis zum 31.12. um 10,40 DM und in der Zeit bis zum 31.03.1998 um 12,95 DM über dem rechtmäßig zustehenden Betrag. (Auf den Berechnungsbogen, S. 147 der Leistungsakte, wird hierzu ausdrücklich verwiesen.) Hieraus ergab sich die Erstattungsforderung in Höhe von 4.692,10 DM.
Das SG hat ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Klägerin in ihrem Vertrauen auf den Bestand des Bewilligungsbescheides nicht schutzwürdig ist, weil sie zumindest grob fahrlässig die Fehlerhaftigkeit nicht erkannt hat. Bei der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Sozialrecht ein subjektiver Sorgfaltsbegriff zugrunde zu legen, d. h. der Betroffene muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß übersteigenden Ausmaß verletzt haben (BSGE 5, 267, 269; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3). Ob ein Kennenmüssen zu bejahen ist, muss unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen entschieden werden (BSGE 5, 267). Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt erkennen konnte und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag (Wiesner, in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Auflage, Rdnr. 24 zu § 45 SGB X). Darauf, ob die Behörde die Rechtswidrigkeit kannte oder gar verursacht hat, kommt es nicht an (Wiesner, a. a. O.).
Nach eigener Überprüfung der beigezogenen Leistungsunterlagen der Beklagten sowie der Feststellungen im Klage- und Berufungsverfahren ist auch der Senat zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen in die Richtigkeit der Leistungsbewilligung berufen kann.
Unter Berücksichtigung der schulichen und beruflichen Ausbildung sowie des beruflichen Werdegangs und der Gesamtpersönlichkeit der Klägerin, von der sich der Senat in der mündlichen Verhandlung ein Bild machen konnte, war sie in der Lage, die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheides vom 13.05.1997 zu erkennen. Die Klägerin verfügt über eine 10-klassige Schulausbildung. Im Rahmen ihrer späteren beruflichen Tätigkeiten war sie u. a. auch im Außendienst beschäftigt und musste für die korrekten Auslieferungen Berechnungen erstellen. Daher war ihr der Umgang mit Zahlen nicht fremd. Ihre genaue Prüfungs- und Erkenntnisfähigkeit wird auch bei Schreiben deutlich, die die Klägerin wegen der Richtigkeit von Leistungsbewilligungen bzw. -auszahlungen an das Arbeitsamt sandte. In einem Schreiben vom 17.08.1993 beanstandete sie den angegebenen Leistungsbeginn auf dem ihr zugegangenen Bescheid. Hierzu war es zumindest erforderlich, die Angaben des Bescheides mit dem von ihr angenommenen Datum des Leistungsbeginns zu vergleichen. In einem weiteren Schreiben vom 28.05.1997 wies die Klägerin darauf hin, ihr stehe für die Zeit vom 09.04. bis 07.05.1997 noch ein Betrag in Höhe von 166,00 DM zu. Hierzu musste sich die Klägerin zunächst mit der ihr bewilligten Leistung sowie mit dem 14-tägigen Zahlungsmodus der Beklagten vertraut machen. Weiter waren die angegebenen täglichen bzw. wöchentlichen Beträge auf den Zahlungsrhythmus der Beklagten zu übertragen, zumal dadurch die Auszahlungen regelmäßig nicht auf ein Monatsende bzw. einen Monatsanfang fallen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Hinweise auf der Rückseite der Leistungsbescheide möglicherweise für manche Situationen nicht völlig klar sind. Auf der Rückseite des Bescheides vom 18.05.1997 heißt es: "Die Leistungsgruppe entspricht in der Regel der auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse ..." Und nach der dargestellten Zuordnung von Leistungsgruppen zu Steuerklassen heißt es weiter: "Die für sie maßgebenden Bemessungsgrundlagen (gerundetes Bruttoarbeitsentgelt, Leistungsgruppe, Leistungstabelle) und das sich daraus ergebende wöchentliche Arbeitslosengeld können sie dem umseitigen Bewilligungsbescheid entnehmen." Insbesondere, wenn man diese beiden Sätze isoliert liest, könnte man hieraus folgenden Schluss ziehen: Da sich die Leistungsgruppe nur in der Regel nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse richtet, können letztlich die maßgebenden Grundlagen nur der Vorderseite des Bewilligungsbescheides entnommen werden. Wenn man jedoch die weiteren Sätze und Erläuterungen einbezieht, wird dieser Schluss nicht gerechtfertigt, denn gleich in dem folgenden Satz wird auf den Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten hingewiesen, also gerade den speziellen Fall, in dem es zu Abweichungen zwischen der eingetragenen Lohnsteuerklasse und der dieser zugeordneten Leistungsgruppe kommen kann. Eine solche Situation lag bei der Klägerin jedoch nicht vor. Folglich war kein Anlass ersichtlich, weshalb die eingetragene Steuerklasse und die zugeordnete Leistungsgruppe in ihrem Fall voneinander abweichen sollten. Zu der Erläuterung des abgedruckten Schemas heißt es: "Die Zuordnung der Leistungsgruppe zur Steuerklasse können sie der nachfolgenden Übersicht entnehmen." Hieraus muss sich für den Leser der Schluss aufdrängen, im Normalfall sei eben von dieser abgedruckten Zuordnung auszugehen. Wenn daher die den Leistungsdaten zugrunde liegende und auf der Vorderseite des Bescheides angegebene Leistungsgruppe der eigenen Steuerklasse nicht entspricht, müsste der Leistungsbezieher sich zumindest fragen, aus welchen Gründen bei ihm eine Abweichung gerechtfertigt sein könnte. Die Klägerin hat im Übrigen mit ihrer Unterschrift unter dem Antrag vom 04.04.1997 (Datum der Unterschrift) auf Bewilligung von Arbeitslosengeld bestätigt, das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Ihre Rechte, Ihre Pflichten", erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Es war auch von der Klägerin zu erwarten, dass sie dieses Merkblatt sorgfältig durchliest. In diesem Merkblatt wird auf Seite 13 (Stand April 1997) - ohne eine eingeschobene Einschränkung - vorrangig die Zuordnung zwischen den einzelnen Lohnsteuerklassen und den Leistungsgruppen dargestellt. Auf der folgenden Seite wird dann speziell im Zusammenhang mit einem Steuerklassenwechsel unter Ehegatten der Fall eines nicht den Einkommensverhältnissen entsprechenden Steuerklassenwechsels behandelt. Diese Erläuterungen sind so deutlich, dass hierdurch ein etwaiges Missverständnis hätte beseitigt werden können. Im Übrigen handelt es sich aufgrund der optischen Darstellung dieses Schemas um eine der einfachsten Erkenntnisse, die das Merkblatt den Leistungsbeziehern vermitteln kann.
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit ist gewahrt. Die Klägerin nahm am 01.04.1998 zu der beabsichtigten Rücknahme Stellung und der "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" erfolgte bereits am 15.04.1998.
Der Erstattungsanspruch beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) im Zeitraum vom 09.04.1997 bis zum 07.04.1998 wegen einer fehlerhaft zu Grunde gelegten Leistungsgruppe/Steuerklasse.
Die am ... geborene Klägerin ist in zweiter Ehe verheiratet und hat drei Kinder. Von 1973 bis 1983 besuchte sie die Oberschule Z ... bis zum Abschluss der 10. Klasse. Anschließend absolvierte sie eine Lehre zur Facharbeiterin für Zerspanungstechnik. Von 1985 bis 1986 war sie als Schleiferin, Dreherin und Fräserin in der Maschinenfabrik Z ... beschäftigt. Von 1986 bis 1987 war die Klägerin als Verkäuferin im BT-Handel Süd Konsum tätig und von 1987 bis 1991 als Köchin in einer Gaststätte. Von Juli 1991 bis Oktober 1991 war sie Verkaufsfahrerin bei der Firma Th. Klein GmbH in W ... Hierbei fuhr sie sowohl Waren an Gaststätten als auch Spiel- und Schreibwaren aus. Bei der Auslieferung der Fast-Food-Artikel musste sie auch die Kosten der Lieferung errechnen und abkassieren. Weiterhin war sie jeweils kurzzeitig (maximal ca. zwei Monate) als Außendienstmitarbeiterin bei verschiedenen Firmen tätig. Im Anschluss an die Geburt ihres dritten Kindes am 09.04.1994 bezog sie bis zum 08.04.1997 Erziehungsgeld.
Die Klägerin meldete sich erstmals am 26.10.1991 arbeitslos. Ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma Th. Klein GmbH war zum 25.10.1991 gekündigt worden. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Steuerklasse IV und zwei Kinderfreibeträge auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen.
Die Beklagte bewilligte ihr durch Bescheid vom 21.01.1992 Alg ab dem 26.10.1991 und legte hierbei die Leistungsgruppe A zu Grunde. Der Anspruch war am 24.10.1992 erschöpft. Am 09.10.1992 stellte die Klägerin daher einen Antrag auf (Anschluss)-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Hierzu legte sie ihre Lohnsteuerkarte des Jahres 1992 vor, auf der die Lohnsteuerklasse IV eingetragen war. Die Beklagte bewilligte sodann Arbeitslosenhilfe ab dem 26.10.1992 weiterhin nach der Leistungsgruppe A.
In der Zeit zwischen dem 04.01. und dem 13.01.1993 übte die Klägerin eine kurzfristige Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin aus. In dem danach gestellten Antrag auf Wiederbewilligung von Alhi gab sie an, seit Januar 1991 getrennt lebend zu sein. Für das Jahr 1993 war auf ihrer Steuerkarte nunmehr die Steuerklasse II eingetragen. Durch Bescheid vom 12.02.1993 wurde ihr ab dem 14.01.1993 Alhi entsprechend in der Leistungsgruppe B bewilligt.
Vom 07.06.1993 bis zum 31.07.1993 ging die Klägerin wieder einer Beschäftigung nach, nach erneuter Arbeitslosmeldung wurde ihr ab dem 09.08.1993 Alhi nach der Leistungsgruppe B wiederbewilligt. In einem Schreiben vom 17.08.1993 beanstandete die Klägerin den Beginn der Leistung, da sie am 26.07.1993 bereits den Wiederbewilligungsantrag schriftlich eingereicht habe.
Nach ihrer Scheidung im September 1993 heiratete die Klägerin am 24.03.1994 erneut. Sie bezog vom 20.02.1994 bis zum 04.06.1994 Mutterschaftsgeld, vom 09.04.1994 bis zum 08.04.1996 Bundeserziehungsgeld und vom 09.04.1996 bis zum 08.04.1997 Landeserziehungsgeld.
Am 02.04.1997 stellte die Klägerin wiederum einen Antrag auf Alg ab dem 09.04.1997. Darin gab sie die Lohnsteuerklasse V an und verneinte diesbezüglich eine Änderung im Laufe des Jahres. Unter Pkt. 7 steht auf dem Antragsformular u. a. folgende Erklärung: "Das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Ihre Rechte, Ihre Pflichten", habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen." Dies unterschrieb die Klägerin am 04.04.1997. Anlässlich der Antragstellung hinterlegte sie die Lohnsteuerkarte des Jahres 1997.
Auf der Anweisungsverfügung wurde zur Leistungsgruppe fehlerhaft C statt D eingetragen. Hierauf bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 13.05.1997 ab dem 09.04.1997 Alg i. H. von 249,00 DM wöchentlich nach der Leistungsgruppe C, entsprechend der Steuerklasse III.
In einem Schreiben vom 28.05.1997 beanstandete die Klägerin die Differenz eines Betrages von 166,00 DM, der ihr für die Zeit vom 09.04. bis zum 07.05.1997 noch nicht ausgezahlt worden sei. Hierzu hatte sie den Betrag der wöchentlichen Leistung, welche in einem 14-tägigen Rhythmus ausgezahlt werde, mit ihren Kontoauszügen verglichen.
Nach dem Erschöpfen des Alg-Anspruchs am 04.07.1998 beantragte die Klägerin am 08.03.1998 wiederum Alhi. Die Leistung erfolgte nunmehr nach der Leistungsgruppe D.
Im Zusammenhang mit diesem Antrag stellte die Beklagte die unzutreffende Leistungshöhe des Alg fest. Am 18. März 1998 erließ sie daher zunächst einen Aufhebungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft, mithin ab dem 01.04.1998.
Weiter teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 27.03.1998 mit, auf Grund einer fehlerhaften Leistungsgruppe sei ihr vom 09.04.1997 bis zum 31.03.1998 zu viel Alg gezahlt worden: "Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie die Überzahlung nicht verursacht, Sie hätten jedoch erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Leistung nicht mehr vorlagen."
Hierzu nahm die Klägerin am 01.04.1998 Stellung: Es sei für sie nicht möglich gewesen, zu erkennen, welche Leistungsstufe ihr zustehe. Im Bewilligungsbescheid für Alg stehe nur Leistungsgruppe C und nicht Steuerklasse III. Daher könne sie nicht wissen, für was Leistungsstufe C stehe. Zudem habe sie sowohl ihre Steuerkarte hinterlegt, als auch die Steuerklasse zutreffend angegeben.
Durch "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 15. April 1998 hob die Beklagte entsprechend der Differenz zwischen Leistungsgruppe D und Leistungsgruppe C die Bewilligung des Alg auf und forderte von der Klägerin die Erstattung in Höhe von 4.692,10 DM. Als Rechtsgrundlage nannte sie § 48 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 18.04.1998. Sie habe die Überzahlung nicht verursacht, diese sei vielmehr auf die fehlerhafte Bearbeitung des Arbeitsamtes zurückzuführen. Auch ein Merkblatt sei ihr bei Antragstellung nicht ausgehändigt worden.
Durch weiteres Widerspruchsschreiben vom 11.05.1998 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sei schutzwürdig. Die Fehlerhaftigkeit liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich. Zu einer Überprüfung sei der Bürger nur verpflichtet, wenn offensichtlich Anlass zu Zweifeln bestünde. Andernfalls könne man sich auf ein rechtmäßiges Handeln der Behörde verlassen. Im Übrigen ergebe sich aus den auf der Rückseite des Bescheides dargestellten Berechnungsgrundlagen nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit des festgesetzten Arbeitslosengeldes. Schließlich habe die Klägerin die Leistungen für den Familienunterhalt in vollem Umfang verbraucht.
Durch Widerspruchsbescheid vom 19.10.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus der Rückseite der Bescheide sei die Zuordnung zu den Lohnsteuerklassen ersichtlich. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, in ihrem Fall werde anders verfahren, zumal bei ihr gerade kein Lohnsteuerklassenwechsel vorgelegen habe. Auch aus dem Merkblatt des Jahres 1997 ergebe sich, verdeutlicht durch eine schematische Darstellung, die Zuordnung zwischen Leistungsgruppen und Steuerklassen. Den Erhalt habe die Klägerin unterschriftlich bestätigt.
Hiergegen hat sich die Klägerin am 17.11.1998 an das Sozialgericht Leipzig gewandt. Ein Fehler sei für sie nicht offensichtlich gewesen. Dies zeige auch die wiederholte Bewilligung durch die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.1998, in dem wiederum von der Leistungsgruppe C ausgegangen worden sei. Auch der Behörde sei also die Unrichtigkeit nicht aufgefallen. Zudem weise sie nochmals darauf hin, dass sie das überzahlte Arbeitslosengeld verbraucht habe.
Durch Urteil vom 29. März 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe zumindest infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides nicht erkannt. Auf Grund des "Merkblattes für Arbeitslose" sei die Zuordnung zwischen Lohnsteuerklassen und Leistungsgruppen nachvollziehbar.
Gegen dieses am 10.05.2000 zugegangene Urteil hat die Klägerin am 02. Juni 2000 Berufung eingelegt. Mit dieser hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Zudem sei die Formulierung auf der Rückseite des Bescheides nicht klar: "Die Leistungsgruppe entspricht in der Regel der auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse ..." Diese Wortwahl lasse den Schluss zu, dass auch andere Bemessungsgrundlagen maßgebend sein könnten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29. März 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt hierzu aus, die Argumentation der Klägerin hinsichtlich der Formulierung "in der Regel" sei nicht überzeugend, da der Leistungsfall der Klägerin keinerlei Besonderheiten aufweise.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (Band I und II) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil des SG Leipzig ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 15.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.1998 ist rechtmäßig.
Die Anhörung der Klägerin erfolgte ordnungsgemäß entsprechend den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). In dem Schreiben vom 27.03.1998 wies die Beklagte auch auf die subjektive Erkenntnisfähigkeit der Klägerin hin.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides und die Erstattungsforderung hinsichtlich des Alg im Zeitraum vom 09.04.1997 bis zum 31.03.1998 sind §§ 45 Abs. 4 Sätze 1 und 2, 50 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein anfänglich rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Er darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Nach dieser Legaldefinition liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Gemäß § 330 Satz 2 SGB III ist, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen, der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Im Ergebnis zu Recht hat das SG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Norm bejaht. Bei dem Bewilligungsbescheid vom 16.05.1997, der für die Zeit ab dem 01.01.1998 durch den Änderungsbescheid vom 21.01.1998 an die Leistungstabelle 1998 angepasst wurde, handelte es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Grundlage für die Bewilligung und Zahlung der Leistung sind die von der Klägerin angegebenen und zum Zeitpunkt der Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse. Dazu gehört u. a. gemäß § 111 Abs. 2 AFG die in der Lohnsteuerkarte des Leistungsempfängers zu Beginn des Jahres eingetragene Lohnsteuerklasse, durch welche die bei einem Arbeitnehmer gewöhnlich anfallenden Abzüge für Lohnsteuer bestimmt werden. Hiervon ausgehend wäre bei der Klägerin, welche im Zeitpunkt der Antragstellung und des Beginns des Leistungsbezuges am 09.04.1997 verheiratet war, drei unterhaltspflichtige Kinder hatte und deren Lohnsteuerkarte die Eintragung V/3 aufwies, das Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe D zu bemessen gewesen. Tatsächlich erfolgte dies jedoch infolge der fehlerhaften Eingabe der Leistungsgruppe C, entsprechend der Steuerklasse III. Die der Klägerin jeweils täglich bewilligte Leistung lag damit in der Zeit bis zum 31.12. um 10,40 DM und in der Zeit bis zum 31.03.1998 um 12,95 DM über dem rechtmäßig zustehenden Betrag. (Auf den Berechnungsbogen, S. 147 der Leistungsakte, wird hierzu ausdrücklich verwiesen.) Hieraus ergab sich die Erstattungsforderung in Höhe von 4.692,10 DM.
Das SG hat ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Klägerin in ihrem Vertrauen auf den Bestand des Bewilligungsbescheides nicht schutzwürdig ist, weil sie zumindest grob fahrlässig die Fehlerhaftigkeit nicht erkannt hat. Bei der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Sozialrecht ein subjektiver Sorgfaltsbegriff zugrunde zu legen, d. h. der Betroffene muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß übersteigenden Ausmaß verletzt haben (BSGE 5, 267, 269; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3). Ob ein Kennenmüssen zu bejahen ist, muss unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen entschieden werden (BSGE 5, 267). Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt erkennen konnte und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag (Wiesner, in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Auflage, Rdnr. 24 zu § 45 SGB X). Darauf, ob die Behörde die Rechtswidrigkeit kannte oder gar verursacht hat, kommt es nicht an (Wiesner, a. a. O.).
Nach eigener Überprüfung der beigezogenen Leistungsunterlagen der Beklagten sowie der Feststellungen im Klage- und Berufungsverfahren ist auch der Senat zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen in die Richtigkeit der Leistungsbewilligung berufen kann.
Unter Berücksichtigung der schulichen und beruflichen Ausbildung sowie des beruflichen Werdegangs und der Gesamtpersönlichkeit der Klägerin, von der sich der Senat in der mündlichen Verhandlung ein Bild machen konnte, war sie in der Lage, die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheides vom 13.05.1997 zu erkennen. Die Klägerin verfügt über eine 10-klassige Schulausbildung. Im Rahmen ihrer späteren beruflichen Tätigkeiten war sie u. a. auch im Außendienst beschäftigt und musste für die korrekten Auslieferungen Berechnungen erstellen. Daher war ihr der Umgang mit Zahlen nicht fremd. Ihre genaue Prüfungs- und Erkenntnisfähigkeit wird auch bei Schreiben deutlich, die die Klägerin wegen der Richtigkeit von Leistungsbewilligungen bzw. -auszahlungen an das Arbeitsamt sandte. In einem Schreiben vom 17.08.1993 beanstandete sie den angegebenen Leistungsbeginn auf dem ihr zugegangenen Bescheid. Hierzu war es zumindest erforderlich, die Angaben des Bescheides mit dem von ihr angenommenen Datum des Leistungsbeginns zu vergleichen. In einem weiteren Schreiben vom 28.05.1997 wies die Klägerin darauf hin, ihr stehe für die Zeit vom 09.04. bis 07.05.1997 noch ein Betrag in Höhe von 166,00 DM zu. Hierzu musste sich die Klägerin zunächst mit der ihr bewilligten Leistung sowie mit dem 14-tägigen Zahlungsmodus der Beklagten vertraut machen. Weiter waren die angegebenen täglichen bzw. wöchentlichen Beträge auf den Zahlungsrhythmus der Beklagten zu übertragen, zumal dadurch die Auszahlungen regelmäßig nicht auf ein Monatsende bzw. einen Monatsanfang fallen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Hinweise auf der Rückseite der Leistungsbescheide möglicherweise für manche Situationen nicht völlig klar sind. Auf der Rückseite des Bescheides vom 18.05.1997 heißt es: "Die Leistungsgruppe entspricht in der Regel der auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse ..." Und nach der dargestellten Zuordnung von Leistungsgruppen zu Steuerklassen heißt es weiter: "Die für sie maßgebenden Bemessungsgrundlagen (gerundetes Bruttoarbeitsentgelt, Leistungsgruppe, Leistungstabelle) und das sich daraus ergebende wöchentliche Arbeitslosengeld können sie dem umseitigen Bewilligungsbescheid entnehmen." Insbesondere, wenn man diese beiden Sätze isoliert liest, könnte man hieraus folgenden Schluss ziehen: Da sich die Leistungsgruppe nur in der Regel nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse richtet, können letztlich die maßgebenden Grundlagen nur der Vorderseite des Bewilligungsbescheides entnommen werden. Wenn man jedoch die weiteren Sätze und Erläuterungen einbezieht, wird dieser Schluss nicht gerechtfertigt, denn gleich in dem folgenden Satz wird auf den Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten hingewiesen, also gerade den speziellen Fall, in dem es zu Abweichungen zwischen der eingetragenen Lohnsteuerklasse und der dieser zugeordneten Leistungsgruppe kommen kann. Eine solche Situation lag bei der Klägerin jedoch nicht vor. Folglich war kein Anlass ersichtlich, weshalb die eingetragene Steuerklasse und die zugeordnete Leistungsgruppe in ihrem Fall voneinander abweichen sollten. Zu der Erläuterung des abgedruckten Schemas heißt es: "Die Zuordnung der Leistungsgruppe zur Steuerklasse können sie der nachfolgenden Übersicht entnehmen." Hieraus muss sich für den Leser der Schluss aufdrängen, im Normalfall sei eben von dieser abgedruckten Zuordnung auszugehen. Wenn daher die den Leistungsdaten zugrunde liegende und auf der Vorderseite des Bescheides angegebene Leistungsgruppe der eigenen Steuerklasse nicht entspricht, müsste der Leistungsbezieher sich zumindest fragen, aus welchen Gründen bei ihm eine Abweichung gerechtfertigt sein könnte. Die Klägerin hat im Übrigen mit ihrer Unterschrift unter dem Antrag vom 04.04.1997 (Datum der Unterschrift) auf Bewilligung von Arbeitslosengeld bestätigt, das Merkblatt 1 für Arbeitslose, "Ihre Rechte, Ihre Pflichten", erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Es war auch von der Klägerin zu erwarten, dass sie dieses Merkblatt sorgfältig durchliest. In diesem Merkblatt wird auf Seite 13 (Stand April 1997) - ohne eine eingeschobene Einschränkung - vorrangig die Zuordnung zwischen den einzelnen Lohnsteuerklassen und den Leistungsgruppen dargestellt. Auf der folgenden Seite wird dann speziell im Zusammenhang mit einem Steuerklassenwechsel unter Ehegatten der Fall eines nicht den Einkommensverhältnissen entsprechenden Steuerklassenwechsels behandelt. Diese Erläuterungen sind so deutlich, dass hierdurch ein etwaiges Missverständnis hätte beseitigt werden können. Im Übrigen handelt es sich aufgrund der optischen Darstellung dieses Schemas um eine der einfachsten Erkenntnisse, die das Merkblatt den Leistungsbeziehern vermitteln kann.
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit ist gewahrt. Die Klägerin nahm am 01.04.1998 zu der beabsichtigten Rücknahme Stellung und der "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" erfolgte bereits am 15.04.1998.
Der Erstattungsanspruch beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 SGG.
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