Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 SB 45/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 104/00 SB-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 09.08.2000 aufgehoben.
II. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Leipzig ab 27.04.2000 Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt L ..., M ... 5, 0 ... T ... beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 30 sowie der gesundheitlichen Voraussetzung für die Feststellung des Merkzeichens "G" wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr.
Bei dem ... geborenen Kläger wurde wegen eines Bandscheibenvorfalls im Bereich L 5/S 1 im Juli 1996 eine Laseroperation und im Dezember 1996 eine Operation nach Love durchgeführt. Anfang Februar 1998 erfolgte eine Reoperation nach Love im Segment L 5/S 1 wegen eines Bandscheibenreprolaps links.
Auf Antrag des Klägers vom 22.09.1998, in dem er eine dauerhafte Störung des linken Beines und des Beckenbereiches angab, stellte der Beklagte nach medizinischer Sachverhaltsermittlung mit Bescheid vom 20.10.1998 eine Behinderung mit einem GdB von 40 unter Berücksichtigung folgender Gesundheitsstörungen fest: "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierte Bandscheibe".
Hiergegen legte der Kläger am 01.11.1998 Widerspruch ein, mit dem er immer öfters auftretende Ausfälle im linken Bein und Fuß geltend machte. Der Beklagte holte im Widerspruchsverfahren ein arbeitsamtärztliches Gutachten von Dr. H ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, den Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik B ... und das im Auftrag der Landesversicherungsanstalt Sachsen erstellte Gutachten von Dr. S ... vom Sozialärztlichen Dienst ein. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.1999 zurück. Am 22.07.1999 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Verschlimmerungsantrag, dem der Beklagte nach Einholung eines Befundberichts von Dr. Z ..., Allgemeinarzt, mit Bescheid vom 14.09.1999 nicht entsprach. Hiergegen legte der Kläger erneut Widerspruch ein, da sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe und die Beschwerden im linken Bein immer "schlimmer" werden würden. Zum Nachweis hierfür legte der Kläger einen Befundbericht von Dr. Z ... und das freie fachunfallchirurgische Gutachten von Priv.-Doz. Dr. G ... vom 05.01.2000, das im parallel anhängigen Rentenverfahren erstellt worden war, vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2000 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, da dieser weder schwerbehindert (mindestens - GdB 50) noch im Straßenverkehr in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sei.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 27.04.2000 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben und zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... beantragt. Der Kläger ließ vortragen, dass er seit der letzten Vorstellung im Mai 1999 bei Dr. Z ...über ein zunehmendes Taubheitsgefühl in den Beinen klage. Dies habe zur Folge, dass er die Beine nicht mehr richtig spüren könne und bei den zunehmenden Auswirkungen Ruhepausen einlegen müsse, um nicht zu stürzen. Diesem Problem sei nicht mehr nachgegangen worden. Die Begutachtung durch Dr. G ... kurz vor dem Gerichtstermin sei unzureichend gewesen. Er nehme nach Bedarf "schwere" Schmerzmedikamente, wie z. B. Tramaltropfen, die nach Einnahme die Wahrnehmungs-, Fahrfähig- und Arbeitsfähigkeit einschränkten. Seit Eintritt der Verschlimmerung im Bereich des linken Fußes könne er sich nur noch sehr eingeschränkt fortbewegen und sei zudem nur noch in der Lage, Wegstrecken bis zu 100 Metern am Stück zurückzulegen. Dies sehe konkret so aus, dass er bereits ca. 10 Minuten benötige, über die Treppe das Haus zu verlassen. Nach 100 Metern Wegstecke müsse er sich längere Zeit ausruhen und etwa 10 Minuten hinsetzen. Danach fange diese Haltung an zu schmerzen, so dass er sich wieder fortbewege. Nach 100 Metern Wegstrecke höchstens trete das Problem erneut auf. Für eine Wegstrecke für 500 Meter benötige er schon von den Ruhepausen her 40 Minuten. Dazu käme noch die reine Wegstrecke. Besonders hinderlich sei, dass dem linken Bein die ausreichende Durchblutung fehle. Das Bein selber sei bereits blau gefärbt, der Zustand verschlechtere sich. Nachts schlafe er manchmal nur 2 Stunden "am Stück", um dann unter Schmerzen aufstehen zu müssen. Nach einiger Bewegung könne er sich wieder hinlegen und erneut 2 Stunden schlafen. Ergänzend führte der Kläger aus, dass in einem MRT der LWS am 04.07.2000 festgestellt worden sei, dass nach der Operation des LWK 5 eine Narbenbildung am Wurzelkanal erfolgt sei. Diese Narbenbildung habe zur Folge, dass der Nerv ständig mit der vernarbten Kanalwand in Berührung komme. Dies sei auch durch die angeordnete Physiotherapie verschlimmert worden, da der Nerv durch ständige Bewegung auch ständig gereizt werde. Dies habe zu einem "Brennen im Bein" bis hin zum Totalausfall des Beines beim Kläger geführt. Darüber hinaus sei bei ihm ein subligamentärer Beinscheibenprolaps bei L 4/5 links mediolateral festgestellt worden. Selbst ohne das jetzige MRT sei der behandelnde Arzt Dr. Z ... befugt gewesen, starke Schmerzmittel bis hin zu Morphium zu dosieren. Es liege auf der Hand und bedürfe keiner weiteren Begründung, dass der Kläger mit einer derartigen Medikamentation weder am Arbeitsleben noch am allgemeinen Straßenverkehr teilnehmen könne. Als Nachweis legte der Kläger das MRT von Dr. L ..., Fachärztin für Diagnostische Radiologie, vom 04.07.2000 vor. Danach besteht eine mässige Narbenbildung links des Doralsackes sowie im Bereich des Recessus lateralis von L 5 links. Durch die Narbenbildung werde der Spinalnerv von L 5 links umgriffen und etwas nach kranial verlagert, erscheine jedoch nicht komprimiert. Es bestehe kein Rest- oder Residivprolaps und ein kleiner subligamentärer Bandscheibenprolaps bestehe bei L 4/5 links mediolateral.
Das SG hat mit Beschluss vom 09.08.2000 den Antrag auf Gewährung von PKH unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... abgelehnt. Es fehle an der hinreichenden Erfolgsaussicht. Der Kläger sei in der Zeit vor Bescheiderteilung mehrfach eingehend untersucht worden und die entsprechenden Befundberichte bzw. Gutachten und Krankenentlassungsberichte seien von dem Beklagten berücksichtigt worden. Nach der Art der Behinderung könne unter Berücksichtigung der recht umfangreichen Gutachten und Befundberichte mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschätzt werden, dass der GdB unter Zugrundelegung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 mit derzeit GdB 30 korrekt, eher sogar wohlwollend als kleinlich, eingeschätzt worden sei.
Gegen den am 14.08.2000 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 23.08.2000 Beschwerde eingelegt. Der Kläger trägt vor, derzeit wieder eine Medikamentenumstellung durch zu machen. Zur Zeit erfolge eine Morphiumentwöhnungsphase. Er werde auf Finlepsin umgestellt und zusätzlich müsse er Entwöhnungsmedikamente nehmen. Infolge der Vernarbung erleide er ungeheure Schmerzen. Für die Strecke über den Marktplatz von T ... (ca. 150 Meter) benötige er bis zu einer halben Stunde. Der Kläger legte einen weiteren Befundbericht von Dr. Z ...vor. Danach besteht beim Kläger ein chronisches Wurzelreizsyndrom links. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Beschwerde dem erkennenden Gericht vorgelegt.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 09.08.2000 aufzuheben und ihm unter Beiordnung Herrn Rechtsanwalts L ..., T ..., Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die Gerichts- und Verwaltungsakten zum Rentenverfahren des Klägers (Az.: L 5 RJ 77/00) beigezogen. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten wird wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 09.08.2000 ist statthaft (§ 172 SGG). In der Sache ist die Beschwerde auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Gewährung von PKH abgelehnt. Der Kläger hat Anspruch auf PKH ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... gemäß §§ 114 ff. Zivilprozessordnung -ZPO-, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 ff. ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte - wie das in den sozialgerichtlichen Verfahren vor den Sozialgerichten und Landessozialgerichten zutrifft - nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Klage erscheint weder mutwillig noch kann nach der Auffassung des Senats eine hinreichende Erfolgsaussicht ohne weiteres verneint werden. Dabei braucht nicht etwa eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten vorgenommen werden, was auch im gegenseitigen Stand des Verfahrens so nicht möglich ist. Der Erfolg braucht auch nicht mit Sicherheit festzustehen; es reicht vielmehr aus, wenn der Rechtsstandpunkt der Partei zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht das Gericht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. BGH, NJW 1994, S. 1161 m. w. N.). So kann grundsätzlich die Erfolgsaussicht schon dann als hinreichend angesehen werden, wenn sich die Notwendigkeit einer (weiteren) Beweisaufnahme ergibt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. § 73a S. 58/8-14/33). Danach kann hinreichende Erfolgsaussicht also schon dann vorliegen, wenn es erforderlich erscheinen kann, weitere Gutachten oder Befundberichte einzuholen (Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.03.1989 - L 5 B 305/88.ARr; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl., § 73a Rz. 7). Erfolgsaussicht bedeutet damit nicht "Erfolgsgewissheit".
Der Sachvortrag des Klägers gebietet im Hinblick auf den vorgelegten MRT-Befund vom 04.07.2000 sowie auf den Befundbericht von Dr. Z ... vom 27.07.2000 eine von Amts wegen durchzuführende weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts. Anhaltspunkte, dass die Würdigung des dann vorliegenden Beweisergebnisses zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen wird und sich aufgrund dessen zumindest die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht feststellen lassen wird, liegen nicht vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperlichen Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von den für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. § 2 Abs. 2 SGB IX normiert, dass Menschen schwerbehindert sind, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzbuches haben. Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung, die der Bundesminister für Arbeit und Soziales zuletzt 1996 herausgegeben hat. Die AHP sind von den Gerichten als antizipierte Sachverständigengutachten anerkannt. Sie ermöglichen eine nachvollziebare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichheitssatz genügt.
Die AHP sehen bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 40, mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) einen GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit einen GdB von 80 bis 100 vor. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompressionen mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf innere Organe sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen könne auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB von über 30 in Betracht kommen. Das neurogene Hinken ist etwas günstiger als vergleichbare Einschränkungen des Gehvermögens bei arteriellen Verschlusskrankheiten zu bewerten.
Angesichts dieser Vorgaben der AHP hält der Senat die Ansicht des Bf., der GdB sei mit 50 festzustellen, jedenfalls für vertretbar. Die beim Kläger gemessenen Bewegungswerte im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie das von Dr. Z ... festgestellte chronische Wurzelreizsyndrom sprechen dafür, dass beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule ein Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen vorliegt, für den die AHP einen GdB von 30 vorsehen. Der Fußboden-Finger-Abstand wurde von Dr. Z ... zuletzt mit 50 cm gemessen. Die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule ist nach den von Dr. S ... und Dr. G ... gemessenen Werten nach Schober von 10: 13 cm bzw. 10: 12 cm (normal: 10: 15) eingeschränkt. Dies gilt ebenso für die Drehbeweglichkeit des Rumpfes, soweit man die von Dr. G ... gemessenen Werte von 20/0/20 zugrunde legt (normal: 30 bis 40/0/30 bis 40) und die Seitneigung rechts/links ist mit von Dr. S ... bzw. Dr. G ... gemessenen Werten von 25/0/25 bzw. 25/0/20 (normal: 30 bis 40/0/30 bis 40). Aufgrund der eingetretenen Chronifizierung des Wurzelreizsyndroms erscheinen die vom Kläger ständig angegebenen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule glaubhaft. Aufgrund des Sachvortrags des Klägers, dass er unter ungeheuren Schmerzen leide und dass ihm zur Schmerzlinderung Morphin verabreicht worden sei, hält es der Senat für nicht ausgeschlossen, dass beim Kläger außergewöhnliche Schmerzsyndrome vorliegen, so dass ein GdB von über 30, mithin in Höhe von 50 festzustellen ist. Ursache für die vom Kläger angegebenen erheblichen Schmerzen könnte die Narbenbildung links des Doralsackes sowie im Bereich des Recessus lateralis von L 5 links sein. Die Narbenbildung ist zwar nur mäßig und der Spinalnerv von L 5 links wird nur umgriffen und etwas nach kranial verlagert und erscheint nach dem MRT als nicht komprimiert. Dennoch hält der Senat im Hinblick insbesondere auch auf die behauptete Morphinverabreichung eine Begutachtung des Klägers auf neurologischem Fachgebiet für erforderlich, um aufzuklären, ob die erfolgte Narbenbildung zu derartigen vom Kläger vorgetragenen Schmerzen führen kann, mithin außergewöhnliche Schmerzsyndrome vorliegen. Dies gebietet der im Sozialgericht geltende Amtermittlungsgrundsatz. Aufgrund dessen kann von einer Mutwilligkeit der Führung des Rechtsstreits durch den Bf. nicht ausgegangen werden.
Die Beschwerde scheitert schließlich auch nicht daran, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich wäre. Der Senat geht vielmehr auch in den Fällen, in denen wie hier "nur" der medizinische Sachverhalt entscheidungserheblich ist, davon aus, dass die Erforderlichkeit einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht generell verneint werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 10.12.1999 - L 1 B 49/99, SB-PKH). Denn in Rechtsstreitigkeiten mit medizinischen Problemen ist es oft schwierig, die medizinische Seite insgesamt zu erfassen und - vor allem - ihre Erheblichkeit bei der Prüfung der Anspruchsnorm unter Beachtung der Rechtsprechung zu erkennen.
Vorliegend ist die für die soziale Situation des Klägers im Hinblick auf die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht unbedeutende Sache weder tatsächlich noch rechtlich so einfach gelagert, dass anwaltschaftliche Unterstützung ohne weiteres entbehrlich erscheint. Dies gilt insbesondere auch, soweit der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichen "G" begehrt. Nach § 145 Abs. 1 1. Halbsatz SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 Nahverkehr i. S. d. § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (vgl. § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die für die Gewährung des Nachteilsausgleichs "G" insoweit erforderlichen Funktionsstörungen ergeben sich aus Ziff. 30 der AHP (S. 164 f.). Die dort normierten medizinischen Voraussetzungen erfordern indes die Bewertung, mit welchem GdB eine Gesundheitsstörung zu bemessen ist. Bei dieser Frage handelt es sich mithin nicht ausschließlich um medizinische Fragestellungen; insoweit können medizinische Sachverständige oder behandelnde Ärzte lediglich die Tatsachengrundlage in medizinischer Hinsicht liefern, unter denen sodann an Hand der Anhaltspunkte zu messen ist, welcher GdB für eine Gesundheitsstörung angemessen ist. Hierbei handelt es sich aber um eine Frage, die der Verwaltung und im Streitfalle den Gerichten obliegt, keinesfalls aber um eine solche, die rechtlich in jedem Fall so einfach gelagert wäre, dass hier für den Kläger als medizinischen und juristischen Laien die Beiordnung eines Anwalts nicht geboten erscheinen könnte (vgl. Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10.12.1999, a.a.O.).
Der Kläger erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine PKH-Gewährung ohne Ratenzahlung, da er kein Einkommen einzusetzen hat. Der Kläger verfügt über ein laufendes Einkommen in Form von Arbeitslosengeld i. H. v. 234,64 DM netto wöchentlich sowie von monatlich gezahltem Wohngeld i. H. v. 33,28 DM. Hiervon sind der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO i. H. v. 689,00 DM sowie die anteiligen Mietkosten i. H. v. 545,00 DM in Abzug zu bringen.
Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... zu gewähren.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).
II. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Leipzig ab 27.04.2000 Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt L ..., M ... 5, 0 ... T ... beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 30 sowie der gesundheitlichen Voraussetzung für die Feststellung des Merkzeichens "G" wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr.
Bei dem ... geborenen Kläger wurde wegen eines Bandscheibenvorfalls im Bereich L 5/S 1 im Juli 1996 eine Laseroperation und im Dezember 1996 eine Operation nach Love durchgeführt. Anfang Februar 1998 erfolgte eine Reoperation nach Love im Segment L 5/S 1 wegen eines Bandscheibenreprolaps links.
Auf Antrag des Klägers vom 22.09.1998, in dem er eine dauerhafte Störung des linken Beines und des Beckenbereiches angab, stellte der Beklagte nach medizinischer Sachverhaltsermittlung mit Bescheid vom 20.10.1998 eine Behinderung mit einem GdB von 40 unter Berücksichtigung folgender Gesundheitsstörungen fest: "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierte Bandscheibe".
Hiergegen legte der Kläger am 01.11.1998 Widerspruch ein, mit dem er immer öfters auftretende Ausfälle im linken Bein und Fuß geltend machte. Der Beklagte holte im Widerspruchsverfahren ein arbeitsamtärztliches Gutachten von Dr. H ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, den Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik B ... und das im Auftrag der Landesversicherungsanstalt Sachsen erstellte Gutachten von Dr. S ... vom Sozialärztlichen Dienst ein. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.1999 zurück. Am 22.07.1999 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Verschlimmerungsantrag, dem der Beklagte nach Einholung eines Befundberichts von Dr. Z ..., Allgemeinarzt, mit Bescheid vom 14.09.1999 nicht entsprach. Hiergegen legte der Kläger erneut Widerspruch ein, da sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe und die Beschwerden im linken Bein immer "schlimmer" werden würden. Zum Nachweis hierfür legte der Kläger einen Befundbericht von Dr. Z ... und das freie fachunfallchirurgische Gutachten von Priv.-Doz. Dr. G ... vom 05.01.2000, das im parallel anhängigen Rentenverfahren erstellt worden war, vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2000 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, da dieser weder schwerbehindert (mindestens - GdB 50) noch im Straßenverkehr in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sei.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 27.04.2000 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben und zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... beantragt. Der Kläger ließ vortragen, dass er seit der letzten Vorstellung im Mai 1999 bei Dr. Z ...über ein zunehmendes Taubheitsgefühl in den Beinen klage. Dies habe zur Folge, dass er die Beine nicht mehr richtig spüren könne und bei den zunehmenden Auswirkungen Ruhepausen einlegen müsse, um nicht zu stürzen. Diesem Problem sei nicht mehr nachgegangen worden. Die Begutachtung durch Dr. G ... kurz vor dem Gerichtstermin sei unzureichend gewesen. Er nehme nach Bedarf "schwere" Schmerzmedikamente, wie z. B. Tramaltropfen, die nach Einnahme die Wahrnehmungs-, Fahrfähig- und Arbeitsfähigkeit einschränkten. Seit Eintritt der Verschlimmerung im Bereich des linken Fußes könne er sich nur noch sehr eingeschränkt fortbewegen und sei zudem nur noch in der Lage, Wegstrecken bis zu 100 Metern am Stück zurückzulegen. Dies sehe konkret so aus, dass er bereits ca. 10 Minuten benötige, über die Treppe das Haus zu verlassen. Nach 100 Metern Wegstecke müsse er sich längere Zeit ausruhen und etwa 10 Minuten hinsetzen. Danach fange diese Haltung an zu schmerzen, so dass er sich wieder fortbewege. Nach 100 Metern Wegstrecke höchstens trete das Problem erneut auf. Für eine Wegstrecke für 500 Meter benötige er schon von den Ruhepausen her 40 Minuten. Dazu käme noch die reine Wegstrecke. Besonders hinderlich sei, dass dem linken Bein die ausreichende Durchblutung fehle. Das Bein selber sei bereits blau gefärbt, der Zustand verschlechtere sich. Nachts schlafe er manchmal nur 2 Stunden "am Stück", um dann unter Schmerzen aufstehen zu müssen. Nach einiger Bewegung könne er sich wieder hinlegen und erneut 2 Stunden schlafen. Ergänzend führte der Kläger aus, dass in einem MRT der LWS am 04.07.2000 festgestellt worden sei, dass nach der Operation des LWK 5 eine Narbenbildung am Wurzelkanal erfolgt sei. Diese Narbenbildung habe zur Folge, dass der Nerv ständig mit der vernarbten Kanalwand in Berührung komme. Dies sei auch durch die angeordnete Physiotherapie verschlimmert worden, da der Nerv durch ständige Bewegung auch ständig gereizt werde. Dies habe zu einem "Brennen im Bein" bis hin zum Totalausfall des Beines beim Kläger geführt. Darüber hinaus sei bei ihm ein subligamentärer Beinscheibenprolaps bei L 4/5 links mediolateral festgestellt worden. Selbst ohne das jetzige MRT sei der behandelnde Arzt Dr. Z ... befugt gewesen, starke Schmerzmittel bis hin zu Morphium zu dosieren. Es liege auf der Hand und bedürfe keiner weiteren Begründung, dass der Kläger mit einer derartigen Medikamentation weder am Arbeitsleben noch am allgemeinen Straßenverkehr teilnehmen könne. Als Nachweis legte der Kläger das MRT von Dr. L ..., Fachärztin für Diagnostische Radiologie, vom 04.07.2000 vor. Danach besteht eine mässige Narbenbildung links des Doralsackes sowie im Bereich des Recessus lateralis von L 5 links. Durch die Narbenbildung werde der Spinalnerv von L 5 links umgriffen und etwas nach kranial verlagert, erscheine jedoch nicht komprimiert. Es bestehe kein Rest- oder Residivprolaps und ein kleiner subligamentärer Bandscheibenprolaps bestehe bei L 4/5 links mediolateral.
Das SG hat mit Beschluss vom 09.08.2000 den Antrag auf Gewährung von PKH unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... abgelehnt. Es fehle an der hinreichenden Erfolgsaussicht. Der Kläger sei in der Zeit vor Bescheiderteilung mehrfach eingehend untersucht worden und die entsprechenden Befundberichte bzw. Gutachten und Krankenentlassungsberichte seien von dem Beklagten berücksichtigt worden. Nach der Art der Behinderung könne unter Berücksichtigung der recht umfangreichen Gutachten und Befundberichte mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschätzt werden, dass der GdB unter Zugrundelegung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 mit derzeit GdB 30 korrekt, eher sogar wohlwollend als kleinlich, eingeschätzt worden sei.
Gegen den am 14.08.2000 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 23.08.2000 Beschwerde eingelegt. Der Kläger trägt vor, derzeit wieder eine Medikamentenumstellung durch zu machen. Zur Zeit erfolge eine Morphiumentwöhnungsphase. Er werde auf Finlepsin umgestellt und zusätzlich müsse er Entwöhnungsmedikamente nehmen. Infolge der Vernarbung erleide er ungeheure Schmerzen. Für die Strecke über den Marktplatz von T ... (ca. 150 Meter) benötige er bis zu einer halben Stunde. Der Kläger legte einen weiteren Befundbericht von Dr. Z ...vor. Danach besteht beim Kläger ein chronisches Wurzelreizsyndrom links. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Beschwerde dem erkennenden Gericht vorgelegt.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 09.08.2000 aufzuheben und ihm unter Beiordnung Herrn Rechtsanwalts L ..., T ..., Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die Gerichts- und Verwaltungsakten zum Rentenverfahren des Klägers (Az.: L 5 RJ 77/00) beigezogen. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten wird wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 09.08.2000 ist statthaft (§ 172 SGG). In der Sache ist die Beschwerde auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Gewährung von PKH abgelehnt. Der Kläger hat Anspruch auf PKH ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... gemäß §§ 114 ff. Zivilprozessordnung -ZPO-, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 ff. ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte - wie das in den sozialgerichtlichen Verfahren vor den Sozialgerichten und Landessozialgerichten zutrifft - nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Klage erscheint weder mutwillig noch kann nach der Auffassung des Senats eine hinreichende Erfolgsaussicht ohne weiteres verneint werden. Dabei braucht nicht etwa eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten vorgenommen werden, was auch im gegenseitigen Stand des Verfahrens so nicht möglich ist. Der Erfolg braucht auch nicht mit Sicherheit festzustehen; es reicht vielmehr aus, wenn der Rechtsstandpunkt der Partei zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht das Gericht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. BGH, NJW 1994, S. 1161 m. w. N.). So kann grundsätzlich die Erfolgsaussicht schon dann als hinreichend angesehen werden, wenn sich die Notwendigkeit einer (weiteren) Beweisaufnahme ergibt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. § 73a S. 58/8-14/33). Danach kann hinreichende Erfolgsaussicht also schon dann vorliegen, wenn es erforderlich erscheinen kann, weitere Gutachten oder Befundberichte einzuholen (Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.03.1989 - L 5 B 305/88.ARr; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl., § 73a Rz. 7). Erfolgsaussicht bedeutet damit nicht "Erfolgsgewissheit".
Der Sachvortrag des Klägers gebietet im Hinblick auf den vorgelegten MRT-Befund vom 04.07.2000 sowie auf den Befundbericht von Dr. Z ... vom 27.07.2000 eine von Amts wegen durchzuführende weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts. Anhaltspunkte, dass die Würdigung des dann vorliegenden Beweisergebnisses zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen wird und sich aufgrund dessen zumindest die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht feststellen lassen wird, liegen nicht vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperlichen Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von den für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. § 2 Abs. 2 SGB IX normiert, dass Menschen schwerbehindert sind, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzbuches haben. Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Schwerbehinderten die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung, die der Bundesminister für Arbeit und Soziales zuletzt 1996 herausgegeben hat. Die AHP sind von den Gerichten als antizipierte Sachverständigengutachten anerkannt. Sie ermöglichen eine nachvollziebare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichheitssatz genügt.
Die AHP sehen bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 40, mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) einen GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit einen GdB von 80 bis 100 vor. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompressionen mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf innere Organe sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen könne auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB von über 30 in Betracht kommen. Das neurogene Hinken ist etwas günstiger als vergleichbare Einschränkungen des Gehvermögens bei arteriellen Verschlusskrankheiten zu bewerten.
Angesichts dieser Vorgaben der AHP hält der Senat die Ansicht des Bf., der GdB sei mit 50 festzustellen, jedenfalls für vertretbar. Die beim Kläger gemessenen Bewegungswerte im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie das von Dr. Z ... festgestellte chronische Wurzelreizsyndrom sprechen dafür, dass beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule ein Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen vorliegt, für den die AHP einen GdB von 30 vorsehen. Der Fußboden-Finger-Abstand wurde von Dr. Z ... zuletzt mit 50 cm gemessen. Die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule ist nach den von Dr. S ... und Dr. G ... gemessenen Werten nach Schober von 10: 13 cm bzw. 10: 12 cm (normal: 10: 15) eingeschränkt. Dies gilt ebenso für die Drehbeweglichkeit des Rumpfes, soweit man die von Dr. G ... gemessenen Werte von 20/0/20 zugrunde legt (normal: 30 bis 40/0/30 bis 40) und die Seitneigung rechts/links ist mit von Dr. S ... bzw. Dr. G ... gemessenen Werten von 25/0/25 bzw. 25/0/20 (normal: 30 bis 40/0/30 bis 40). Aufgrund der eingetretenen Chronifizierung des Wurzelreizsyndroms erscheinen die vom Kläger ständig angegebenen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule glaubhaft. Aufgrund des Sachvortrags des Klägers, dass er unter ungeheuren Schmerzen leide und dass ihm zur Schmerzlinderung Morphin verabreicht worden sei, hält es der Senat für nicht ausgeschlossen, dass beim Kläger außergewöhnliche Schmerzsyndrome vorliegen, so dass ein GdB von über 30, mithin in Höhe von 50 festzustellen ist. Ursache für die vom Kläger angegebenen erheblichen Schmerzen könnte die Narbenbildung links des Doralsackes sowie im Bereich des Recessus lateralis von L 5 links sein. Die Narbenbildung ist zwar nur mäßig und der Spinalnerv von L 5 links wird nur umgriffen und etwas nach kranial verlagert und erscheint nach dem MRT als nicht komprimiert. Dennoch hält der Senat im Hinblick insbesondere auch auf die behauptete Morphinverabreichung eine Begutachtung des Klägers auf neurologischem Fachgebiet für erforderlich, um aufzuklären, ob die erfolgte Narbenbildung zu derartigen vom Kläger vorgetragenen Schmerzen führen kann, mithin außergewöhnliche Schmerzsyndrome vorliegen. Dies gebietet der im Sozialgericht geltende Amtermittlungsgrundsatz. Aufgrund dessen kann von einer Mutwilligkeit der Führung des Rechtsstreits durch den Bf. nicht ausgegangen werden.
Die Beschwerde scheitert schließlich auch nicht daran, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich wäre. Der Senat geht vielmehr auch in den Fällen, in denen wie hier "nur" der medizinische Sachverhalt entscheidungserheblich ist, davon aus, dass die Erforderlichkeit einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht generell verneint werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 10.12.1999 - L 1 B 49/99, SB-PKH). Denn in Rechtsstreitigkeiten mit medizinischen Problemen ist es oft schwierig, die medizinische Seite insgesamt zu erfassen und - vor allem - ihre Erheblichkeit bei der Prüfung der Anspruchsnorm unter Beachtung der Rechtsprechung zu erkennen.
Vorliegend ist die für die soziale Situation des Klägers im Hinblick auf die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht unbedeutende Sache weder tatsächlich noch rechtlich so einfach gelagert, dass anwaltschaftliche Unterstützung ohne weiteres entbehrlich erscheint. Dies gilt insbesondere auch, soweit der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichen "G" begehrt. Nach § 145 Abs. 1 1. Halbsatz SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 Nahverkehr i. S. d. § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (vgl. § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die für die Gewährung des Nachteilsausgleichs "G" insoweit erforderlichen Funktionsstörungen ergeben sich aus Ziff. 30 der AHP (S. 164 f.). Die dort normierten medizinischen Voraussetzungen erfordern indes die Bewertung, mit welchem GdB eine Gesundheitsstörung zu bemessen ist. Bei dieser Frage handelt es sich mithin nicht ausschließlich um medizinische Fragestellungen; insoweit können medizinische Sachverständige oder behandelnde Ärzte lediglich die Tatsachengrundlage in medizinischer Hinsicht liefern, unter denen sodann an Hand der Anhaltspunkte zu messen ist, welcher GdB für eine Gesundheitsstörung angemessen ist. Hierbei handelt es sich aber um eine Frage, die der Verwaltung und im Streitfalle den Gerichten obliegt, keinesfalls aber um eine solche, die rechtlich in jedem Fall so einfach gelagert wäre, dass hier für den Kläger als medizinischen und juristischen Laien die Beiordnung eines Anwalts nicht geboten erscheinen könnte (vgl. Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10.12.1999, a.a.O.).
Der Kläger erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine PKH-Gewährung ohne Ratenzahlung, da er kein Einkommen einzusetzen hat. Der Kläger verfügt über ein laufendes Einkommen in Form von Arbeitslosengeld i. H. v. 234,64 DM netto wöchentlich sowie von monatlich gezahltem Wohngeld i. H. v. 33,28 DM. Hiervon sind der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO i. H. v. 689,00 DM sowie die anteiligen Mietkosten i. H. v. 545,00 DM in Abzug zu bringen.
Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt L ... zu gewähren.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).
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