L 1 B 49/01 V

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 10 V 44/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 49/01 V
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 11. April 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerde macht die Übernahme von Kosten eines auf Antrag des Beschwerdeführers (Bf.) erstatteten Gutachtens zu Lasten der Staatskasse geltend.

In dem beim Sozialgericht Leipzig (SG) anhängig gewesenen Klageverfahren (Az: S 10 V 44/97) begehrte der Bf. als Rechtsnachfolger nach dem im ... geborenen und im ... verstorbenen O ...K ... (K.) Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Dem im Rahmen des Klageverfahrens vom Bf. gestellten Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), den Heilpraktiker W ... L ... (L.) in L ... gutachterlich zu hören, entsprach das SG mit Beweisanordnung vom 22. Juni 1999. Das Gutachten erstellte L. unter dem 11. April 2000. Unter dem gedruckten Namen des Gutachters findet sich die Unterschrift "i. A. H ...". Zur Äußerung des Versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten nahm L. am 26. September 2000 zusätzlich Stellung. Die Stellungnahme war in gleicher Weise unterzeichnet wie das Gutachten vom 11. April 2000.

Die Klage blieb im Ergebnis erfolglos (Urteil des SG vom 22. Februar 2001).

Einen Antrag des Bf., die Kosten für das Gutachten des L. auf die Staatskasse zu übernehmen, hat das SG mit Beschluss vom 11. April 2001 abgelehnt. Der medizinische Sachverhalt sei nach Beiziehung diverser Krankenbehandlungsunterlagen des K. insbesondere der Behandlungskarte der Strafvollzugsanstalten T ... und W ... sowie der Aufnahme- und Entlassungsuntersuchungsbogen ausreichend aufgeklärt. Wie die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren festgestellt habe, seien in den Krankenblättern aus der Haftzeit des K. mehrmalige fieberhafte Infekte, eine Trombose der linken Kniegelenke, Magenbeschwerden, Analekzem, eine Thoraxprellung sowie eine nervöse Überregbarkeit beschrieben worden. Diese seien jedoch, abgesehen von den Herzbeschwerden, bei der Haftentlassung entsprechend dem Entlassungsuntersuchungsbefund vom 22. November 1960 nicht mehr vorhanden gewesen. Es fehlten auch ärztlich dokumentierte Befunde für das unmittelbar erneute Autreten eines Analekzems nach der Haftentlassung des K. und des Weiterbestehens eines solchen Analekzems, die als Brückensymptome für die geltend gemachten Schädigungsfolgen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) angesehen werden könnten. Auch der vom Bf. benannte L. habe in seinem Gutachten der rechtlichen Bewertung von Seiten des Beklagten, dass zwischen haftbedingten Veränderungen im Bereich des Darmausgangs (Ekzem), das nachweislich bei der Haftentlassung abgeklungen gewesen sei, und dem später aufgetretenen Fistelleiden substantiell habe entgegensetzen können. Aus dem Gutachten gehe vielmehr nur hervor, dass er K. erstmals am 08. Juni 1993 untersucht habe und dabei Analfistel-Narben und grobe Verwachsungen festgestellt habe. Die Aussagen des Gutachters seien nicht überzeugend gewesen, wenn er schlussfolgere, dass die Analfisteloperation 1965 auf entzündliche Analfistel bzw. Fisteln während der Haftzeit von Oktober 1957 bis November 1960 des K. zurückzuführen seien. Schließlich habe L. den K. zeitnah nach der Entlassung aus der Haftentstalt nicht untersucht, sondern erstmals 1993. Die Primärschädigung des K. während der Haftzeit sei jedenfalls durch die Darlegung des Gutachters nicht erwiesen. Wenn also die Ursache der erstmals 1965 operierten Analfistel nicht habe geklärt werden können, bestehe allenfalls eine theoretische Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der vom Bf. angegebenen Analfisteln, die während der Haft des K. entstanden seien und der ab 1965 erfolgten Analfisteloperationen, die zu einer Schließmuskelschwäche des K. geführt haben, so dass eine Schließmuskelschwäche bei K. als Versorgungsleiden nach dem HHG nicht anzuerkennen gewesen sei. Die Einholung des Gutachtens von Heilpraktiker und Dozent L. sei zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes demnach nicht erforderlich gewesen.

Gegen den als Einschreiben am 23. April 2001 zur Post gegebenen Beschluss hat der Bf. am 22. Mai 2001 beim SG Beschwerde eingelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Bf. hat vorgetragen, er sei seit 01. August 1996 arbeitslos und erhalte seit 01. Juni 1998 keine finanziellen Bezüge mehr vom Arbeitsamt. Erst in der Verhandlung vor dem SG am 14. April 1999 sei ihm förmlich nahe gelegt und angeraten worden, den Arzt, der seinen Vater zu Lebzeiten noch gekannt und von dessen Leiden hinsichtlich seiner Schließmuskelschwäche gewusst habe, als Gutachter zu benennen. Ihm sei vom SG gesagt worden, dass man später hinsichtlich einer Übernahme der Kosten für dieses Gutachten durch die Staatskasse reden könne. Da ihm überhaupt nicht bekannt gewesen sei, ob L. auch eine gutachterliche Stellungnahme erarbeiten könnte, habe er dem SG gesagt, dass er zuerst mit L. Rücksprache nehmen werde. Er habe bis zum 14. April 1999 gar nicht gewusst, dass ein solches Gutachten überhaupt angefordert werden könne. Er selbst hätte niemals dieses Gutachten von sich aus erstellen lassen, sondern habe dies nur auf Anraten und den Zuspruch durch das SG getan. Demzufolge seien die angefallenen Kosten für dieses Gutachten jetzt auf die Staatskasse umzulegen.

Der Beklagte ist der Ansicht, der Beschluss des SG sei nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss auf Antrag des Versicherten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden. Anzuhören sind Ärzte, d.h. Personen, die zur Ausübung des Arztberufes in Deutschland befugt sind (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Aufl., § 109 Rdnr. 5). Nichtärzte (z.B. Heilpraktiker, Psychologen etc.) können im Rahmen des § 109 SGG nicht als Sachverständige benannt werden (Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl., III Rdnr. 90; Meyer-Ladewig a.a.O.). L. als Heilpraktiker hätte daher von vornherein als ärztlicher Gutachter im Sinne des § 109 Abs. 1 SGG nicht angehört werden dürfen. Eine Anhörung hätte allenfalls als sachverständiger Zeuge über seine Wahrnehmungen bei der Behandlung des K. in Betracht gezogen werden können. Bei einer entsprechenden Anregung des Bf. zur Beweiserhebung hätte es sich jedoch nicht um einen "Antrag" nach § 109 SGG gehandelt.

Selbst wenn rechtlich die Anhörung eines Heilpraktikers nach § 109 SGG in Betracht käme, wären die Kosten für das Gutachten des L. dennoch nicht auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gericht kann die Kosten des Gutachtens nachträglich auf die Staatskasse übernehmen, wenn das Gutachten zur weiteren Sachaufklärung beigetragen hat, dies ist in der Regel dann der Fall, wenn das Gutachten Einfluss auf den weiteren Verlauf des Verfahrens nimmt, und wenn es das weitere Verfahren zwar nicht maßgeblich beeinflusst, aber entscheidungserhebliche Punkte des medizinischen Sachverhaltes, etwa die maßgebenden Befunde, weiter aufklärt (vgl. Krasney-Udsching, a.a.O., Rdnr. 101). Das Gutachten des L. vom 11. April 2000 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 26. September 2000 haben ersichtlich nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes im erstinstanzlichen Verfahren beigetragen. Dies ist allein deshalb schon nicht der Fall, weil L. als Heilpraktiker nicht über die entsprechende Sachkunde eines Arztes verfügt, um die vom SG in der Beweisanordnung vom 22. Juni 1999 gestellten medizinischen Beweisfragen beantworten zu können. Im Übrigen hat L. in seinem Gutachten vom 11. April 2000 im Wesentlichen die Behandlung des K. in seiner Praxis im Zeitraum vom 08. Juni 1993 bis 29. März 1994 geschildert. Dagegen fehlt vor allem jede Auseinandersetzung mit den versorgungsärztlichen Stellungnahmen. Die ihm vom SG gestellten Beweisfragen beantwortet er eher kurz, ohne hierfür eine konkrete Begründung zu geben. Den Inhalt der ihm vorliegenden Akten des Beklagten und der Gerichtsakte hat er indessen weder inhaltlich noch medizinisch gewürdigt, obwohl er selbst in seinem Gutachten angegeben hat, "die Begutachtung stützt sich auf die Kenntnis der vorliegenden Akten des Sozialgerichts Leipzig, der vorliegenden B-Akten des Amtes für Familie und Soziales/Leipzig ... sowie auf die in meiner Praxis durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen in dem Zeitraum vom 08.06.1993 bis 29.03.1994". Das Gutachten hat insgesamt in keiner Weise für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen. Die Aufklärung des Sachverhaltes hat es ebenso wenig objektiv gefördert.

Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung am 14. April 1999 ist nicht zu entnehmen, dass der Bf. zur Stellung eines Antrages nach § 109 SGG gedrängt wurde, vielmehr wurde er "aufgefordert", bis 21. April 1999 zu erklären, ob er die "Beiziehung" eines Gutachtens nach § 109 SGG beantragen möchte. Einen entsprechenden Antrag hat er mit Schreiben vom 16. April 1999 gestellt. Dem Bf. müsste auch bekannt gewesen sein, dass die Kosten für das Gutachten nicht automatisch auf die Staatskasse übernommen werden würden. Unter dem 07. Juni 1999 hat er eine Erklärung u.a. mit dem Inhalt unterschrieben, dass ihm bekannt sei, dass er die gesamten Kosten der Begutachtung endgültig zu tragen habe, wenn sie nicht durch eine Entscheidung des Gerichts ganz oder zum Teil der Staatskasse auferlegt werden, d.h. die Entscheidung über die Kostentragung, die auch - wie hier - negativ ausfallen kann, erfolgt erst im Nachhinein durch das Gericht.

Nach alledem hatte die Beschwerde keinen Erfolg.

Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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