L 1 B 4/01 KR

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 211/00 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 4/01 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 13. November 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer (BF) machen gegenüber der Beschwerdegegnerin (BG), bei der die Beschwerdeführerin zu 1. versichert ist, im Wege der Eilentscheidung die Übernahme von Kosten für eine Invitro-Fertilisation mit intrazytoplasmatischer Spermatozoen-Injektion (ICSI) geltend. Die BF sind verheiratet. Nach der Bescheinigung des Gynäkologen Dr. G ... vom 03.05.2000 besteht bei ihnen seit 1994 "Ehesterilität". Effektivste Aussicht für eine erfolgreiche Therapie bestehe nur, wenn zusätzlich zur In-vitro-Fertilisation das Verfahren der ICSI angewendet werde. Die BG hat den hierauf gestellten Antrag auf Kostenübernahme für das Verfahren der ICSI abgelehnt (Bescheid vom 26. Mai 2000). Dagegen legte die Beschwerdeführerin am 07. Juni 2000 Widerspruch ein.

Am 28. September 2000 haben die BF beim Sozialgericht Dresden (SG) Untätigkeitsklage erhoben und gleichzeitig den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, die BG "zu verpflichten, gegenüber den Antragstellern zu erklären, dass die Antragsgegnerin die Kosten für eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) nebst allen damit im Zusammenhang stehenden Leistungen, wie Laboruntersuchungen, Ultraschall, Voruntersuchung, Stimmulation- und IVF-Behandlung gegenüber der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis Dr. med. F. A. H ..., Dr. med. P. J ... und Dr. med. A. G ..., G ...straße 30, 04103 L ..." übernimmt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dieser Anspruch sei im einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen, da hier das Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe auch im Hinblick auf den Wunsch, Kinder zu bekommen, ganz klar überwiege. Bereits durch die Geburt des Kindes im Jahr 1998 durch künstliche Befruchtung sei indiziert, dass die Maßnahme durchaus erfolgsversprechend und nahezu erfolgsgarantierend sei. Die BF begehrten keine, von der Krankenkasse nicht zu tragende "Fremdbefruchtung", sondern die künstliche Befruchtung mit den Samen des Ehemannes. Aufgrund des pathologischen Zustandes beim Ehemann sei die Sache äußerst eilbedürftig, da ärztlicherseits einzuschätzen sei, dass die Samen des Beschwerdeführers an Aktivität derart nachzulassen drohten, dass eine entsprechende Befruchtung nicht mehr möglich sei.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 13. November 2000 sinngemäß abgelehnt. Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei bereits deshalb nicht gegeben, da jedenfalls ein Anordnungsanspruch der BF nicht gegeben sei. Nach summarischer Prüfung seien keinerlei Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der BG vom 26. Mai 2000 gegeben. Die BF hätten gegenüber der BG weder einen Anspruch auf volle Kostenübernahme für das IVF/ICSI-Verfahren noch auf Übernahme der Behandlungskosten für das IVF-Verfahren, insoweit dieses als Vorbehandlung für das ICSI-Verfahren erforderlich sei. Bei der beantragten ICSI handele es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Beschluss vom 14. August 1990 habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Anwendung der §§ 27 a Abs. 4 und 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Richtlinien über künstliche Befruchtung erlassen. Mit Beschluss vom 01. Oktober 1997 (BAnz 1997 Nr. 243) habe er folgende Nr. 10.5 eingefügt: "Die ICSI ist derzeit keine Methode der künstlichen Befruchtung im Sinne dieser Richtlinien, da für die Beurteilung dieser Methode keine ausreichenden Unterlagen vorgelegt wurden und daher die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Methode in der vertragsärztlichen Versorgung noch nicht vorliegen.". Die Phase der Erprobung der ICSI sei bislang noch nicht abgeschlossen. Insoweit könnten die Antragsteller auch keinen Anspruch daraus herleiten, dass der Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen schon aus dem Jahr 1997 stamme. Auch aus dem Gesichtspunkt eines Mangels des gesetzlichen Leistungssystems könnten die BF einen Anspruch auf die beantragte ICSI nicht herleiten.

Gegen den den BF am 17. November 2000 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Dezember 2000 (Montag) eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat.

Unter dem 17. Januar 2001 erließ die BG einen ablehnenden Widerspruchsbescheid.

Die BF tragen vor, die ICSI sei eine hinreichend erprobte Behandlungsmethode. Insbesondere zeige die Vergangenheit, dass sie bei ihnen durchaus erfolgreich sei. Das LSG Niedersachsen halte nach seinem Urteil vom 23. Februar 2000 (Az: L 4 KR 130/98) den in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung vom 14. August 1990 in der Fassung vom 01. Oktober 1997 vorgenommenen Ausschluss der ICSI für nichtig. Der Bundesausschuss habe seit drei Jahren wohl keine Tätigkeit mehr in dieser Richtung entfaltet. Im Hinblick auf die mittlerweile medizinisch als sinnvoll, zweckmäßig und dem medizinischen Fortschritt entsprechende künstliche Befruchtungsmethode dürfte es an der Zeit sein, die Untätigkeit des Bundesausschusses durch gerichtliche Rechtsetzung zu ersetzen. Mit zunehmender Zeitdauer bestehe die Gefahr, dass die künstliche Befruchtung mit Eigenspermien des Beschwerdeführers nicht mehr gewährleistet sei.

Sie beantragen (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 13. November 2000 aufzuheben und die BG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) nebst allen damit im Zusammenhang stehenden Leistungen, wie Laboruntersuchungen, Ultraschall, Voruntersuchung, Stimmulation- und IVF-Behandlung in der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis Dr. H ..., Dr. J ... und Dr. G ... in Leipzig zu übernehmen.

Die BG verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des SG ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Obleich der einstweilige Rechtsschutz im Sozialgerichtsgesetz (SGG) derzeit nur teilweise geregelt ist, können einstweilige Anordnungen auch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit erlassen werden, wobei § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend heranzuziehen ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1997, Az: 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 146 = NJW 1978, 693; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage, § 97 Rn. 2 und 22 ff. m. w. N.).

Die Voraussetzungen für den Erlass der angestrebten Eilentscheidung liegen nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob die BF überhaupt einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine ICSI gegenüber der BG haben. Für den Erlass einer Eilentscheidung fehlt es an der erforderlichen Dringlichkeit (Anordnungsgrund). Insoweit muss die Gefahr bestehen, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der BF vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder es muss eine Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nötig sein, um - vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen - wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen (Meyer-Ladewig a. a. O. § 97 Rn 23). Gemessen hieran ist - jedenfalls nach dem Vorbringen der Beteiligten - nicht zu ersehen, dass den BF, soweit die Anordnung nicht erginge, wesentliche, ohne die Anordnung nicht wiedergutzumachende und in diesem Sinne "irreparable" Nachteile drohen. Die BF tragen vor, mit zunehmender Zeitdauer bestehe die Gefahr, dass die künstliche Befruchtung mit Eigenspermien des Beschwerdeführers nicht mehr gewährleistet sei. Aus den vorliegenden Unterlagen ist jedoch kein Fortschreiten der angeblichen Regelwidrigkeit OAT-Syndroms im Sinne einer konkreten Gefahr ersichtlich. Es liegen vor allem keine Tatsachen vor, die auf eine unmittelbar bevorstehende Veränderung schließen lassen. Nach Auffassung des Senats ist insgesamt nicht zu ersehen, aus welchen Gründen der von den BF erhobene Anspruch nicht im prozessual gebotenen Hauptsacheverfahren beurteilt werden könnte. Soweit die BF Grundrechtsposition anführen, gilt nichts anderes.

Soweit das BSG mit Urteil vom 03. April 2001 (Az: B 1 KR 40/00 R u.a.) über die hier streitige Leistung Entscheidungen getroffen hat, ergibt sich daraus kein Grund für den Erlass der angestrebten Eilentscheidung. Denn insoweit ist, jedenfalls auf der Grundlage der hier gebotenen summarischen Prüfung, die Rechtmäßigkeit des ablehnenden Bescheides der BG gerade auf der Grundlage der Entscheidungen des BSG der abschließenden richterlichen Beurteilung nicht mit der gebotenen Überzeugung zugänglich. Dies ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Aus den genannten Gründen hatte die Beschwerde keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts vom 03. April 2001 (a.a.O.) dürfte jedoch das Hauptsacheverfahren alsbald seinen Abschluss finden. Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved