L 6 B 90/99 KN

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 431/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 B 90/99 KN
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.08.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers nach Erledigung der Hauptsache.

Am 26.03.1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Bereits seit dem 01.01.1992 bezieht er bei der Beklagten eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 30.04.1997 abgelehnt. Die Ablehnung umfasste auch den Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 23.09.1997 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz hat dieses Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigen-Gutachtens und Dr. med. L ..., A ..., zum ärztlichen Sachverständigen ernannt (Beweisanordnung vom 07.05.1998). Nach dem orthopädischen Gutachten vom 23.06.1998 sind dem Kläger leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig und regelmäßig zuzumuten. Allerdings empfahl Dr. L ... eine zusätzliche Exploration auf internistischem Fachgebiet. Während die Beklagte durch das Gutachten ihre angefochtenen Entscheidungen bestätigt sah, wies der Kläger darauf hin, dass er aufgrund von Durchblutungsstörungen in den Beinen nicht in der Lage sei, 200 bis 300 Meter ebenerdig zu Fuß zurückzulegen. Deswegen habe er sich auch am 30.07.1998 einer stationären Behandlung unterzogen. Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich im Übrigen seit 1996 kontinuierlich. Am 24.09.1998 reichte der Kläger eine Kopie des Gutachtens der Arbeitsamtsärztin des Arbeitsamts A ...- ..., Frau Dr. W ..., vom 04.09.1998 zu den Akten. Nach diesem Gutachten können zum Leistungsbild keine Angaben gemacht werden, da der Kläger voraussichtlich länger als sechs Monate überhaupt nicht leistungsfähig sei. Das SG übersandte daraufhin der Beklagten die eingesandten Unterlagen in Kopie und zog gleichzeitig die Originalakte vom Arbeitsamt Annaberg-Buchholz einschließlich der ärztlichen Unterlagen bei. Letztere (insgesamt 23 Blatt) wurden komplett der Beklagten am 14.10.1998 in Kopie übersandt. Mit Schreiben vom 03.12.1998 bat die Beklagte um Zeitaufschub, um die Sache vom Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft überprüfen zu lassen. Mit Schreiben vom 27.01.1999 bot sie dann dem Kläger folgenden Vergleich an:

1. Ab dem 02.02.1998 wird der Leistungsfall wegen Erwerbsunfähigkeit anerkannt und Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen (z. B. § 116 SGB VI) gewährt. 2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt ist. 3. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zur Hälfte.

Der anwaltlich vertretene Kläger hat sich daraufhin wie folgt geäußert:

1. Der Vergleichsvorschlag der Beklagten wird zu Ziff. 1 und 2 vollinhaltlich, jedoch mit der Maßgabe, dass der Nachzahlbetrag mit 4 % p. a. für verzinslich erklärt wird, angenommen. 2. Der Kostenvorschlag der Beklagten wird nicht anerkannt, sondern vom Kläger wird darauf bestanden, dass die Beklagte seine außergerichtlichen Kosten erstattet.

Nachdem die Beklagte sich zu einer weiteren Abänderung des Vergleichsvorschlages nicht bereiterklärt hatte, nahm der Kläger den Vergleichsvorschlag der Beklagten "bis auf die Kosten" in vollem Umfang an und beantragte eine Entscheidung des Gerichts über die Kosten. nachgekommen und hat wie folgt tenoriert:

Der Kläger trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Nach Auffassung des SG war die am 02.10.1997 erhobene Klage bei Klageerhebung unbegründet. Erst im Verlauf des Klageverfahrens sei EU eingetreten; es entspreche daher billigem Ermessen, wenn der Kläger seine außergerichtlichen Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 91 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) selbst trage.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers: Das Gericht gehe von falschen Tatsachen aus, wenn es den 02.02.1998 als Beginn der EU annehme. EU habe bereits seit Antragstellung bestanden, dies lasse sich auch beweisen.

Er beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Chemnitz vom 23.08.1999 aufzuheben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sich eine Erwerbsminderung von dauerhaftem Einfluss vor dem 02.02.1998 nicht nachweisen lässt.

Die statthafte und in der gebotenen Form und Frist eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.

Gemäß § 193 Abs. 1, 2. Hs. SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Der Rechtsstreit endete durch übereinstimmende Erledigterklärung der Beteiligten, indem sich der Kläger mit seinem Schreiben vom 31.05.1999 den diesbezüglichen Punkt 2 des Vergleichsvorschlages zu eigen machte. Inwieweit darüber hinaus ein außergerichtlicher Vergleich wirksam zustande gekommen ist, inwieweit also eine synallagmatische Verknüpfung zwischen der Erledigterklärung und der Zusage der Beklagten, "den Leistungsfall wegen Erwerbsunfähigkeit ab 02.02.1998 anzuerkennen" besteht, ist für die Frage der Erledigung nicht von Belang. Die Prozesserklärung der Erledigung erfolgte unbedingt.

Nach welchen Kriterien sich eine solche Kostenentscheidung zu richten hat, ist im SGG nicht näher bestimmt. In diesem Zusammenhang ist allerdings häufig von einer Entscheidung nach sachgemäßem Ermessen die Rede (BSG, SozR § 193 Nr. 4 Da 2, SozR Nr. 3 zu § 193, BSGE 24, 209). Was nun wiederum hierunter zu verstehen ist, bleibt allerdings unklar. Konsequenterweise bedeutet die Verwendung des Begriffs "Ermessen", dass einer Behörde bzw. einer Instanz ein Spielraum eingeräumt ist, welcher von der Kontrollinstanz zu respektieren ist; das heißt, dass die Kontrollinstanz nicht das ausgeübte Ermessen der zu kontrollierenden Entscheidung durch das eigene Ermessen ersetzt, sondern lediglich auf Rechtsfehler (Überschreitung des Spielraumes, Ermessensfehlgebrauch etc.) überprüft. Eine entsprechende Auffassung für Beschwerden gegen Beschlüsse nach § 193 Abs. 1, 2. Hs. SGG wurde vom LSG Niedersachsen in einem Beschluss vom 09.05.1997 (L 1 S[Ran] 30/97, SGb 1997, 643) auch vertreten. Demgegenüber war man allerdings in der Vergangenheit doch wohl einhellig der Auffassung, dass die Ermessensentscheidung des SG im Beschwerdeverfahren vollumfänglich nachprüfbar sei (vgl. Bay. LSG Breith. 57, 288; LSG Berlin Breith. 65, 440; LSG Bremen SGb 83, 557; Hess. LSG SGb 96, 487). Richtig dürfte sein, dass die Verwendung des Begriffs "Ermessen" nur dann einen Sinn macht, wenn dieses Ermessen auch tatsächlich einer Instanz eingeräumt ist, also auf der Rechtsfolgenseite mehrere Alternativen als gleichwertig zulässt; als Bezeichnung für eine Rechtsanwendung unabhängig von ins Einzelne gehenden Vorschriften ist der Begriff missverständlich und daher für die juristische Terminologie untauglich. Normalerweise räumt der Gesetzgeber der Verwaltung Ermessen ein, wenn abzusehen ist, dass sich die Fülle von Einzelfällen aufgrund deren zu erwartender Verschiedenheit praktisch nicht gerecht durch allgemeine Leitlinien regeln lässt, beispielsweise weil diese Leitlinien dann zu sehr ins Einzelne gehen müssten und ein solcher Aufwand nicht zu rechtfertigen wäre. Eine grundsätzlich andere Konstellation ist allerdings gegeben, wenn der Gesetzgeber es zunächst der Rechtsprechung überlässt, gewissermaßen aus der Praxis heraus Regeln zu finden, die die Grundlage bilden können für später zu treffende gesetzgeberische Entscheidungen.

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die nach § 193 Abs. 1 2. Hs. zu entscheidenden Einzelfälle sind so unterschiedlich nicht. Vielmehr sind die Fallkonstellationen doch immer wieder recht ähnlich und lassen sich zu Gruppen zusammenfassen. Unter solchen Bedingungen ein nicht näher gebundenes Ermessen zuzulassen und gar eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch den Grundsatz der beschränkten Überprüfbarkeit gewissermaßen zu verbieten, liefe letzten Endes auf die Institutionalisierung von Willkür hinaus (vgl. hierzu Legde, Die Kostenenscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren, SGb 1996, 468, 469). Gerichtliche Entscheidungen müssen vorhersehbar sein, dies ist ein Postulat des Rechtsstaatsprinzips.

Wenn der Begriff des "sachgemäßen Ermessens" nichts weiter aussagt, als dass das Gericht gehalten ist, eine sachgerechte, systemgerechte, eben eine gerechte Entscheidung zu treffen, ist er aber überflüssig.

Nach Auffassung des Senats müssen einheitliche Kriterien für die Entscheidung nach § 193 Abs. 1, 2. Hs. SGG gefunden werden. Dabei entspricht eine Kostenentscheidung, die sich am Ausgang oder gar am mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens orientiert, nicht der offensichtlichen Intention des Gesetzes. § 193 weicht bewusst von den anderen Verfahrensordnungen (§§ 144 bis 164 VwGO, §§ 135 bis 149 FGO, §§ 91 bis 107 ZPO) die sich am Ausgang des Rechtsstreits orientieren, ab (vgl. Meyer-Ladewig 6. Aufl. § 193 Rdnr. 1). Es wäre dem Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, im SGG beispielsweise als Grundsatz die Kostenverteilung nach dem Verfahrensausgang vorzuschreiben und darüber hinaus Ausnahmen zuzulassen. Indem er dies nicht getan hat, wird deutlich, dass auch im Grundsatz eine Kostenverteilung nach dem Verfahrensausgang nicht gewollt ist. Richtig verstanden ist § 193 SGG auch keine Parallelvorschrift im engeren Sinne zu den genannten Normen der anderen Verfahrensordnungen. Dies hängt mit der Gerichtskostenfreiheit des SGG-Verfahrens zusammen. Hieraus folgt des Weiteren, dass auch die Frage, inwieweit eine etwa missbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichts kostenrechtlich zu sanktionieren ist, nie sachgerechtes Kriterium bei der Entscheidung nach § 193 SGG sein kann (so aber die wohl herrschende Meinung, die auf das Veranlassungsprinzip - LSG Schleswig-Holstein Breith. 1997, 576, LSG Rheinland-Pfalz, E-LSG D-128: Fehlverhalten der Beteiligten - abstellt). Mit den §§ 183, 184 SGG hat der Gesetzgeber bereits die Entscheidung getroffen, dass eine "unnötige" Inanspruchnahme der Sozialgerichte, so lange nicht die Missbrauchstatbestände des § 192 SGG gegeben sind, erlaubt ist. Die dadurch entstehenden Kosten sind zum Teil von den Sozialversicherungsträgern - über die Pauschgebühr - aber zum weitaus größeren Teil vom Staatshaushalt zu übernehmen.

Dagegen regelt § 193 Abs. 1 SGG die Erstattung der außergerichtlichen Kosten - in der Regel Anwaltskosten - durch den Versicherungsträger und ist damit dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch unmittelbar verwandt. In Analogie hierzu muss herausgefunden werden, welches "Fehlverhalten" der Sozialversicherungsträger dazu führt, dass sie dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten haben. "Fehlverhalten" im Prozess scheidet hier schon deswegen regelmäßig aus, da Prozessverschleppung und Prozessverzögerung in der Regel keinen Einfluss auf die außergerichtlichen Kosten hat; besteht ein direkter Zusammenhang, was in Einzelfällen durchaus gegeben sein kann, so steht auch hier wieder das Instrumentarium des § 192 SGG zur Verfügung. Eine nochmalige Berücksichtigung dann im Rahmen des § 193 Abs. 1 SGG scheidet naturgemäß aus. Auch der Gedanke, die Kostenverteilung danach vorzunehmen, ob mehr die Beklagtenseite durch Verletzung der Aufklärungpflicht oder mehr die Klägerseite durch Verletzung der Mitwirkungspflicht die Inanspruchnahme des Gerichts gewissermaßen verschuldet habe (vgl. hierzu Knickrehm, SGb, 96, 650, 653) unterstellt § 193 eine rechtspolitische Intention, die dort nicht gefunden werden kann. Im Übrigen obliegt die Aufklärungspflicht im gerichtlichen Verfahren dem Gericht, so dass dann konsequenterweise an einen weiteren Kostenschuldner gedacht werden könnte.

Ebenso wie der materiell-rechtliche Kostenerstattunganspruch hat sich auch letztendlich die Entscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG am Verzug zu orientieren, bzw. daran, was dem Schuldnerverzug bei einer Übertragung der entsprechenden Grundsätze auf das Verwaltungsverfahren entspricht. Ebenso wie in der Regel die Anwaltskosten zum Verzugsschaden nach § 286 Abs. 1 BGB gehören (vgl. BGHZ 30, 156), so muss umgekehrt gelten, dass der Versicherungsträger nur dann verurteilt werden kann, die Anwaltskosten dem Versicherten zu ersetzen, wenn ein den §§ 284, 285, 286 BGB entsprechender Tatbestand gegeben ist. Nun werden Sozialleistungen bekanntlich fällig, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§§ 40, 41 SGB I). Ein dem Verzug vergleichbarer Tatbestand dürfte jedoch regelmäßig erst viel später eintreten. Insbesondere ist aus § 44 Abs. 1 SGB I, der eine Verzinsung nach Ablauf eines Kalendermonats vorschreibt, nicht zu schließen, dass bereits nach einem Kalendermonat ein dem Verzug vergleichbarer Tatbestand fingiert wird. Schon eher könnte die Sechs-Monats-Frist des § 44 Abs. 2 SGB I (frühester Beginn der Verzinsung) Anhaltspunkt sein, zumal auch diese Frist in § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG genannt wird. Nach Verstreichen dieser Frist ist der Kostenerstattungsanspruch bei der Untätigkeitsklage in der Regel gegeben (vgl. LSG Rheinland-Pfalz E-LSG B-28), es sei denn, die Beklagte kann sich - parallel zu § 285 BGB - exkulpieren ("zureichender Grund", § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG). Sind spezialgesetzlich Bescheidungsfristen vorgeschrieben (§§ 622 Abs. 2, 1585 Abs. 2 RVO a. F., § 21 Abs. 3 SchwbG), gelten diese, im Übrigen gilt, dass die Beklagte nach der Halbjahresfrist stets Anlass zur Untätigkeitklage gegeben hat. Anlass zur Klage gegeben hat sie auch stets durch den Erlass eines rechtswidrigen Bescheides, so dass die Praxis der Sozialgerichte, dem Kläger bei Erfolg des Rechtsstreits auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten zuzusprechen, unproblematisch ist. Mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides ist das Verwaltungsverfahren abgeschlossen, dem Kläger bleibt nur noch die Klagefrist des § 87 SGG; ein weiteres Zuwarten ist ebenso überflüssig wie bei der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Zivilrecht.

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeuten diese Grundsätze, dass die Beklagte dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Es liegt kein dem Verzug entsprechender Tatbestand vor; der Ausgangsbescheid hat sich auch nicht als rechtswidrig erwiesen.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Der Kläger hat diesen Bescheid, wie er gemäß § 95 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, durch die Erledigterklärung deswegen vollumfänglich hingenommen. Ein Kostenerstattungsanspruch unter Hinweis auf einen rechtswidrigen Ausgangsbescheid entfällt damit. Keineswegs hat eine "summarische" Prüfung des Gerichts über die Frage stattzufinden, ob der Ausgangsbescheid etwa materiell rechtswidrig war. Wegen der Loslösung vom Verfahrensausgang wäre auch eine Orientierung an § 91a ZPO falsch. Weder der mutmaßliche Verfahrensausgang noch der "Sach- und Streitstand" bei Verfahrensende sind letztlich taugliche Kriterien im Rahmen der zu treffenden Entscheidung nach § 193 SGG. Da die Beklagte weder mit ihrer Reaktion auf neue Beweismittel über ein halbes Jahr gezögert hat noch die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides nachgewiesen ist, ist für einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers kein Raum. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht, wenn die Beklagte bereits während des Klageverfahrens einen Bescheid nach § 96 SGG erlassen hätte. Wenn die Verfahrensordnung aus Gründen der Prozessökonomie vorschreibt, dass solche Bescheide wie auch Änderungen in der Tatsachengrundlage bis zum Schluss der mündlichen Verhandung Gegenstand des Rechtsstreits werden, so kann hieraus nicht folgen, dass hinsichtlich der Kostenerstattungslast andere Maßstäbe gelten, als wenn kein Vorprozess anhängig ist. Von dem mehr oder weniger willkürlichen Umstand, ob die "Akte gerade bei Gericht" ist, kann es nicht abhängen, ob ein Anerkennen von Ansprüchen des Klägers sofort auch einen Kostenerstattungsanspruch auslöst. Eine Reaktion auf Änderungen der Verhältnisse ist in diesem Zusammenhang Verwaltungsverfahren im engeren Sinne, für das ein Kostenerstattungsanspruch gerade nicht vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1990 - 9a/9 RVs 13/89 - SozR 3-1300 § 63). Aus diesen Gründen kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Beklagte durch ihr Reagieren auf veränderte Verhältnisse während eines Prozesses die Voraussetzungen des § 93 ZPO "schafft" (sofortiges Anerkenntnis und fehlendes Anlassgeben zur Klage). Die Diskussionen zu diesem Problem in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. Roos, Gerichtliche Kostenentscheidung bei Verfahrenserledigung aufgrund eines unverzüglichen Anerkenntnisses nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Rechtsstreit, SGb 95, 333 mit Erwiderung Knickrehm, SGb 96, 650; Bay LSG Breith. 86, 365; LSG Nds Breith. 1984, 634) übersieht, dass es keinen sachlichen Grund dafür gibt, die im Verwaltungsverfahren recht großzügig bemessenen Bescheidungsfristen während des Gerichtsverfahrens auf Null (Unverzüglichkeit) abzukürzen.

Eine weitere Besonderheit besteht im SGG-Verfahren gegenüber den anderen Verfahrensordnungen: Das Fehlen des Erfordernisses, einen betragsmäßig bestimmten Antrag zu stellen, sowie die Möglichkeit der Erledigung auch einer bestimmten Zahlungsklage durch Grundurteil. Vor diesem Hintergrund wäre es willkürlich, bei "Teilerfolg" die Kosten entsprechend zu quoteln. Es kann nicht sein, dass der Kläger, welcher gegen einen Bescheid klagt, der eine laufende Leistung von 500,00 DM monatlich bewilligt und dessen Erfolg in einer Heraufsetzung der Leistung auf 501,00 DM monatlich besteht, volle Kostenerstattung erhält, wenn er - unter Umständen auf einen Hinweis des Vorsitzenden - eine Leistung von 501,00 DM beantragt hat, jedoch nur 1/50 der Kosten erhält, wenn er eine Leistung in Höhe von 550,00 DM beantragt hat. Ein dem Verzug entsprechender Tatbestand ist unabhängig vom Betrag gegeben. Da der Antrag im sozialgerichtlichen Verfahren nur eine untergeordnete Rolle spielt und das Gericht auch bei der Entscheidung nach § 193 SGG nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden ist, muss konsequenterweise in allen Fällen des betragsmäßigen Teilerfolges eine volle Kostenerstattung erfolgen. Die Kostenentscheidung für dieses Verfahren ergeht parallel zu der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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