L 1 KA 12/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KA 295/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 12/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Unter Zurückweisung der Berufungen der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21.04.1999 (S 11 KA 295/97) geändert und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21.04.1999 (S 11 KA 481/97) im Hauptsachenausspruch neu gefasst. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 29.08.1996 und vom 16.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.1997, des Bescheides vom 15.01.1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.06.1997 und vom 14.10.1997 sowie des Bescheides vom 24.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1997 verurteilt, über die Ansprüche des Klägers auf vertragsärztliche Vergütung in den Quartalen I/96, II/96, III/96 und IV/96 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtliche Kosten des Klägers jeweils in beiden Rechtszügen im Verfahren L 1 KA 12/99 zu vier Fünftel und im Verfahren L 1 KA 13/99 in vollem Umfang zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vertragsärztlichen Vergütungen des Klägers aus ambulanten Operationen in den Quartalen I bis IV/96 (Punktwertfestsetzung und Teilbudgetierung).

Der Kläger ist niedergelassener Facharzt für Anästhesie und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung als zugelassener Arzt teil. Er wendet sich gegen die von der Beklagten erlassenen Honorarbescheide für die Quartale I bis IV/96. Dabei richtet er sich gegen das Absinken der Punktwerte, die Teilbudgetierung seiner ärztlichen Leistungen.

Auf seine Abrechnungen hat die Beklagte ihm folgende Vergütungsbescheide, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, erteilt:

Quartal Datum Vergütung PW PK PW EK I/96 29.08.1996 118.262,99 5,87 7,03 II/96 24.10.1996 157.185,59 6,16 7,02 III/96 27.01.1997 124.222,08 4,86 5,38 IV/96 24.04.1997 149.153,13 5,26 5,78 (PW = Punktwert ambulantes Operieren [Pf.]; PK = Primärkassen; EK = Ersatzkassen

Die Beklagte hat für die Quartale I und II/96 den EBM mit dem Stand vom 01.01.1996 (EBM) sowie ihren Verteilungsmaßstab (HVM) in der Fassung vom 28.08.1996 und für die Quartale III und IV/96 den EBM mit Stand vom 01.07.1996 und ihren HVM mit Fassung vom 23.11.1996 zu Grunde gelegt. In sämtlichen streitgegenständlichen Quartalen stellte sie die Honorarberechung zu mehreren Gebührenordnungspositionen (GOP) des EBM richtig (unter anderem GOP 17, 42, 273 und 463); hierüber wird nicht mehr gestritten.

Ab dem Quartal III/96 erfolgt die Vergütungsverteilung erstmalig nach fachgruppenbezogenen Teilbudgets. Dabei wurden nach Maßgabe des § 2 HVM aus den eingehenden Gesamtvergütungen Rückstellungen gebildet, Vorwegabzüge realisiert und Mittel zur hausärztlichen Vergütung von Fremdkassenfällen sowie ausgewählten Leistungen bereitgestellt. Die verbleibenden Mittel wurden nach den Durchschnittsanteilen der einzelnen Fachgruppen an der Gesamtvergütung im entsprechenden Quartal des Jahres 1995 aufgeteilt. Dabei waren im Quartal III/96 die nach dem 31.12.1995 stattfindenden Veränderungen der Anzahl der in der jeweiligen Fachgruppe zugelassenen und abrechnenden Ärzte ab einer Veränderungsrate von über 10 v.H. zu berücksichtigen. Die Änderung der zugelassenen Ärzte im Fachbereich der Anästhesisten betrug im Quartal III/96 zum entsprechenden Vorjahresquartal 5,5556 v.H ... Demgegenüber stiegen die Fallzahlen in dieser Fachgruppe für ambulante Leistungen vom Quartal III/95 (14.851) zum Quartal III/96 (18.579) um 25,1 v.H. an. Der damit verbundene Punktmengenanstieg zog wegen des gleichbleibenden Teilbudgets für diese Fachgruppe im Quartal III/96 einen erheblichen Punktwertverfall nach sich. Der Fallzahlanstieg im Quartal IV/96 (20.372) im Vergleich zum Quartal IV/95 (17.499) betrug 16,4 v.H ... Bei allen niedergelassenen Ärzten betrug der Anstieg bei den Fallzahlen für ambulante Leistungen vom Quartal III/95 (6.247.912) zu III/96 (6.679.670) 6,9 v.H. und von IV/95 (6.539.058) zu IV/96 (6.803.237) 4,0 v.H ... Der Punktwert für das ambulante Operieren lag, wie dargelegt, in allen streitgegenständlichen Quartalen erheblich unter dem Punktwert von 8,25 Pf., welchen die Krankenhäuser aufgrund einer Vereinbarung mit den Krankenkassen erhielten. Wegen der Entwicklung der Fallzahlen und der Punktwertermittlung im Übrigen wird auf die von der Beklagten vorgelegten Statistiken hingewiesen (Bl. 8 f. d.A. I und Bl. 7 f. d.A. II).

Die Beklagte hat mit den sächsischen Krankenkassenverbänden im streitbefangenen Jahr 1996 gesamtvertragliche Vereinbarungen getroffen, denen zufolge sie zur Förderung des ambulanten Operierens von den Krankenkassen einen Betrag in Höhe von 8.046.413,96 DM (= 0,45 v.H. der Gesamtvergütungen) erhalten hat. Diese Abrede hat sie in ihrer Vergütungsverteilung wie folgt umgesetzt: Die Beklagte hat nur einen Teilbetrag, und zwar in Höhe von 4.955.503,93 DM, an die betroffene Fachgruppe ausgezahlt. Dazu hat sie die im Rahmen ambulanter Operationen erbrachten Leistungen mit dem selben Punktwert wie die übrigen Leistungen vergütet. Anschließend hat die Beklagte Zuschläge im Umfang von mindestens 0,4 Pf. erbracht, die sich aus dem Erhöhungsanteil von 0,45 v.H. ergaben. Die sich hieraus ergebenden Mehrbeträge hat die Beklagte indessen nicht in vollem Umfang den Leistungen im Rahmen ambulanter Operationen zugeführt. Vielmehr hat sie den Restbetrag in Höhe von 3.090.910,03 (1.511.382,73 DM aus Primärkassenzahlungen; 1.579.527,30 DM aus Ersatzkassenzahlungen) zur Finanzierung von Leistungsausweitungen wegen der Aufwertung einzelner Vergütungspositionen im EBM-Ä 1996 verwendet.

Die Widersprüche gegen die Vergütungsbescheide vom 29.08.1996 und vom 24.10.1996, die sich im Wesentlichen gegen die Streichung von Gebührenordnungsziffern, die rückwirkenden Budgetierungen und das Absinken der Punktwerte gerichtet haben, blieben ohne Erfolg. In ihrem Widerspruchsbescheid vom 29.05.1997 hat die Beklagte ausgeführt, die Leistungen des ambulanten Operierens seien besonders gefördert worden, die Regelungen des HVM nicht zu beanstanden. Die Streichung von GOP ergebe sich aus der Anwendung des EBM. Hiergegen hat sich die am 20.06.1997 erhobene Klage (SG Dresden, S 11 KA 295/95) gerichtet. Dem Honorarbescheid vom 15.01.1997 (Quartal III/96) widersprach der Kläger unter dem 31.01.1997 mit im Wesentlichen gleich lautender Begründung. Dazu erteilte die Beklagte ihm unter dem 12.06.1997 und dem 14.10.1997 Widerspruchsbescheide. Im Widerspruchsbescheid vom 12.06.1997 wies sie den Widerspruch im Hinblick auf den Punktwert für die Leistungen des ambulanten Operierens zurück. Diese Leistungen würden im Bereich der KV Sachsen durch den ab den 01.07.1996 geltenden HVM besonders gefördert. Die zwischen den Krankenkassenverbänden und der Krankenhausgesellschaft getroffene Vereinbarung zur Vergütung ambulanter Operationen sei hier ohne Belang. Die Honorarverteilungsregelungen i.d.F. vom 1.07.1996 seien rechtmäßig. Die Möglichkeit der Honorarverteilung nach Teilbudgets sei in § 84 Abs.4 SGB V ausdrücklich vorgesehen. Ziel der Vertreterversammlung bei der Einführung des Facharztfonds sei gewesen, keiner Fachgruppe Mengenausweitungen zu Lasten anderer Fachgruppen zu erlauben. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der durch den neuen EBM aufgetretenen Steigerung der abgerechneten Punktmenge insgesamt.

Im Widerspruchsbescheid vom 14.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Streichung vom Gebührenordnungsziffern unter Hinweis auf die Anwendung des EBM zurück.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides hat der Kläger die bereits erhobene Klage auch auf die Vergütungsverteilung zum Quartal III/96 erstreckt.

Im Widerspruchsbescheid vom 20.11.1997, mit dem die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Vergütungsbescheids vom 24.04.1997 (Quartal IV/96) zurückwies, ist ausgeführt, dass die Honorarverteilung nach arztgruppenbezogenen Teilbudgets nicht zu beanstanden sei. Ziel bei der Einführung der Facharztfonds sei es gewesen, keiner Fachgruppe Mengenausweitungen zu Lasten anderer Fachgruppen zu erlauben. Das Risiko der durch eine Facharztgruppe bewirkten Punktmengenausweitung sei durch den HVM in geeigneter Weise an die Ärzte der betroffenen Fachgruppe weitergegeben worden. Die Leistungen des ambulanten Operierens würden im Bereich der KV Sachsen besonders gefördert, indem für die entsprechenden Fachgruppen ein um 0,4 Pf. höherer Punktwert für ambulante Operationen als für allgemeine kurative Leistungen gezahlt werde. Ein fixer Punktwert, wie ihn die Krankenhäuser aufgrund einer Vereinbarung mit sächsischen Krankenkassen erhielten, könne von der KV Sachsen angesichts begrenzter Gesamtvergütungen nicht an die Vertragsärzte gezahlt werden.

Hiergegen hat sich die am 22.12.1997 erhobene Klage (SG Dresden, S 11 KA 481/97) gerichtet.

Der Kläger hat in beiden Verfahren vorgetragen, dass der Punktwert für die Leistungen des ambulanten Operierens zu niedrig sei. Es liege ein Verstoß gegen § 115b SGB V vor, weil an Krankenhäuser in den maßgeblichen Quartalen ein höherer, fester Punktwert gezahlt worden sei. Die Bildung von fachgruppenbezogenen Teilbudgets im HVM November 1996 verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ferner sei der Kläger durch die Einführung der Teilbudgets für Gesprächsleistungen sowie Anästhesien zur Schmerztherapie in rechtswidriger Weise betroffen. Zu beanstanden seien weiterhin die Streichungen der GOP 42, GOP 851, GOP 463, GOP 273 sowie der GOP 17 neben GOP 1.

Das Sozialgericht Dresden (SG) hat mit Urteilen jeweils auf mündliche Verhandlung vom 21.04.1999 die angegriffenen Bescheide hinsichtlich der Streichung der GOP 42 aufgehoben. Des weiteren hat das SG unter Abweisung der Klagen im Übrigen den Bescheid vom 15.01.1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.06.1997 und vom 14.10.1997 und den Bescheid vom 24.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger für das Quartal III/96 und das Quartal IV/96 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Streichung der GOP 17, 273 und 463 EBM sei als Maßnahme der sachlich-rechnerischen Richtigstellung bei der Abrechnung der Honoraransprüche in sämtlichen streitgegenständlichen Quartalen nicht zu beanstanden. Die Beklagte sei zu solchen Richtigstellungen berechtigt, wobei diese insbesondere die Fehlansätze von einzelnen Positionen der Gebührenordnung umfassen. Eine Prüfungsbefugnis des SG, inwieweit mit den einzelnen Leistungsbeschreibungen und Bewertungen die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden worden sei, bestehe dagegen nicht. Damit seien Leistungsbeschreibungen erst dann zu beanstanden, soweit sie verfassungswidrig wären. Auf einen solchen Verfassungsverstoß lasse sich weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch aus sonstigen Gründen schließen. Die Streichung der GOP 42 EBM im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnungen I/96 bis III/96 sei jedoch mit der erfolgten Begründung rechtswidrig. So sei nicht ersichtlich, dass es sich beim Gespräch zwischen Arzt und Operateur stets um ein übliches Gespräch handeln müsse. Vielmehr sei nicht ausgeschlossen, dass es sich hierbei um eine konsiliarische Erörterung gehandelt habe. Für den Fall der vermuteten unwirtschaftlichen Abrechnung verbliebe der Beklagten die Möglichkeit der Beantragung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Bildung von arztgruppenbezogenen Teilbudgets sei durch § 87 Abs. 2 SGB V gedeckt und mit höherem Recht vereinbar. Damit habe der Bewertungsausschuss im Rahmen seiner Verpflichtung zur Steuerung des Leistungsgeschehens und zur Erschließung der Wirtschaftlichkeitsreserven die aus seiner Sicht notwendigen Differenzierungen vorgenommen, um das erstrebte Ziel der Begrenzung der betroffenen Leistungen unter Beachtung der typischen Behandlungsmöglichkeiten in den genannten ärztlichen Fachgebieten zu erreichen. Der Normgeber habe den zulässigen Gestaltungsraum eingehalten. Auch die in den Quartalen III und IV/96 vorgenommene Bildung von Facharztfonds sei im Grundsatz rechtmäßig. Die Beklagte habe mit der Aufteilung des "Resthonorars" auf die einzelnen Fachgruppen erreichen wollen, dass sich das bisherige Honorargefüge nicht durch die unterschiedliche Mengenentwicklung in den einzelnen Facharztfonds ungerechtfertigt zugunsten oder zum Nachteil anderer Arztgruppen verändere. Dabei sei auch die Entscheidung im HVM an die entsprechenden Quartale des Jahres 1995 anzuknüpfen nicht zu beanstanden, da man auf diese Weise die durch die EBM-Reform 1996 entstandenen Probleme abmildern wollte. Damit sei die Bildung von Facharztfonds grundsätzlich sachlich gerechtfertigt gewesen. Indes habe aber eine Prüfungspflicht der Vertreterversammlung der Beklagten dahin bestanden, ob andere Umstände als von den Vertragsärzten selbst verursachte Leistungsausweitungen zu einer Veränderung innerhalb der verschiedenen Honorarkontingente führen mussten. Als derartige Umstände kämen unter anderem auch Veränderungen bei den Patientenzahlen einer Fachgruppe in Betracht, soweit diese nicht durch die Ärzte selbst beeinflusst würden. Dies sei hier der Fall gewesen. So habe bei der Fachgruppe der Anästhesisten eine wesentliche Veränderung des Patientenaufkommens vorgelegen, was zu einer wesentlichen Fallzahlsteigerung geführt habe. Diese Entwicklung sei auch schon seit dem Jahre 1993 absehbar und somit von der Beklagten zu berücksichtigen gewesen. Dieser Pflicht habe die Beklagte nicht ausreichend Rechnung getragen. Aufgabe der Beklagten sei es vielmehr gewesen, Anpassungen zugunsten der Fachgruppe des Klägers vorzunehmen. Art und Ausmaß sei dabei dem Gestaltungsspielraum der Beklagten überlassen gewesen. Die Fallzahlsteigerung innerhalb der Fachgruppe der Anästhesiologen werde durch diese Regelung, welche lediglich auf die erfolgten Zulassungen abstelle, nicht ausreichend berücksichtig worden. Vielmehr führten weitere Zulassungen nicht zwangsläufig zu medizinisch gerechtfertigten Fallzahl- oder Mengenausweitungen, insbesondere gelte dies nicht bei Leistungen, für die Überweisungen anderer Ärzte von Nöten seien. Die tatsächlichen Zahlen würden belegen, dass auch bei den Anästhesisten die Fallzahlsteigerung nicht mit der erhöhten Anzahl zugelassener Ärzte begründet werden könne. Vielmehr habe sich die Anzahl der zugelassenen Ärzte von den Quartalen III/95 zu III/96 nur um 5,5556 v.H. erhöht. Demgegenüber sei es in den maßgeblichen Quartalen zu einer Fallzahlsteigerung von 25,1 v.H. gekommen.

Gegen das der Beklagten am 28.06.1999 zugestellte Urteil des SG Dresden (S 11 KA 295/97) richtet sich die am 05.07.1999 eingelegte Berufung. Im Verfahren L 11 KA 13/99 hat die Beklagte gegen das ihr ebenfalls am 28.06.1999 zugestellte Urteil S 11 KA 481/97 am 05.07.1999 Berufung eingelegt. Der Kläger hat auf beide Berufungen am 21.06.2000 Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte rügt die Feststellung des SG, dass die Regelung zur Berücksichtigung veränderter Arztzahlen rechtswidrig sei. Das BSG habe mit Urteil vom 09.09.1998 (B 6 KA 55/97 R) seine Rechtsprechung zur Honorarverteilung nach Facharztfonds präzisiert. Danach bestehe im Falle der Bildung von Teilbudgets zwar eine Beobachtungspflicht der KV. Anlass zur Korrektur sei aber erst gegeben, soweit der Punktwert der aus einem Honorarfond vergüteten Leistungen um mehr als 15 v.H. niedriger als der Durchschnittspunktwert sei. Des weiteren müsse es sich um eine dauerhafte Entwicklung handeln. Lediglich im Quartal III/96 habe der Punktwert unter der 15%-Grenze gelegen. Die Beklagte habe im streitigen Zeitraum daher keine Veranlassung gehabt, von einer negativen Punktwertentwicklung im Honorarfonds der Anästhesisten auszugehen. Vielmehr sei ein ständiger Aufwärtstrend zu beobachten gewesen. Daneben habe der Gesetzgeber zwar mit zusätzlichen Mitteln für das ambulante Operieren einen Leistungsanreiz bieten wollen, welcher zwar naturgemäß zu einer Leistungsausweitung geführt habe, der aber gleichwohl nicht vom Risiko der Mengenausweitung befreie (Berufungsbegründung vom 12.07.1999).

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichtes Dresden vom 21.04.1999 (S 11 KA 295 und 481/97) aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussberufung, unter Abänderung der Urteile des Sozialgerichtes Dresden vom 21.04.1999 (S 11 KA 295 und 481/97), die Bescheide der Beklagten vom 29.08.1996 und 16.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.1997, den Bescheid der Beklagten vom 15.01.1997 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.06.1997 und 14.10.1997 und den Bescheid vom 24.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für die Quartale I/96, II/96, III/96 und IV/96 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes neu zu bescheiden.

Er stützt sich auf die angefochtene Entscheidung und meint dazu, die Beklagte sei der ihr obliegenden Beobachtungspflicht nicht nachgekommen. Im Übrigen verfolgt er mit seiner Anschlussberufung das Ziel, entsprechend den Vergütungen für Krankenhäuser für ambulante Operationen mit einem Punktwert von 8,25 Pf/Punkt vergütet zu werden. Daneben habe die Beklagte in den streitgegenständlichen Quartalen die Erhöhung der Gesamtvergütung um 0,45 v.H., die von den Krankenkassen bzw. Landesverbänden der Krankenkassen zur Förderung der Leistungen des ambulanten Operierens zusätzlich entrichtet worden waren, nicht in voller Höhe weitergegeben. Dazu macht er sich die dem Senat vorgelegte Entscheidung des SG Dresden vom 03.05.2000 (S 11 KA 228/97) zu eigen (Schriftsätze vom 08.03.2000 und vom 11.01.2001).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, wegen der von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen bestehe kein Streit mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitig ist allein die Punktwerthöhe in den angefochtenen Quartalen. Soweit das Sozialgericht über die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen entschieden hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für erledigt erklärt.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufungen der Beklagten (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sind zulässig, jedoch unbegründet. Die (unselbständigen) Anschlussberufungen des Klägers sind zulässig und insoweit begründet, als das SG die Klage im Verfahren L 11 KA 12/99 hinsichtlich der Quartale I und II/96 abgewiesen hat; insoweit und hinsichtlich der weiter streitbefangenen Quartale III und IV/96 ist die Beklagte verpflichtet, den Klägern neue Vergütungsbescheide unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen.

Die von der Beklagten in sämtlichen streitbefangenen Quartalen vorgenommene Vergütungsverteilung ist nach Maßgabe der folgenden rechtlichen Erwägungen rechtswidrig; der Kläger hat jeweils einen Anspruch auf Neubescheidung der den Verteilungen zu Grunde liegenden Vergütungsbescheide. Soweit die Klagen indessen auf Verurteilung zur Vergütungsverteilung nach einem fest stehenden Punktwert in Höhe von 8,25 Pf. zielen, besteht der behauptete Anspruch nicht.

Allerdings sind die auf die Quartale III und IV/96 gerichteten Vergütungsbescheide entgegen der Ansicht des SG nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte, wie vom SG angenommen, der ihr obliegenden "Beobachtungspflicht" nicht nachgekommen wäre. Diese Ansicht des SG teilt der Senat nicht.

Hinsichtlich der von der Beklagten vorgenommenen Vergütungsverteilung hat der Senat keine rechtlichen Bedenken. Die Verteilung beruht auf der von der Vertreterversammlung der Beklagten jeweils beschlossenen Honorarverteilung, die sich ihrerseits auf § 85 Abs. 4 SGB V stützt. Hieran und an der Bildung von fachgruppenbezogenen Teilbudgets (ab dem Quartal III/96) hat der Senat, der sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung stützt (vgl. vorerst nur BSG, Urt. vom 03.03.1999 [B 6 KA 56/97 R] m.w.N.), keine rechtlichen Bedenken. Im Übrigen wird insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs 2 SGG abgesehen.

In Fortführung von BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 12 und zahlreichen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, aus dem sich die Befugnis der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Bildung von fachgruppenbezogenen Teilbudgets ergibt (vgl. nur BSGE 73, 131 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 4; 81, 213 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 23; ferner BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 12, 16 und 18 ) ist im hier streitbefangenen Sachzusammenhang die Entscheidung des BSG vom 09.09.1998 (B 6 KA 55/97 R = BSGE 83, 1 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 26; ebenso: BSG, Urteil vom 03.03.1999 [B 6 KA 56/97 R]) grundlegend. Nach der in diesen Entscheidungen vertretenen Ansicht kann im Zusammenhang mit der inhaltlichen Gestaltung eines HVM die Pflicht zur Überprüfung und ggf. Nachbesserung von Verteilungsregelungen bestehen, wenn die Bildung von Honorartöpfen bei überweisungsgebundenen Leistungen zu einem deutlichen Punktwertabfall auf Grund von Mengenausweitungen führt, für welche die Leistungserbringer nicht verantwortlich sind. Ausweislich der Entscheidungsgründe unterliegt die vertragsärztliche Selbstverwaltung einer Beobachtungs- und Reaktionspflicht hinsichtlich der Entwicklung der teilbudgetierten Verteilungspunktwerte. Danach besteht im Regelfall Anlass zur Korrektur der Honorarverteilung, wenn der Punktwert der aus dem Honorartopf vergüteten Leistungen um mehr als 15 v.H. oder mehr niedriger ist als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen (ebenso das weitere Urteil vom 09.09. 1998 [B 6 KA 61/97 R]).

Das SG verkennt in der angefochtenen Entscheidung, dass die bloße Überschreitung der in den genannten Entscheidungen angegebenen Punkwertmargen den Schluss auf eine Verletzung der Beobachtungs- und Reaktionspflicht für sich genommen noch nicht rechtfertigt. Allein im Quartal III/96 hat die Punktwertentwicklung im Teilbudget der hier betroffenen Fachgruppe den Durchschnittspunkwert um mehr als 15 v.H. unterschritten. Im nachfolgenden wie in den weiteren Quartalen des Jahres 1997 kam es zu einer solchen Überschreitung nicht. Schon deshalb fehlt es, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, an der "Dauerhaftigkeit" einer relevanten Punktwertdivergenz, die überdies schon deshalb nicht vorliegen konnte, weil die Vertreterversammlung der Beklagten die Geltung von fachgruppenbezogenen Teilbudgets im Rahmen der Vergütungsverteilung sich mit dem Quartal III/96 erstmalig festgelegt hat. Eine Verletzung der einer Kassenärztlichen Vereinigung aufgegebenen "Beobachtungs- und Reaktionspflicht" liegt jedenfalls nicht vor, wenn ihre Vertreterversammlung die erstmalige Geltung von fachgruppenbezogenen Teilbudgets beschlossen hat.

Soweit der Kläger auf Verurteilung der Beklagten zur Ausschüttung eines fest stehenden Punktwertes in Höhe von 8,25 Pf. zielt, tragen die dazu dargelegten rechtlichen Erwägungen den insoweit erhobenen Anspruch ebenfalls nicht. Ein solcher Anspruch ließe sich allein aus der "Vereinbarung zu den regelungsbedürftigen Tatbeständen des Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V (ambulantes Operieren im Krankenhaus)" vom 01.01.1994 herleiten, den die Krankenhausgesellschaft Sachsen e.V. mit den Verbänden der Krankenkassen in Sachsen geschlossen hat. Diese Vereinbarung, die sich auf § 115b Abs. 1 Nr. 2 SGB V stützt, begründet allein im Bereich Leistungen des ambulanten Operierens im Krankenhaus den Anspruch auf eine einheitliche Vergütung in Höhe von 8,25 Pf ... Sie erstreckt sich mangels gesamtvertraglicher Einbeziehung der Beklagten indessen nicht auf den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung, sondern erlangt ausschließlich Geltung und Auswirkung im Rahmen der Krankenhausfinanzierung.

Begründet sind die Anschlussberufungen allerdings deshalb, weil die Beklagte die mit den sächsischen Krankenkassenverbänden im streitbefangenen Jahr 1996 erzielte gesamtvertragliche Vereinbarung über die Förderung von vertragsärztlichen Leistungen des ambulanten Operierens erzielte Summe in Höhe von 8.046.413,96 DM (= 0,45 v.H. der Gesamtvergütungen) im Rahmen der Vergütungsverteilung nur teilweise, und zwar in Höhe von 4.955.503,93 DM, fachgruppenbezogen eingesetzt hat.

Die Beklagte hat - entgegen der vorgenannten Abrede - die im Rahmen ambulanter Operationen erbrachten Leistungen mit dem selben Punktwert wie die übrigen Leistungen vergütet. Anschließend hat die Beklagte Zuschläge im Umfang von mindestens 0,4 Pf. erbracht, die sich aus dem Erhöhungsanteil von 0,45 v.H. ergaben. Die sich hieraus ergebenden Mehrbeträge hat die Beklagte indessen nicht in vollem Umfang den Leistungen im Rahmen ambulanter Operationen zugeführt, sondern den überschießenden Betrag (3.090.910,03 DM: 1.511.382,73 DM Primärkassen und 1.579.527,30 DM Ersatzkassen) zur Finanzierung von Leistungsausweitungen im Zuge der Aufwertung von Vergütungspositionen im Rahmen des EBM-Ä 1996 verwendet.

Der Senat schließt sich der Auffassung der vom Kläger in das Verfahren eingeführten Entscheidung der 11. Kammer des SG Dresden vom 03.05.2000 (S 11 KA 228/97; ebenso die 15 Kammer des SG Dresden: Urteil vom 28.03.2001 [S 15 KA 829/00 u.a.]) an. Die Beklagte ist nicht befugt, entgegen einer auf § 83 Abs. 1 SGB V gestützten gesamtvertraglichen Vereinbarung zu verfahren. Sie ist vielmehr zur Umsetzung gesamtvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet. Daraus ergibt sich hier die Verpflichtung der Beklagten zur vollinhaltlichen Umsetzung der getroffenen gesamtvertraglichen Abrede nicht nur gegenüber den Verbänden der Krankenkassen als ihren Vertragspartnern, sondern vielmehr gerade auch gegenüber dem Kläger.

Die von den Vertragsparteien getroffene Abrede sieht vor, dass die Krankenkassen - zweckgebunden - zur Förderung des ambulanten Operierens im vertragsärztlichen Bereich im Jahr 1996 eine Sonderzahlung an die Beklagte im Umfang von 0,45 v.H. des Gesamtvergütungsvolumens zu zahlen hatte. Aus dieser Abrede ergibt sich für 1996 ein insoweit zu zahlender Betrag in Höhe von 8.046.413,96 DM. Damit haben die Gesamtvertragspartner für die vom Anwendungsbereich ihrer Abrede betroffenen Vertragsärzte, zu denen auch der Kläger zählt, konkrete Rechtspositionen begründet, und zwar im Umfang ihrer Abrede. Diese sieht aber die vollständige und nicht nur teilweise Ausschüttung der sich aus der Abrede ergebenden Zahlung an die betroffenen Vertragsärzte vor.

Die Beklagte hat daher dem Kläger für die streitbefangenen Abrechnungsquartale neue Vergütungsbescheide zu erteilen. Dabei wird sie bei der Berechnung des Vergütungsvolumens des Klägers den sich aus der streitbefangenen Vereinbarung ergebenden Betrag in vollem Umfang einzustellen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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