Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 475/97 U
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 11/99 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen einer als Berufskrankheit (Nr. 4101 BeKV) anerkannten Silikose hat.
Der am ... geborene Kläger, gelernter Elektriker, war während seiner Tätigkeit bei der SDAG Wismut K ... von April 1967 bis zum 30.09.1985 Gesteinsstäuben ausgesetzt. Eine nochmalige Exposition bestand von Januar 1990 bis Dezember 1991 bei seiner Tätigkeit als Steinsäger in der Sandsteinindustrie ( ...). Unstreitig ist eine Gesundheitsgefährdung durch silikogene Stäube anzunehmen.
Lungenfunktionsprüfungen wiesen ab 1975 eine obstruktive Ventilationsstörung aus. Die Obstruktion wechselte zwischen leicht und mittelschwer. Bereits 1971 war der Kläger zu einer Bronchitiskur in Bad S ... gewesen. Anlässlich einer Untersuchung im Universitätsklinikum Carl G ... C ... D ... am 14.09.1994 wurden im Röntgenbild Veränderungen an der Lunge festgestellt. Da die untersuchenden Ärzte wegen der langjährigen Tätigkeit unter Tage bei der Wismut den Verdacht auf eine Staublungenerkrankung gegeben sahen, erstattete Dr. W ... im Benehmen mit dem Kläger am 24.10.1994 bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit wegen des Verdachts auf Silikose (BK Nr. 4101) mit chronischer Bronchitis und mittelgradiger Obstruktion. Die Beklagte legte Röntgenfilmaufnahmen Herrn Dr. M ..., Niederdorf, vor mit der Bitte, zur Frage Stellung zu nehmen, ob eine zu entschädigende Silikose vorliege. Dr. M ... beurteilte eine Röntgenaufnahme vom 14.09.1994 und gab als ILO-Klassifikation pq 0/1 tbu em // pq 0/1 em an. Die röntgenologisch feststellbaren silikotischen Lungenveränderungen seien so gering, dass sie nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung keine Beeinträchtigung von Atmung oder Kreislauf verursachen könnten (Stellungnahme vom 21.01.1995). Nachdem sich der Gewerbearzt dieser Beurteilung angeschlossen und empfohlen hatte, eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4101 "noch" nicht anzuerkennen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.1996 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4101 und nach Nr. 4102 ab. Eindeutige silikotische Lungenveränderungen seien auf dem Röntgenfilm nicht auszumachen. Eine aktive Lungentuberkulose sei nicht festgestellt worden. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 21.08.1996 zurückgewiesen.
Auf Grund einer weiteren Röntgenuntersuchung vom Oktober 1996 stellte der beratende Arzt der Beklagten am 13.02.1997 fest, dass eine Befundprogredienz eingetreten sei und die röntgenologisch feststellbaren silikotischen Lungenveränderungen der ILO-Klassifikation pq 1/1 em hi // pq 1/1 em entsprächen. Nachdem nunmehr auch der Gewerbearzt die Anerkennung einer Silikose als Berufskrankheit - allerdings "mit einer MdE von 0 %" - empfohlen hatte, erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung) an, lehnte jedoch einen Anspruch auf Rente ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers vom 19.05.1997 wurde mit Bescheid vom 07.10.1997 zurückgewiesen. Es liege keine silikosebedingte Funktionseinschränkung der Lunge und/oder des Herz-Kreislauf-Systems vor.
Mit der dagegen erhobenen Klage rügte der Kläger, dass die Ablehnung nur anhand von Röntgenfilmen erfolgt sei und eine ärztliche Untersuchung nicht stattgefunden habe. Er leide an einer chronisch-obstruktiven Bronchitis mit starker Atemnot und benötige zurzeit Medikamente und zwei Sprays. Die Bronchitis sei zu Unrecht bisher völlig von der Berufskrankheit ausgeklammert worden. Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Dr. F ... - Institut für Begutachtung von Berufskrankheiten - zum Sachverständigen ernannt. Dr. F ... kam in seinem Gutachten vom 09.07.1998 zum Ergebnis, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Silikose unter 20 v. H. liege. Das Gutachten war nach Untersuchung des Klägers (18.05.1998) und unter Auswertung von Thoraxröntgenaufnahmen vom 18.05.1998, 30.10.1996, 15.10.1996, 14.09.1994, 13.06.1988, 02.09.1980, 26.11.1970, 25.11.1968 erstattet worden. Außerdem wurde eine Lungenfunktionsdiagnostik mittels Bodyplethysmographie durchgeführt, des Weiteren eine Ergooxytensiometrie, ein EKG und die Ermittlung der BSG. Dr. F ... führte aus, die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfungen bestätigten, dass bereits im Jahr 1975 eine chronisch-obstruktive Bronchitis vorgelegen habe. Die Lungenfunktionseinschränkungen hätten nämlich allmählich zugenommen und zu den jetzt nachweisbaren schweren Funktionseinschränkungen mit starker Einengung der kleinen Bronchien, starker Lungenüberblähung und Abfall des Sauerstoffpartialdrucks bei leichter Ergometerbelastung geführt. Die Röntgenbilder zeigten seit 1968 eine vermehrte streifig-wabige Lungenzeichnung als Hinweis auf Bronchitis und Lungenüberblähung. Dagegen seien Hinweise für eine quarzstaubbedingte Lungenveränderung erstmalig im Jahr 1994 nachweisbar gewesen. Wenn die chronische Bronchialeinengung mit Lungenüberblähung bereits viele Jahre vor Erstfeststellung von quarzstaubbedingungen Lungenveränderungen bestanden habe, heiße das, dass die jetzt nachweisbaren ausgeprägten Lungenfunktionseinschränkung allein Folge einer silikoseunabhängig aufgetretenen chronisch-obstruktiven Bronchitis mit Lungenemphysem seien. Unabhängig von den silikoseunabhängigen Lungenfunktionseinschränkungen sei auch aus den geringen silikotischen Lungenveränderungen keine Funktionseinschränkung abzuleiten gewesen. Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 15.01.1999 die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Aus der Untersuchung vom 12.11.1998 ergebe sich, dass wiederum eine Vermehrung des Lungengerüstes vorhanden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.01.1999 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 12.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.1997 zu verpflichten, dem Kläger Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. auf Grund der anerkannten Berufskrankheit Nr. 4101 BeKV (Silikose) zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.01.1999 zurückzuweisen.
Dem Senat liegen neben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Rentenablehnung in den Bescheiden vom 12.05.1997 und 07.10.1997 bestätigt.
Das SG hat die maßgebenden Normen zutreffend genannt, darauf wird Bezug genommen. Durch die Anerkennung mit Bescheid vom 12.05.1997 ohne explizite Festlegung eines Versicherungsfalls gilt der Versicherungsfall als mit dem 12.05.1997, mithin nach dem 01.01.1997, eingetreten, demnach finden die Regelungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anwendung (§ 212 SGB VII, Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz - UVEG).
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Unzweifelhaft ist der Kläger durch seine chronische Bronchitis nicht unerheblich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Unstreitig liegen auch bei dem Kläger röntgenologisch eindeutig diagnostizierte silikotische Lungenveränderungen vor, die auf die Einwirkung silikogener Stäube über ca. 18 Jahre hinweg zurückzuführen sind.
Zwischen beidem besteht allerdings kein Kausalzusammenhang. Bei dem Kläger ist nämlich eine - berufskrankheitsunabhängige - obstruktive Ventilationsstörung seit 1975 bekannt. Bereits 1971 war eine Bronchitiskur durchgeführt worden. Die Lungenfunktionseinschränkungen nahmen allmählich zu; seit 1975 wechselte die Obstruktion zwischen leicht und mittelschwer.
Nach der im Unfallrecht geltenden Kausallehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache bzw. Mitursache eines Körperschadens im Rechtssinne - unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes - nur die Bedingungen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Person des Betroffenen, wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg für dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 480c und 480g I). Ist neben der versicherten Tätigkeit ein anderer Umstand - z. B. eine Krankheitsanlage - ebenfalls Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne und sind beide Ursachen in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig, so ist jede Ursache wesentliche Teilursache. Bei Beurteilung der Wesentlichkeit der konkurrierenden Kausalfaktoren ist deren Dynamik in Bezug auf ihr Zusammenwirken zu beurteilen. Dabei kommt es in quantitativer Hinsicht nicht auf ein bestimmtes prozentuales Verhältnis an, demzufolge die berufliche Komponente absolut überwiegen müsste. Vielmehr ist zu beurteilen, ob der vorliegende Leidenszustand durch betriebliche Einwirkungen so gefördert wurde, dass ohne deren Mitwirkung die Erkrankung nicht in der vorliegenden Form oder in erheblich geringerem Grade bestehen würde (Lauterbach-Watermann, Unfallversicherung, § 551 Anm. 10b).
Im Falle des Klägers kann nach Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die silikogenen Lungenveränderungen bei der Entstehung der restriktiven Ventilationsstörung wesentlich mitgewirkt haben. Denn es sprechen mehr medizinisch-wissenschaftliche Gründe gegen als für eine Wesentlichkeit.
Nach der ILO-Klassifikation (deutsche Version/Schema nach Thürauf, 1979, vgl. Mehrtens/Perlebach, BeKV M 4101, S. 7) sind die Fleckschatten mit pq 1/1 em hi // pq 1/1 em hi einzuschätzen. Bei diesen Bezeichnungen handelt es sich um eine Beschreibung der röntgenologischen Veränderungen ohne Wertung bzw. Beurteilung der Kausalität. Die Kleinbuchstaben p und q bezeichnen rundliche Lungenschatten der Größe 1,5 mm (p) bzw. 1,5 bis 3 mm (q). Die Streuung wird in einer Stufenskala von 0/-, 0/0, 0/1, 1/0 etc. bis 3/+ angegeben. Die Kleinbuchstaben em bezeichnen ein Emphysem, die Kleinbuchstaben hi Hilus. Hiermit ist also angegedeutet, dass der Kläger an einer Lungenüberblähung leidet und von den silikotischen Einlagerungen der Lungenhilus mit betroffen ist.
Die Beschwerden des Klägers sind charakteristisch für die Silikose, gleichwohl können sie nicht auf die Berufskrankheit zurückgeführt werden. Bei Fortschreiten des Krankheitsprozesses der Silikose kommt es zu Komplikationen wie Atemnot, Husten, Auswurf, Brustschmerz. Die Lungenfunktionsprüfung weist infolge einer Verminderung von Vital- und Totalkapazität eine restriktive Ventilationsstörung sowie eine Einschränkung der Diffusionskapazität nach. Bronchitische Komplikationen bewirken eine obstruktive Ventilationsstörung, kenntlich an einer Erhöhung des Atemwegwiderstandes (Mehrtens/Perlebach, BeKV, M 4101, S. 3). Die beim Kläger vorliegenden, insofern an sich BK-typischen Gesundheitsstörungen gehen allerdings auf eine bereits seit 1968 zu beobachtende langsam progrediente Bronchitis mit Lungenüberblähung zurück. Ein Zusammenhang mit der Silikose ist ausgesprochen unwahrscheinlich. Nach epidemiologischen Untersuchungen kann nämlich zwischen Silikose und Emphysem-Bronchitis ein ursächlicher Zusammenhang erst dann wahrscheinlich gemacht werden, wenn die Silikose im Röntgenbild die Ausdehnung der Streuungskategorie 3 erreicht hat oder wenn Schwielen vorliegen; bei leichtgradigen Silikosen ((= Streuungskategorie 2) ist ein Zusammenhang unwahrscheinlich (vgl. Reichel, in: Fritze, Die ärztliche Begutachtung, 5. Auflage 1997, S. 517). Die erforderliche Gesamtschau (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 82) lässt daher dem Senat die auch bereits vom Gutachter Dr. F ... geäußerte Einschätzung als zwingend erscheinen, wonach bereits unabhängig von den Vorschäden auch aus den geringen silikotischen Lungenveränderung keinerlei Funktionseinschränkung abzuleiten gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen einer als Berufskrankheit (Nr. 4101 BeKV) anerkannten Silikose hat.
Der am ... geborene Kläger, gelernter Elektriker, war während seiner Tätigkeit bei der SDAG Wismut K ... von April 1967 bis zum 30.09.1985 Gesteinsstäuben ausgesetzt. Eine nochmalige Exposition bestand von Januar 1990 bis Dezember 1991 bei seiner Tätigkeit als Steinsäger in der Sandsteinindustrie ( ...). Unstreitig ist eine Gesundheitsgefährdung durch silikogene Stäube anzunehmen.
Lungenfunktionsprüfungen wiesen ab 1975 eine obstruktive Ventilationsstörung aus. Die Obstruktion wechselte zwischen leicht und mittelschwer. Bereits 1971 war der Kläger zu einer Bronchitiskur in Bad S ... gewesen. Anlässlich einer Untersuchung im Universitätsklinikum Carl G ... C ... D ... am 14.09.1994 wurden im Röntgenbild Veränderungen an der Lunge festgestellt. Da die untersuchenden Ärzte wegen der langjährigen Tätigkeit unter Tage bei der Wismut den Verdacht auf eine Staublungenerkrankung gegeben sahen, erstattete Dr. W ... im Benehmen mit dem Kläger am 24.10.1994 bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit wegen des Verdachts auf Silikose (BK Nr. 4101) mit chronischer Bronchitis und mittelgradiger Obstruktion. Die Beklagte legte Röntgenfilmaufnahmen Herrn Dr. M ..., Niederdorf, vor mit der Bitte, zur Frage Stellung zu nehmen, ob eine zu entschädigende Silikose vorliege. Dr. M ... beurteilte eine Röntgenaufnahme vom 14.09.1994 und gab als ILO-Klassifikation pq 0/1 tbu em // pq 0/1 em an. Die röntgenologisch feststellbaren silikotischen Lungenveränderungen seien so gering, dass sie nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung keine Beeinträchtigung von Atmung oder Kreislauf verursachen könnten (Stellungnahme vom 21.01.1995). Nachdem sich der Gewerbearzt dieser Beurteilung angeschlossen und empfohlen hatte, eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4101 "noch" nicht anzuerkennen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.1996 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4101 und nach Nr. 4102 ab. Eindeutige silikotische Lungenveränderungen seien auf dem Röntgenfilm nicht auszumachen. Eine aktive Lungentuberkulose sei nicht festgestellt worden. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 21.08.1996 zurückgewiesen.
Auf Grund einer weiteren Röntgenuntersuchung vom Oktober 1996 stellte der beratende Arzt der Beklagten am 13.02.1997 fest, dass eine Befundprogredienz eingetreten sei und die röntgenologisch feststellbaren silikotischen Lungenveränderungen der ILO-Klassifikation pq 1/1 em hi // pq 1/1 em entsprächen. Nachdem nunmehr auch der Gewerbearzt die Anerkennung einer Silikose als Berufskrankheit - allerdings "mit einer MdE von 0 %" - empfohlen hatte, erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung) an, lehnte jedoch einen Anspruch auf Rente ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers vom 19.05.1997 wurde mit Bescheid vom 07.10.1997 zurückgewiesen. Es liege keine silikosebedingte Funktionseinschränkung der Lunge und/oder des Herz-Kreislauf-Systems vor.
Mit der dagegen erhobenen Klage rügte der Kläger, dass die Ablehnung nur anhand von Röntgenfilmen erfolgt sei und eine ärztliche Untersuchung nicht stattgefunden habe. Er leide an einer chronisch-obstruktiven Bronchitis mit starker Atemnot und benötige zurzeit Medikamente und zwei Sprays. Die Bronchitis sei zu Unrecht bisher völlig von der Berufskrankheit ausgeklammert worden. Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Dr. F ... - Institut für Begutachtung von Berufskrankheiten - zum Sachverständigen ernannt. Dr. F ... kam in seinem Gutachten vom 09.07.1998 zum Ergebnis, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Silikose unter 20 v. H. liege. Das Gutachten war nach Untersuchung des Klägers (18.05.1998) und unter Auswertung von Thoraxröntgenaufnahmen vom 18.05.1998, 30.10.1996, 15.10.1996, 14.09.1994, 13.06.1988, 02.09.1980, 26.11.1970, 25.11.1968 erstattet worden. Außerdem wurde eine Lungenfunktionsdiagnostik mittels Bodyplethysmographie durchgeführt, des Weiteren eine Ergooxytensiometrie, ein EKG und die Ermittlung der BSG. Dr. F ... führte aus, die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfungen bestätigten, dass bereits im Jahr 1975 eine chronisch-obstruktive Bronchitis vorgelegen habe. Die Lungenfunktionseinschränkungen hätten nämlich allmählich zugenommen und zu den jetzt nachweisbaren schweren Funktionseinschränkungen mit starker Einengung der kleinen Bronchien, starker Lungenüberblähung und Abfall des Sauerstoffpartialdrucks bei leichter Ergometerbelastung geführt. Die Röntgenbilder zeigten seit 1968 eine vermehrte streifig-wabige Lungenzeichnung als Hinweis auf Bronchitis und Lungenüberblähung. Dagegen seien Hinweise für eine quarzstaubbedingte Lungenveränderung erstmalig im Jahr 1994 nachweisbar gewesen. Wenn die chronische Bronchialeinengung mit Lungenüberblähung bereits viele Jahre vor Erstfeststellung von quarzstaubbedingungen Lungenveränderungen bestanden habe, heiße das, dass die jetzt nachweisbaren ausgeprägten Lungenfunktionseinschränkung allein Folge einer silikoseunabhängig aufgetretenen chronisch-obstruktiven Bronchitis mit Lungenemphysem seien. Unabhängig von den silikoseunabhängigen Lungenfunktionseinschränkungen sei auch aus den geringen silikotischen Lungenveränderungen keine Funktionseinschränkung abzuleiten gewesen. Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 15.01.1999 die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Aus der Untersuchung vom 12.11.1998 ergebe sich, dass wiederum eine Vermehrung des Lungengerüstes vorhanden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.01.1999 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 12.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.1997 zu verpflichten, dem Kläger Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. auf Grund der anerkannten Berufskrankheit Nr. 4101 BeKV (Silikose) zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.01.1999 zurückzuweisen.
Dem Senat liegen neben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Rentenablehnung in den Bescheiden vom 12.05.1997 und 07.10.1997 bestätigt.
Das SG hat die maßgebenden Normen zutreffend genannt, darauf wird Bezug genommen. Durch die Anerkennung mit Bescheid vom 12.05.1997 ohne explizite Festlegung eines Versicherungsfalls gilt der Versicherungsfall als mit dem 12.05.1997, mithin nach dem 01.01.1997, eingetreten, demnach finden die Regelungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anwendung (§ 212 SGB VII, Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz - UVEG).
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Unzweifelhaft ist der Kläger durch seine chronische Bronchitis nicht unerheblich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Unstreitig liegen auch bei dem Kläger röntgenologisch eindeutig diagnostizierte silikotische Lungenveränderungen vor, die auf die Einwirkung silikogener Stäube über ca. 18 Jahre hinweg zurückzuführen sind.
Zwischen beidem besteht allerdings kein Kausalzusammenhang. Bei dem Kläger ist nämlich eine - berufskrankheitsunabhängige - obstruktive Ventilationsstörung seit 1975 bekannt. Bereits 1971 war eine Bronchitiskur durchgeführt worden. Die Lungenfunktionseinschränkungen nahmen allmählich zu; seit 1975 wechselte die Obstruktion zwischen leicht und mittelschwer.
Nach der im Unfallrecht geltenden Kausallehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache bzw. Mitursache eines Körperschadens im Rechtssinne - unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes - nur die Bedingungen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Person des Betroffenen, wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg für dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 480c und 480g I). Ist neben der versicherten Tätigkeit ein anderer Umstand - z. B. eine Krankheitsanlage - ebenfalls Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne und sind beide Ursachen in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig, so ist jede Ursache wesentliche Teilursache. Bei Beurteilung der Wesentlichkeit der konkurrierenden Kausalfaktoren ist deren Dynamik in Bezug auf ihr Zusammenwirken zu beurteilen. Dabei kommt es in quantitativer Hinsicht nicht auf ein bestimmtes prozentuales Verhältnis an, demzufolge die berufliche Komponente absolut überwiegen müsste. Vielmehr ist zu beurteilen, ob der vorliegende Leidenszustand durch betriebliche Einwirkungen so gefördert wurde, dass ohne deren Mitwirkung die Erkrankung nicht in der vorliegenden Form oder in erheblich geringerem Grade bestehen würde (Lauterbach-Watermann, Unfallversicherung, § 551 Anm. 10b).
Im Falle des Klägers kann nach Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die silikogenen Lungenveränderungen bei der Entstehung der restriktiven Ventilationsstörung wesentlich mitgewirkt haben. Denn es sprechen mehr medizinisch-wissenschaftliche Gründe gegen als für eine Wesentlichkeit.
Nach der ILO-Klassifikation (deutsche Version/Schema nach Thürauf, 1979, vgl. Mehrtens/Perlebach, BeKV M 4101, S. 7) sind die Fleckschatten mit pq 1/1 em hi // pq 1/1 em hi einzuschätzen. Bei diesen Bezeichnungen handelt es sich um eine Beschreibung der röntgenologischen Veränderungen ohne Wertung bzw. Beurteilung der Kausalität. Die Kleinbuchstaben p und q bezeichnen rundliche Lungenschatten der Größe 1,5 mm (p) bzw. 1,5 bis 3 mm (q). Die Streuung wird in einer Stufenskala von 0/-, 0/0, 0/1, 1/0 etc. bis 3/+ angegeben. Die Kleinbuchstaben em bezeichnen ein Emphysem, die Kleinbuchstaben hi Hilus. Hiermit ist also angegedeutet, dass der Kläger an einer Lungenüberblähung leidet und von den silikotischen Einlagerungen der Lungenhilus mit betroffen ist.
Die Beschwerden des Klägers sind charakteristisch für die Silikose, gleichwohl können sie nicht auf die Berufskrankheit zurückgeführt werden. Bei Fortschreiten des Krankheitsprozesses der Silikose kommt es zu Komplikationen wie Atemnot, Husten, Auswurf, Brustschmerz. Die Lungenfunktionsprüfung weist infolge einer Verminderung von Vital- und Totalkapazität eine restriktive Ventilationsstörung sowie eine Einschränkung der Diffusionskapazität nach. Bronchitische Komplikationen bewirken eine obstruktive Ventilationsstörung, kenntlich an einer Erhöhung des Atemwegwiderstandes (Mehrtens/Perlebach, BeKV, M 4101, S. 3). Die beim Kläger vorliegenden, insofern an sich BK-typischen Gesundheitsstörungen gehen allerdings auf eine bereits seit 1968 zu beobachtende langsam progrediente Bronchitis mit Lungenüberblähung zurück. Ein Zusammenhang mit der Silikose ist ausgesprochen unwahrscheinlich. Nach epidemiologischen Untersuchungen kann nämlich zwischen Silikose und Emphysem-Bronchitis ein ursächlicher Zusammenhang erst dann wahrscheinlich gemacht werden, wenn die Silikose im Röntgenbild die Ausdehnung der Streuungskategorie 3 erreicht hat oder wenn Schwielen vorliegen; bei leichtgradigen Silikosen ((= Streuungskategorie 2) ist ein Zusammenhang unwahrscheinlich (vgl. Reichel, in: Fritze, Die ärztliche Begutachtung, 5. Auflage 1997, S. 517). Die erforderliche Gesamtschau (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 82) lässt daher dem Senat die auch bereits vom Gutachter Dr. F ... geäußerte Einschätzung als zwingend erscheinen, wonach bereits unabhängig von den Vorschäden auch aus den geringen silikotischen Lungenveränderung keinerlei Funktionseinschränkung abzuleiten gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
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