L 6 KN 15/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 223/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 15/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.01.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am ... geborene Kläger war von 1964 bis 1993 beim V ... Steinkohlenwerk "A ... B ..." in Z ... beschäftigt. Ab dem 1.1.1978 hieß der Betrieb VEB Steinkohlenkokereien "A ... B ...", ab dem 1.7.1990 E ... mbH Z ... Die Tätigkeiten in der Kokerei (Betriebsmechaniker, Ingenieur für BMSR-Technik) wurden im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung als bergmännische Tätigkeit Buchstabe e eingetragen. Da hiermit nach dem Recht der DDR insoweit eine Gleichstellung mit Untertagetätigkeiten impliziert war, bestand mit Vollendung des 50. Lebensjahres Anspruch auf Bergmannsvollrente gemäß § 37 Renten-VO DDR. Neben der Vollendung des 50. Lebensjahres war für diese Rentenart eine bergbauliche Versicherung von mindestens 25 Jahren sowie eine Untertagetätigkeit von mindestens 15 Jahren Voraussetzung. Von der Sozialversicherung der DDR wurde dem Kläger antragsgemäß zum 1.4.1988 Bergmannsvollrente unter Berücksichtigung von 23 Jahren und 5 Monaten Untertagetätigkeit (November 1964 bis März 1988) bewilligt. Zum 1.1.1992 übernahm die Beklagte die Rentenleistung des Klägers von der Überleitungsanstalt Sozialversicherung, wertete die Rente um, passte sie an und zahlte sie zukünftig als Rente für Bergleute wegen langjähriger Untertagebeschäftigung und Vollendung des 50. Lebensjahres mit Bescheid vom 30.3.1993. Der monatliche Zahlbetrag war mit 955,48 DM berechnet worden. Der Bescheid erhielt den Hinweis, dass für die bisher als Untertagetätigkeit berücksichtigten Zeiten Entgeltpunkte für einen Leistungszuschlag ermittelt wurden. Es seien bisher 23 volle Jahre der Untertagetätigkeit berücksichtigt worden. Somit seien - vom 11. bis zum 20. Jahr 10 Jahre x 0,250 Entgeltpunkte = 2,5000 EP - für jedes weitere Jahr 3 Jahre x 0,375 Entgeltpunkte = 1,1250 EP - insgesamt also für den Leistungszuschlag 3,6250 EP als persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu berücksichtigen.

Im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens gemäß § 149 SGB VI stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.1997 den Zeitraum vom 9.11.1964 bis 30.4.1993 mit Ausnahme der Zeit vom 1.1. bis 31.3.1992 als Zeiten sonstiger Arbeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung fest. Der Kläger begehrte erfolglos im Widerspruchs- und Klageverfahren (SG Chemnitz, S 14 KN 159/98) die Feststellung dieses Zeitraumes als eine Zeit ständiger Arbeiten unter Tage.

Anlässlich der bevorstehenden Vollendung des 60. Lebensjahres beantragte der Kläger am 8.1.1998 Altersrente, und zwar als Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute gemäß § 70 SGB VI oder als Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 38 SGB VI.

Letztere Rentenart wurde ihm mit Bescheid vom 4.6.1998 bewilligt. Anstelle der bisherigen Rente erhielt der Kläger ab dem 1.5.1998 Rente in Höhe von 2.597,21 DM. Ein Leistungszuschlag war bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt worden. Die Zusammenstellung der Tätigkeiten für den Leistungszuschlag wies keine Monate ständiger Arbeiten unter Tage aus. Mit Bescheid vom 17.2.1999 stellte die Beklagte die Rentenleistung endgültig fest unter Berücksichtigung der bisher festgestellten und bewerteten Zeiten. Mit seinem Widerspruch vom 14.3.1999 vertrat der Kläger die Auffassung, es gehe nicht an, dass ihm seine Entgeltpunkte für den Leistungszuschlag (3,625) einfach wegrationalisiert würden. Der Leistungszuschlag sei ihm während des Bezugs einer SGB VI-Rente von 1992 bis 1997 5 Jahre lang durch Rentenbescheide bestätigt worden. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 20.5.1999 als unbegründet zurückgewiesen: Versicherte erhielten gemäß § 85 Abs. 1 SGB VI nach 6 Jahren ständiger Arbeiten unter Tage für jedes volle Jahr mit solchen Arbeiten zusätzliche Entgeltpunkte. Lt. der vorliegenden versicherungsrechtlichen Nachweise sei allerdings keine Verrichtung von ständigen Arbeiten unter Tage nachgewiesen. Mit der dagegen am 18.6.1999 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage wurde geltend gemacht, der Kläger sei lt. Arbeitsvertrag und rentenversicherungsmäßig während seiner Beschäftigung im V ... Steinkohlenwerk "A ... B ..." den Untertagetätigen gleichgestellt. Eine entsprechende Regelung sei in der alten BRD unbekannt gewesen. In der DDR sei jedoch die Arbeit in der Kokerei durch Gase, Hitze, Stäube und toxische Stoffe so schwer belastend und gesundheitsgefährdend gewesen, dass sie mit den Arbeitsbedingungen unter Tage durchaus vergleichbar und daher auch gleichgestellt war. Dies sei heute leider nicht mehr nachweisbar, denn nach der Wende sei die Kokerei als "Dreckschleuder" eingestuft und deshalb geschlossen und abgerissen worden. Mit dieser Maßnahme könnten jedoch langjährige körperliche und gesundheitliche Belastungen nicht zu den Akten gelegt werden. Es existiere auch noch eine betriebsintern so genannte "500-Mann-Liste", in welcher diejenigen Beschäftigten aufgeführt seien, die den Untertagetätigen gleichgestellt waren.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.1.2001 als unbegründet abgewiesen. Mit der dagegen erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt,

das Urteil des SG Chemnitz vom 23.1.2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.2.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.5.1999 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der Berechnung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit einen Leistungszuschlag für ständige Arbeiten unter Tage mit 3,625 Entgeltpunkten zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.1.2001 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogene Gerichtsakte des SG Chemnitz, Az.: S 14 KN 159/98, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte, nachdem die Beteiligten auf diese Möglichkeit hingewiesen wurden, durch einstimmigen Beschluss der Berufsrichter die Berufung als unbegründet zurückweisen (§ 153 Abs. 4 SGG).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten bestätigt. Ein Anspruch auf Leistungszuschlag nach § 85 SGB VI besteht nicht, im Übrigen kann sich nach dieser Vorschrift auch kein Zuschlag über 3,625 Entgeltpunkte errechnen. Bei einer Berücksichtigung von 23 Jahren ergäben sich theoretisch 4,25 Entgeltpunkte.

Nach § 85 Abs. 1 SGB VI erhalten Versicherte nach 6 Jahren ständiger Arbeiten unter Tage für jedes volle Jahr mit solchen Arbeiten vom 6. bis zum 10. Jahr 0,125, vom 11. bis zum 20. Jahr 0,250 und für jedes weitere Jahr 0,375 zusätzliche Entgeltpunkte. Was unter ständigen Arbeiten unter Tage zu verstehen ist, definiert allgemein für die Zeit nach dem 31.12.1967 § 61 SGB VI; für das Beitrittsgebiet gilt die Sonderregelung des § 254a SGB VI. Hiernach sind im Beitrittsgebiet vor dem 1.1.1992 "überwiegend unter Tage" ausgeübte Tätigkeiten "ständige Arbeiten unter Tage" auch im Sinne des § 85 Abs. 1 SGB VI. Die Vorschrift des § 254a SGB VI wurde durch das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG -) vom 25.6.1991 (BGBl. I S. 1606) mit Wirkung vom 1.1.1992 in das SGB VI eingefügt. In der Gesetzesbegründung (vgl. BT-DrS 12/405 S. 126 zu Nr. 60) wurde hierzu ausgeführt: "Das Rentenrecht der ehemaligen DDR kennt nicht den Begriff der ständigen Arbeiten unter Tage, sondern den der überwiegenden Untertagetätigkeit. Er ist insofern weitergehend als der Begriff der ständigen Arbeiten unter Tage, als er im Kalendermonat nur 11 Untertageschichten voraussetzt, jedoch andererseits enger, weil eine Untertagetätigkeit nur vorliegt, wenn 80 % der Zeit unter Tage verbracht werden. Da insofern eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben ist, bestimmt die Vorschrift, dass die nach DDR-Recht überwiegend unter Tage verrichteten Tätigkeiten den ständigen Arbeiten unter Tage gleichstehen."

Dieser Begriff der überwiegend unter Tage ausgeübten Tätigkeiten ergab sich aus § 41 Abs. 3 bis 5 der 1. Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung (1. DB) vom 23.11.1979 (GBl. DDR I Nr. 43 S. 413). Die genannte Vorschrift bestimmt dazu: § 41 (Abs. 3) Als Jahr der überwiegenden Untertagetätigkeit wird das Kalenderjahr angerechnet, in dem mindestens 135 Untertagesschichten geleistet wurden. (Abs. 4) Wurden nicht 135 Untertagesschichten in einem Kalenderjahr geleistet, so werden die Monate angerechnet, in denen mindestens 11 Untertagesschichten geleistet wurden. (Abs. 5) Als Untertagesschicht gilt die Schicht, die mit mindestens 80 % der Zeit unter Tage verfahren wurde. Keineswegs jedoch stellte § 41 Abs. 1 alle dort genannten Tätigkeiten den überwiegend unter Tage ausgeübten Tätigkeiten gleich. Aus dieser Vorschrift leitet sich die Eintragung "Buchstabe e" im Sozialversicherungsausweis des Klägers her. § 41 Abs. 1 1. DB definierte in einem Katalog von a bis i die Tätigkeiten, die als bergmännische Tätigkeiten gelten, nämlich a) alle überwiegend unter Tage ausgeübten Tätigkeiten, b) die Tätigkeiten des Anschlägers an der Hängebank, c) die Tätigkeit des Abnehmers an Schächten, wenn sie ständig ausgeübt wird, d) die Tätigkeit des Fördermaschinisten, e) die Tätigkeit des Kokereiarbeiters in der Steinkohlenindustrie, soweit diese bis 1945 der Untertagearbeit gleichgestellt wurde, f) die Tätigkeit des Steigers und Obersteigers, der als Grubenbetriebsleiter überwiegend unter Tage arbeitet, g) die überwiegende Untertagetätigkeit des Handwerkers, h) die Tätigkeit der hauptamtlich beim Grubenrettungsdienst Eingesetzten, i) alle Tätigkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufschluss, Gewinnung, Aufbereitung und Verarbeitung der in den Bergbaubetrieben gewonnenen Rohstoffe stehen, wenn die Beschäftigten hierbei gesundheitsgefährdenden Einwirkungen ausgesetzt sind.

Diese Tätigkeiten von Buchstabe b) bis Buchstabe i) galten, wie sich aus der Systematik insbesondere aus dem Verhältnis zu dem Buchstaben a) ergibt, auch nach dem DDR-Recht nicht als Untertagetätigkeiten, sie wurden allerdings gemäß § 43 1. DB bei der Berechnung des Zuschlages für die Untertagetätigkeit berücksichtigt. Dieser Zuschlag betrug gemäß § 35 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (Renten-VO DDR) vom 23.11.1979 (GBl. DDR I Nr. 38, 401) für das 11. bis 15. Jahr der Untertagearbeit je 1 M, für das 16. bis 25. Jahr der Untertagearbeit je 2,50 M und für jedes weitere Jahr der Untertagearbeit je 3,50 M. Für die Umwertung einer solchen Rente bestimmte § 307 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI, dass für die bisher in der Rente als volle Jahre der Untertagetätigkeit berücksichtigten Zeiten für jedes volle Jahr vom 11. bis zum 20. Jahr 0,25 und für jedes weitere Jahr 0,375 zusätzliche Entgeltpunkte für einen Leistungszuschlag ermittelt werden.

Mit dem Anspruch auf die Rente nach dem § 38 SGB VI erlischt der Anspruch auf die umgewertete Rente. Für einen Besitzstandsschutz, der sich auf isolierte 3,625 Entgeltpunkte bezieht, lässt sich nichts ins Feld führen. Schon der Vergleich der Höhe der Leistung macht deutlich, dass von einem Besitzstandsschutz im materiellen Sinne in diesem Zusammenhang ohnehin nicht die Rede sein könnte.

Direkt aus § 85 SGB VI kann der Kläger keinen Anspruch auf einen Leistungszuschlag - in welcher Höhe auch immer - herleiten. Denn er kann keine 6 Jahre ständige Arbeiten unter Tage im Sinne des § 254a SGB VI nachweisen. Das vorgelegte Beweismaterial bezieht sich lediglich auf die bergmännische Tätigkeit im Sinne des § 41 Buchstabe e 1. DB. Zur Ausführung dieser Bestimmung war eine konkrete Benennung erforderlich, die wie es der Kläger ausführt, durch die so genannte Liste der 500 erfolgt ist. Als überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten galten jedoch nur die Tätigkeiten nach § 41 Abs. 1 Buchstabe a, f und g (vgl. Pott in GK-SGB VI, § 254a Rn. 4; Diel in Hauck/Haines SGB VI, § 254a Rn. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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