Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 66/99 U
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 16/01 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. Februar 2001 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.1999 verurteilt, gegenüber dem Kläger eine Berufskrankheit nach Listen-Nr. 2108 der Anlage zur BeKV anzuerkennen und zu entschädigen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulen-Erkrankung als Berufskrankheit.
Der am ... geborene Kläger durchlief vom 01.09.1958 bis zum 31.08.1961 eine Lehre als Hauer beim VEB St ... O ... und war danach bis zum 28.12.1961 im Ausbildungsbetrieb als Hauer tätig. Die Strebhöhen betrugen dort von 0,8 m bis 1,4 m. Zum 02.02.1962 wechselte er zur S ... W ..., wo er beim Objekt 9 bis zum 24.10.1975 in seinem Beruf als Hauer tätig war. Es folgten drei Jahre als Hauer und Ausbilder in einer Wolframitgrube in der M ... Volksrepublik. Ab 01.09.1977 war der Kläger als Sicherungshauer beim VEB B ... Sch ... eingesetzt, die Tätigkeit wurde zum 31.12.1987 wegen einer Berufskrankheit nach der Listen-Nr. 54 BKVO DDR (Umgang mit Vibrationswerkzeugen) beendet. Er arbeitete vom 01.01.1988 bis 31.12.1989 zunächst als Transportarbeiter im Magazin, bei seiner anschließenden Tätigkeit als Tiefbauarbeiter waren wieder schwere Lasten zu heben und zu bewegen (Aufnehmen und Setzen von Randsteinen an Straßen, Aufnehmen und Legen von Wegplatten). Seit dem 17.03.1994 war er arbeitsunfähig erkrankt. Bereits im Juli 1967 wurde der Kläger wegen eines chronischen Muskelrheumatismus mit Rücken- und Hüftmyalgien ins Bergarbeiterkrankenhaus Sch ... stationär eingewiesen. Eine erneute Einweisung aus demselben Grunde erfolgte vom 18.10. bis zum 16.11.1967. Damals wurde bereits eine geringe Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (LWS) festgestellt; auffällige Befunde an anderen Wirbelsäulenabschnitten fanden sich nicht. Der Kläger beschrieb in diesem Zeitraum seine Beschwerden als plötzlich ziehende Schmerzen im linken Gesäß mit Ausstrahlung in Richtung Oberschenkel. Diese Symptome seien stark bewegungsabhängig. Am 18.03.1969 wurde vom Orthopäden G. M ... eine Segmentlockerung L 5 diagnostiziert. Gleichzeitig wurde eine unauffällige Brustwirbelsäule (BWS) befundet. Es bestand ein Kyphoseschmerz am Übergang L 4/5. Damals wurden Unterwassermassagen und Wirbelsäulengymnastik verschrieben. Ein Schonplatz wurde für vier Wochen anempfohlen, danach wurde wieder Hauertätigkeit für möglich gehalten. Eine weitere Krankenhausbehandlung erfolgte ab dem 10.03.1970. Dieser Aufenthalt dauerte mit kurzer Unterbrechung bis 10.04.1970. Die konservative Behandlung brachte keine wesentliche Besserung, am 14.05.1970 erfolgte wiederum eine Vorsprache bei der Kreispoliklinik Sch ... wegen der bekannten Symptomatik. Dr. M ...-St ... bescheinigte eine Haueruntauglichkeit und die Notwendigkeit stationärer Fachbehandlung. Am 10.07.1970 wurde eine Bandscheibenoperation vorgenommen, dabei stellte sich eine deutlicher Prolaps als unregelmäßig knotiges Gebilde dicht hinter dem unteren Längsband bei L 4/5 dar. Schon bei der Anschlussheilbehandlung im Sanatorium Warmbad vom 22.10. bis zum 18.11.1970 war der Kläger beschwerdefrei. So gut wie beschwerdefrei blieb der Kläger dann zunächst bis zum März 1987, als er wegen akuter Kreuzschmerzen wiederum bei Dr. N ... vorsprach. Dort wurde ein hinteres Wurzelreizsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 diagnostiziert. Es findet sich der Vermerk: Sensibilität intakt, Reflexe seitengleich. Ein "Einschlafgefühl" im linken Bein wurde dann im Juli 1990 gegenüber Dr. N ... geäußert. Nach seinen eigenen Angaben hatte sich die Situation im Kreuz ab 1991/92 langsam und ab 1993 rapide verschlechtert, es wurde eine Taubheit in beiden Beinen angegeben.
Am 25.05.1994 zeigte Dr. N ... eine Berufskrankheit der Listen-Nr. 2108 aufgrund von Beschwerden in der LWS an. Diese Beschwerden seien erstmals 1985 aufgetreten. Mit Bescheid vom 17.01.1996 lehnte daraufhin die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit mit der Begründung ab, eine Anerkennung nach Nr. 2108 könne nur dann erfolgen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten sei. Dieser Ablehnung lag eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zugrunde, wonach der Kläger von Januar 1960 bis August 1987 für die Dauer von 27 Jahren und sieben Monaten im Sinne einer BK 2108 - sei es durch Heben und Tragen schwerer Lasten über 25 kg, sei es durch extreme Rumpfbeugehaltung - exponiert gewesen sei. Auf den Widerspruch des Klägers wurde durch Berücksichtigung der Tätigkeit als Tiefbauarbeiter das Ende der gefährdenden Tätigkeit auf den 16.03.1994 festgesetzt. Daraufhin nahm der Kläger unter der Voraussetzung, dass er einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid erhalte, den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.01.1996 zurück. Anlässlich einer Kur der Bundesknappschaft Anfang des Jahres 1996 gab er an, fast ständig Schmerzen in allen Gelenken sowie auch im Schulter-Nacken-Kreuzbereich zu haben, letztere zum Teil ausstrahlend in beide Beine. Der Kläger wurde als arbeitsfähig für eine Tätigkeit als Lagerarbeiter entlassen, wobei schweres Heben, Tragen und einseitige Körperhaltungen vermieden werden sollten.
Ein von der Beklagten bei Dr. R ... in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Ergebnis, es sei eine Berufskrankheit der Listen-Nr. 2108 gegeben, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 %. Grundlage war eine festgestellte Segmentlockerung (dekompensiert) bei Verschmälerung des Bandscheibenfaches L 4/5 und L 5/S 1 sowie eine Gefügestörung mit Retroposition des 4. Lendenwirbelkörpers gegenüber dem 5. Lendenwirbelkörper. Im Fach L 5/S 1 wurde eine Sklerose der Grund- und Deckplatten im Sinne einer Osteochondrose festgestellt. Die kleinen Wirbelgelenke in Höhe L 5/S 1 seien vermehrt sklerosiert; dort finde sich auch eine Spondylarthrose. Der Achillessehnenreflex sei rechts ausgefallen, im Bereich der LWS bestehe ein Dauerschmerz, der sich an einigen Tagen etwas weniger, an anderen etwas heftiger auswirke. Die Schmerzen strahlten rechtsseitig in den Oberschenkel, teilweise auch linksseitig bis in die Knöchelregion oder Unterschenkelregion aus. Es bestehe ein wechselndes Taubheitsgefühl, bei Bewegung, insbesondere bei ruckartigen Bewegungen seien Schmerzen unvermeidlich. Vorwölbungen des Bandscheibengewebes im Bereich L 4/5 (median) und L 5/S 1 (linksparamedian) waren bereits bei einer Magnetresonanztomographie der LWS im Klinikum Chemnitz im Juni 1997 aufgefallen.
Im Februar 1998 beauftragte die Beklagte Dr. W ..., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Castrop-Rauxel, mit einer Durchsicht des Gutachtens von Prof. R ... und einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage. Dr. W ... referierte auf 30 Seiten den Stand der medizinischen Diskussion zur Frage der generellen Geeignetheit von langjährigen Überbelastungen, bandscheibenbedingte Erkrankungen auszulösen, und vertrat zum konkreten Fall die Ansicht, beim Kläger spreche die Verteilung, die Lokalisation und der Ausprägungsgrad der Veränderungen an der Wirbelsäule deutlich gegen die berufliche Verursachung. Das Schadensbild sei nicht belastungskonform; es sei nämlich auch oberhalb des Segmentes L 4/5 sonst ein maßgeblich altersüberschreitender Befund zu erwarten gewesen. Die beim Kläger vorhandene leichtgradige laterale und ventrale Spondylose der Segmente L 2 bis L 5 sei allerdings nicht als altersüberschreitend zu bewerten. Der Schwerpunkt der Veränderungen liege im Bereich der BWS. Dies spreche bereits gegen eine Berufskrankheit.
Mit Bescheid vom 09.04.1998 lehnte die Beklagte die Entschädigung einer Berufskrankheit der Listen-Nr. 2108 ab. Die Veränderungen an der Wirbelsäule seien nicht auf langjährige LWS-belastende Tätigkeiten zurückzuführen. Die LWS sei nur in dem Bereich geschädigt, in dem sich bandscheibenbedingte Schäden auch bei der nicht besonders belasteten Allgemeinbevölkerung häufig fänden. Das 1970 behandelte Krankheitsbild habe sich auch nicht durch die besondere berufliche Belastung verschlimmert, dies sei jedenfalls nach der kernspintomographischen Untersuchung vom 26.06.1997 nicht wahrscheinlich. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 04.02.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz hat dieses ein weiteres Gutachten eingeholt. Der ärztliche Sachverständige Dr. L ... kommt darin zu dem Ergebnis, es liege eine generalisierte Degeneration mehrerer Wirbelsäulenabschnitte vor, die insbesondere hinsichtlich der mittleren und unteren BWS, aber auch hinsichtlich der Segmente L 4/5 und L 5/S 1 sowie der unteren Halswirbelsäule (HWS) das Altersmaß überschreite. Rein morphologisch dominiere dabei der Befund an der BWS. Die zur Diskussion stehende BK 2108 lasse jedoch bei entsprechender Exposition ein Schadensbild erwarten, welches durch einen oligosegmentalen Befund im Sinne einer Degeneration der LWS charakterisiert sei. Ebenso wie die Verschleißveränderungen der mittleren und unteren BWS seien die Prozesse an der unteren LWS als schicksalhaft einzustufen. Eine Verschlimmerung des Zustandes nach Bandscheiben-OP liege auch nicht vor, zumal der kernspintomographische Befund einen Rezidivbandscheibenvorfall nicht erbracht habe.
Der Kläger legte daraufhin eine ärztliche Stellungnahme seines behandelnden Orthopäden Dr. N ... vor. Dr. N ... wies darauf hin, dass er als auch im Betriebsgesundheitswesen tätiger Facharzt seit 30 Jahren mit der Problematik BK 70 (vordem BK 22) bzw. 2108/2109 vertraut sei und seit 1970 nicht wenige BK-Gutachten selbst erstellt habe. Er habe während seiner Tätigkeit in einem Bergarbeiterkrankenhaus und einer Bergarbeiterpoliklinik, ferner durch einen mehr als einjährigen Einsatz als Betriebsarzt in einem Schachtambulatorium sowie als langjähriger Grubenwehrarzt Sach- und Fachkenntnisse erwerben können, die ihm bei Diskussionen über Berufskrankheitenangelegenheiten von großem Nutzen seien. Deshalb erstelle er eine BK-Verdachtsmeldung - wie auch im Falle des Klägers - grundsätzlich erst dann, wenn er davon überzeugt sei, dass alle Voraussetzungen für das Vorliegen bzw. die Anerkennung einer Berufskrankheit vorliegen: - eine weit über zehn Jahre hinausgehende Tätigkeit mit überdurchschnittlich hohen Hebe- und Tragbelastungen, - der Krankheitsverlauf führt zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit, - die Erkrankung bietet ein klinisches Bild, das eindeutig einer BK 2108 zuzuordnen ist.
Der entscheidende Mangel im Gutachten von Dr. W ... und Dr. L ... sei, dass die Falldiskussion im Wesentlichen auf die Interpretation der Röntgenbefunde ausgerichtet sei, die als Befund allein jedoch kein Krankheitspotenzial besäßen. Auch durch Dr. R ... wurde eine weitere Stellungnahme zu den Akten gereicht. Er wies darauf hin, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS primär Weichteilschädigungen seien. Der Bandscheibe komme dabei eine Schlüsselposition zu. Nach ihrer Zermürbung durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten kämen Folgeschäden an Bändern, Muskeln und später auch an den Wirbelsäulengelenken zustande. In dieser Zeit sei das ein rein klinisches Geschehen, welches in der Regel röntgenologisch stumm bleibe, da nur Weichteile betroffen seien. Erst viel später entstünden an der Wirbelsäule auch röntgenologisch erfassbare knöcherne Veränderungen, so genannte "Dekmalsbefunde", die sich auch vom völlig normal vollziehenden Alterungsprozess in keiner Weise unterscheiden ließen. Spondylosen und Osteochondrosen seien auch bei völlig Gesunden anzutreffen, sie seien bei über 50-Jährigen in der Regel vorhanden. Es sei daher unzureichend, die degenerativen Veränderungen in den einzelnen Etagen der Wirbelsäule als Beurteilungskriterium so in den Vordergrund zu rücken. Der Gesetzgeber habe bewusst nicht gefordert, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen bei Anerkennung der BK 2108 an der LWS überwiegen müssten. Vielmehr werde auf eine örtliche schädigungsbezogene Klinik ausdrücklich Wert gelegt. Auf Bitte des SG gab Dr. L ... noch einmal eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme unter Auswertung der Äußerungen von Dr. N ... und Dr. R ... ab. In dieser Stellungnahme wird der Vorwurf, das Gutachten einseitig radiologisch begründet zu haben, zurückgewiesen: Die klinischen Befunde in HWS und der unteren BWS seien durchaus berücksichtigt worden; angesichts der Generalisation des Degenerationsprozesses sei keine andere Beurteilung gerechtfertigt, als die bereits im Gutachten vom 02.11.1999 abgegebene.
Daraufhin hat das SG mit Urteil vom 28.02.2001 die Klage abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt, allerdings spreche die Art der Erkrankung mit krankhaften Veränderungen an allen Wirbelsäulenabschnitten gegen eine Berufskrankheit. Im Übrigen seien erste einschlägige Beschwerden an der LWS bereits im Juni 1967 aufgetreten, also vor dem Ablauf der vom Verordnungsgeber vorgegebenen Mindestexpositionszeit von zehn Jahren.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er habe bereits als 14-Jähriger im Jahr 1958 seine Lehre als Hauer aufgenommen. Unterstelle man, dass im 1. Lehrjahr keine so schweren körperlichen Tätigkeiten ausgeübt worden seien, müsse man aber davon ausgehen, dass ab dem 2. Lehrjahr bereits körperlich schwere Tätigkeiten auf dem Ausbildungsplan standen. Der Beginn der schädigenden Tätigkeit sei also auf 1959 festzusetzen. Es sei nun nicht richtig, wenn das SG annähme, der im Merkblatt angegebene Zeitraum von zehn Jahren sei eine Mindestfrist, die nicht unterschritten werden dürfe. Auch im Merkblatt sei schon festgehalten, dass in begründeten Einzelfällen bei einer kürzeren aber intensiven Belastung die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 auch vorliegen könnten. Das klinische Bild der BK 2108 könne sich sowohl mono- als auch polisegmental darstellen. Dementsprechend habe der Verordnungsgeber weder im Verordnungstext noch in der amtlichen Begründung noch im amtlichen Merkblatt zur BK 2108 eine mono- bzw. polisegmentale Erkrankung gefordert. Ein belastungstypisches Krankheitsbild der BK 2108 gebe es nicht. Auch gebe es keine epidemiologisch gesicherte Definition eines altersentsprechenden Befundes im Röntgenbild. Dieses Kriterium werde gegenwärtig in der Begutachtung in der Regel subjektiv aufgrund individueller Erfahrungen mit bestimmten Patientengruppen, nicht jedoch auf der Basis von repräsentativ erhobenen Daten beurteilt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.02.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm gegenüber eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BeKV anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.02.2001 zurückzuweisen.
Dem Gericht liegen neben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht die beantragte Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit zu, da in seiner Person alle Voraussetzungen hierfür seit dem 17.03.1994 erfüllt sind.
Sein Anspruch richtet sich noch nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da die geltend gemachte Berufskrankheit vor dem Inkrafttreten des VII. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Artikel 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Eine Anwendung übergeleiteten DDR-Rechts (§ 1150 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 RVO; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 6 EV i. V. m. § 23 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23.11.1979 [GBl. DDR I, 401] sowie Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet 1 Abschnitt III Nr. 4 und 5 EV i. V. m. § 221 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR vom 16.06.1977 [GBl. DDR I, 185] sowie der DDR-Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26.02.1981 [GBl. DDR I, 137] mit der 1. Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung vom 21.04.1981 [GBl. DDR I, 139]) findet nicht statt, da der Versicherungsfall, der mit dem Leistungsfall dann zusammenfallen müsste (vgl. Entscheidung des Senats vom 27.07.2000 - L 6 KN 14/98 U -) nicht vor dem 01.01.1992 "eingetreten" ist. Dies kann schon deswegen kurzerhand verneint werden, da unstreitig anlässlich der Bandscheibenoperation im Jahre 1970 kein Grad des Körperschadens von 20 verblieben ist, der nach dem Recht der DDR allerdings Voraussetzung für die begriffliche Annahme eines Versicherungsfalls war (vgl. Koinetzke/Rebohle/Heuchert, Berufskrankheiten, 3. Aufl. 1988, S. 111 und im Anschluss daran: Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer, Sonderschrift 4 der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, 1994, S. 30).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BeKV mit den so genannten Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr. 2108 bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anlage 1 zur BeKV muss bei dem Versicherten mithin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ("arbeitstechnische Voraussetzungen") entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2). Für das Vorliegen des Tatbestands der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich der Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811).
Nach den Erhebungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten war der Kläger während seiner Tätigkeit als Hauer, jedenfalls ab Februar 1962 für 25 Jahre und 7 Monate Arbeiten ausgesetzt, die sich durch Heben und Tragen schwerer Lasten (größer als 25 kg) auszeichneten. Dies galt außerdem entsprechend einer ergänzenden Stellungnahme vom 30.08.1996 gleichermaßen für die Tätigkeit als Tiefbauarbeiter vom 01.01.1990 bis zum 16.03.1994. Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung wurde nach den Ermittlungen des TAD der Beklagten während der Kalenderjahre 1960 und 1961 ausgeübt. Zwar fehlen noch - wünschenswerte (vgl. Beschluss des BSG vom 31.05.1996 - 2 BU 237/95 - SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1) - Orientierungswerte in der Verordnung, wann etwa Lasten schwer sind und was unter Langjährigkeit zu verstehen ist; allerdings dürfte jedenfalls die Forderung, die Lasten müssten wenigstens während eines Drittels der täglichen Arbeitszeit bewegt worden seien, übertrieben sein (vgl. BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R -). Was den vorliegenden Fall betrifft, hat der Senat jedenfalls keine Zweifel daran, dass der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten zu Recht die arbeitstechnischen Voraussetzungen bejaht hat. Während seiner Tätigkeit bei der Wismut GmbH musste der Kläger Erzkisten im Gewicht bis zu 60 kg tragen; Ausbaumaterial, Bohrgestänge, Schienen, Traversen und Schwellen wurden bis zu 100 m bewegt, pro Arbeitstag wurden Gegenstände mit einem Gewicht von über 25 kg etwa 20-mal gehoben oder getragen. Dabei kam immerhin zu 10 % die physiologisch ausgesprochen ungünstige Haltung "seitwärts mit verdrehtem Oberkörper" vor, eine Beugung des Oberkörpers von 30 bis zu 60 % war in 25 % der Fälle erforderlich, eine Beugung von mehr als 60 % sogar in 60 % der Fälle (Angaben der Wismut AG vom 13.04.1995). Auch während seiner Zeit bei der Bergsicherung Schneeberg kamen Lasten bis zu 50 kp vor (Mitteilung der Bergsicherung Schneeberg vom 03.03.1995).
Ebenfalls unstreitig ist das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule beim Kläger. Dies ergibt sich nicht nur aus den von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten des Dr. R ... sondern wird auch von Dr. L ... in seinem Gerichtsgutachten vom 02.11.1999 nicht in Abrede gestellt. Das beschriebene Krankheitsbild entspricht den Vorgaben des Verordnungsgebers der 2. Änderungs-VO für bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BeKV (vgl. Begründung der Bundesregierung in BR Drucks. 773/92 S. 8).
Die erforderliche kausale Verknüpfung zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers (im Sinne der BK 2108) und seinem Schaden an der Wirbelsäule ist gegeben. Denn das versicherte Risiko hat rechtlich wesentlich zu diesem "Erfolg" beigetragen. Ob die Volkskrankheit Wirbelsäulensyndrom tatsächlich im Einzelfall auf eine stattgehabte Überlastung durch körperliche Arbeit zurückgeht, wird sich nur sehr schwer nachweisen lassen. Vor diesem Hintergrund mag es nahe gelegen haben, einen Anspruch auf Leistungen aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung generell abzulehnen (so LSG Niedersachsen, Urteil vom 05.02.1998 - L 6 U 187/97 - und SG Landshut, Urteil vom 17.10.1997 - S 8 U 224/95). Jedenfalls ist in rechtlicher Hinsicht die jahrzehntealte Diskussion, ob "degenerative" Wirbelsäulenerkrankungen Berufskrankheiten sind, durch die zweite Erweiterung der Berufskrankheiten-VO auch für das Altbundesgebiet beendet (vgl. Begutachtung der neuen Berufskrankheiten der Wirbelsäule, Deutscher Orthopädenkongress, 17.10.1996, Wiesbaden, Gustav-Fischer-Verlag, 1997). Es wäre daher nicht systemgerecht, diese Diskussion über das Kausalitätskriterium doch wieder in ihrer vollen Breite in jedem Einzelfall aufleben zu lassen. Die "juristische" Entscheidung für eine "medizinisch-naturwissenschaftliche" Kausalität kann nur bedeuten, dass es sich hierbei um eine normative Kausalität handelt. Bereits durch die Definition einer Berufskrankheit ist der Kausalitätsnachweis für den Einzelfall auf eine andere Ebene verschoben worden. Der Verordnungsgeber, der eine Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufnimmt, bejaht dadurch die generelle Geeignetheit einer bestimmten Belastung, zu dem einschlägigen Schaden zu führen. Dies wird sich auch auf der naturwissenschaftlichen Ebene kaum bestreiten lassen. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS haben eine "multifaktorielle Ätiologie" (Merkblatt des BMA I). Sie können durch Fehlbelastungen im privaten Bereich, durch typische Zivilisationsfolgen wie Bewegungs- und Belastungsarmut ebenso hervorgerufen werden wie durch starke Belastungen. In einem Fall, wie dem vorliegenden, in dem ein Versicherter nahezu 30 Jahre lang beruflichen Einwirkungen ausgesetzt war, die für seine Wirbelsäule physiologisch ungünstig waren, d. h. die sie übermäßig belasteten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Belastungen überhaupt keinen, also auch keinen geringen Beitrag zu später auftretenden Degenerationserscheinungen geleistet haben. Eine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne ist somit gegeben. Ob die berufliche Einwirkung auch im Rechtssinne ("wesentliche") Ursache ist, lässt sich naturwissenschaftlich nicht klären. Die Abgrenzung zu sog. "anlagebedingten" Leiden muss schon deshalb immer spekulativ bleiben, weil allgemeine Erkenntnisse über ein belastunsspezifisches Schadensbild nicht vorliegen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.1999 - L 2 KN 72/96 U - Breith. 2000, 140) und auf der anderen Seite "endogene degenerative Prozesse" die berufsbedingten Verursachungsanteile auch deswegen kaum in den Hintergrund drängen können, weil der Versicherte in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Aufnahme einer Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Mitversichert sind nämlich alle bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionellen oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl., S. 81).
Der Kläger rügt zu Recht, dass das SG eine "vom Verordnungsgeber vorgebene Mindestexpositionszeit von 10 Jahren" gewissermaßen zum Ausschlusskriterium gemacht hat. Allerdings ist es, um dieses Argument des Sozialgerichts zu entkräften, nicht erforderlich, die Expositionszeit rückwirkend in die Ausbildungszeit zu verlängern, um vor dem ersten Auftreten der Symptome bereits eine nahezu 10-jährige Belastungszeit zusammenzuhaben. Hexenschussartige Symptome sind in diesem Zusammenhang ohnehin ohne Belang (vgl. Urteil des LSG NRW vom 01.07.1999 - L 2 KN 72/96 U - a. a. O.) und der operierte Bandscheibenvorfall von 1970 ist nicht der Eintritt der Berufskrankheit. Dieser Bandscheibenvorfall wurde operativ behoben und zwar offenbar so erfolgreich, dass der Kläger anschließend noch langjährig eine belastende Tätigkeit im Sinne der BK 2108 ausüben konnte. Es wäre daher nicht sachgerecht, die ähnlichen, aber in ihren Auswirkungen sehr verschiedenen Symptome von 1970 und von 1994 als ein und dieselbe Erkrankung zu fassen. Dies müsste dann auch zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass die Berufskrankheit bereits 1970 "eingetreten" ist, obwohl die Voraussetzungen nach damaligem Recht (BK 70: Aufgabe der schädigenden Tätigkeit und GdK von 20) gerade nicht vorlagen. Einen solchen "fiktiven" Eintritt einer Berufskrankheit, der den einzigen Zweck hat, einen späteren, realen, Eintritt zu verunmöglichen, kann es nicht geben. Die Konsequenz, die die Beklagte anfangs (in ihrem ersten Bescheid vom 17.01.1996) aus dieser Sichtweise zog, nämlich eine Berufskrankheit schon deswegen abzulehnen, weil sie vor dem 31.03.1988 eingetreten sei, kann schon deswegen nicht richtig sein, weil diese Rückwirkungsfrist nur für das Altbundesgebiet gilt. Richtigerweise sind die beim Kläger bereits frühzeitig aufgetretenen Symptome nicht als Ausschlusskriterium zu sehen, sondern im Rahmen der Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen: Wenn gewissermaßen "ohne erkennbaren äußeren Anlass" einschlägige Erkrankungsbilder auftreten, so spricht vieles dafür, dass etwa parallel zu der Problematik der Gelegenheitsursache beim Arbeitsunfall die Annahme gerechtfertigt sein kann, dass die konkrete naturwissenschaftlich gegebene Ursächlichkeit der versicherten Tätigkeit für die eingetretenen Gesundheitsstörungen zurücktreten kann. Eine solche der Gelegenheitsursache vergleichbare Situation ist beim Kläger nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang spielt nun wiederum doch der Umstand eine Rolle, dass er vor dem Auftreten der ersten einschlägigen Symptome doch schon eine ganze Zeit lang (nahezu 10 Jahre) im Sinne der BK 2108 belastet war.
Der Senat sieht auch in dem mittlerweile an anderen Wirbelsäulenabschnitten vorliegenden degenerativen Veränderungen kein durchschlagendes Indiz für eine endogene Disposition, welche die berufliche Verursachung des Lendenwirbelsäulenschadens in den Hintergrund drängen könnte. Dasselbe gilt für das Schadensbild. Im vorliegenden Fall ist es schon deswegen nicht sachgerecht, ein von kaudal nach kranial abnehmendes Schadensbild zu fordern, weil beim Kläger durch die operierte Bandscheibe L4/L5 eine besondere Situation eingetreten war. Durch den operierten Bandscheibenvorfall kam es nämlich zu einer Gefügelockerung und die weiteren Schäden fokussierten sich auf das operierte Bandscheibenfach und das allgemein bei der Bevölkerung am meisten betroffene Bandscheibenfach L5/S1. Am Übergang der miteinander verwachsenen Sakralwirbel zu den durch Bandscheiben getrennten Lumbalwirbeln besteht die am stärksten beanspruchte Stelle des flexiblen Achsenorgans. Die Situation ist etwa vergleichbar mit einem Schlauch, dessen unteres Ende durch einen eingeschobenen unflexiblen Metallstift versteift ist. Wird jetzt der Schlauch den verschiedensten Bewegungen und Beanspruchungen unterworfen, so leuchtet es ein, dass Schäden zuerst an der Stelle auftreten, wo der Metallstift endet. Die Schäden nehmen dann weiter nach oben ab. Beim Kläger allerdings ist durch die Operation - um im Bild zu bleiben - oberhalb des Metallstiftendes eine Art Knötchen entstanden; es leuchtet ein, dass sich dann jahrelange Belastungen anders auswirken und auf die beiden Sollbruchstellen konzentrieren; das operierte Bandscheibenfach L4/L5 übernimmt dann gewissermaßen als Knick die Biegefunktion der darüberliegenden Wirbelgelenke mit, die dann geschont werden. Der operierten Bandscheibe L4/L5 kommt also die Qualität eines - versicherungsrechtlich geschützten - Vorschadens zu, der im Übrigen die Ausbildung der BK 2108 nicht etwa beschleunigt hat, sondern nur eine (unbedeutende) Spezifik des Schadensbildes bedingte. Als Indiz für eine die berufliche Verursachung in den Hintergrund drängende konstitutionelle Veranlagung zur Herausbildung von Bandscheibenschäden eignet sich dieser Vorfall gerade nicht, denn es blieb bei dem Einzelfall und damit durchaus im statistischen Mittel. Schließlich ist auch die mittlerweile mit zahlreichen Spondylophyten ausgestattete BWS kein Indiz gegen eine "bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten". Bandscheibenvorfälle in der BWS sind nicht beobachtet worden. Der altersphysiologische und bei dem Kläger wohl besonders ausgeprägte Umbau der BWS, der mittlerweile Beschwerden verursacht, kann nicht den Charakter eines Ausschlusstatbestandes haben. Es handelt sich bei diesem Zustand, der aufgrund der Klinik auch mittlerweile als Krankheitsbild bezeichnet werden kann, nicht um eine bandscheibenbedingte Erkrankung; auch aus diesem Bild folgt also nicht etwa eine Disposition des Klägers zur Herausbildung bandscheibenbedingter Erkrankungen. Darüber hinaus war die Brustwirbelsäule auch langjährig ohne Befund, die ersten Gesundheitsstörungen traten in der Lendenwirbelsäule auf, wodurch gerade die belastungsbedingte Spezifik bestätigt wird.
Der Senat schließt sich daher der Einschätzung des Gutachters Dr. R ... und des Dr. N ... an. Mit Dr. R ... sieht der Senat auch eine MdE von 20 % als schadensentsprechend an. Durch das Aktenlagegutachten von Dr. W ... werden die Feststellungen des Dr. R ... nicht widerlegt; in der Tat ist durch die bloße Interpretation von Röntgenbildern in solchen Fällen keine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. L ... hat die beim Kläger vorhandene Gesundheitsstörung zutreffend festgestellt; allerdings besteht hier auch wiederum in Anlehnung an das Gutachten W ... eine unzutreffende rechtliche Würdigung der Wahrscheinlichkeitskriterien. Außerdem haben diese Gutachten den Mangel, dass sie den Vorschaden im operierten Bandscheibenfach L4/L5 lediglich unter dem Gesichtspunkt der möglichen Verschlimmerung werten und diese Verschlimmerung dann auf den Fall eines Rezidivprolapses verengen. Tatsächlich hat sich die Erkrankung von 1970 nicht verschlimmert, sondern es ist ein neuer Erkrankungsfall aufgetreten, welcher durch den Vorschaden lediglich eine bestimmte Spezifik erfuhr.
Die in Nummern 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BeKV genannten Berufskrankheiten setzen - ebenso wie eine Reihe weiterer Krankheiten der BK-Liste - neben den arbeitstechnischen und medizinischen Merkmalen übereinstimmend voraus, dass die dort bezeichneten Wirbelsäulenerkrankungen "zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Dieses besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können (auch wenn sie nicht als schädigende Tätigkeit im eigentlichen Sinne angesehen werden können), tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rechtsprechung, so z. B. BSG, Urt. v. 20.10.1983 - 2 RU 70/82 HVBG RdSchr 16/84; Urt. v. 27.11.1985 -2 RU 12/84 - Breith. 1986, 486). Erfolgt - wie hier - die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in einem Zeitraum, während dessen der ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein (BSG SozR Nr. 4 zu § 551 RVO, BSGE 70, 187, 189), demnach am 17.03.1994. Zwar erfolgte die Arbeitsaufgabe vorwiegend wegen der bereits anerkannten BK 54 BKVO-DDR (Vibrationsschaden), objektiv lagen die Voraussetzungen für die BK-bedingte Tätigkeitsaufgabe allerdings auch hinsichtlich der LWS-Beschwerden vor. Die anschließende Tätigkeit als Lagerarbeiter war nicht mehr mit schwerem Heben und Tragen verbunden. Dass diese dann später auch gesundheitsbedingt aufgegeben werden musste, weil der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten ausüben konnte, hing mit seinem gesundheitlichen Gesamtzustand zusammen und nicht mehr ausgesprochen mit der LWS-Erkrankung.
Letztere ist - wie beantragt - als Berufskrankheit zu entschädigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulen-Erkrankung als Berufskrankheit.
Der am ... geborene Kläger durchlief vom 01.09.1958 bis zum 31.08.1961 eine Lehre als Hauer beim VEB St ... O ... und war danach bis zum 28.12.1961 im Ausbildungsbetrieb als Hauer tätig. Die Strebhöhen betrugen dort von 0,8 m bis 1,4 m. Zum 02.02.1962 wechselte er zur S ... W ..., wo er beim Objekt 9 bis zum 24.10.1975 in seinem Beruf als Hauer tätig war. Es folgten drei Jahre als Hauer und Ausbilder in einer Wolframitgrube in der M ... Volksrepublik. Ab 01.09.1977 war der Kläger als Sicherungshauer beim VEB B ... Sch ... eingesetzt, die Tätigkeit wurde zum 31.12.1987 wegen einer Berufskrankheit nach der Listen-Nr. 54 BKVO DDR (Umgang mit Vibrationswerkzeugen) beendet. Er arbeitete vom 01.01.1988 bis 31.12.1989 zunächst als Transportarbeiter im Magazin, bei seiner anschließenden Tätigkeit als Tiefbauarbeiter waren wieder schwere Lasten zu heben und zu bewegen (Aufnehmen und Setzen von Randsteinen an Straßen, Aufnehmen und Legen von Wegplatten). Seit dem 17.03.1994 war er arbeitsunfähig erkrankt. Bereits im Juli 1967 wurde der Kläger wegen eines chronischen Muskelrheumatismus mit Rücken- und Hüftmyalgien ins Bergarbeiterkrankenhaus Sch ... stationär eingewiesen. Eine erneute Einweisung aus demselben Grunde erfolgte vom 18.10. bis zum 16.11.1967. Damals wurde bereits eine geringe Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (LWS) festgestellt; auffällige Befunde an anderen Wirbelsäulenabschnitten fanden sich nicht. Der Kläger beschrieb in diesem Zeitraum seine Beschwerden als plötzlich ziehende Schmerzen im linken Gesäß mit Ausstrahlung in Richtung Oberschenkel. Diese Symptome seien stark bewegungsabhängig. Am 18.03.1969 wurde vom Orthopäden G. M ... eine Segmentlockerung L 5 diagnostiziert. Gleichzeitig wurde eine unauffällige Brustwirbelsäule (BWS) befundet. Es bestand ein Kyphoseschmerz am Übergang L 4/5. Damals wurden Unterwassermassagen und Wirbelsäulengymnastik verschrieben. Ein Schonplatz wurde für vier Wochen anempfohlen, danach wurde wieder Hauertätigkeit für möglich gehalten. Eine weitere Krankenhausbehandlung erfolgte ab dem 10.03.1970. Dieser Aufenthalt dauerte mit kurzer Unterbrechung bis 10.04.1970. Die konservative Behandlung brachte keine wesentliche Besserung, am 14.05.1970 erfolgte wiederum eine Vorsprache bei der Kreispoliklinik Sch ... wegen der bekannten Symptomatik. Dr. M ...-St ... bescheinigte eine Haueruntauglichkeit und die Notwendigkeit stationärer Fachbehandlung. Am 10.07.1970 wurde eine Bandscheibenoperation vorgenommen, dabei stellte sich eine deutlicher Prolaps als unregelmäßig knotiges Gebilde dicht hinter dem unteren Längsband bei L 4/5 dar. Schon bei der Anschlussheilbehandlung im Sanatorium Warmbad vom 22.10. bis zum 18.11.1970 war der Kläger beschwerdefrei. So gut wie beschwerdefrei blieb der Kläger dann zunächst bis zum März 1987, als er wegen akuter Kreuzschmerzen wiederum bei Dr. N ... vorsprach. Dort wurde ein hinteres Wurzelreizsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 diagnostiziert. Es findet sich der Vermerk: Sensibilität intakt, Reflexe seitengleich. Ein "Einschlafgefühl" im linken Bein wurde dann im Juli 1990 gegenüber Dr. N ... geäußert. Nach seinen eigenen Angaben hatte sich die Situation im Kreuz ab 1991/92 langsam und ab 1993 rapide verschlechtert, es wurde eine Taubheit in beiden Beinen angegeben.
Am 25.05.1994 zeigte Dr. N ... eine Berufskrankheit der Listen-Nr. 2108 aufgrund von Beschwerden in der LWS an. Diese Beschwerden seien erstmals 1985 aufgetreten. Mit Bescheid vom 17.01.1996 lehnte daraufhin die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit mit der Begründung ab, eine Anerkennung nach Nr. 2108 könne nur dann erfolgen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten sei. Dieser Ablehnung lag eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zugrunde, wonach der Kläger von Januar 1960 bis August 1987 für die Dauer von 27 Jahren und sieben Monaten im Sinne einer BK 2108 - sei es durch Heben und Tragen schwerer Lasten über 25 kg, sei es durch extreme Rumpfbeugehaltung - exponiert gewesen sei. Auf den Widerspruch des Klägers wurde durch Berücksichtigung der Tätigkeit als Tiefbauarbeiter das Ende der gefährdenden Tätigkeit auf den 16.03.1994 festgesetzt. Daraufhin nahm der Kläger unter der Voraussetzung, dass er einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid erhalte, den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.01.1996 zurück. Anlässlich einer Kur der Bundesknappschaft Anfang des Jahres 1996 gab er an, fast ständig Schmerzen in allen Gelenken sowie auch im Schulter-Nacken-Kreuzbereich zu haben, letztere zum Teil ausstrahlend in beide Beine. Der Kläger wurde als arbeitsfähig für eine Tätigkeit als Lagerarbeiter entlassen, wobei schweres Heben, Tragen und einseitige Körperhaltungen vermieden werden sollten.
Ein von der Beklagten bei Dr. R ... in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Ergebnis, es sei eine Berufskrankheit der Listen-Nr. 2108 gegeben, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 %. Grundlage war eine festgestellte Segmentlockerung (dekompensiert) bei Verschmälerung des Bandscheibenfaches L 4/5 und L 5/S 1 sowie eine Gefügestörung mit Retroposition des 4. Lendenwirbelkörpers gegenüber dem 5. Lendenwirbelkörper. Im Fach L 5/S 1 wurde eine Sklerose der Grund- und Deckplatten im Sinne einer Osteochondrose festgestellt. Die kleinen Wirbelgelenke in Höhe L 5/S 1 seien vermehrt sklerosiert; dort finde sich auch eine Spondylarthrose. Der Achillessehnenreflex sei rechts ausgefallen, im Bereich der LWS bestehe ein Dauerschmerz, der sich an einigen Tagen etwas weniger, an anderen etwas heftiger auswirke. Die Schmerzen strahlten rechtsseitig in den Oberschenkel, teilweise auch linksseitig bis in die Knöchelregion oder Unterschenkelregion aus. Es bestehe ein wechselndes Taubheitsgefühl, bei Bewegung, insbesondere bei ruckartigen Bewegungen seien Schmerzen unvermeidlich. Vorwölbungen des Bandscheibengewebes im Bereich L 4/5 (median) und L 5/S 1 (linksparamedian) waren bereits bei einer Magnetresonanztomographie der LWS im Klinikum Chemnitz im Juni 1997 aufgefallen.
Im Februar 1998 beauftragte die Beklagte Dr. W ..., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Castrop-Rauxel, mit einer Durchsicht des Gutachtens von Prof. R ... und einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage. Dr. W ... referierte auf 30 Seiten den Stand der medizinischen Diskussion zur Frage der generellen Geeignetheit von langjährigen Überbelastungen, bandscheibenbedingte Erkrankungen auszulösen, und vertrat zum konkreten Fall die Ansicht, beim Kläger spreche die Verteilung, die Lokalisation und der Ausprägungsgrad der Veränderungen an der Wirbelsäule deutlich gegen die berufliche Verursachung. Das Schadensbild sei nicht belastungskonform; es sei nämlich auch oberhalb des Segmentes L 4/5 sonst ein maßgeblich altersüberschreitender Befund zu erwarten gewesen. Die beim Kläger vorhandene leichtgradige laterale und ventrale Spondylose der Segmente L 2 bis L 5 sei allerdings nicht als altersüberschreitend zu bewerten. Der Schwerpunkt der Veränderungen liege im Bereich der BWS. Dies spreche bereits gegen eine Berufskrankheit.
Mit Bescheid vom 09.04.1998 lehnte die Beklagte die Entschädigung einer Berufskrankheit der Listen-Nr. 2108 ab. Die Veränderungen an der Wirbelsäule seien nicht auf langjährige LWS-belastende Tätigkeiten zurückzuführen. Die LWS sei nur in dem Bereich geschädigt, in dem sich bandscheibenbedingte Schäden auch bei der nicht besonders belasteten Allgemeinbevölkerung häufig fänden. Das 1970 behandelte Krankheitsbild habe sich auch nicht durch die besondere berufliche Belastung verschlimmert, dies sei jedenfalls nach der kernspintomographischen Untersuchung vom 26.06.1997 nicht wahrscheinlich. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 04.02.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz hat dieses ein weiteres Gutachten eingeholt. Der ärztliche Sachverständige Dr. L ... kommt darin zu dem Ergebnis, es liege eine generalisierte Degeneration mehrerer Wirbelsäulenabschnitte vor, die insbesondere hinsichtlich der mittleren und unteren BWS, aber auch hinsichtlich der Segmente L 4/5 und L 5/S 1 sowie der unteren Halswirbelsäule (HWS) das Altersmaß überschreite. Rein morphologisch dominiere dabei der Befund an der BWS. Die zur Diskussion stehende BK 2108 lasse jedoch bei entsprechender Exposition ein Schadensbild erwarten, welches durch einen oligosegmentalen Befund im Sinne einer Degeneration der LWS charakterisiert sei. Ebenso wie die Verschleißveränderungen der mittleren und unteren BWS seien die Prozesse an der unteren LWS als schicksalhaft einzustufen. Eine Verschlimmerung des Zustandes nach Bandscheiben-OP liege auch nicht vor, zumal der kernspintomographische Befund einen Rezidivbandscheibenvorfall nicht erbracht habe.
Der Kläger legte daraufhin eine ärztliche Stellungnahme seines behandelnden Orthopäden Dr. N ... vor. Dr. N ... wies darauf hin, dass er als auch im Betriebsgesundheitswesen tätiger Facharzt seit 30 Jahren mit der Problematik BK 70 (vordem BK 22) bzw. 2108/2109 vertraut sei und seit 1970 nicht wenige BK-Gutachten selbst erstellt habe. Er habe während seiner Tätigkeit in einem Bergarbeiterkrankenhaus und einer Bergarbeiterpoliklinik, ferner durch einen mehr als einjährigen Einsatz als Betriebsarzt in einem Schachtambulatorium sowie als langjähriger Grubenwehrarzt Sach- und Fachkenntnisse erwerben können, die ihm bei Diskussionen über Berufskrankheitenangelegenheiten von großem Nutzen seien. Deshalb erstelle er eine BK-Verdachtsmeldung - wie auch im Falle des Klägers - grundsätzlich erst dann, wenn er davon überzeugt sei, dass alle Voraussetzungen für das Vorliegen bzw. die Anerkennung einer Berufskrankheit vorliegen: - eine weit über zehn Jahre hinausgehende Tätigkeit mit überdurchschnittlich hohen Hebe- und Tragbelastungen, - der Krankheitsverlauf führt zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit, - die Erkrankung bietet ein klinisches Bild, das eindeutig einer BK 2108 zuzuordnen ist.
Der entscheidende Mangel im Gutachten von Dr. W ... und Dr. L ... sei, dass die Falldiskussion im Wesentlichen auf die Interpretation der Röntgenbefunde ausgerichtet sei, die als Befund allein jedoch kein Krankheitspotenzial besäßen. Auch durch Dr. R ... wurde eine weitere Stellungnahme zu den Akten gereicht. Er wies darauf hin, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS primär Weichteilschädigungen seien. Der Bandscheibe komme dabei eine Schlüsselposition zu. Nach ihrer Zermürbung durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten kämen Folgeschäden an Bändern, Muskeln und später auch an den Wirbelsäulengelenken zustande. In dieser Zeit sei das ein rein klinisches Geschehen, welches in der Regel röntgenologisch stumm bleibe, da nur Weichteile betroffen seien. Erst viel später entstünden an der Wirbelsäule auch röntgenologisch erfassbare knöcherne Veränderungen, so genannte "Dekmalsbefunde", die sich auch vom völlig normal vollziehenden Alterungsprozess in keiner Weise unterscheiden ließen. Spondylosen und Osteochondrosen seien auch bei völlig Gesunden anzutreffen, sie seien bei über 50-Jährigen in der Regel vorhanden. Es sei daher unzureichend, die degenerativen Veränderungen in den einzelnen Etagen der Wirbelsäule als Beurteilungskriterium so in den Vordergrund zu rücken. Der Gesetzgeber habe bewusst nicht gefordert, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen bei Anerkennung der BK 2108 an der LWS überwiegen müssten. Vielmehr werde auf eine örtliche schädigungsbezogene Klinik ausdrücklich Wert gelegt. Auf Bitte des SG gab Dr. L ... noch einmal eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme unter Auswertung der Äußerungen von Dr. N ... und Dr. R ... ab. In dieser Stellungnahme wird der Vorwurf, das Gutachten einseitig radiologisch begründet zu haben, zurückgewiesen: Die klinischen Befunde in HWS und der unteren BWS seien durchaus berücksichtigt worden; angesichts der Generalisation des Degenerationsprozesses sei keine andere Beurteilung gerechtfertigt, als die bereits im Gutachten vom 02.11.1999 abgegebene.
Daraufhin hat das SG mit Urteil vom 28.02.2001 die Klage abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt, allerdings spreche die Art der Erkrankung mit krankhaften Veränderungen an allen Wirbelsäulenabschnitten gegen eine Berufskrankheit. Im Übrigen seien erste einschlägige Beschwerden an der LWS bereits im Juni 1967 aufgetreten, also vor dem Ablauf der vom Verordnungsgeber vorgegebenen Mindestexpositionszeit von zehn Jahren.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er habe bereits als 14-Jähriger im Jahr 1958 seine Lehre als Hauer aufgenommen. Unterstelle man, dass im 1. Lehrjahr keine so schweren körperlichen Tätigkeiten ausgeübt worden seien, müsse man aber davon ausgehen, dass ab dem 2. Lehrjahr bereits körperlich schwere Tätigkeiten auf dem Ausbildungsplan standen. Der Beginn der schädigenden Tätigkeit sei also auf 1959 festzusetzen. Es sei nun nicht richtig, wenn das SG annähme, der im Merkblatt angegebene Zeitraum von zehn Jahren sei eine Mindestfrist, die nicht unterschritten werden dürfe. Auch im Merkblatt sei schon festgehalten, dass in begründeten Einzelfällen bei einer kürzeren aber intensiven Belastung die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 auch vorliegen könnten. Das klinische Bild der BK 2108 könne sich sowohl mono- als auch polisegmental darstellen. Dementsprechend habe der Verordnungsgeber weder im Verordnungstext noch in der amtlichen Begründung noch im amtlichen Merkblatt zur BK 2108 eine mono- bzw. polisegmentale Erkrankung gefordert. Ein belastungstypisches Krankheitsbild der BK 2108 gebe es nicht. Auch gebe es keine epidemiologisch gesicherte Definition eines altersentsprechenden Befundes im Röntgenbild. Dieses Kriterium werde gegenwärtig in der Begutachtung in der Regel subjektiv aufgrund individueller Erfahrungen mit bestimmten Patientengruppen, nicht jedoch auf der Basis von repräsentativ erhobenen Daten beurteilt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.02.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm gegenüber eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BeKV anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.02.2001 zurückzuweisen.
Dem Gericht liegen neben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht die beantragte Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit zu, da in seiner Person alle Voraussetzungen hierfür seit dem 17.03.1994 erfüllt sind.
Sein Anspruch richtet sich noch nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da die geltend gemachte Berufskrankheit vor dem Inkrafttreten des VII. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Artikel 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Eine Anwendung übergeleiteten DDR-Rechts (§ 1150 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 RVO; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 6 EV i. V. m. § 23 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23.11.1979 [GBl. DDR I, 401] sowie Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet 1 Abschnitt III Nr. 4 und 5 EV i. V. m. § 221 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR vom 16.06.1977 [GBl. DDR I, 185] sowie der DDR-Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26.02.1981 [GBl. DDR I, 137] mit der 1. Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung vom 21.04.1981 [GBl. DDR I, 139]) findet nicht statt, da der Versicherungsfall, der mit dem Leistungsfall dann zusammenfallen müsste (vgl. Entscheidung des Senats vom 27.07.2000 - L 6 KN 14/98 U -) nicht vor dem 01.01.1992 "eingetreten" ist. Dies kann schon deswegen kurzerhand verneint werden, da unstreitig anlässlich der Bandscheibenoperation im Jahre 1970 kein Grad des Körperschadens von 20 verblieben ist, der nach dem Recht der DDR allerdings Voraussetzung für die begriffliche Annahme eines Versicherungsfalls war (vgl. Koinetzke/Rebohle/Heuchert, Berufskrankheiten, 3. Aufl. 1988, S. 111 und im Anschluss daran: Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer, Sonderschrift 4 der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, 1994, S. 30).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BeKV mit den so genannten Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr. 2108 bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anlage 1 zur BeKV muss bei dem Versicherten mithin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ("arbeitstechnische Voraussetzungen") entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2). Für das Vorliegen des Tatbestands der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich der Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811).
Nach den Erhebungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten war der Kläger während seiner Tätigkeit als Hauer, jedenfalls ab Februar 1962 für 25 Jahre und 7 Monate Arbeiten ausgesetzt, die sich durch Heben und Tragen schwerer Lasten (größer als 25 kg) auszeichneten. Dies galt außerdem entsprechend einer ergänzenden Stellungnahme vom 30.08.1996 gleichermaßen für die Tätigkeit als Tiefbauarbeiter vom 01.01.1990 bis zum 16.03.1994. Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung wurde nach den Ermittlungen des TAD der Beklagten während der Kalenderjahre 1960 und 1961 ausgeübt. Zwar fehlen noch - wünschenswerte (vgl. Beschluss des BSG vom 31.05.1996 - 2 BU 237/95 - SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1) - Orientierungswerte in der Verordnung, wann etwa Lasten schwer sind und was unter Langjährigkeit zu verstehen ist; allerdings dürfte jedenfalls die Forderung, die Lasten müssten wenigstens während eines Drittels der täglichen Arbeitszeit bewegt worden seien, übertrieben sein (vgl. BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R -). Was den vorliegenden Fall betrifft, hat der Senat jedenfalls keine Zweifel daran, dass der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten zu Recht die arbeitstechnischen Voraussetzungen bejaht hat. Während seiner Tätigkeit bei der Wismut GmbH musste der Kläger Erzkisten im Gewicht bis zu 60 kg tragen; Ausbaumaterial, Bohrgestänge, Schienen, Traversen und Schwellen wurden bis zu 100 m bewegt, pro Arbeitstag wurden Gegenstände mit einem Gewicht von über 25 kg etwa 20-mal gehoben oder getragen. Dabei kam immerhin zu 10 % die physiologisch ausgesprochen ungünstige Haltung "seitwärts mit verdrehtem Oberkörper" vor, eine Beugung des Oberkörpers von 30 bis zu 60 % war in 25 % der Fälle erforderlich, eine Beugung von mehr als 60 % sogar in 60 % der Fälle (Angaben der Wismut AG vom 13.04.1995). Auch während seiner Zeit bei der Bergsicherung Schneeberg kamen Lasten bis zu 50 kp vor (Mitteilung der Bergsicherung Schneeberg vom 03.03.1995).
Ebenfalls unstreitig ist das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule beim Kläger. Dies ergibt sich nicht nur aus den von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten des Dr. R ... sondern wird auch von Dr. L ... in seinem Gerichtsgutachten vom 02.11.1999 nicht in Abrede gestellt. Das beschriebene Krankheitsbild entspricht den Vorgaben des Verordnungsgebers der 2. Änderungs-VO für bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BeKV (vgl. Begründung der Bundesregierung in BR Drucks. 773/92 S. 8).
Die erforderliche kausale Verknüpfung zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers (im Sinne der BK 2108) und seinem Schaden an der Wirbelsäule ist gegeben. Denn das versicherte Risiko hat rechtlich wesentlich zu diesem "Erfolg" beigetragen. Ob die Volkskrankheit Wirbelsäulensyndrom tatsächlich im Einzelfall auf eine stattgehabte Überlastung durch körperliche Arbeit zurückgeht, wird sich nur sehr schwer nachweisen lassen. Vor diesem Hintergrund mag es nahe gelegen haben, einen Anspruch auf Leistungen aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung generell abzulehnen (so LSG Niedersachsen, Urteil vom 05.02.1998 - L 6 U 187/97 - und SG Landshut, Urteil vom 17.10.1997 - S 8 U 224/95). Jedenfalls ist in rechtlicher Hinsicht die jahrzehntealte Diskussion, ob "degenerative" Wirbelsäulenerkrankungen Berufskrankheiten sind, durch die zweite Erweiterung der Berufskrankheiten-VO auch für das Altbundesgebiet beendet (vgl. Begutachtung der neuen Berufskrankheiten der Wirbelsäule, Deutscher Orthopädenkongress, 17.10.1996, Wiesbaden, Gustav-Fischer-Verlag, 1997). Es wäre daher nicht systemgerecht, diese Diskussion über das Kausalitätskriterium doch wieder in ihrer vollen Breite in jedem Einzelfall aufleben zu lassen. Die "juristische" Entscheidung für eine "medizinisch-naturwissenschaftliche" Kausalität kann nur bedeuten, dass es sich hierbei um eine normative Kausalität handelt. Bereits durch die Definition einer Berufskrankheit ist der Kausalitätsnachweis für den Einzelfall auf eine andere Ebene verschoben worden. Der Verordnungsgeber, der eine Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufnimmt, bejaht dadurch die generelle Geeignetheit einer bestimmten Belastung, zu dem einschlägigen Schaden zu führen. Dies wird sich auch auf der naturwissenschaftlichen Ebene kaum bestreiten lassen. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS haben eine "multifaktorielle Ätiologie" (Merkblatt des BMA I). Sie können durch Fehlbelastungen im privaten Bereich, durch typische Zivilisationsfolgen wie Bewegungs- und Belastungsarmut ebenso hervorgerufen werden wie durch starke Belastungen. In einem Fall, wie dem vorliegenden, in dem ein Versicherter nahezu 30 Jahre lang beruflichen Einwirkungen ausgesetzt war, die für seine Wirbelsäule physiologisch ungünstig waren, d. h. die sie übermäßig belasteten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Belastungen überhaupt keinen, also auch keinen geringen Beitrag zu später auftretenden Degenerationserscheinungen geleistet haben. Eine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne ist somit gegeben. Ob die berufliche Einwirkung auch im Rechtssinne ("wesentliche") Ursache ist, lässt sich naturwissenschaftlich nicht klären. Die Abgrenzung zu sog. "anlagebedingten" Leiden muss schon deshalb immer spekulativ bleiben, weil allgemeine Erkenntnisse über ein belastunsspezifisches Schadensbild nicht vorliegen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.1999 - L 2 KN 72/96 U - Breith. 2000, 140) und auf der anderen Seite "endogene degenerative Prozesse" die berufsbedingten Verursachungsanteile auch deswegen kaum in den Hintergrund drängen können, weil der Versicherte in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Aufnahme einer Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Mitversichert sind nämlich alle bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionellen oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl., S. 81).
Der Kläger rügt zu Recht, dass das SG eine "vom Verordnungsgeber vorgebene Mindestexpositionszeit von 10 Jahren" gewissermaßen zum Ausschlusskriterium gemacht hat. Allerdings ist es, um dieses Argument des Sozialgerichts zu entkräften, nicht erforderlich, die Expositionszeit rückwirkend in die Ausbildungszeit zu verlängern, um vor dem ersten Auftreten der Symptome bereits eine nahezu 10-jährige Belastungszeit zusammenzuhaben. Hexenschussartige Symptome sind in diesem Zusammenhang ohnehin ohne Belang (vgl. Urteil des LSG NRW vom 01.07.1999 - L 2 KN 72/96 U - a. a. O.) und der operierte Bandscheibenvorfall von 1970 ist nicht der Eintritt der Berufskrankheit. Dieser Bandscheibenvorfall wurde operativ behoben und zwar offenbar so erfolgreich, dass der Kläger anschließend noch langjährig eine belastende Tätigkeit im Sinne der BK 2108 ausüben konnte. Es wäre daher nicht sachgerecht, die ähnlichen, aber in ihren Auswirkungen sehr verschiedenen Symptome von 1970 und von 1994 als ein und dieselbe Erkrankung zu fassen. Dies müsste dann auch zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass die Berufskrankheit bereits 1970 "eingetreten" ist, obwohl die Voraussetzungen nach damaligem Recht (BK 70: Aufgabe der schädigenden Tätigkeit und GdK von 20) gerade nicht vorlagen. Einen solchen "fiktiven" Eintritt einer Berufskrankheit, der den einzigen Zweck hat, einen späteren, realen, Eintritt zu verunmöglichen, kann es nicht geben. Die Konsequenz, die die Beklagte anfangs (in ihrem ersten Bescheid vom 17.01.1996) aus dieser Sichtweise zog, nämlich eine Berufskrankheit schon deswegen abzulehnen, weil sie vor dem 31.03.1988 eingetreten sei, kann schon deswegen nicht richtig sein, weil diese Rückwirkungsfrist nur für das Altbundesgebiet gilt. Richtigerweise sind die beim Kläger bereits frühzeitig aufgetretenen Symptome nicht als Ausschlusskriterium zu sehen, sondern im Rahmen der Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen: Wenn gewissermaßen "ohne erkennbaren äußeren Anlass" einschlägige Erkrankungsbilder auftreten, so spricht vieles dafür, dass etwa parallel zu der Problematik der Gelegenheitsursache beim Arbeitsunfall die Annahme gerechtfertigt sein kann, dass die konkrete naturwissenschaftlich gegebene Ursächlichkeit der versicherten Tätigkeit für die eingetretenen Gesundheitsstörungen zurücktreten kann. Eine solche der Gelegenheitsursache vergleichbare Situation ist beim Kläger nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang spielt nun wiederum doch der Umstand eine Rolle, dass er vor dem Auftreten der ersten einschlägigen Symptome doch schon eine ganze Zeit lang (nahezu 10 Jahre) im Sinne der BK 2108 belastet war.
Der Senat sieht auch in dem mittlerweile an anderen Wirbelsäulenabschnitten vorliegenden degenerativen Veränderungen kein durchschlagendes Indiz für eine endogene Disposition, welche die berufliche Verursachung des Lendenwirbelsäulenschadens in den Hintergrund drängen könnte. Dasselbe gilt für das Schadensbild. Im vorliegenden Fall ist es schon deswegen nicht sachgerecht, ein von kaudal nach kranial abnehmendes Schadensbild zu fordern, weil beim Kläger durch die operierte Bandscheibe L4/L5 eine besondere Situation eingetreten war. Durch den operierten Bandscheibenvorfall kam es nämlich zu einer Gefügelockerung und die weiteren Schäden fokussierten sich auf das operierte Bandscheibenfach und das allgemein bei der Bevölkerung am meisten betroffene Bandscheibenfach L5/S1. Am Übergang der miteinander verwachsenen Sakralwirbel zu den durch Bandscheiben getrennten Lumbalwirbeln besteht die am stärksten beanspruchte Stelle des flexiblen Achsenorgans. Die Situation ist etwa vergleichbar mit einem Schlauch, dessen unteres Ende durch einen eingeschobenen unflexiblen Metallstift versteift ist. Wird jetzt der Schlauch den verschiedensten Bewegungen und Beanspruchungen unterworfen, so leuchtet es ein, dass Schäden zuerst an der Stelle auftreten, wo der Metallstift endet. Die Schäden nehmen dann weiter nach oben ab. Beim Kläger allerdings ist durch die Operation - um im Bild zu bleiben - oberhalb des Metallstiftendes eine Art Knötchen entstanden; es leuchtet ein, dass sich dann jahrelange Belastungen anders auswirken und auf die beiden Sollbruchstellen konzentrieren; das operierte Bandscheibenfach L4/L5 übernimmt dann gewissermaßen als Knick die Biegefunktion der darüberliegenden Wirbelgelenke mit, die dann geschont werden. Der operierten Bandscheibe L4/L5 kommt also die Qualität eines - versicherungsrechtlich geschützten - Vorschadens zu, der im Übrigen die Ausbildung der BK 2108 nicht etwa beschleunigt hat, sondern nur eine (unbedeutende) Spezifik des Schadensbildes bedingte. Als Indiz für eine die berufliche Verursachung in den Hintergrund drängende konstitutionelle Veranlagung zur Herausbildung von Bandscheibenschäden eignet sich dieser Vorfall gerade nicht, denn es blieb bei dem Einzelfall und damit durchaus im statistischen Mittel. Schließlich ist auch die mittlerweile mit zahlreichen Spondylophyten ausgestattete BWS kein Indiz gegen eine "bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten". Bandscheibenvorfälle in der BWS sind nicht beobachtet worden. Der altersphysiologische und bei dem Kläger wohl besonders ausgeprägte Umbau der BWS, der mittlerweile Beschwerden verursacht, kann nicht den Charakter eines Ausschlusstatbestandes haben. Es handelt sich bei diesem Zustand, der aufgrund der Klinik auch mittlerweile als Krankheitsbild bezeichnet werden kann, nicht um eine bandscheibenbedingte Erkrankung; auch aus diesem Bild folgt also nicht etwa eine Disposition des Klägers zur Herausbildung bandscheibenbedingter Erkrankungen. Darüber hinaus war die Brustwirbelsäule auch langjährig ohne Befund, die ersten Gesundheitsstörungen traten in der Lendenwirbelsäule auf, wodurch gerade die belastungsbedingte Spezifik bestätigt wird.
Der Senat schließt sich daher der Einschätzung des Gutachters Dr. R ... und des Dr. N ... an. Mit Dr. R ... sieht der Senat auch eine MdE von 20 % als schadensentsprechend an. Durch das Aktenlagegutachten von Dr. W ... werden die Feststellungen des Dr. R ... nicht widerlegt; in der Tat ist durch die bloße Interpretation von Röntgenbildern in solchen Fällen keine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. L ... hat die beim Kläger vorhandene Gesundheitsstörung zutreffend festgestellt; allerdings besteht hier auch wiederum in Anlehnung an das Gutachten W ... eine unzutreffende rechtliche Würdigung der Wahrscheinlichkeitskriterien. Außerdem haben diese Gutachten den Mangel, dass sie den Vorschaden im operierten Bandscheibenfach L4/L5 lediglich unter dem Gesichtspunkt der möglichen Verschlimmerung werten und diese Verschlimmerung dann auf den Fall eines Rezidivprolapses verengen. Tatsächlich hat sich die Erkrankung von 1970 nicht verschlimmert, sondern es ist ein neuer Erkrankungsfall aufgetreten, welcher durch den Vorschaden lediglich eine bestimmte Spezifik erfuhr.
Die in Nummern 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BeKV genannten Berufskrankheiten setzen - ebenso wie eine Reihe weiterer Krankheiten der BK-Liste - neben den arbeitstechnischen und medizinischen Merkmalen übereinstimmend voraus, dass die dort bezeichneten Wirbelsäulenerkrankungen "zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Dieses besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können (auch wenn sie nicht als schädigende Tätigkeit im eigentlichen Sinne angesehen werden können), tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rechtsprechung, so z. B. BSG, Urt. v. 20.10.1983 - 2 RU 70/82 HVBG RdSchr 16/84; Urt. v. 27.11.1985 -2 RU 12/84 - Breith. 1986, 486). Erfolgt - wie hier - die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in einem Zeitraum, während dessen der ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein (BSG SozR Nr. 4 zu § 551 RVO, BSGE 70, 187, 189), demnach am 17.03.1994. Zwar erfolgte die Arbeitsaufgabe vorwiegend wegen der bereits anerkannten BK 54 BKVO-DDR (Vibrationsschaden), objektiv lagen die Voraussetzungen für die BK-bedingte Tätigkeitsaufgabe allerdings auch hinsichtlich der LWS-Beschwerden vor. Die anschließende Tätigkeit als Lagerarbeiter war nicht mehr mit schwerem Heben und Tragen verbunden. Dass diese dann später auch gesundheitsbedingt aufgegeben werden musste, weil der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten ausüben konnte, hing mit seinem gesundheitlichen Gesamtzustand zusammen und nicht mehr ausgesprochen mit der LWS-Erkrankung.
Letztere ist - wie beantragt - als Berufskrankheit zu entschädigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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