Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 14 Kn 400/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 2/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. November 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Bergmannsvollrente gemäß Art. 2 § 6 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606) hat.
Der am ... geborene Kläger verpflichtete sich unmittelbar im Anschluss an die zehnklassige allgemeinbildende politechnische Oberschule zur Nationalen Volksarmee, qualifizierte sich dort zum Zugführer und wurde am 28.10.1962 als Unterleutnant entlassen. Zum 29.10.1962 nahm er die Tätigkeit im Jugendschacht der SDAG Wismut, Objekt ... auf, zunächst als Kollektor, ab dem 01.01.1964 als Hauer. Es handelte sich jeweils um Untertagetätigkeiten. Während seiner Untertagetätigkeit als Hauer am Schacht ... in H ... traten ein Parteisekretär und ein Sekretariatsmitglied der Gebietsleitung der SED mit der Bitte an ihn heran, an der Karl-Marx-Universität ein gesellschaftswissenschaftliches Studium aufzunehmen, ein Studienplatz stehe nämlich zur Verfügung und müsse besetzt werden. Dies würde auf Delegierungsbasis erfolgen. Die staatliche Leitung unter Vorsitz des Schachtleiters befürworte die Delegierung ebenfalls. Der Kläger war einverstanden und bewarb sich an der Karl-Marx-Universität in Leipzig für ein fünfjähriges Diplomfernstudium in der Fachrichtung marxistisch-leninistische Philosophie. Er wurde im September 1970 immatrikuliert und begann dieses Studium trotz der Tätigkeit als Hauer im Dreischichtsystem. Nachdem er 1972/73 die ersten Fachexamen, unter anderem in Pädagogik und Methodik bestanden hatte, trat man erneut an ihn heran und eröffnete ihm die Möglichkeit, sich umgehend (ab 08/73) für eine Tätigkeit als Fachlehrer an der Leitakademie der DSF in Sch ... zu bewerben. Man brauche dort dringend einen Fachlehrer. Mit dem Leiter der Berufsschule, Herrn Sch ..., und der Kaderleiterin sei bereits alles besprochen. Nach dem Vorstellungsgespräch willigte der Kläger ein und beendete am 19.08.1973 seine Untertagetätigkeit. Ein Änderungsvertrag vom 17.08.1973 bestätigte die Beendigung des bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisses als Hauer und die Übernahme als Lehrer mit der Gehaltsgruppe LV 4/2 zum 20.08.1973. Arbeitgeber blieb die SDAG Wismut als Trägerin der Leitakademie DSF. In dem Änderungsvertrag ist der Passus zur Art der Versicherung nicht durch Streichung oder Unterstreichungen kenntlich gemacht, vielmehr findet sich dort der Satz: Die neue Tätigkeit ist: bergm. Untertage/bergm. Buchstabe i/bergbaul. versichert. Seinen akademischen Grad als Diplomlehrer des Marxismus-Leninismus erhielt der Kläger am 20.02.1976. Zum 01.08.1982 wechselte er zur Betriebsschule des VEB H ..., deren Direktor er zum 01.01.1983 wurde.
Am 19.07.1994 beantragte der Kläger Rente für Bergleute wegen Vollendung des 50. Lebensjahres bzw. Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes.
Mit Bescheid vom 20.03.1996 lehnte die Beklagte seinen Antrag ab. Voraussetzung für den Anspruch auf Bergmannsvollrente nach Art. 2 § 6 RÜG sei 1. die Vollendung des 50. Lebensjahres, 2. die Erfüllung der Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren und 3. die Ausübung von Untertagetätigkeiten für mindestens 15 Jahre. Der Kläger habe das 50. Lebensjahr am 10.12.1991 vollendet, außerdem habe er in der Zeit vom 29.10.1962 bis 21.11.1990 die Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren zurückgelegt. Die Voraussetzungen zu Ziff. 1 und Ziff. 2 seien somit erfüllt. Nach den vorliegenden Unterlagen habe er allerdings nur vom 29.10.1962 bis 19.08.1973, also für 131 Monate Untertagetätigkeiten verrichtet. Gerundet gemäß Art. 2 § 26 Abs. 2 Nr. 4 RÜG entspreche dieses einer Dauer von nur 11 Jahren. Die Voraussetzung zu Ziff. 3 sei daher nicht erfüllt. Die Beklagte begründete ihre Ablehnung mit dem fehlenden Nachweis der Beendigung der Untertagetätigkeit durch eine "Delegierung". Nach der Direktionsanweisung Nr. R 7/1988 des FDGB-Bundesvorstandes sei eine Delegierung Voraussetzung, um die anschließenden Zeiten als Untertagezeiten geltend machen zu können.
Daraufhin erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er sei seinerzeit sehr wohl delegiert worden. Hierfür gebe es Zeugen. Außerdem wies er darauf hin, dass auch seine NVA-Zeit als Untertagezeit gerechnet werden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.1996 gab die Beklagte dem Kläger insoweit Recht; gleichwohl wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, da auch mit Einrechnung der NVA-Zeit ein Zeitraum von 15 Jahren Untertagetätigkeit nicht erreicht werde. Die Beklagte bekräftigte ihre Auffassung, dass der Änderungsvertrag vom 17.08.1973 "keine Delegierung im rechtlichen Sinne" sei.
Auf die dagegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz hat dies die Klage mit Urteil vom 27.11.1997 abgewiesen. Das Gericht folgte im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten und widersprach der im Klageverfahren erstmalig vorgebrachten Argumentation, ein Anspruch auf Bergmannsvollrente nach Art. 2 § 6 Abs. 2 RÜG müsse gegeben sein. Der Kläger habe nämlich seine Untertagetätigkeit nicht aus den in Art. 2 § 17 Abs. 3 Nr. 4b Doppelbuchst. b RÜG genannten Gründen aufgegeben; die Aufnahme der Tätigkeit als Lehrer für Marxismus entspreche nämlich nicht der dort genannten Übernahme einer so genannten Wahl- oder Berufungsfunktion.
Gegen das dem Kläger am 08.01.1988 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 04.02.1998 eingelegte Berufung. Es wird gerügt, dass das erstinstanzliche Urteil unter Verkennung der damaligen Handhabung in der DDR ergangen sei.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27.11.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.03.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Bergmannsvollrente ab dem 01.08.1994 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich der Kritik des Klägers am erstinstanzlichen Urteil insoweit an, als auch nach ihrer Auffassung von einer Delegierung doch ausgegangen werden müsse, wenn auch nicht eine Delegierung im Sinne des § 50 AGB-DDR vorgelegen habe.
Dem Gericht liegen neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht einen Anspruch des Klägers auf Bergmannsvollrente verneint.
Wie auch schon im Ausgangsbescheid vom 20.03.1996 ausgeführt wurde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Bergmannsvollrente nach dem RÜG daran, dass er nicht mindestens 15 Jahre Untertagetätigkeiten ausgeübt hat (Art. 2 § 6 Abs. 1 Ziff. 3 RÜG).
Durch Art. 2 RÜG wird geregelt, welche Person noch aus Vertrauensschutzgründen Ansprüche auf Renten nach den insoweit sachlich fortgeltenden Bestimmungen des Rentenrechts der DDR haben können. Art. 2 § 6 RÜG entspricht dabei sachlich dem § 37 der Rentenverordnung (RentenVO vom 15.03.1968, GBl. II Nr. 29 S. 135, 141), in der der Anspruch auf Bergmannsvollrenten geregelt war. Voraussetzungen für eine Rente nach Art. 2 § 6 RÜG ist, dass der Versicherte das 50. Lebensjahr vollendet hat und die Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren erfüllt, wovon mindestens 15 Jahre Untertagetätigkeit verrichtet sein müssen. Im Falle des Klägers fehlt es an einer Untertagetätigkeit von 15 Jahren. Es kann hier dahinstehen, ob die Zeit des Wehrdienstes wie eine Untertagetätigkeit zu bewerten ist, wie es die Beklagte offensichtlich getan hat. Anders als der Kläger meint können seine bergbaulichen Versicherungszeiten nach dem 20.08.1973 nicht wie Zeiten mit einer Berufstätigkeit unter Tage gewertet werden. Art. 2 RÜG enthält keine Regelung, wonach die Versicherungszeiten aufgrund einer Übertagetätigkeit im Bergbau nach einem Arbeitsplatzwechsel in besonderen Fällen wie die Renten mit Untertagetätigkeit gewertet werden können. Auch die RentenVO-DDR kannte eine solche Regelung nicht. Nach § 40 der RentenVO-DDR konnte die geforderte Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren in bestimmten Fällen auch mit einer Tätigkeit außerhalb des Bergbaus erfüllt werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 2 § 17 Abs. 3 RÜG. Hinsichtlich des Erfordernisses der mindestens 15-jährigen Tätigkeit unter Tage war hingegen weder in der RentenVO noch in Art. 2 RÜG eine Gleichstellung bestimmter anderer Zeiten vorgesehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht für die Fälle, in denen die Aufgabe des Arbeitsplatzes mit der Untertagetätigkeit durch eine "Delegierung" verursacht wurde. § 47 der 1. Durchführungsbestimmung zur RentenVO vom 23.11.1977 bestimmte, dass Zeiten des Grundwehrdienstes auf die Untertagetätigkeit angerechnet werden, wenn unmittelbar vor oder nach diesen Dienstzeiten eine Untertagetätigkeit verrichtet wurde (Abs. 8 der Vorschrift). Einen Reflex im RÜG hat diese Vorschrift nicht gefunden. Vielmehr bestimmt Art. 2 § 23 Abs. 2 RÜG, was unter Untertagetätigkeiten im Sinne des Art. 2 § 6 Abs. 1 Ziff. 3 RÜG zu verstehen ist. Danach sind Untertagetätigkeiten 1. alle überwiegend unter Tage ausgeübten Tätigkeiten, 2. Arbeiten als Anschläger an der Hängebank, 3. ständige Arbeiten als Abnehmer an Schächten, 4. Arbeiten als Fördermaschinist, 5. Arbeiten als Kokereiarbeiter in der Steinkohlenindustrie, soweit diese bis 1945 Untertagetätigkeiten gleichgestellt waren, 6. Arbeiten als hauptamtlich im Grubenrettungsdienst Eingesetzter. Fiktive Untertagetätigkeiten, also Zeiten, die als Untertagetätigkeit gelten, werden in dem abschließenden Katalog des Art. 2 § 23 Abs. 4 RÜG genannt: 1. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Arbeits-, Unfall- oder Berufskrankheit unter Quarantäne, 2. Schwangerschafts- und Wochenurlaub, 3. Freistellung von der Arbeit zur Pflege erkrankter Kinder, wenn sich diese Zeiten unmittelbar an Untertagezeiten anschließen.
Nach dem geltenden Recht lässt sich also ein Anspruch gemäß Art. 2 § 6 Abs. 1 RÜG nicht begründen.
Im Übrigen bestimmte auch die zitierte Direktionsanweisung Nr. R 7/1988 des FDGB-Bundesvorstandes nicht etwa, dass eine Delegierung, sei sie nun auf Dauer oder auf Zeit, als Untertagetätigkeit gelte, vielmehr geht es dort lediglich um das Bestehenbleiben der bergbaulichen Versicherung. Auch wenn Buchstabe d dieses Schreibens ausführte, dass die Zeit der Delegierung bis zu höchstens fünf Jahren als bergmännische Tätigkeit sowohl für den Anspruch auf Bergmannsvoll- als auch auf Bergmannsaltersrente gilt, so war damit Bezug genommen auf die auch nach dem Rentenrecht der DDR (§ 34 RentenVO) erforderliche Versicherungszeit von 25 Jahren, nicht aber auf die 15-jährige Untertagetätigkeit.
Ein Anspruch aus Art. 2 § 6 Abs. 2 RÜG ist nicht gegeben, da die Tätigkeit unter Tage nicht im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen, infolge eine Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit oder infolge der Übernahme einer Wahl- oder Berufungsfunktion aufgegeben wurde. Die Übernahme der Tätigkeit als Lehrer an der Leitakademie DSF war weder eine "Wahl" im Sinne des § 66 AGB bzw. § 37 GBA in ein öffentliches Amt (beispielsweise als Richter am Obersten Gericht oder gewählter Staatsfunktionär, vgl. VO über das Verfahren bei der Berufung und Abberufung von Werktätigen vom 15.06.1961, GBl. II S. 235) noch handelte es sich dabei um eine Berufung (§ 38 Abs. 2 AGB) in eine leitende Funktion in Staat, Wirtschaft oder einer gesellschaftlichen Organisation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Bergmannsvollrente gemäß Art. 2 § 6 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606) hat.
Der am ... geborene Kläger verpflichtete sich unmittelbar im Anschluss an die zehnklassige allgemeinbildende politechnische Oberschule zur Nationalen Volksarmee, qualifizierte sich dort zum Zugführer und wurde am 28.10.1962 als Unterleutnant entlassen. Zum 29.10.1962 nahm er die Tätigkeit im Jugendschacht der SDAG Wismut, Objekt ... auf, zunächst als Kollektor, ab dem 01.01.1964 als Hauer. Es handelte sich jeweils um Untertagetätigkeiten. Während seiner Untertagetätigkeit als Hauer am Schacht ... in H ... traten ein Parteisekretär und ein Sekretariatsmitglied der Gebietsleitung der SED mit der Bitte an ihn heran, an der Karl-Marx-Universität ein gesellschaftswissenschaftliches Studium aufzunehmen, ein Studienplatz stehe nämlich zur Verfügung und müsse besetzt werden. Dies würde auf Delegierungsbasis erfolgen. Die staatliche Leitung unter Vorsitz des Schachtleiters befürworte die Delegierung ebenfalls. Der Kläger war einverstanden und bewarb sich an der Karl-Marx-Universität in Leipzig für ein fünfjähriges Diplomfernstudium in der Fachrichtung marxistisch-leninistische Philosophie. Er wurde im September 1970 immatrikuliert und begann dieses Studium trotz der Tätigkeit als Hauer im Dreischichtsystem. Nachdem er 1972/73 die ersten Fachexamen, unter anderem in Pädagogik und Methodik bestanden hatte, trat man erneut an ihn heran und eröffnete ihm die Möglichkeit, sich umgehend (ab 08/73) für eine Tätigkeit als Fachlehrer an der Leitakademie der DSF in Sch ... zu bewerben. Man brauche dort dringend einen Fachlehrer. Mit dem Leiter der Berufsschule, Herrn Sch ..., und der Kaderleiterin sei bereits alles besprochen. Nach dem Vorstellungsgespräch willigte der Kläger ein und beendete am 19.08.1973 seine Untertagetätigkeit. Ein Änderungsvertrag vom 17.08.1973 bestätigte die Beendigung des bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisses als Hauer und die Übernahme als Lehrer mit der Gehaltsgruppe LV 4/2 zum 20.08.1973. Arbeitgeber blieb die SDAG Wismut als Trägerin der Leitakademie DSF. In dem Änderungsvertrag ist der Passus zur Art der Versicherung nicht durch Streichung oder Unterstreichungen kenntlich gemacht, vielmehr findet sich dort der Satz: Die neue Tätigkeit ist: bergm. Untertage/bergm. Buchstabe i/bergbaul. versichert. Seinen akademischen Grad als Diplomlehrer des Marxismus-Leninismus erhielt der Kläger am 20.02.1976. Zum 01.08.1982 wechselte er zur Betriebsschule des VEB H ..., deren Direktor er zum 01.01.1983 wurde.
Am 19.07.1994 beantragte der Kläger Rente für Bergleute wegen Vollendung des 50. Lebensjahres bzw. Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes.
Mit Bescheid vom 20.03.1996 lehnte die Beklagte seinen Antrag ab. Voraussetzung für den Anspruch auf Bergmannsvollrente nach Art. 2 § 6 RÜG sei 1. die Vollendung des 50. Lebensjahres, 2. die Erfüllung der Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren und 3. die Ausübung von Untertagetätigkeiten für mindestens 15 Jahre. Der Kläger habe das 50. Lebensjahr am 10.12.1991 vollendet, außerdem habe er in der Zeit vom 29.10.1962 bis 21.11.1990 die Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren zurückgelegt. Die Voraussetzungen zu Ziff. 1 und Ziff. 2 seien somit erfüllt. Nach den vorliegenden Unterlagen habe er allerdings nur vom 29.10.1962 bis 19.08.1973, also für 131 Monate Untertagetätigkeiten verrichtet. Gerundet gemäß Art. 2 § 26 Abs. 2 Nr. 4 RÜG entspreche dieses einer Dauer von nur 11 Jahren. Die Voraussetzung zu Ziff. 3 sei daher nicht erfüllt. Die Beklagte begründete ihre Ablehnung mit dem fehlenden Nachweis der Beendigung der Untertagetätigkeit durch eine "Delegierung". Nach der Direktionsanweisung Nr. R 7/1988 des FDGB-Bundesvorstandes sei eine Delegierung Voraussetzung, um die anschließenden Zeiten als Untertagezeiten geltend machen zu können.
Daraufhin erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er sei seinerzeit sehr wohl delegiert worden. Hierfür gebe es Zeugen. Außerdem wies er darauf hin, dass auch seine NVA-Zeit als Untertagezeit gerechnet werden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.1996 gab die Beklagte dem Kläger insoweit Recht; gleichwohl wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, da auch mit Einrechnung der NVA-Zeit ein Zeitraum von 15 Jahren Untertagetätigkeit nicht erreicht werde. Die Beklagte bekräftigte ihre Auffassung, dass der Änderungsvertrag vom 17.08.1973 "keine Delegierung im rechtlichen Sinne" sei.
Auf die dagegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz hat dies die Klage mit Urteil vom 27.11.1997 abgewiesen. Das Gericht folgte im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten und widersprach der im Klageverfahren erstmalig vorgebrachten Argumentation, ein Anspruch auf Bergmannsvollrente nach Art. 2 § 6 Abs. 2 RÜG müsse gegeben sein. Der Kläger habe nämlich seine Untertagetätigkeit nicht aus den in Art. 2 § 17 Abs. 3 Nr. 4b Doppelbuchst. b RÜG genannten Gründen aufgegeben; die Aufnahme der Tätigkeit als Lehrer für Marxismus entspreche nämlich nicht der dort genannten Übernahme einer so genannten Wahl- oder Berufungsfunktion.
Gegen das dem Kläger am 08.01.1988 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 04.02.1998 eingelegte Berufung. Es wird gerügt, dass das erstinstanzliche Urteil unter Verkennung der damaligen Handhabung in der DDR ergangen sei.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27.11.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.03.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Bergmannsvollrente ab dem 01.08.1994 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich der Kritik des Klägers am erstinstanzlichen Urteil insoweit an, als auch nach ihrer Auffassung von einer Delegierung doch ausgegangen werden müsse, wenn auch nicht eine Delegierung im Sinne des § 50 AGB-DDR vorgelegen habe.
Dem Gericht liegen neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht einen Anspruch des Klägers auf Bergmannsvollrente verneint.
Wie auch schon im Ausgangsbescheid vom 20.03.1996 ausgeführt wurde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Bergmannsvollrente nach dem RÜG daran, dass er nicht mindestens 15 Jahre Untertagetätigkeiten ausgeübt hat (Art. 2 § 6 Abs. 1 Ziff. 3 RÜG).
Durch Art. 2 RÜG wird geregelt, welche Person noch aus Vertrauensschutzgründen Ansprüche auf Renten nach den insoweit sachlich fortgeltenden Bestimmungen des Rentenrechts der DDR haben können. Art. 2 § 6 RÜG entspricht dabei sachlich dem § 37 der Rentenverordnung (RentenVO vom 15.03.1968, GBl. II Nr. 29 S. 135, 141), in der der Anspruch auf Bergmannsvollrenten geregelt war. Voraussetzungen für eine Rente nach Art. 2 § 6 RÜG ist, dass der Versicherte das 50. Lebensjahr vollendet hat und die Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren erfüllt, wovon mindestens 15 Jahre Untertagetätigkeit verrichtet sein müssen. Im Falle des Klägers fehlt es an einer Untertagetätigkeit von 15 Jahren. Es kann hier dahinstehen, ob die Zeit des Wehrdienstes wie eine Untertagetätigkeit zu bewerten ist, wie es die Beklagte offensichtlich getan hat. Anders als der Kläger meint können seine bergbaulichen Versicherungszeiten nach dem 20.08.1973 nicht wie Zeiten mit einer Berufstätigkeit unter Tage gewertet werden. Art. 2 RÜG enthält keine Regelung, wonach die Versicherungszeiten aufgrund einer Übertagetätigkeit im Bergbau nach einem Arbeitsplatzwechsel in besonderen Fällen wie die Renten mit Untertagetätigkeit gewertet werden können. Auch die RentenVO-DDR kannte eine solche Regelung nicht. Nach § 40 der RentenVO-DDR konnte die geforderte Wartezeit einer bergbaulichen Versicherung von 25 Jahren in bestimmten Fällen auch mit einer Tätigkeit außerhalb des Bergbaus erfüllt werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 2 § 17 Abs. 3 RÜG. Hinsichtlich des Erfordernisses der mindestens 15-jährigen Tätigkeit unter Tage war hingegen weder in der RentenVO noch in Art. 2 RÜG eine Gleichstellung bestimmter anderer Zeiten vorgesehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht für die Fälle, in denen die Aufgabe des Arbeitsplatzes mit der Untertagetätigkeit durch eine "Delegierung" verursacht wurde. § 47 der 1. Durchführungsbestimmung zur RentenVO vom 23.11.1977 bestimmte, dass Zeiten des Grundwehrdienstes auf die Untertagetätigkeit angerechnet werden, wenn unmittelbar vor oder nach diesen Dienstzeiten eine Untertagetätigkeit verrichtet wurde (Abs. 8 der Vorschrift). Einen Reflex im RÜG hat diese Vorschrift nicht gefunden. Vielmehr bestimmt Art. 2 § 23 Abs. 2 RÜG, was unter Untertagetätigkeiten im Sinne des Art. 2 § 6 Abs. 1 Ziff. 3 RÜG zu verstehen ist. Danach sind Untertagetätigkeiten 1. alle überwiegend unter Tage ausgeübten Tätigkeiten, 2. Arbeiten als Anschläger an der Hängebank, 3. ständige Arbeiten als Abnehmer an Schächten, 4. Arbeiten als Fördermaschinist, 5. Arbeiten als Kokereiarbeiter in der Steinkohlenindustrie, soweit diese bis 1945 Untertagetätigkeiten gleichgestellt waren, 6. Arbeiten als hauptamtlich im Grubenrettungsdienst Eingesetzter. Fiktive Untertagetätigkeiten, also Zeiten, die als Untertagetätigkeit gelten, werden in dem abschließenden Katalog des Art. 2 § 23 Abs. 4 RÜG genannt: 1. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Arbeits-, Unfall- oder Berufskrankheit unter Quarantäne, 2. Schwangerschafts- und Wochenurlaub, 3. Freistellung von der Arbeit zur Pflege erkrankter Kinder, wenn sich diese Zeiten unmittelbar an Untertagezeiten anschließen.
Nach dem geltenden Recht lässt sich also ein Anspruch gemäß Art. 2 § 6 Abs. 1 RÜG nicht begründen.
Im Übrigen bestimmte auch die zitierte Direktionsanweisung Nr. R 7/1988 des FDGB-Bundesvorstandes nicht etwa, dass eine Delegierung, sei sie nun auf Dauer oder auf Zeit, als Untertagetätigkeit gelte, vielmehr geht es dort lediglich um das Bestehenbleiben der bergbaulichen Versicherung. Auch wenn Buchstabe d dieses Schreibens ausführte, dass die Zeit der Delegierung bis zu höchstens fünf Jahren als bergmännische Tätigkeit sowohl für den Anspruch auf Bergmannsvoll- als auch auf Bergmannsaltersrente gilt, so war damit Bezug genommen auf die auch nach dem Rentenrecht der DDR (§ 34 RentenVO) erforderliche Versicherungszeit von 25 Jahren, nicht aber auf die 15-jährige Untertagetätigkeit.
Ein Anspruch aus Art. 2 § 6 Abs. 2 RÜG ist nicht gegeben, da die Tätigkeit unter Tage nicht im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen, infolge eine Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit oder infolge der Übernahme einer Wahl- oder Berufungsfunktion aufgegeben wurde. Die Übernahme der Tätigkeit als Lehrer an der Leitakademie DSF war weder eine "Wahl" im Sinne des § 66 AGB bzw. § 37 GBA in ein öffentliches Amt (beispielsweise als Richter am Obersten Gericht oder gewählter Staatsfunktionär, vgl. VO über das Verfahren bei der Berufung und Abberufung von Werktätigen vom 15.06.1961, GBl. II S. 235) noch handelte es sich dabei um eine Berufung (§ 38 Abs. 2 AGB) in eine leitende Funktion in Staat, Wirtschaft oder einer gesellschaftlichen Organisation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG.
Rechtskraft
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