L 6 KN 37/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 266/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 37/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit.

Der am ... geborene Kläger arbeitete nach dem Besuch der Grundschule zunächst von 1969 bis 1970 als Hilfsarbeiter, von August 1970 bis Januar 1973 als Sägewerksarbeiter, von Januar 1973 bis Oktober 1974 als Betonarbeiter, anschließend bis Ende 1974 als Schmelzer; ab 1975 war er als Verlader tätig. Am 19.12.1978 qualifizierte er sich zum Transport- und Lagerfacharbeiter; es handelte sich hierbei um eine zweijährige Ausbildung. In dem erlernten Beruf war er dann bis Ende 1988 tätig, danach folgten Tätigkeiten als Heizer (bis Ende 1991) als Wachmann (bis Ende 1992), als Gleisfachwerker und als Forstarbeiter. Vom 02.10.1995 bis 16.12.1995 war er arbeitslos, anschließend war er bis zum 22.03.1996 bei der Firma L ...-D ... GmbH in G ... als Lager- und Umschlagarbeiter tätig. Es handelte sich dabei um eine Tätigkeit, die im Prinzip während einer Einarbeitungszeit von 1 Woche erlernt werden kann. Der Kläger war in dieser Zeit nicht tariflich eingestuft, sondern erhielt im Dezember einen Stundenlohn von 10 DM brutto, ab Januar 1996 einen solchen von 13 DM brutto. Das Arbeitsverhältnis endete noch während der Probezeit durch Arbeitgeberkündigung. Anschließend war der Kläger wieder arbeitslos vom 23.03.1996 bis zum 28.11.1996, Arbeitsunfähigkeit wurde ab dem 18.10.1996 bescheinigt.

Am 03.12.1996 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 12.09.1997 bewilligte die Beklagte ihm Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Den weitergehenden Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.1997 ab: Der Kläger sei nicht berufsunfähig, da er noch als Bote, als Materialausgeber im Magazin, als Lichtpauser sowie für einfache, körperlich leichte Hilfstätigkeiten eingesetzt werden könne. Diese Tätigkeiten seien ihm im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI auch zumutbar und ermöglichten ihm, die Hälfte des Lohnes seines bisherigen Berufs zu verdienen. Damit sei die Erwerbsfähigkeit nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken. Grundlage hierfür war ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes vom 08.07.1997, wonach ihm diese Tätigkeiten trotz gesundheitlicher Einschränkungen möglich seien. Festgestellt wurden folgende Beschwerden und Behinderungen: 1. Generalisiertes Wirbelsäulensyndrom, am ehesten myostatisch bedingt, 2. psychische Herabgestimmtheit bei unklarer sozialer Situation und einfacher Primärpersönlichkeit, 3. grenzwertiger Bluthochdruck, 4. Zustand nach Radikaloperation des rechten Ohres wegen eines Cholesteatoms 1994 ohne Restbeschwerden, 5. symptomlose Gallenblasensteine, 6. kleiner kalter Knoten im linken Schilddrüsenlappen bei ausgeglichener Schilddrüsenhormonlage, 7. Cholesterinerhöhung.

Der Kläger legte am 11.08.1997 gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein. Er sei krank und könne nicht als Lager- und Umschlagarbeiter arbeiten, die Massagen und Unterwassermassagen hätten ihm nur eine kurzfristige Linderung aber keine wirkliche Besserung gebracht. Mit dem Bescheid vom 07.05.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung sei nicht gleichbedeutend mit dem der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Es sei auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob eine der genannten Verweisungstätigkeiten vermittelt werden könne oder nicht. Dieses Risiko habe nämlich nicht die gesetzliche Rentenversicherung zu tragen, sondern die Arbeitslosenversicherung.

Auf die Klage zum Sozialgericht Chemnitz (SG) hat dieses Prof. D ... mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. Prof. D ... kam nach Untersuchung des Klägers am 19.02.1999 zu dem Ergebnis, dass der Schwerpunkt in der Schmerzsymptomatik zu sehen sei, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sei nicht möglich. Auch seien Arbeiten, die mit Bücken und Erreichen der Fußbodenfläche einhergehen, aufgrund der eingeschränkten Mobilität der Wirbelsäule nicht realisierbar. Nässe- und Kälteeinwirkungen seien im Wesentlichen zu meiden, auch könne der Kläger nicht am Fließband oder an laufenden Maschinen eingestzt werden, da es dort zu fixierten Körperhaltungen komme. Er sei nicht in der Lage, Überkopfarbeiten zu realisieren, auch für Arbeiten mit Armvorhalten könne er nur im Ausnahmefall eingesetzt werden. Leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen seien ihm jedoch 8 Std. täglich zumutbar.

Unter Berufung auf dieses Gutachten hat das SG die Klage mit Urteil vom 18.08.2000 abgewiesen. Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig, da ihm leichte Tätigkeiten vollschichtig nach wie vor zuzumuten seien und er als angelernter Arbeiter auf die Tätigkeit eines Bürohilfsarbeiters verwiesen werden könne.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Auf seinen Antrag hin wurde Prof. Dr. G. R ..., H ..., beauftragt, ein weiteres Gutachten nach Untersuchung des Klägers zu erstellen. In diesem Gutachten (Datum: 25.09.2001) bestätigt Prof. R ... im Wesentlichen die Einschätzung der Vorgutachter; der Gesundheitszustand habe sich im Vergleich zu dem Gutachten vom 08.07.1997 und vom 23.02.1999 weder verschlechtert noch verbessert. Darüber hinaus kommt der Gutachter sogar zu dem Ergebnis, dass dem Kläger "mindestens leichte und mittelschwere" Arbeiten zumutbar seien, Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen seien ihm "altersentsprechend" zumutbar. Diese von den Vorgutachtern zu Ungunsten des Klägers abweichende Einschätzung rührt daher, dass dem untersuchenden Arzt verschiedene Schmerzangaben als demonstrativ und ohne klinisches Korrelat erschienen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18.08.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.05.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18.08.2000 zurückzuweisen.

Dem Senat liegen außer den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vor. Die Beteiligten haben sich gem. § 124 Abs. 2 SGG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Anhörung des vom Kläger bestimmten Arztes nach § 109 SGG hat demgegenüber keine neuen Erkenntnisse gebracht. Der Kläger ist vollschichtig als Bürohilfsarbeiter einsetzbar. Dies genügt in seinem Fall, um einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abzulehnen. Zwar hat der Kläger am 03.12.1996 durch Ankreuzen lediglich eine Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt. Hierbei handelte es sich jedoch, wie aus seinem weiteren Verhalten deutlich geworden ist, um ein offensichtliches Versehen. Streitgegenständlich ist somit auch die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wobei im Falle des Klägers die Voraussetzungen identisch sind. Die 2-jährige Ausbildung zum Transport- und Lagerfacharbeiter dürfte schon nicht dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen sein, denn hierfür ist grundsätzlich Voraussetzung, dass ein Ausbildungsberuf im Sinne des § 25 BBiG mit mehr als 2-jähriger Ausbildung (in der Regel 3-jährige Ausbildung) erlernt worden ist (vgl. BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107; BSGE 59, 201 = SozR 2200 § 1246 Nr. 132). Im Übrigen hatte sich der Kläger auch bereits mit der Jahreswende 1988/89 von diesem Beruf gelöst und sich endgültig wieder anderen - ungelernten - Tätigkeiten (Heizer, Wachmann, Gleisfachwerker, Forstarbeiter) zugewendet (vgl. BSGE 2, 182; BSGE 46, 121 = SozR 2600 § 45 Nr. 22). Es kann daher auch dahinstehen, inwiefern die bis 1988 ausgeübte Tätigkeit tarifvertraglich dem bundesdeutschen Facharbeiter für Transport- und Lagerwirtschaft nach dem Berufsbildungsgesetz gleichgestellt war (vgl. BSGE 43, 243 = SozR 2200 § 1246 Nr. 16; BSGE 58, 239 = SozR 2200 § 1246 Nr. 129).

Jedenfalls ist der Kläger durch die kurze Beschäftigung bei der Firma L ...-Dienstleistungs GmbH auch nicht in einen erlernten Beruf zurückgekehrt. Hierbei handelte es sich nämlich um eine eigentlich ungelernte Tätigkeit mit lediglich betrieblicher Einweisung von ca. 1 Woche.

Selbst wenn der Kläger aufgrund seiner Tätigkeiten ab 1989 dem oberen Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufs (angelernte Tätigkeiten) zuzuordnen wäre (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 140 m. w. N.), wäre er auf den vom Sozialgericht genannten Beruf des Bürohilfsarbeiters zumutbar zu verweisen (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.1989, SozR 2200 § 1246 Nr. 165; für die Zumutbarkeit des Verweisungsberufs "Bürohilfsarbeiter" vgl. auch LSG Essen, Urteil vom 03.11.2000 - L 14 RJ 246/99 BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.03.1988 - und Urteil vom 06.07.2001 - L 13 RJ 1/99 -). Ein Anspruch auf Rente wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wird auch für über 50-jährige Versicherte, die nur noch leichte Arbeit verrichten können, allgemein von der Rechtsprechung verneint (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.1994, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41). Für den unter 50-jährigen Kläger kann daher keineswegs von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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