Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 14 KN 9/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 41/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.07.1999 wird zurückgewiesen.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 wird aufgehoben, soweit ein Zahlungsanspruch verneint wird.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf Bergmannsinvalidenrente nach dem Übergangsrecht des Beitrittsgebiets "rechtzeitig", d. h. vor dem 31.12.1996 entstanden ist.
Die am ...1942 geborene Klägerin arbeitete seit Juli 1959 nach dem Abschluss der 10. Klasse in verschiedenen Berufen, beispielsweise als Serviererin, Stationshilfe und Verkäuferin, eine bergbauliche Versicherung bestand während ihrer Tätigkeit als Sicherungsposten vom 19.02.1964 - 31.12.1966 und als Gleisarbeiterin vom 01.01.1967 - 15.03.1976. Während der letztgenannten - körperlich sehr schweren - Tätigkeit erlitt sie zwei Fehlgeburten. Dies war auch der Grund dafür, dass sie sich - auf Anraten ihres Ehemannes - im März 1976 nach einer körperlich leichteren Tätigkeit umsah und diese zum 13.04.1976 aufnahm. Zum 24.10.1984 gab sie jede versicherungspflichtige Tätigkeit auf, unmittelbarer Anlass war eine Histerektomie, welche verschiedene Komplikationen und eine allgemeine Schwächung verursacht hatte.
Nachdem die Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 20.10.1993 die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mit Bescheid vom 31.01.1994 wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt hatte, beantragte die Klägerin am 09.09.1994 Invalidenrente nach Art. 2 § 7 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG). Die daraufhin mit einer medizinischen Begutachtung beauftragte Ärztin Frau Dipl.-Med. M ... stellte in somatischer Hinsicht lediglich eine zweigeteilte Kniescheibe sowie eine Struma bei unauffälliger Schilddrüsenfunktion fest; gleichwohl vertrat sie die Auffassung, dass die Klägerin weder in ihrem einstigen Beruf als Gleisbauarbeiterin noch als ungelernte Verkäuferin tätig sein könne: Grund hierfür seien die von der Klägerin als leistungsbeeinträchtigend empfundenen Schmerzen im Nackenbereich, die am ehesten auf Verspannungen der Muskulatur zurückzuführen seien. Eine körperlich leichte Tätigkeit beispielsweise als Pförtnerin, Schaltwart, Serienprüferin im Wareneingang oder Bürohilfe sei allerdings durchaus noch zumutbar.
Am 14.05.1995 verstarb der Ehemann der Klägerin. Sie nahm daraufhin 15 kg ab und litt verstärkt unter Schweißausbrüchen, Herzrasen, Nervosität, Zittern, Muskelspannung und Schwindelgefühl. Eine - noch nicht generalisierte - Angststörung war schon seit 1971 bekannt.
Mit Bescheid vom 17.01.1996 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab: Der Leistungsfall der Invalidität liege nicht vor, da die Klägerin nach ärztlicher Einschätzung noch in der Lage sei, im knappschaftlichen Bereich als Pförtnerin oder Schaltwart und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darüber hinaus als Bürohilfe oder Serienprüferin im Wareneingang tätig zu sein. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15.03.1996 als unbegründet zurückgewiesen: Dem Anspruch stehe schon das vollschichtige Leistungsvermögen der Klägerin entgegen.
Auf die Klage zum Sozialgericht Chemnitz hat dieses zunächst ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt. Der Gutachter Dr. G ... kam nach Auswertung der Röntgenbilder, schriftlichen Unterlagen und selbst erhobenen Befunde in seinem Gutachten vom 19.01.1998 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine extreme Depression, extreme Belastungsinsuffizienz und völlige Erschöpfbarkeit bei schwerer schmerzneurotischer Fixierung vorliege. Orthopädischerseits seien keine nennenswerten Behinderungen festzustellen, das Bewegungsverhalten der als hochschmerzhaft empfundenen Wirbelsäule sei fast noch im Normbereich. Die geistige und körperliche Versehrtheit lasse nur eine 2-stündige bis unterhalbschichtige Tätigkeit zu. Invalidität liege ab dem 04.06.1996 vor. Nachdem die Beklagte eingewandt hatte, Genese und Therapiemöglichkeit einer psychischen Störung sowie deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit seien durch ein orthopädisches Gutachten nicht zu klären, beauftragte das SG Frau Doz. Dr. med. habil. Th. V ..., Universität L ..., mit der Erstellung eines psychosomatischen Fachgutachtens. Auch in diesem Gutachten vom 05.03.1999 wird Invalidität bejaht. Die Gutachterin legt dar, dass eine Herzangstneurose, die erstmalig im 29. Lebensjahr aufgetreten sei, mit dem Tod des Ehemannes im Jahre 1995 in eine generalisierte Angststörung (F 41.1 nach ICD 10) übergegangen sei. Außerdem sei bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4 nach ICD 10) zu diagnostizieren. Eine solche liege vor, wenn glaubhaft dauernde Schmerzzustände geklagt würden, die durch körperliche Störungen nicht oder nicht ausreichend erklärt werden könnten. Sie finde sich vor allem bei Menschen, die seelische Belastungen und Schmerzen nur in Form körperlicher Beschwerden ausdrücken könnten. Sie trete häufig nach einem harten, durch schwere körperliche Arbeit gekennzeichneten Leben auf, in welchem Wünsche nach Passivität und Schonung stets hätten zurückgedrängt werden müssen. Es handele sich bei der jetzt aufgetretenen Symptomatik um ein komplett unbewusstes Geschehen. Eine Heilbehandlung sei nicht möglich.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hat sich dieser Beurteilung angeschlossen, jedoch bezweifelt, dass der Leistungsfall vor dem 14.02.1998 liegen könne. Erst zu diesem Zeitpunkt sei nämlich eine psychische Störung von Krankheitswert ärztlich belegt.
Gestützt auf einen Befundbericht des Orthopäden Dr. F ..., in welchem attestiert wird, die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei seit dem 04.06.1996 so weit gemindert, dass sie nicht mehr in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 06.07.1999 die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 01.07.1996 Bergmannsinvalidenrente zu gewähren. Die Entscheidung wurde des Weiteren mit einem Befundbericht der Allgemeinärztin Frau Dr. S ...- ... vom 21.06.1999 begründet, in welchem der Monat Dezember 1995 (das erste Weihnachten nach dem Tod des Ehemannes) als der Zeitpunkt genannt wird, ab dem der Klägerin eine regelmäßige Erwerbsarbeit nicht mehr möglich gewesen sei. "Im Übrigen" hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI bestehe kein Anspruch.
Die Berufung der Beklagten wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Befundberichte von Herrn Dipl.-Med. F ... und Frau Dr. S ... bloße Atteste seien, in welchen eine psychische Sörung von Krankheitswert gerade nicht befundet sei. Auffallend sei auch, dass die Klägerin selbst weder in ihrem 2.Rentenantrag vom 03.04.1996 noch in ihrem Widerspruchsschreiben vom 03.06.1996 psychische Störungen erwähnt habe.
Während des Berufungsverfahrens, am 23.01.2001, erging ein Urteilsrentenbescheid, mit welchem der Klägerin - in Ausführung des sozialgerichtlichen Urteils - Bergmannsinvalidenrente nach Art. 2 § 8 RÜG in Höhe von monatlich 552,- DM bewilligt, ein Zahlungsanspruch jedoch mit der Begründung verneint wurde, die Klägerin beziehe seit dem 01.06.1995 Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehegatten in Höhe von anfänglich DM 1.736,72, das sei mehr als die Summe der Leistungen (Bergmannsinvalidenrente und fiktive Witwenrente), berechnet nach dem Art. 2 RÜG.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.07.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.07.1999 zurückzuweisen und den Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 insoweit aufzuheben, als ein Zahlungsanspruch verneint wird.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Den Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente nach Art. 2 § 8 RÜG, der im Übrigen der einzig streitgegenständliche Anspruch (§ 95 SGG) im sozialgerichtlichen Verfahren war, hat das SG zu Recht bejaht. Auf die Entscheidungsgründe wird insoweit Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Von der Berufungsklägerin werden weder die Vorversicherungszeiten (Art. 2 § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 3 RÜG), die besonderen persönlichen Voraussetzungen (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RÜG) noch der Tatbestand der Invalidität als solcher in Abrede gestellt, auch zweifelt die Beklagte die Schlüssigkeit des psychosomatischen Gutachtens weder hinsichtlich der Diagnosen noch hinsichtlich der Einschätzung des Restleistungsvermögens an, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. Die Berufungsklägerin bezweifelt lediglich, dass eine so gravierende Angststörung und somatoforme Schmerzstörung bereits vor dem 14.01.1998 (Gutachten Dr. G ...) vorgelegen habe; sie negiert damit den für die Anwendbarkeit des Übergangsrechts erforderlichen Rentenbeginn zwischen dem 01.01.1992 und dem 31.12.1996 (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG).
Der Senat ist allerdings davon überzeugt, dass die dramatische Verschlimmerung des Zustandes der Klägerin in zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod ihres Mannes zu sehen ist. Dies wird in dem Gutachten der Frau Dr. med. habil. Th. V ... überzeugend und nachvollziehbar aufgezeigt. Ein Zwischenbericht der Hausärztin vom 28.01.1997 bestätigte diese Sachlage. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) sieht der Senat sich darüber hinaus auch nicht gehindert, den ärztlichen Bescheinigungen des Dipl.-Med. F ... vom 17.06.99 und der Frau Dr. S ... vom 21.06.1999 einen entscheidenden Beweiswert zukommen zu lassen, seien sie nun kurze gutachterliche Stellungnahmen, Befundberichte oder lediglich Atteste. Gemein ist ihnen, dass sie die typische - von Frau Dr. V ... erstmalig diagnostisch umfassend eingeordnete - Symptomatik eindeutig für den entscheidenden Zeitraum - also jedenfalls ab Juni 1996 - bekunden. Wenn vor der Untersuchung durch Frau Dr. V ... eine entsprechende Diagnose noch nicht vorlag, heißt das nicht, dass das Krankheitsgeschehen auch nicht vorlag. So ist es auch nicht zulässig, den Tag der von Dr. G ... geäußerten Verdachtsdiagnose zum Stichtag zu erklären, wie es offenbar vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten angeregt wurde: Grund für diese Verdachtsdiagnose war ja nicht etwa eine nunmehr zum ersten Mal auftretende intensive psychopathologische Symptomatik, Grund war vielmehr der Umstand, das eine umfassende orthopädische Exploration keine hinreichende Erklärung für die - damals schon chronifizierte - Symptomatik erbringen konnte. Die Beklagte kann auch nicht einwenden, die Klägerin habe selbst nie von einem psychopathologischen Geschehen gesprochen. Dies war damals ebenso wie für die Dauer des Klage- und Berufungsverfahrens nicht anders zu erwarten und ist ja gerade auch - wie Frau Dr. V ... dargelegt hat - zentraler Bestandteil der Erkrankung: die unbewusste Projektion eines psychopathologischen Geschehens in die verschiedensten - nicht zu beherrschenden - körperlichen Missempfindungen und Funktionsausfälle, eben die Somatisierung.
Die Klägerin hat daher Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente gem. Art. 2 § 8 RÜG ab dem 01.07.1996. Sie hat auch Anspruch auf Auszahlung.
Der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 ist, wie die Beklagte auch selbst erkannt hat, Gegenstand des Berufungsverfahrens gem. §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG geworden. Zwar gilt grundsätzlich, dass sogenannte Urteilsrentenbescheide als lediglich vorläufige Regelungen gerade nicht den angefochtenen Verwaltungsakt i.S.d. § 96 Abs. 1 SGG abändern oder ersetzen (BSGE 9, 169; BSG SozR § 96 Nr. 12), hier gilt jedoch die Besonderheit, dass über die bloße Ausführung des sozialgerichtlichen Urteils hinaus noch eine Regelung nach § 319b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) getroffen wurde. Nach der Rechtsprechung des BSG ist § 96 SGG aus prozessökonomischen Gründen entsprechend anzuwenden, wenn der ursprünglich mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt durch die während des Berufungsverfahrens ergangene Verwaltungsentscheidung zwar nicht "abgeändert oder ersetzt" wird, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses ergangen ist und ein streitiges Rechtsverhältnis regelt, das sich an die von dem angefochtenen Verwaltungsakt erfassten Zeiten anschließt (vgl. BSGE 77, 175, 176 f.; 78, 98, 101 f.; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Ein solcher innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn während des Berufungsverfahrens eine Entscheidung nach § 319b SGB VI getroffen wird (BSG, Urt. v. 24.02.1999, - B 5/4 RA 57/97 R -) Der Senat hat also - von Amts wegen - über die materielle Richtigkeit dieses Bescheides unabhängig von Prozesshandlungen der Beteiligten zu befinden; ebenso wie in der ersten Instanz eine Klageerweiterung entbehrlich ist (vgl. Meyer-Ladewig § 96 SGG Rn. 11), ist es in der zweiten die Anschlussberufung.
Zu Unrecht hat die Beklagte einen Zahlungsanspruch verneint. Den Wegfall einer ganzen Rentenart aus dem einzigen Grunde, das die eine Rente nach dem SGB VI, die andere nach dem RÜG berechnet wird, sieht § 319b SGB VI nicht vor. Eine solche Rechtsfolge würde sich auch kaum rechtfertigen lassen: Wären beide Renten nach dem RÜG zu bewilligen gewesen, so hätte eine dem DDR-Recht entsprechende Anrechnung (Art. 2 § 41 Abs. 2 RÜG) stattgefunden; hätte es sich in beiden Fällen um SGB VI -Renten gehandelt, so wären die Anrechnungsvorschriften dieses Gesetzes (§ 97 SGB VI) unproblematisch zur Anwendung gekommen
Ein von diesen beiden Berechnungsmodalitäten abweichender ersatzloser Wegfall der niedrigeren Rente ist in § 319b SGB VI nicht normiert. Weder die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Wortlaut lassen sich dafür heranziehen.
§ 319b SGB VI wurde durch Art. 1 Nr. 33 RÜ-ErgG vom 24.06.1993 (BGBl. I, 1038) eingefügt und ist gemäß Art. 18 Abs. 4 RÜ-ErgG rückwirkend zum 01.01.1992 in Kraft getreten. Er ersetzt Art. 2 § 45 RÜG, der mit Wirkung vom 01.01.1992 gestrichen wurde. Art. 2 § 45 RÜG lautete:
Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach den Vorschriften dieses Artikels und auf solche nach dem SGB VI, wird die nach Anwendung der jeweiligen Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen höhere Gesamtleistung erbracht. Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, wird für die Feststellung der Gesamtleistung nach Satz 1 diese Rente nach den Vorschriften dieses Artikels neu berechnet. Bei gleich hohen Gesamtleistungen wird die Gesamtleistung nach dem SGB VI erbracht.
Fände diese Vorschrift auf den Fall der Klägerin noch Anwendung, so wäre also zu vergleichen, welche Gesamtleistung sich ergibt, wenn die Leistungen nach dem SGB VI so angerechnet werden, als wären sie Leistungen nach dem RÜG und welche Gesamtleistung sich ergibt, wenn die Leistungen nach dem RÜG so angerechnet werden, als wären sie Leistungen nach dem SGB VI. Erst das Ergebnis dieses Vergleiches entscheidet, ob die Gesamtleistung nach dem RÜG oder nach dem SGB VI zu erbringen ist. Dieses Prozedere wurde insbesondere deswegen für unpraktikabel gehalten, weil es ohne jeweilige Einschaltung der Sachbearbeitung im Einzelfall nicht zu bewältigen war. Von den Rentenversicherungsträgern wurde daher im Rahmen der Vorbereitung des RÜ-ErgG vorgebracht, dass ein Verfahren wünschenswert sei, welches eine maschinelle Bearbeitung erlaube. Diesem Begehren trug § 319b in der Fassung des RÜ-ErgG Rechnung. Eine sachliche Änderung war jedoch keinesfalls beabsichtigt. Der entsprechende Passus in der Begründung des Referentenentwurfs lautet (BT-Drucks. 12/4810, S. 27):
Mit der vorgeschlagenen Änderung wird sichergestellt, dass das mit der bisherigen Regelung verfolgte Regelungsziel in einem maschinellen Verfahren umgesetzt werden kann. Die Regelung legt fest, dass stets die nach den Vorschriften des SGB VI ermittelte Gesamtleistung (eine oder mehrere Renten) geleistet wird. Ist die Gesamtleistung nach den Vorschriften des SGB VI niedriger als die Gesamtleistung nach den Vorschriften des Art. 2 des RÜG, wird zusätzlich ein Übergangszuschlag in Höhe der Differenz zwischen der Gesamtleistung nach den Vorschriften des Art. 2 und der Gesamtleistung nach den Vorschriften des SGB VI gezahlt. Im Ergebnis wird sichergestellt, dass der nach den Vorschriften des Art. 2 des RÜG ermittelte Betrag der Gesamtleistung gezahlt wird. Ändert sich die Gesamtleistung nach den Vorschriften des SGB VI oder die nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets (z.B. durch Rentenanpassung oder im Wege der Einkommensanrechnung), ist der Übergangszuschlag neu zu ermitteln.
Rechtstechnisch ist also zunächst einmal das Problem der Rechtswahl entschieden: Die neu ermittelte Gesamtleistung gilt immer als Leistung nach dem SGB VI; wäre die Leistung nach dem RÜG höher, so wird nicht, wie in Art. 2 § 45 RÜG vorgesehen, diese Leistung gezahlt, sondern gleichwohl die Leistung nach dem SGB VI zzgl. eines Übergangszuschlages, dessen Berechnung freilich nicht immer einfach ist, die jedoch maschinell erfolgen kann. Ein rigoroser Wegfall der jeweils niedrigeren Rente ist jedoch, wie sich auch aus der Begründung ergibt, nicht vorgesehen.
Die Beklagte interpretiert § 319b Satz 1 SGB VI falsch, wenn sie daraus diese Rechtsfolge herleitet. § 319b Satz 1 SGB VI lautet:
Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches und auf solchen nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, werden die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht.
Die Beklagte hat in ihrer Auslegung gewissermaßen das Wörtchen "nur" in den Text hineininterpretiert, welches dort jedoch mit gutem Grund nicht zu finden ist. Die Rechtsfolge lautet nicht: " ..., werden nur die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht". Dieser Satzteil ist vielmehr folgendermaßen zu lesen: " ..., werden die zustehenden Leistungen als Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht".
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Kommentarliteratur. Auch KassKomm Polster betont, dass die höhere Gesamtleistung nach dem SGB VI erbracht wird (a.a.O. § 319b SGB VI, Rn. 2). Hiermit wird offensichtlich auf den Begriff aus Art. 2 § 45 RÜG Bezug genommen, der sich in § 319b S. 1 SGB VI nicht mehr befindet, woraus aber jetzt nicht etwa der Schluss gezogen werden darf, dass nicht mehr die Gesamtleistungen verglichen werden, sondern die einzelnen Renten. § 319b S. 2 SGB VI greift nämlich den Begriff der Gesamtleistung wieder auf und macht damit deutlich, dass es sich um einen Summenvergleich handelt (vgl. KassKomm Polster a.a.O. Rn. 7). Schon Art. 2 § 45 RÜG war auf den Fall zugeschnitten, dass ein Anspruch auf jeweils mehrere Renten nach dem SGB VI und nach dem RÜG besteht (vgl. KassKomm-Polster Art. 2 § 45 RÜG Rn. 4). Durch die Regelung sollte verhindert werden, dass ein Rentner bei echter Anspruchskonkurrenz gewissermaßen die Möglichkeit der Rechtswahl hat und dadurch eine Kombination der beiden jeweils höheren Leistungen herbeiführen kann (vgl. BT-Drucks 12/405 S. 146). Ein "Günstigkeitsprinzip" sollte insofern nur hinsichtlich des Summenvergleiches greifen (vgl. a.a.O.). Diese Grundsätze lassen sich begreiflicherweise nicht auf den Fall des Bestands einer Rente übertragen, wenn also nicht die Höhe der entscheidende Berechnungsposten ist, sondern - wie hier - das "Ob". An diesen Fall war weder bei der Schaffung des Art. 2 § 45 RÜG noch bei dessen Umschaffung zu § 319b SGB VI gedacht worden. Die Besonderheit im Fall der Klägerin besteht darin, dass - je nachdem, welches Gesetz gewählt wird - für eine Rentenart schon dem Grunde nach ein Anspruch nicht besteht. In der Berechnung zum Bescheid vom 23.01.01 hat die Beklagte dies offensichtlich - jedenfalls für die Witwenrente nach dem RÜG - als unschädlich angesehen und somit eine echte Fiktivberechnung durchgeführt. Ein - von der Beklagten zugrunde gelegter Anspruch auf Witwenrente nach Art. 2 § 12 RÜG kann nämlich schon deswegen nicht bestehen, weil in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des Art. 2 § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 RÜG nicht erfüllt waren: Weder hatte die Klägerin die Altersgrenze für den Anspruch auf Altersrente (nach dem Überleitungsrecht) erfüllt, noch war sie bei Entstehung des Anspruchs auf Witwenrente invalide, noch hatte sie ein Kind unter drei Jahren oder zwei Kinder unter acht Jahren zu erziehen. Wenn die Beklagte nun auf der Seite des RÜG in diesem Sinne "fiktive" Ansprüche berücksichtigt, dann hätte sie dies konsequenterweise auch auf der Seite des SGB VI tun müssen: Die der Bergmannsinvalidenrente nach Art. 2 § 8 RÜG auf Seiten des SGB VI am ehesten korrespondierende Rente ist die Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 44 SGB VI mit dem Rentenartfaktor nach § 82 S. 1 Nr. 3 SGB VI (jeweils in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung). Auf diese Leistung bestand bekanntlich wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (3/5-Belegung) kein Anspruch. Wendet man Art. 2 § 45 RÜG oder den sachlich keine Änderung bringenden § 319b SGB VI auch auf den Fall des Zusammentreffens zweier verschiedenartiger Einzelrenten aus den beiden Gesetzen an, so bekommen die Vorschriften einen Charakter, der ihnen nicht zugedacht war (so auch: KassKomm-Polster Art. 2 § 45 RÜG Rn. 4, hier wird allerdings eine entsprechende Anwendung befürwortet). Art. 30 Abs. 5 EinigVtr schreibt einen doppelten Besitzstandsschutz fest: Für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Rahmenfrist des RÜG (das ursprünglich vorgesehene Fristende 30.06.1995 wurde im Hinblick auf Vorgaben des Ersten Staatsvertrags - Sozialunion - auf den 31.12.1996 verlegt) beginnt, wird
1. eine Rente grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrags geleistet, der sich am 30.06.1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht in dem Beitrittsgebiet ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen ergeben hätte,
2. eine Rente auch dann bewilligt, wenn am 30.06.1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht im Beitrittegebiet ein Rentenanspruch bestanden hätte.
Der Stichtag "30.06.1990" ist in diesem Zusammenhang nicht als Datum zu verstehen, an welchem die Tatbestandsvoraussetzungen sämtlich vorgelegen haben müssen, es handelt sich lediglich um die Beschreibung des Rechtszustandes vor Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, die Doppelgarantie des Art. 30 Abs. 5 EinigVtr war ausdrücklich für alle so genannten "rentennahen Jahrgänge" konzipiert (vgl. BSG, Urt. v. 25.05.2000 - B 8 KN 4/99 R - Kompass 2000, 360 f.) unabhängig von der Frage, ob am 30.06.1990 schon in der jeweiligen Person des Anspruchstellers alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht waren. Dies wird auch deutlich durch die Wahl des Konjunktivs ("hätte"). Die Praxis der Beklagten unterschlägt gewissermaßen Ziff. 2 der genannten "Doppelgarantie", indem sie den Besitzstandsschutz allein auf den Zahlbetrag reduziert. So darf aber die Absicht des Gesetzgebers, nach einer Übergangszeit möglichst ein einheitliches Rentenrecht zu schaffen, nicht missverstanden werden. Auch nach dem 01.01.1997 bleiben RÜG-Renten in ihrem Bestand erhalten (vgl. Busch, Rückblick auf den Vertrauensschutz für Renten nach den Grundsätzen des DDR-Rechts, Kompaß 1997, 125). Die Tatsache, dass die Klägerin keinen Anspruch auf EU-Rente nach dem SGB VI hat, rechtfertigt es nicht, unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes auch den Verlust der Bergmannsinvalidenrente als zumindest systemgerecht anzusehen. Beruht doch der Anspruchsverlust hinsichtlich der SGB VI-Rente gerade auf den Besonderheiten der Überführung des DDR-Rechts und der damit zwangsweise einhergehenden Verwerfungen: Der 5-Jahreszeitraum reichte - ausgehend von der Antragstellung am 20.10.93 weit in DDR-Zeiten hinein. Das DDR-Recht sah einen Verlust eines einmal entstandenen Anspruchs allein durch Zeitablauf nicht vor. Durch die Bewertung der Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet bis zum 31.12.1991 als Anwartschaftserhaltungszeiten gem § 241 Abs. 2 Nr. 6 SGB VI wird lediglich der Unmöglichkeit Rechnung getragen, im Beitrittsgebiet freiwillige Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung geleistet zu haben; der im Einigungsvertrag zugesagte Besitzstandsschutz für die rentennahen Jahrgänge ist damit gerade nicht gewähreistet.
Zu Recht hat die Beklagte in dem Bescheid vom 23.01.2001 festgestellt, dass ein Übergangszuschlag nicht zu zahlen ist: die Summe der - teilweise fiktiven - Leistungen nach dem RÜG ist in jedem Fall geringer als die der - ebenfalls teilweise fiktiven - Gesamtleistungen nach dem SGB VI. Dies ist nämlich schon deswegen der Fall, weil die errechnete Summe von 1085,00 DM bereits unter dem Betrag der Einzelleistung "Witwenrente nach dem SGB VI" liegt. Unzulässig ist jedoch der Schluss von der Negation des Anspruches auf einen Übergangszuschlag auf die Negation des Anspruchs auf Leistungen nach dem RÜG schlechthin. Der Rechtssatz, dass Leistungen nach dem RÜG infolge des Rü-ErgG v. 24.06.1993 (BGBl I 1038) nur noch in der Form des Übergangszuschlages erbracht werden könnten, existiert nicht. Die Bergmannsinvalidenrente ist als Einkommen i.S.d. § 18a Abs. 3 Nr. 2 SGB IV in der Gemäßheit des § 97 SGB VI auf die Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI anzurechnen. Für diese Anrechnung ist der Versicherungsträger, welcher die Witwenrentenleistungen erbringt, zuständig. Voraussetzung für eine Anrechnung ist, dass das Erwerbsersatzeinkommen (die Bergmannsinvalidenrente) "erzielt" wird.
Es war daher wie geschehen zu entscheiden. Inwiefern die Klageabweisung "im Übrigen" angesichts des beschränkten Streitgegenstandes gerechtfertigt war, hat der Senat mangels Anfechtung des Urteils durch die Klägerin nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und betrifft nur die Berufungsinstanz, über die erstinstanzliche Kostenverteilung hatte der Senat nicht zu befinden, da das Urteil insoweit ebenfalls nicht angefochten wurde.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 wird aufgehoben, soweit ein Zahlungsanspruch verneint wird.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf Bergmannsinvalidenrente nach dem Übergangsrecht des Beitrittsgebiets "rechtzeitig", d. h. vor dem 31.12.1996 entstanden ist.
Die am ...1942 geborene Klägerin arbeitete seit Juli 1959 nach dem Abschluss der 10. Klasse in verschiedenen Berufen, beispielsweise als Serviererin, Stationshilfe und Verkäuferin, eine bergbauliche Versicherung bestand während ihrer Tätigkeit als Sicherungsposten vom 19.02.1964 - 31.12.1966 und als Gleisarbeiterin vom 01.01.1967 - 15.03.1976. Während der letztgenannten - körperlich sehr schweren - Tätigkeit erlitt sie zwei Fehlgeburten. Dies war auch der Grund dafür, dass sie sich - auf Anraten ihres Ehemannes - im März 1976 nach einer körperlich leichteren Tätigkeit umsah und diese zum 13.04.1976 aufnahm. Zum 24.10.1984 gab sie jede versicherungspflichtige Tätigkeit auf, unmittelbarer Anlass war eine Histerektomie, welche verschiedene Komplikationen und eine allgemeine Schwächung verursacht hatte.
Nachdem die Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 20.10.1993 die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mit Bescheid vom 31.01.1994 wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt hatte, beantragte die Klägerin am 09.09.1994 Invalidenrente nach Art. 2 § 7 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG). Die daraufhin mit einer medizinischen Begutachtung beauftragte Ärztin Frau Dipl.-Med. M ... stellte in somatischer Hinsicht lediglich eine zweigeteilte Kniescheibe sowie eine Struma bei unauffälliger Schilddrüsenfunktion fest; gleichwohl vertrat sie die Auffassung, dass die Klägerin weder in ihrem einstigen Beruf als Gleisbauarbeiterin noch als ungelernte Verkäuferin tätig sein könne: Grund hierfür seien die von der Klägerin als leistungsbeeinträchtigend empfundenen Schmerzen im Nackenbereich, die am ehesten auf Verspannungen der Muskulatur zurückzuführen seien. Eine körperlich leichte Tätigkeit beispielsweise als Pförtnerin, Schaltwart, Serienprüferin im Wareneingang oder Bürohilfe sei allerdings durchaus noch zumutbar.
Am 14.05.1995 verstarb der Ehemann der Klägerin. Sie nahm daraufhin 15 kg ab und litt verstärkt unter Schweißausbrüchen, Herzrasen, Nervosität, Zittern, Muskelspannung und Schwindelgefühl. Eine - noch nicht generalisierte - Angststörung war schon seit 1971 bekannt.
Mit Bescheid vom 17.01.1996 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab: Der Leistungsfall der Invalidität liege nicht vor, da die Klägerin nach ärztlicher Einschätzung noch in der Lage sei, im knappschaftlichen Bereich als Pförtnerin oder Schaltwart und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darüber hinaus als Bürohilfe oder Serienprüferin im Wareneingang tätig zu sein. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15.03.1996 als unbegründet zurückgewiesen: Dem Anspruch stehe schon das vollschichtige Leistungsvermögen der Klägerin entgegen.
Auf die Klage zum Sozialgericht Chemnitz hat dieses zunächst ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt. Der Gutachter Dr. G ... kam nach Auswertung der Röntgenbilder, schriftlichen Unterlagen und selbst erhobenen Befunde in seinem Gutachten vom 19.01.1998 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine extreme Depression, extreme Belastungsinsuffizienz und völlige Erschöpfbarkeit bei schwerer schmerzneurotischer Fixierung vorliege. Orthopädischerseits seien keine nennenswerten Behinderungen festzustellen, das Bewegungsverhalten der als hochschmerzhaft empfundenen Wirbelsäule sei fast noch im Normbereich. Die geistige und körperliche Versehrtheit lasse nur eine 2-stündige bis unterhalbschichtige Tätigkeit zu. Invalidität liege ab dem 04.06.1996 vor. Nachdem die Beklagte eingewandt hatte, Genese und Therapiemöglichkeit einer psychischen Störung sowie deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit seien durch ein orthopädisches Gutachten nicht zu klären, beauftragte das SG Frau Doz. Dr. med. habil. Th. V ..., Universität L ..., mit der Erstellung eines psychosomatischen Fachgutachtens. Auch in diesem Gutachten vom 05.03.1999 wird Invalidität bejaht. Die Gutachterin legt dar, dass eine Herzangstneurose, die erstmalig im 29. Lebensjahr aufgetreten sei, mit dem Tod des Ehemannes im Jahre 1995 in eine generalisierte Angststörung (F 41.1 nach ICD 10) übergegangen sei. Außerdem sei bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4 nach ICD 10) zu diagnostizieren. Eine solche liege vor, wenn glaubhaft dauernde Schmerzzustände geklagt würden, die durch körperliche Störungen nicht oder nicht ausreichend erklärt werden könnten. Sie finde sich vor allem bei Menschen, die seelische Belastungen und Schmerzen nur in Form körperlicher Beschwerden ausdrücken könnten. Sie trete häufig nach einem harten, durch schwere körperliche Arbeit gekennzeichneten Leben auf, in welchem Wünsche nach Passivität und Schonung stets hätten zurückgedrängt werden müssen. Es handele sich bei der jetzt aufgetretenen Symptomatik um ein komplett unbewusstes Geschehen. Eine Heilbehandlung sei nicht möglich.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hat sich dieser Beurteilung angeschlossen, jedoch bezweifelt, dass der Leistungsfall vor dem 14.02.1998 liegen könne. Erst zu diesem Zeitpunkt sei nämlich eine psychische Störung von Krankheitswert ärztlich belegt.
Gestützt auf einen Befundbericht des Orthopäden Dr. F ..., in welchem attestiert wird, die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei seit dem 04.06.1996 so weit gemindert, dass sie nicht mehr in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 06.07.1999 die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 01.07.1996 Bergmannsinvalidenrente zu gewähren. Die Entscheidung wurde des Weiteren mit einem Befundbericht der Allgemeinärztin Frau Dr. S ...- ... vom 21.06.1999 begründet, in welchem der Monat Dezember 1995 (das erste Weihnachten nach dem Tod des Ehemannes) als der Zeitpunkt genannt wird, ab dem der Klägerin eine regelmäßige Erwerbsarbeit nicht mehr möglich gewesen sei. "Im Übrigen" hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI bestehe kein Anspruch.
Die Berufung der Beklagten wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Befundberichte von Herrn Dipl.-Med. F ... und Frau Dr. S ... bloße Atteste seien, in welchen eine psychische Sörung von Krankheitswert gerade nicht befundet sei. Auffallend sei auch, dass die Klägerin selbst weder in ihrem 2.Rentenantrag vom 03.04.1996 noch in ihrem Widerspruchsschreiben vom 03.06.1996 psychische Störungen erwähnt habe.
Während des Berufungsverfahrens, am 23.01.2001, erging ein Urteilsrentenbescheid, mit welchem der Klägerin - in Ausführung des sozialgerichtlichen Urteils - Bergmannsinvalidenrente nach Art. 2 § 8 RÜG in Höhe von monatlich 552,- DM bewilligt, ein Zahlungsanspruch jedoch mit der Begründung verneint wurde, die Klägerin beziehe seit dem 01.06.1995 Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehegatten in Höhe von anfänglich DM 1.736,72, das sei mehr als die Summe der Leistungen (Bergmannsinvalidenrente und fiktive Witwenrente), berechnet nach dem Art. 2 RÜG.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.07.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.07.1999 zurückzuweisen und den Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 insoweit aufzuheben, als ein Zahlungsanspruch verneint wird.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Den Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente nach Art. 2 § 8 RÜG, der im Übrigen der einzig streitgegenständliche Anspruch (§ 95 SGG) im sozialgerichtlichen Verfahren war, hat das SG zu Recht bejaht. Auf die Entscheidungsgründe wird insoweit Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Von der Berufungsklägerin werden weder die Vorversicherungszeiten (Art. 2 § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 3 RÜG), die besonderen persönlichen Voraussetzungen (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RÜG) noch der Tatbestand der Invalidität als solcher in Abrede gestellt, auch zweifelt die Beklagte die Schlüssigkeit des psychosomatischen Gutachtens weder hinsichtlich der Diagnosen noch hinsichtlich der Einschätzung des Restleistungsvermögens an, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. Die Berufungsklägerin bezweifelt lediglich, dass eine so gravierende Angststörung und somatoforme Schmerzstörung bereits vor dem 14.01.1998 (Gutachten Dr. G ...) vorgelegen habe; sie negiert damit den für die Anwendbarkeit des Übergangsrechts erforderlichen Rentenbeginn zwischen dem 01.01.1992 und dem 31.12.1996 (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG).
Der Senat ist allerdings davon überzeugt, dass die dramatische Verschlimmerung des Zustandes der Klägerin in zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod ihres Mannes zu sehen ist. Dies wird in dem Gutachten der Frau Dr. med. habil. Th. V ... überzeugend und nachvollziehbar aufgezeigt. Ein Zwischenbericht der Hausärztin vom 28.01.1997 bestätigte diese Sachlage. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) sieht der Senat sich darüber hinaus auch nicht gehindert, den ärztlichen Bescheinigungen des Dipl.-Med. F ... vom 17.06.99 und der Frau Dr. S ... vom 21.06.1999 einen entscheidenden Beweiswert zukommen zu lassen, seien sie nun kurze gutachterliche Stellungnahmen, Befundberichte oder lediglich Atteste. Gemein ist ihnen, dass sie die typische - von Frau Dr. V ... erstmalig diagnostisch umfassend eingeordnete - Symptomatik eindeutig für den entscheidenden Zeitraum - also jedenfalls ab Juni 1996 - bekunden. Wenn vor der Untersuchung durch Frau Dr. V ... eine entsprechende Diagnose noch nicht vorlag, heißt das nicht, dass das Krankheitsgeschehen auch nicht vorlag. So ist es auch nicht zulässig, den Tag der von Dr. G ... geäußerten Verdachtsdiagnose zum Stichtag zu erklären, wie es offenbar vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten angeregt wurde: Grund für diese Verdachtsdiagnose war ja nicht etwa eine nunmehr zum ersten Mal auftretende intensive psychopathologische Symptomatik, Grund war vielmehr der Umstand, das eine umfassende orthopädische Exploration keine hinreichende Erklärung für die - damals schon chronifizierte - Symptomatik erbringen konnte. Die Beklagte kann auch nicht einwenden, die Klägerin habe selbst nie von einem psychopathologischen Geschehen gesprochen. Dies war damals ebenso wie für die Dauer des Klage- und Berufungsverfahrens nicht anders zu erwarten und ist ja gerade auch - wie Frau Dr. V ... dargelegt hat - zentraler Bestandteil der Erkrankung: die unbewusste Projektion eines psychopathologischen Geschehens in die verschiedensten - nicht zu beherrschenden - körperlichen Missempfindungen und Funktionsausfälle, eben die Somatisierung.
Die Klägerin hat daher Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente gem. Art. 2 § 8 RÜG ab dem 01.07.1996. Sie hat auch Anspruch auf Auszahlung.
Der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 ist, wie die Beklagte auch selbst erkannt hat, Gegenstand des Berufungsverfahrens gem. §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG geworden. Zwar gilt grundsätzlich, dass sogenannte Urteilsrentenbescheide als lediglich vorläufige Regelungen gerade nicht den angefochtenen Verwaltungsakt i.S.d. § 96 Abs. 1 SGG abändern oder ersetzen (BSGE 9, 169; BSG SozR § 96 Nr. 12), hier gilt jedoch die Besonderheit, dass über die bloße Ausführung des sozialgerichtlichen Urteils hinaus noch eine Regelung nach § 319b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) getroffen wurde. Nach der Rechtsprechung des BSG ist § 96 SGG aus prozessökonomischen Gründen entsprechend anzuwenden, wenn der ursprünglich mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt durch die während des Berufungsverfahrens ergangene Verwaltungsentscheidung zwar nicht "abgeändert oder ersetzt" wird, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses ergangen ist und ein streitiges Rechtsverhältnis regelt, das sich an die von dem angefochtenen Verwaltungsakt erfassten Zeiten anschließt (vgl. BSGE 77, 175, 176 f.; 78, 98, 101 f.; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Ein solcher innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn während des Berufungsverfahrens eine Entscheidung nach § 319b SGB VI getroffen wird (BSG, Urt. v. 24.02.1999, - B 5/4 RA 57/97 R -) Der Senat hat also - von Amts wegen - über die materielle Richtigkeit dieses Bescheides unabhängig von Prozesshandlungen der Beteiligten zu befinden; ebenso wie in der ersten Instanz eine Klageerweiterung entbehrlich ist (vgl. Meyer-Ladewig § 96 SGG Rn. 11), ist es in der zweiten die Anschlussberufung.
Zu Unrecht hat die Beklagte einen Zahlungsanspruch verneint. Den Wegfall einer ganzen Rentenart aus dem einzigen Grunde, das die eine Rente nach dem SGB VI, die andere nach dem RÜG berechnet wird, sieht § 319b SGB VI nicht vor. Eine solche Rechtsfolge würde sich auch kaum rechtfertigen lassen: Wären beide Renten nach dem RÜG zu bewilligen gewesen, so hätte eine dem DDR-Recht entsprechende Anrechnung (Art. 2 § 41 Abs. 2 RÜG) stattgefunden; hätte es sich in beiden Fällen um SGB VI -Renten gehandelt, so wären die Anrechnungsvorschriften dieses Gesetzes (§ 97 SGB VI) unproblematisch zur Anwendung gekommen
Ein von diesen beiden Berechnungsmodalitäten abweichender ersatzloser Wegfall der niedrigeren Rente ist in § 319b SGB VI nicht normiert. Weder die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Wortlaut lassen sich dafür heranziehen.
§ 319b SGB VI wurde durch Art. 1 Nr. 33 RÜ-ErgG vom 24.06.1993 (BGBl. I, 1038) eingefügt und ist gemäß Art. 18 Abs. 4 RÜ-ErgG rückwirkend zum 01.01.1992 in Kraft getreten. Er ersetzt Art. 2 § 45 RÜG, der mit Wirkung vom 01.01.1992 gestrichen wurde. Art. 2 § 45 RÜG lautete:
Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach den Vorschriften dieses Artikels und auf solche nach dem SGB VI, wird die nach Anwendung der jeweiligen Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und von Einkommen höhere Gesamtleistung erbracht. Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, wird für die Feststellung der Gesamtleistung nach Satz 1 diese Rente nach den Vorschriften dieses Artikels neu berechnet. Bei gleich hohen Gesamtleistungen wird die Gesamtleistung nach dem SGB VI erbracht.
Fände diese Vorschrift auf den Fall der Klägerin noch Anwendung, so wäre also zu vergleichen, welche Gesamtleistung sich ergibt, wenn die Leistungen nach dem SGB VI so angerechnet werden, als wären sie Leistungen nach dem RÜG und welche Gesamtleistung sich ergibt, wenn die Leistungen nach dem RÜG so angerechnet werden, als wären sie Leistungen nach dem SGB VI. Erst das Ergebnis dieses Vergleiches entscheidet, ob die Gesamtleistung nach dem RÜG oder nach dem SGB VI zu erbringen ist. Dieses Prozedere wurde insbesondere deswegen für unpraktikabel gehalten, weil es ohne jeweilige Einschaltung der Sachbearbeitung im Einzelfall nicht zu bewältigen war. Von den Rentenversicherungsträgern wurde daher im Rahmen der Vorbereitung des RÜ-ErgG vorgebracht, dass ein Verfahren wünschenswert sei, welches eine maschinelle Bearbeitung erlaube. Diesem Begehren trug § 319b in der Fassung des RÜ-ErgG Rechnung. Eine sachliche Änderung war jedoch keinesfalls beabsichtigt. Der entsprechende Passus in der Begründung des Referentenentwurfs lautet (BT-Drucks. 12/4810, S. 27):
Mit der vorgeschlagenen Änderung wird sichergestellt, dass das mit der bisherigen Regelung verfolgte Regelungsziel in einem maschinellen Verfahren umgesetzt werden kann. Die Regelung legt fest, dass stets die nach den Vorschriften des SGB VI ermittelte Gesamtleistung (eine oder mehrere Renten) geleistet wird. Ist die Gesamtleistung nach den Vorschriften des SGB VI niedriger als die Gesamtleistung nach den Vorschriften des Art. 2 des RÜG, wird zusätzlich ein Übergangszuschlag in Höhe der Differenz zwischen der Gesamtleistung nach den Vorschriften des Art. 2 und der Gesamtleistung nach den Vorschriften des SGB VI gezahlt. Im Ergebnis wird sichergestellt, dass der nach den Vorschriften des Art. 2 des RÜG ermittelte Betrag der Gesamtleistung gezahlt wird. Ändert sich die Gesamtleistung nach den Vorschriften des SGB VI oder die nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets (z.B. durch Rentenanpassung oder im Wege der Einkommensanrechnung), ist der Übergangszuschlag neu zu ermitteln.
Rechtstechnisch ist also zunächst einmal das Problem der Rechtswahl entschieden: Die neu ermittelte Gesamtleistung gilt immer als Leistung nach dem SGB VI; wäre die Leistung nach dem RÜG höher, so wird nicht, wie in Art. 2 § 45 RÜG vorgesehen, diese Leistung gezahlt, sondern gleichwohl die Leistung nach dem SGB VI zzgl. eines Übergangszuschlages, dessen Berechnung freilich nicht immer einfach ist, die jedoch maschinell erfolgen kann. Ein rigoroser Wegfall der jeweils niedrigeren Rente ist jedoch, wie sich auch aus der Begründung ergibt, nicht vorgesehen.
Die Beklagte interpretiert § 319b Satz 1 SGB VI falsch, wenn sie daraus diese Rechtsfolge herleitet. § 319b Satz 1 SGB VI lautet:
Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches und auf solchen nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, werden die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht.
Die Beklagte hat in ihrer Auslegung gewissermaßen das Wörtchen "nur" in den Text hineininterpretiert, welches dort jedoch mit gutem Grund nicht zu finden ist. Die Rechtsfolge lautet nicht: " ..., werden nur die Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht". Dieser Satzteil ist vielmehr folgendermaßen zu lesen: " ..., werden die zustehenden Leistungen als Leistungen nach den Vorschriften dieses Buches erbracht".
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Kommentarliteratur. Auch KassKomm Polster betont, dass die höhere Gesamtleistung nach dem SGB VI erbracht wird (a.a.O. § 319b SGB VI, Rn. 2). Hiermit wird offensichtlich auf den Begriff aus Art. 2 § 45 RÜG Bezug genommen, der sich in § 319b S. 1 SGB VI nicht mehr befindet, woraus aber jetzt nicht etwa der Schluss gezogen werden darf, dass nicht mehr die Gesamtleistungen verglichen werden, sondern die einzelnen Renten. § 319b S. 2 SGB VI greift nämlich den Begriff der Gesamtleistung wieder auf und macht damit deutlich, dass es sich um einen Summenvergleich handelt (vgl. KassKomm Polster a.a.O. Rn. 7). Schon Art. 2 § 45 RÜG war auf den Fall zugeschnitten, dass ein Anspruch auf jeweils mehrere Renten nach dem SGB VI und nach dem RÜG besteht (vgl. KassKomm-Polster Art. 2 § 45 RÜG Rn. 4). Durch die Regelung sollte verhindert werden, dass ein Rentner bei echter Anspruchskonkurrenz gewissermaßen die Möglichkeit der Rechtswahl hat und dadurch eine Kombination der beiden jeweils höheren Leistungen herbeiführen kann (vgl. BT-Drucks 12/405 S. 146). Ein "Günstigkeitsprinzip" sollte insofern nur hinsichtlich des Summenvergleiches greifen (vgl. a.a.O.). Diese Grundsätze lassen sich begreiflicherweise nicht auf den Fall des Bestands einer Rente übertragen, wenn also nicht die Höhe der entscheidende Berechnungsposten ist, sondern - wie hier - das "Ob". An diesen Fall war weder bei der Schaffung des Art. 2 § 45 RÜG noch bei dessen Umschaffung zu § 319b SGB VI gedacht worden. Die Besonderheit im Fall der Klägerin besteht darin, dass - je nachdem, welches Gesetz gewählt wird - für eine Rentenart schon dem Grunde nach ein Anspruch nicht besteht. In der Berechnung zum Bescheid vom 23.01.01 hat die Beklagte dies offensichtlich - jedenfalls für die Witwenrente nach dem RÜG - als unschädlich angesehen und somit eine echte Fiktivberechnung durchgeführt. Ein - von der Beklagten zugrunde gelegter Anspruch auf Witwenrente nach Art. 2 § 12 RÜG kann nämlich schon deswegen nicht bestehen, weil in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des Art. 2 § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 RÜG nicht erfüllt waren: Weder hatte die Klägerin die Altersgrenze für den Anspruch auf Altersrente (nach dem Überleitungsrecht) erfüllt, noch war sie bei Entstehung des Anspruchs auf Witwenrente invalide, noch hatte sie ein Kind unter drei Jahren oder zwei Kinder unter acht Jahren zu erziehen. Wenn die Beklagte nun auf der Seite des RÜG in diesem Sinne "fiktive" Ansprüche berücksichtigt, dann hätte sie dies konsequenterweise auch auf der Seite des SGB VI tun müssen: Die der Bergmannsinvalidenrente nach Art. 2 § 8 RÜG auf Seiten des SGB VI am ehesten korrespondierende Rente ist die Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 44 SGB VI mit dem Rentenartfaktor nach § 82 S. 1 Nr. 3 SGB VI (jeweils in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung). Auf diese Leistung bestand bekanntlich wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (3/5-Belegung) kein Anspruch. Wendet man Art. 2 § 45 RÜG oder den sachlich keine Änderung bringenden § 319b SGB VI auch auf den Fall des Zusammentreffens zweier verschiedenartiger Einzelrenten aus den beiden Gesetzen an, so bekommen die Vorschriften einen Charakter, der ihnen nicht zugedacht war (so auch: KassKomm-Polster Art. 2 § 45 RÜG Rn. 4, hier wird allerdings eine entsprechende Anwendung befürwortet). Art. 30 Abs. 5 EinigVtr schreibt einen doppelten Besitzstandsschutz fest: Für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Rahmenfrist des RÜG (das ursprünglich vorgesehene Fristende 30.06.1995 wurde im Hinblick auf Vorgaben des Ersten Staatsvertrags - Sozialunion - auf den 31.12.1996 verlegt) beginnt, wird
1. eine Rente grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrags geleistet, der sich am 30.06.1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht in dem Beitrittsgebiet ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen ergeben hätte,
2. eine Rente auch dann bewilligt, wenn am 30.06.1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht im Beitrittegebiet ein Rentenanspruch bestanden hätte.
Der Stichtag "30.06.1990" ist in diesem Zusammenhang nicht als Datum zu verstehen, an welchem die Tatbestandsvoraussetzungen sämtlich vorgelegen haben müssen, es handelt sich lediglich um die Beschreibung des Rechtszustandes vor Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, die Doppelgarantie des Art. 30 Abs. 5 EinigVtr war ausdrücklich für alle so genannten "rentennahen Jahrgänge" konzipiert (vgl. BSG, Urt. v. 25.05.2000 - B 8 KN 4/99 R - Kompass 2000, 360 f.) unabhängig von der Frage, ob am 30.06.1990 schon in der jeweiligen Person des Anspruchstellers alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht waren. Dies wird auch deutlich durch die Wahl des Konjunktivs ("hätte"). Die Praxis der Beklagten unterschlägt gewissermaßen Ziff. 2 der genannten "Doppelgarantie", indem sie den Besitzstandsschutz allein auf den Zahlbetrag reduziert. So darf aber die Absicht des Gesetzgebers, nach einer Übergangszeit möglichst ein einheitliches Rentenrecht zu schaffen, nicht missverstanden werden. Auch nach dem 01.01.1997 bleiben RÜG-Renten in ihrem Bestand erhalten (vgl. Busch, Rückblick auf den Vertrauensschutz für Renten nach den Grundsätzen des DDR-Rechts, Kompaß 1997, 125). Die Tatsache, dass die Klägerin keinen Anspruch auf EU-Rente nach dem SGB VI hat, rechtfertigt es nicht, unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes auch den Verlust der Bergmannsinvalidenrente als zumindest systemgerecht anzusehen. Beruht doch der Anspruchsverlust hinsichtlich der SGB VI-Rente gerade auf den Besonderheiten der Überführung des DDR-Rechts und der damit zwangsweise einhergehenden Verwerfungen: Der 5-Jahreszeitraum reichte - ausgehend von der Antragstellung am 20.10.93 weit in DDR-Zeiten hinein. Das DDR-Recht sah einen Verlust eines einmal entstandenen Anspruchs allein durch Zeitablauf nicht vor. Durch die Bewertung der Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet bis zum 31.12.1991 als Anwartschaftserhaltungszeiten gem § 241 Abs. 2 Nr. 6 SGB VI wird lediglich der Unmöglichkeit Rechnung getragen, im Beitrittsgebiet freiwillige Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung geleistet zu haben; der im Einigungsvertrag zugesagte Besitzstandsschutz für die rentennahen Jahrgänge ist damit gerade nicht gewähreistet.
Zu Recht hat die Beklagte in dem Bescheid vom 23.01.2001 festgestellt, dass ein Übergangszuschlag nicht zu zahlen ist: die Summe der - teilweise fiktiven - Leistungen nach dem RÜG ist in jedem Fall geringer als die der - ebenfalls teilweise fiktiven - Gesamtleistungen nach dem SGB VI. Dies ist nämlich schon deswegen der Fall, weil die errechnete Summe von 1085,00 DM bereits unter dem Betrag der Einzelleistung "Witwenrente nach dem SGB VI" liegt. Unzulässig ist jedoch der Schluss von der Negation des Anspruches auf einen Übergangszuschlag auf die Negation des Anspruchs auf Leistungen nach dem RÜG schlechthin. Der Rechtssatz, dass Leistungen nach dem RÜG infolge des Rü-ErgG v. 24.06.1993 (BGBl I 1038) nur noch in der Form des Übergangszuschlages erbracht werden könnten, existiert nicht. Die Bergmannsinvalidenrente ist als Einkommen i.S.d. § 18a Abs. 3 Nr. 2 SGB IV in der Gemäßheit des § 97 SGB VI auf die Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI anzurechnen. Für diese Anrechnung ist der Versicherungsträger, welcher die Witwenrentenleistungen erbringt, zuständig. Voraussetzung für eine Anrechnung ist, dass das Erwerbsersatzeinkommen (die Bergmannsinvalidenrente) "erzielt" wird.
Es war daher wie geschehen zu entscheiden. Inwiefern die Klageabweisung "im Übrigen" angesichts des beschränkten Streitgegenstandes gerechtfertigt war, hat der Senat mangels Anfechtung des Urteils durch die Klägerin nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und betrifft nur die Berufungsinstanz, über die erstinstanzliche Kostenverteilung hatte der Senat nicht zu befinden, da das Urteil insoweit ebenfalls nicht angefochten wurde.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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