L 1 KR 29/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 13 KR 295/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 29/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2001 abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die am ... geborene Klägerin war aufgrund des Arbeitsverhältnisses bei der Firma S ... D ... GmbH mit einen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von monatlich 2.250 DM pflichtversichert. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag vom 30.04.1999 mit Wirkung zum 12.05.1999 beendet. Der letzte Arbeitstag der Klägerin war der 30.04.1999. Bis 12.05.1999 wurde von der Klägerin der Resturlaub in Anspruch genommen. Seit dem 13.05.1999 war die Klägerin bei der Krankenkasse ihres Ehemannes, der Gmünder Ersatzkasse (GEK), familienversichert.

Am 14.05.1999 reichte die Klägerin bei der Beklagten die am gleichen Tag von Dipl.-Med. Sch ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Darin wurde festgestellt, daß die Klägerin wegen Unruhe, Schlafstörung und reaktiv-depressiver Verstimmungszustände arbeitsunfähig war. Die Arbeitsunfähigkeit wurde bis zum 12.06.1999 bescheinigt.

Mit Bescheid vom 20.05.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab 14.05.1999 sei eine Anmeldung beim Arbeitsamt für die Klägerin nicht möglich gewesen, weshalb von ihr die Zahlung von Krankengeld begehrt werde. Nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen könnte mit Beginn einer Familienversicherung nach § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unabhängig von möglichen Ansprüchen nach § 19 SGB V Leistungsansprüche nur aus der Familienversicherung abgeleitet werden. Ein ggf. aus § 19 Abs. 2 SGB V resultierender nachgehender Anspruch auf Krankengeld bestehe daher nicht. Bereits mit dem ab 01.01.1989 in Kraft getretenen Gesundheits-Reformgesetz (GRG) sei die Familienversicherung als eigener Anspruch des Angehörigen ausgestaltet worden. Nach der Gesetzesbegründung seien die Angehörigen eines Kassenmitgliedes ebenfalls Versicherte mit eigenen Leistungsansprüchen. Zudem würde § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V einen Krankengeldanspruch für Versicherte nach § 10 SGB V ausschließen, so daß kein Raum für eine Krankengeldzahlung nach § 19 Abs. 2 SGB V bleibe.

Hiergegen richtete sich der mit Schreiben vom 21.05.1999 am 26.05.1999 eingelegte Widerspruch, mit dem die Klägerin unter Beifügung eines Anschreibens der GEK wegen des Leistungsausschlusses eine unbillige Härte geltend machte. Die GEK hatte dem Ehemann der Klägerin mitgeteilt, sich wegen eines Krankengeldanspruchs gemäß § 19 SGB V an die Beklagte zu wenden.

Nach Hinweis der Beklagten an die GEK zur Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen hat sich die GEK dieser Auffassung ebenfalls angeschlossen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtete sich die am 17.08.1999 erhobene Klage. Die Klägerin hat vorgebracht, den Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen abgeschlossen zu haben. Sie habe bis zum 30.04.1999 gearbeitet und bis zum 12.05.1999 den Resturlaub genommen. Da sie bereits längere Zeit an Ängsten und Depressionen gelitten habe, habe sie während des Urlaubs auf eine Besserung gehofft. Diese sei jedoch nicht eingetreten, so daß sie sich am 14.05.1999 wieder bei ihrer Ärztin vorgestellt habe. Der 13.05.1999 sei ein Feiertag gewesen, so daß sie ihre Ärztin erst am 14.05.1999 habe aufsuchen können und auch eine Arbeitslosmeldung nicht möglich gewesen sei.

Mit Urteil vom 19.04.2001 hat das Sozialgericht Chemnitz die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1999 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 15.05.1999 bis 12.06.1999 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Ein Anspruch auf Krankengeld entstehe gemäß §§ 44, 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für Versicherte von dem Tage an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Sofern die Mitgliedschaft des Versicherten jedoch ende, bevor der Anspruch auf Krankengeld begründet worden sei, jedoch längstens für einen Monat nach Beendigung der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde (§ 19 Abs. 2 SGB V). Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 SGB V seien gegeben. Die Familienversicherung der Klägerin bei der Krankenkasse des Ehemannes stünde dem Anspruch gegen die Beklagte nicht entgegen.

Der allgemeine Grundsatz, daß eine Mitgliedschaft Vorrang vor einem nachgehenden Versicherungsschutz selbst dann habe, wenn die neue Mitgliedschaft keinen Anspruch auf Krankengeld auslöse, gelte im Falle der Familienversicherung nicht. Die Familienversicherung begründe keine eine eigene Mitgliedschaft, sondern führe nur zu einer eigenen Versicherung, die leistungsrechtlich der Mitgliedschaft gleichstehe. Soweit sich die Ansprüche aus der nachgehenden Pflichtversicherung und der Familienversicherung nicht deckten, bestünde auch keine Subsidiarität. In diesem Fall bestehe trotz § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld.

Dem stehe die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Vorgängervorschriften der RVO nicht entgegen. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) seien zu einer der Pflichtversicherung nachfolgenden Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Landwirte (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 43) und zu einer nachfolgenden freiwilligen Mitgliedschaft (BSG SozR 2200 § 214 Nr. 2) ergangen. Der Unterschied zu diesen Sachverhalten liege gerade darin begründet, daß die Familienversicherung keine eigene Mitgliedschaft begründe. Auch habe das BSG bei der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Landwirte eine Verdrängung des nachgehenden Leistungsanspruchs für gerechtfertigt gehalten, weil anstatt eines Krankengeldanspruchs die Gewährung von Betriebshilfe vorgesehen sei. In Bezug auf eine freiwillige Mitgliedschaft sei ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verneint worden, weil diese Mitgliedschaft gegenüber der Pflichtversicherung aufgrund einiger Mehrleistungen Vorteile biete.

Auch der Gesetzesbegründung sei nicht zu entnehmen, daß Familienversicherte nicht vom Schutzzweck des § 19 Abs. 2 SGB V erfaßt sein sollten. Dieser liege darin begründet, Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden, die sich z.B. durch einen Arbeitgeberwechsel ergeben könnten. Eine über einen Monat hinausgehende Übergangszeit habe der Gesetzgeber nicht für erforderlich erachtet, weil der vormals Versicherte den Versicherungsschutz durch eine freiwillige Mitgliedschaft aufrechterhalten könnte.

Gegen das am 09.05.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.05.2001 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach Sinn und Zweck von § 19 SGB V solle nicht jede kurzfristige Unterbrechung der Mitgliedschaft zum Verlust der Leistungsansprüche in der gesetzlichen Krankenversicherung führen. Durch den nahtlosen Übergang von einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft zu einer Familienversicherung sei im Falle der Klägerin keine Lücke im Versicherungsschutz eingetreten. Der Gesetzgeber habe mit § 10 SGB V im Rahmen des Gesundheits- Reformgesetzes eine eigene Versicherung der Familienangehörigen eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung seien die Anhörigen eines Kassenmitglieds ebenfalls Versicherte mit eigenen Leistungsansprüchen und insoweit den Versicherten gleichgestellt, die der gesetzlichen Krankenversicherung als Mitglieder angehörten. Durch die neue Versicherung würden mithin nachgehende Ansprüche aus § 19 Abs. 2 SGB V verdrängt.

Das Sozialgericht habe den Wechsel in der Gesetzessystematik übersehen. § 19 Abs. 2 SGB V sei ebenso wie die "alte Regelung" nach § 205 RVO eine leistungsrechtliche Vorschrift. Die Familienversicherung nach § 10 SGB V sei jedoch Bestandteil des 2. Kapitels des SGB V und regele den versicherten Personenkreis. § 19 Abs. 2 SGB V stehe wiederum im 3. Kapitel des SGB V und regele die sich auf ein Versicherungsverhältnis stützenden Leistungen. Der Auffangtatbestand nach § 19 Abs. 2 SGB V erfülle seinen Sinn dann nicht, wenn der Versicherungsschutz - wie hier - in seiner Grundleistung erhalten bleibe. Die Beklagte hat ferner auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23.07.1999 (S 21 KR 1321/98) sowie auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg (S 28 KR 1519/98 ER) verwiesen, die ihre Ansicht teilten.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19.04.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beklagten verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1, § 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe sind nicht gegeben. Der Ausschließungsgrund des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG liegt nicht vor. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für den geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 15.05.1999 bis 12.06.1999 liegt bei über 1.000 DM.

Die Berufung ist auch begründet. In der Sache hat das Sozialgericht den Bescheid vom 20.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1999 zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 15.05.1999 bis 12.06.1999 verurteilt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat mit Bescheid vom 20.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1999 die Gewährung von Krankengeld zu Recht abgelehnt. Ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld gemäß den §§ 19 Abs. 2, 44 SGB V besteht nicht.

Die ab dem 13.05.1999 bei der Gmünder Ersatzkasse gemäß § 10 SGB V bestehende Familienversicherung der Klägerin steht dem wegen der Arbeitsunfähigkeit ab 14.05.1999 geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld entgegen.

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Krankengeldanspruch kommt nur § 19 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Betracht. Versicherte haben nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht; die übrigen Alternativen dieser Vorschrift sind hier nicht einschlägig. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Dies ist hier der 15.05.1999. Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (§ 19 Abs. 2 SGB V). Diese Voraussetzungen sind zwar dem Grunde nach erfüllt. Dieser sog. nachgehende Leistungsanspruch ist aber wegen der ab dem 13.05.1999 bestehenden Familienversicherung der Klägerin ausgeschlossen.

Die Klägerin war aufgrund ihres entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses bei des S ... D ... GmbH mit einem monatlichen Brutto-Arbeitsentgelt von 2.250 DM pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Aufgrund des zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin geschlossenen Aufhebungsvertrags vom 30.04.1999 endete das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 12.05.1999. Sie ist damit mit Ablauf des 12.05.1999 als Pflichtmitglied aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschieden. Gemäß § 190 Abs. 2 SGB V endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis endet.

Die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten als Versicherungspflichtige ist auch nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten geblieben. Nach der genannten Vorschrift bleibt eine bisher bestehende Mitgliedschaft erhalten, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung ein Anspruch auf Krankengeld bestand oder nach der gesetzlichen Vorschriften in Anspruch genommen wird. Am 12.05.1999 lag indes eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht vor. Diese ist ärztlicherseits erst ab 14.05.1999 festgestellt worden. Der Vortrag der Klägerin, sie habe am Donnerstag, den 13.05.1999 wegen des Feiertages (Christi Himmelfahrt) keinen Arzt aufsuchen können, ergibt keine andere rechtliche Beurteilung. Auch wenn der 13.05.1999 ein Werktag gewesen wäre und sie den Arzt aufgesucht hätte, so war ihr Arbeitsverhältnis doch bereits am Dienstag, den 12.05.1999 beendet, so daß eine Arbeitsunfähigkeit ab 13.05.1999 eine Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht begründen könnte.

Obwohl die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 SGB V hier vorliegen, hat die Klägerin für die Zeit vom 15.05.1999 bis 12.06.1999 keinen Anspruch auf Krankengeld. Denn der nachgehende Versicherungsschutz des § 19 Abs. 2 SGB V wird im vorliegenden Fall durch die ab 13.05.1999 bestehende Familienversicherung der Klägerin bei der Krankenkasse ihres Ehemannes verdrängt. § 19 Abs. 2 SGB V ist eine Ausnahmeregelung. Der Anspruch auf Leistungen endet grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft (§ 19 Abs. 1 SGB V). Obwohl die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse beendet ist, normiert § 19 Abs. 2 SGB V eine zeitlich begrenzte Erstreckung des Versicherungsschutzes. Die Regelung hat den Zweck, Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden, die sich z.B. durch einen Arbeitgeberwechsel ergeben können. Eine längere Übergangszeit als einen Monat, in der keine Beiträge gezahlt werden, hat der Gesetzgeber als nicht zumutbar für die Solidargemeinschaft bewertet und auch für nicht erforderlich angesehen, weil der ausgeschiedene Versicherte den Versicherungsschutz durch eine freiwillige Versicherung aufrechterhalten könnte. Soweit jemand in dem Monatszeitraum nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht wieder erwerbstätig werde, bestehe für einen nachgehenden beitragsfreien Versicherungsschutz kein Bedarf (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen, Gesundheits-Reformgesetz - GRG, BT-Drucks. 11/2237, Seite 166). Sinn und Zweck der Regelung liegen mithin - ebenso wie bei der Vorschrift des § 214 Abs. 1 RVO darin begründet, dem ausgeschiedenen Pflichtmitglied für eine Übergangszeit beitragsfrei Versicherungsschutz zu gewähren, der ohne die Vorschrift des § 19 Abs. 2 SGB V fehlen würde. Schließt sich indessen nach der Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an die Pflichtversicherung eine andere Versicherung lückenlos an, so entfällt die Schutzbedürftigkeit und damit der gesetzgeberische Grund für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 19 Abs. 2 SGB V (BSG SozR 2200 § 214 Nr. 2 zu § 214 Abs. 1 RVO). Bei der Familienversicherung handelt es sich um eine eigenständige Versicherung der Familienangehörigen. Diese ist zwar abhängig von der Stammversicherung der Mitglieds. Ihre Leistungsansprüche sind aber mit denen der Mitglieder im wesentlichen identisch und können von ihnen selbst geltend gemacht werden (BT-Drucks 11/2237 S. 161, Bloch in: Schulin, § 18 RdNr. 1.) Kommt es nach Sinn und Zweck von § 19 Abs. 2 SGB V auf das Vorliegen von Versicherungsschutz an, ist mithin entscheidend, ob eine eigene Versicherung besteht, nicht aber, ob ein eigenes Mitgliedschaftverhältnis, wie das SG meint, vorliegt.

Der Vorrang einer anderen Versicherung gilt auch, soweit das ausgeschiedene Pflichtmitglied im Rahmen der Familienversicherung versichert ist und wegen § 44 Abs. 1 Satz 2 1. HS SGB V kein Anspruch auf Krankengeld hat. Dies folgt nicht nur aus Sinn und Zweck von § 19 Abs. 2 SGB V, sondern entspricht dem krankenversicherungsrechtlichen Grundsatz des Vorrangs des aktuellen Versicherungsverhältnisses und der sich daraus zu bestimmenden Leistungsansprüchen (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 35, BSG SozR 2200 § 214 Nr. 2, KassKomm-Höfler § 19 SGB V RdNr. 10, Leitherer in: Schulin HS-KV § 19 RdNr. 283 und § 10 RdNr. 223, Zipperer in: GKV-Komm § 19 RdNr. 19, Igl in: GK-SGB V § 19 RdNr. 25, Peters KV § 19 RdNr. 15, Noftz in: Hauck-Haines § 19 SGB V RdNr. 60).

Der Vorrang des aktuellen Versicherungsverhältnisses gilt selbst dann, wenn der nachgehende Versicherungsschutz nach § 19 Abs. 2 SGB V einen Anspruch auf Leistungen, insbesondere Krankengeld, beinhaltet, den das neue aktuelle Versicherungsverhältnis wie die Familienversicherung nicht vorsieht (BSG SozR 2200 § 214 Nr. 2, LSG Berlin, Urteil vom 15.07.2001, Az.: L 9 B 129/99 Revision anhängig, Leitherer a.a.O Rdnr. 283, Peters a.a.O RdNr. 15, Gunder in Ersatzkasse 1998, S. 92, anderer Auffassung: Zipperer a.a.O RdNr. 21, Noftz a.a.O RdNr. 61, Igl a.a.O Rdnr. 26 unter Hinweis auf Noftz a.a.O, Töns, WzS 1990 S. 33, 41 ff.).

Die Spitzenverbände der Krankenkassen hatten im Dezember 1988 im Gemeinsamen Rundschreiben vom 09.12.1988 zwar auch den generellen Vorrang der Familienversicherung vor dem nachgehenden Versicherungsschutz festgestellt, jedoch einen nachgehenden Krankengeldanspruch eingeräumt. In der praktischen Anwendung führte dies dazu, daß die Krankenkassen die Familienversicherung entgegen den gesetzlichen Vorschriften erst mit einmonatiger Verzögerung beginnen ließen. Diese Praxis wurde jedoch wegen eines Wertungswiderspruchs aufgehoben. Bei freiwillig Weiterversicherten, deren Versicherung nach § 188 Abs. 2 SGB V unmittelbar mit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht beginnt, entfällt nämlich der Krankengeldanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V. Die ehemals Versicherungspflichtigen, die der Solidargemeinschaft freiwillig beitragszahlend angehörig blieben, standen mithin schlechter, als die beitragsfrei Familienversicherten. Vor diesem Hintergrund erfolgte auch die Änderung der Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen im Juni 1998, auf die sich die Beklagte beruft.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, das sich der im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung angeschlossen hat, zwingen weder der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) dazu, dem Familienversicherten den Krankengeldanspruch aufgrund des nachgehenden Versicherungsschutzes des § 19 Abs. 2 SGB V zu belassen. Soweit in der Literatur eine andere Auffassung vertreten wird, weil ansonsten Versicherte schlechter stünden als ausschließlich nach § 19 Abs. 2 SGB V Begünstigte, was als system- und gleichheitswidrig bewertet wird (so Noftz a.a.O RdNr. 61), fehlt es an einer eingehenden Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG, die die vertretene Auffassung stützen könnte.

Der erkennende Senat vermag eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG wegen des Ausschlusses eines nachgehenden Krankengeldanspruchs aus § 19 Abs. 2 SGB V bei aktuell gegebener Familienversicherung nicht zu erkennen.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich indes je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Normgebers, die vom reinen Willkürverbot bis zu strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus dem Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus dem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen. Da der Gleichheitssatz in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personengruppen verhindern soll, unterliegt der Normgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese ist um so enger, je mehr sich personenbezogene Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, daß eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Die engere Bindung gilt auch dann, wenn die Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Bei lediglich sachverhaltsbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird. Überdies sind dem Normgeber desto engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes entspricht eine abgestufte Kontrolldichte der Gerichte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung. Kommt als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erst festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist. Dagegen ist bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich nachteilig auswirken, nachzuprüfen, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72 [89], 87, 1 [37], 88, 87 [36]).

Die Differenzierung erfolgt zwischen den von § 19 Abs. 2 SGB V Betroffenen, die keine neue Versicherung haben gegenüber den Betroffenen, bei denen sich eine Familienversicherung oder auch eine freiwillige Mitgliedschaft ohne Krankengeldanspruch lückenlos zur beendeten Mitgliedschaft anschließen. Danach ist weder eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit geboten noch eine bloße Willkürkontrolle ausreichend. Denn es geht um eine Ungleichbehandlung von Personengruppen, die nicht an personengebundene Merkmale, etwa besondere Fähigkeiten oder Qualifikationen, anknüpft, sondern an den Sachverhalt eines neuen Versicherungsverhältnisses. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz ist demnach nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterscheide von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muß in sachlichen Gründen eine ausreichende Stütze finden. Dabei kommt den Besonderheiten des geregelten Lebens- und Sachbereichs für die Frage, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, erhebliche Bedeutung zu.

Ein sachlicher Grund für den Ausschluß des Krankengeldanspruchs liegt in dem damit verwirklichten Ziel der Systemgerechtigkeit, wonach sich die Leistungsansprüche nach dem aktuellen Versicherungsverhältnis bestimmen und für Familienversicherte ein Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich ausgeschlossen ist. Vor allem aber sind die Leistungen der Familienversicherung zeitlich unbeschränkt, während der nachgehende Versicherungsschutz gemäß § 19 Abs. 2 SGB V auf den Zeitraum eines Monats nach Ende der Mitgliedschaft beschränkt ist. Ungleichbehandlung und der sie rechtfertigende Grund stehen damit auch zueinander in einem angemessenen Verhältnis. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG ist sonach nicht verletzt.

Die Klägerin kann auch nicht mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) eine andere, für sie günstigere Behandlung verlangen. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Es darf aber nicht dahin ausgelegt werden, daß mit seiner Hilfe jede Einzelregelung, deren Anwendung in bestimmten Fällen zu Härten und Unbilligkeiten führt, modifiziert werden könnte. Die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips obliegt im wesentlichen dem Gesetzgeber. Da der nachgehende Versicherungsschutz des § 19 Abs. 2 SGB V gegenüber jedem anderen Versicherungsschutz subsidiär ist, müssen einzelne Nachteile, die mit dem Wegfall des nachgehenden Versicherungsschutzes verbunden sind, hingenommen werden. Der Gesetzgeber ist im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip nicht verpflichtet, die für einen Ausnahmefall zeitlich begrenzt eingeräumten Rechte, auch auf alle anderen Versicherungsverhältnisse zu übertragen. Deshalb sind die Gerichte auch nicht verpflichtet, den Vorrang der neuen Versicherung unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten dahingehend einzuschränken, daß der hier ausschließlich im Rahmen des nachgehenden Versicherungsschutzes begründbare Anspruch auf Krankengeld der Klägerin zuzusprechen wäre.

Nach alledem hat die Klägerin für den geltenden gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Krankengeld, so daß das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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