Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 4. April 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Ausgleichsleistungen für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft.
Der 1933 geborene, ständig im Beitrittsgebiet wohnhafte Kläger war seit Mai 1971 zunächst bei verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und dann vom Juli 1990 bis April 1996 bei der Betriebsgesellschaft B GbR in W als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer beschäftigt. Vom 8. November 1994 bis zum 4. Dezember 1995 bezog er Krankengeld, anschließend bis zum 29. Dezember 1995 Übergangsgeld und vom 1. Januar bis zum 30. April 1996 noch einmal Arbeitsentgelt. Seit 1. Mai 1996 gewährt die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt Altersrente für langjährig Versicherte.
Die Beklagte lehnte es ab, zu dieser Rente Ausgleichsleistung nach dem Gesetz über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZVALG) zu bewilligen (Bescheid vom 26. Juni 1998; Widerspruchsbescheid vom 10. November 1998). Der Kläger habe nach dem 31. Dezember 1994 nicht, wie in § 12 Abs 2b ZVALG gefordert, mindestens sechs Monate lang, sondern nur in den vier Monaten vom 1. Januar bis zum 30. April 1995 eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer ausgeübt. Die ab 1. Januar 1995 zurückgelegten Zeiten des Bezuges von Kranken- und Übergangsgeld könnten nicht berücksichtigt werden.
Das Sozialgericht Dessau (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. April 2000). Wortlaut und systematische Stellung des § 12 Abs 2b ZVALG schlössen es aus, den dort genannten Zeiten rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer Zeiten des Bezuges von Krankengeld und Übergangsgeld gleichzustellen.
Der Kläger hat - mit Zustimmung der Beklagten - die vom SG durch Beschluss vom 18. Juli 2000 zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er macht geltend, das SG habe § 12 Abs 2b ZVALG verletzt. Die dort geforderte "rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer" schließe lediglich geringfügig Beschäftigte von der Ausgleichsleistung aus, die Beschäftigung bestehe aber während ausschließlich beitragsrechtlicher "Unterbrechungen" des Beschäftigungsverhältnisses fort. Eine andere Auslegung widerspräche Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Bei durch Bundesmittel finanzierten Sozialleistungen dürfe nicht danach unterschieden werden, ob jemand während bestimmter Zeiten - zufällig - arbeitsunfähig krank gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 4. April 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Ausgleichsleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das vom SG gefundene Ergebnis. Dafür sprächen außer dem Wortlaut der Vorschrift ("ausüben") und ihrem Standort im Gesetz (als § 12 Abs 2b statt Abs 1a) auch Sinn und Zweck der Regelung: Leistungen nach dem ZVALG sollten ausschließlich den nachweislich im fachlichen Geltungsbereich des ZVALG (§ 2 Abs 2 ZVALG) Tätigen gewährt werden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichsleistung, weil er nach dem 31. Dezember 1994 nicht für die in § 12 Abs 2b ZVALG geforderte Dauer von sechs Monaten eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer ausgeübt hat. Zu Recht haben die Beklagte und das SG bei Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten des Bezuges von Krankengeld (und Übergangsgeld) nicht berücksichtigt.
Das ZVALG spricht seit jeher von einer von landwirtschaftlichen Arbeitnehmern "ausgeübten" Beschäftigung (vgl § 12 Abs 1 Satz 2 idF vom 31. Juli 1974, BGBl I 1660). Was darunter zu verstehen ist, erschließt sich aus den Materialien (BT-Drucks 7/2066 S 4):
Absatz 2 bestimmt, welche Zeiten den Zeiten einer Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer gleichstehen. Es handelt sich hierbei um die Ersatz- und Ausfallzeiten iS der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung ...
Damit wird erreicht, dass die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer unfreiwillig seine Arbeitnehmertätigkeit nicht ausüben konnte, den Zeiten der Ausübung der Tätigkeit gleichstehen.
Während einer rentenversicherungsrechtlichen Ersatz- oder Ausfallzeit übt ein Arbeitnehmer somit nach dem Verständnis des Gesetzgebers keine Arbeitnehmertätigkeit aus. Zu den Ausfallzeiten rechneten 1974 "Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit ... bedingte Arbeitsunfähigkeit ... mindestens einen Kalendermonat unterbrochen worden ist ..." (§ 1259 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung).
Nach dem ZVALG - jedenfalls nach dessen § 12 Absätze 1 und 2 - übt ein landwirtschaftlicher Arbeitnehmer mithin nur während solcher Zeiten eine Beschäftigung aus, in denen diese Beschäftigung nicht im rentenversicherungsrechtlichen Sinne unterbrochen ist. Denselben Inhalt hat der Begriff in § 12 Abs 2b ZVALG. Für eine abweichende Auslegung fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Gleichstellungsvorschrift des § 12 Abs 2 ZVALG kann auf die Mindestbeschäftigungsdauer in Abs 2b auch nicht entsprechend angewendet werden. Abs 2b regelt selbstständig und abschließend, in welchem Fall den Zeiten ausgeübter Beschäftigung Zeiten nach Abs 2 gleichgestellt sind: nur bei den in Abs 1 genannten Beschäftigungszeiten, nicht bei der - für die Zeit nach dem 31. Dezember 1994 zusätzlich geforderten - Mindestbeschäftigungsdauer von sechs Monaten.
Der Kläger hat nach dem 31. Dezember 1994 nur vom 1. Januar bis zum 30. April 1996 eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer ausgeübt und damit nur für vier statt der erforderlichen sechs Monate. Im Jahre 1995 war die Beschäftigung unterbrochen, weil der Kläger durchgehend arbeitsunfähig krank war und Krankengeld (sowie Übergangsgeld) bezogen hat.
Zu Unrecht hält der Kläger § 12 Abs 2b ZVALG - mit dem oben festgestellten Inhalt - für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat den Personenkreis der zu Ausgleichsleistung berechtigten landwirtschaftlichen Arbeitnehmer des Beitrittsgebiets begrenzt, ohne dabei gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen. Das Gleichbehandlungsgebot ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, zu dem das System der Ausgleichsleistung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft gehört, hat der Gesetzgeber bei Abgrenzung des begünstigten Personenkreises weit gehende Freiheit. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber beachtet. Er hat die Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft mit dem Agrarsozialen Reformgesetz (ASRG) 1995 ab 1. Januar 1995 auf die neuen Bundesländer ausgedehnt, dabei aber zur Begrenzung der aus Ansprüchen ab 1. Juli 1995 (§ 19 Satz 2 ZVALG) entstehenden finanziellen Lasten nur solche Personen zum System der Ausgleichsleistung zugelassen, die am 1. Juli 1995 bereits das 50. Lebensjahr vollendet hatten und nach dem 31. Dezember 1994 für mindestens sechs Monate eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als landwirtschaftliche Arbeitnehmer ausgeübt haben. Ebenso wenig wie die - vom Kläger erfüllte - Altersgrenze widerspricht die Forderung nach einer Mindestzeit ausgeübter Beschäftigung Art 3 Abs 1 GG. Sie schließt all jene vom System der Ausgleichsleistung aus, deren Zugehörigkeit zum Kreis der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer nach Inkrafttreten des ASRG 1995 sich inhaltlich und zeitlich nicht ausreichend dokumentiert. Die Unterscheidung zwischen "ausgeübter" und nicht ausgeübter, weil zB - wie hier - durch Arbeitsunfähigkeit mit Bezug von Kranken- oder Übergangsgeld unterbrochener Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer, knüpft an die Intensität der Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis an und erweist sich damit als sachlich einleuchtender Grund.
Angesichts seiner weit gehenden Gestaltungsfreiheit war der Gesetzgeber auch nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, die in § 12 Abs 2 ZVALG für Wartezeiten nach Abs 1 Buchst b getroffene Gleichstellungsregelung in den Abs 2b zu übernehmen oder - wie bei vertriebenen landwirtschaftlichen Arbeitnehmern (vgl Abs 2a) - von einer (sechsmonatigen) Mindestdauer ausgeübter Beschäftigung als Zugangsvoraussetzung zum System der Ausgleichsleistung abzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Alterssicherung der Landwirte
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 25/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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FSB
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