L 6 LW 19/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 LW 44/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 LW 19/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Sächsischen landwirtschaftlichen Alterskasse für den Zeitraum ab dem 01.01.1995.

Der am ...1957 geborene Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, das mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 107 ha die Mindestgröße im Sinne des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erreicht. Mit Bescheid vom 13.03.1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 Abs. 3 ALG fest. Den im April 1995 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht begründete der Kläger mit regelmäßigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im Juni 1998 legte er in diesem Zusammenhang den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 1995 vor, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 58.633 DM auswies.

Mit Bescheid vom 12.08.1998 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag ab. Der Kläger sei ab dem 01.01.1995 versicherungs- und beitragspflichtig. Es sei ein laufender monatlicher Beitrag in Höhe von 280 DM zu entrichten. Das Beitragskonto weise eine Forderung von 11.964 DM aus. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung könnten nur dann als Einkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 ALG angesehen werden, wenn sie sich ausnahmsweise dem Gewinn aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit zuordnen ließen. In den übrigen Fällen seien sie sozialversicherungsrechtlich irrelevant.

Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 14.09.1998 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.1999 zurück. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei nur möglich, wenn Erwerbs- (Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder vergleichbares Einkommen) oder Erwerbsersatzeinkommen bezogen werde, welches ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreite. Nicht zum Arbeitseinkommen zählten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, soweit diese nicht den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit zuzurechnen seien. Bei der Feststellung, ob Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit einer selbständigen Arbeit erbracht worden seien, werde auf die vorgenommene Zuordnung im Einkommenssteuerbescheid zurückgegriffen. Da der Kläger kein Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen erziele, sei er von der Versicherungspflicht nicht zu befreien.

Am 27.10.1999 erhob der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG). Sein Einkommen sei durch Vermietung und Verpachtung gesichert. Hierfür zahle er auch keine Rentenversicherungsbeiträge. Im Übrigen könne sich jeder Selbständige freiwillig versichern. Seine Frau sei von der Versicherungspflicht befreit worden. Er könne nicht nachvollziehen, warum dies in seinem Fall nicht möglich sein solle.

Mit Urteil vom 25.05.2000 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung stellten kein Arbeitsentgelt, Arbeiteinkommen oder vergleichbares Einkommen bzw Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 ALG dar. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung würden im Einkommenssteuerbescheid nur dann gesondert ausgewiesen, soweit sie nicht anderen Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Einkünfte aus Gewerbebetrieb) zuzuordnen seien, § 21 Abs. 3 Einkommenssteuergesetz (EstG). Der Kläger verfüge über kein Einkommen, das zur Befreiung führen würde.

Gegen das dem Kläger am 22.06.2000 per Einschreiben übersandte Urteil legte dieser mit Schreiben vom 20.07.2000, eingegangen beim Sächsischen Landessozialgericht am 21.07.2000, Berufung ein. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum er für sein Rentendasein nicht allein sorgen dürfe. In anderen selbständigen Berufszweigen gebe es auch keine Rentenversicherungspflicht bzw. Befreiungsmöglichkeiten. Dieses Recht müsse auch für ihn als selbständigen Landwirt gelten. Er bestehe auch deshalb auf einer Befreiung, weil immer mehr private Altersvorsorgen angeboten würden, da eine Abdeckung der Renten durch staatliche Rentenanstalten nicht mehr möglich sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.05.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 01.01.1995 von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte zu befreien.

Die Beklagte beantragt unter Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG zur Beklagten versicherungspflichtig ist, hat wegen der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Beklagten. Er erfüllt nicht den allein in Betracht kommenden Befreiungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG werden Landwirte auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, so lange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (VuV) sind keiner dieser Einkommensarten zuzurechnen.

Definitionen der Begriffe "Arbeitsentgelt" und "Arbeitseinkommen" enthalten die §§ 14 und 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Keiner näheren Prüfung bedarf es, dass die Einkünfte aus VuV nicht als Arbeitsentgelt i. S. d. § 14 SGB IV zu werten sind.

§ 15 SGB IV wurde durch das Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung (Agrarsozialreformgesetz 1995 - ASRG 1995) mit Wirkung vom 01.01.1995 neugefasst. Seitdem besteht eine volle Kongruenz zwischen Einkommenssteuerrecht und Sozialversicherungsrecht (vgl. Kasseler Kommentar - Seewald, § 15 SGB IV, Rn. 1). Einkünfte aus VuV zählen demnach nur dann zum Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG, 15 SGB IV, soweit sie den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit zuzurechnen sind (vgl. § 21 Abs. 3 Einkommenssteuergesetz; so bereits auch Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 15.12.1977, BSGE 45, 244). Zur Klärung der Frage, ob die Einkünfte aus VuV einem dieser Bereiche zuzuordnen sind, kann im Hinblick auf die Formulierung in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auf den Einkommenssteuerbescheid zurückgegriffen werden. Die dort vorgenommene Zuordnung ist für die Beurteilung des Sachverhalts maßgebend (vgl. Jahn-Figge, Stand Januar 2001, Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -, § 15 Anm. 2). Aus dem von dem Kläger zu den Verwaltungsakten gereichten Einkommenssteuerbescheid vom 03.09.1997 für das Jahr 1995 ergibt sich, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung weder im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit erzielt wurden noch Einkünften aus einem Gewerbebetrieb zuzurechnen waren. Das Erzielen von Einnahmen allein ist nicht automatisch mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1987, 11 a RLW 1/86, SozR 5850 § 3 Nr. 3). Die Einkünfte aus VuV zählen daher nicht zum Arbeitseinkommen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG i. V. m. § 15 SGB IV.

Einkünfte aus VuV stellen auch kein vergleichbares Einkommen i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ALG dar, da zu den dem Erwerbseinkommen vergleichbaren Einkommen insbesondere solche aus öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen zählen.

Der Einbeziehung des Klägers in die Versicherungspflicht zur Sächsischen Landwirtschaftlichen Alterskasse steht Verfassungsrecht nicht entgegen. Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung sind über die ursprünglich allein in der gesetzlichen Alterssicherung versicherten Arbeiter und Angestellten hinaus bestimmte Berufsgruppen trotz ihrer Selbständigkeit generell für sozial so schutzbedürftig angesehen worden, dass sie entweder als Versicherungspflichtige in die Rentenversicherung aufgenommen wurden (siehe § 2 SGB VI) oder eine eigenständige Alterssicherung mit Versicherungspflicht - wie eben der Alterssicherung der Landwirte - geschaffen wurde (vgl. Kasseler Kommentar - Gürtner, § 2 SGB VI Rn. 2; Wolfgang Rombach; Alterssicherung der Landwirte, Einleitung, S. 24 ff). Im Zuge der erfolgten Reformen entwickelte sich die ursprüngliche Altershilfe der Landwirte zu der Alterssicherung der Landwirte, die mittlerweile die Bedeutung einer Teilsicherung für landwirtschaftliche Unternehmer erlangt hat (Rombach, a. a. O., S. 25). Neben dieser Teilsicherung können und sollen auch anderweitig z. B. Vermögen oder Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Zwecke der Alterssicherung aufgebaut werden (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.1999, B 10 LW 6/99 R, S. 5 des amtlichen Umdrucks). Der einheitliche Pflichtbeitrag dient dem Erwerb einer Teilversorgung von weniger als der Hälfte einer durchschnittlichen Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1998, B 10 LW 17/98 R, S. 6 f des amtlichen Umdrucks).

Soweit der Kläger der Versicherungspflicht entgegenhält, der Abschluss einer privaten Versicherung werfe eine höhere "Rendite" ab, so kann zwar insoweit eine allgemeingültige Prognose für zukünftige Leistungsfälle nicht abgegeben werden. Das BSG hat jedoch bereits in einem Urteil vom 25.11.1998 (B 10 LW 10/97 R) darauf hingeweisen, dass viele entsprechende Berechnungen für die Vergangenheit, soweit sie überhaupt mit zutreffenden Zahlen gearbeitet hätten, nur einen Teil des Leistungsspektrums der gesetzlichen Rentenversicherungen berücksichtigt und daher kein zutreffendes Bild vermittelt hätten (BSG, a. a. O. unter Verweis auf Schneider, BB 1997, 2649 ff).

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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