L 6 LW 36/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 LW 13/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 LW 36/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. März 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausgleichsgeld für die Zeit ab dem 01.08.1996.

Der am ... geborene Kläger war von 1960 bis zum 31.12.1990 als Tierpfleger bei der LPG "Florian Geyer" in ... tätig. Anschließend arbeitete in gleicher Tätigkeit im Bereich der Schweinemast bis zum 31.07.1996 bei der Agrargenossenschaft ... e.G., die von 1997 bis Mai 2000 als ... Agrargesellschaft mbH und nunmehr als ... Agrar GmbH firmiert.

Mit Schreiben vom 15.04.1996 begehrte der Kläger die Gewährung von Ausgleichsgeld.

Die Beklagte leitete zunächst medizinische Ermittlungen ein. In einem ärztlichen Gutachten vom 07.05.1996 gelangte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. habil. R ... zu der Einschätzung, dass der Kläger in seinem bisherigen Beruf nur noch 3 Stunden bis unterhalbschichtig arbeiten könne. Schwere körperliche Tätigkeiten könnten ihm nicht mehr zugemutet werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er noch leichte Tätigkeiten ganztägig ausführen. Der "Obergutachter" der Beklagten Dr. K ... schloss sich dieser Einschätzung an. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit, dass bei ihm aus medizinischer Sicht Berufsunfähigkeit vorliege.

In der Arbeitgeberbescheinigung zum Antrag auf Ausgleichsgeld bestätigte die Agrargenossenschaft, das Beschäftigungsverhältnis als Tierpfleger werde wegen Stilllegung von Ackerflächen im Umfang von 285,15 ha bei einer Gesamtfläche von 1351,00 ha unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.07.1996 beendet.

Die frühere Arbeitgeberin des Klägers nahm in der Zeit von 1993 bis 1997 an der konjunkturellen Flächenstilllegung nach der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 in Form der Rotationsbrache teil. Die Größen der Gesamtfläche und der jeweiligen Stilllegungsfläche (Angaben jeweils in ha) betrugen:

Jahr Gesamtfläche Stilllegungsfläche
1993 1.603 158,10
1994 1.472 157,54
1995 1.338 217,00
1996 1.316 285,12
1997 1.351 55,24

Die Zahl der von der früheren Arbeitgeberin beschäftigten Mitarbeiter entwickelte sich wie folgt:

13.05.1992 127 Arbeitskräfte
15.07.1993 89 "
15.07.1994 74 "
15.07.1995 60 "
15.07.1996 47 "

Insgesamt stellten 23 ehemalige Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Anträge auf Ausgleichsgeld. Davon bewilligte die Beklagte bis September 1997 20 Anträge. Dabei lagen vier Entlassungen im Jahr 1993, vier im Jahr 1994 und drei im Jahr 1995. Die insgesamt neun Bewilligungen für 1996 umfassten solche Entlassungen, die spätestens bis 12.07.1996 wirksam wurden.

Die frühere Arbeitgeberin des Klägers nahm zu den Gründen für dessen Kündigung wie folgt Stellung: Der Betrieb habe unter Zugrundelegung des Anteils der stillgegelegten Fläche an der Gesamtfläche eine Berechtigung auf Ausgleichsgeld für 20 Arbeitnehmer errechnet, 23 Arbeitnehmer hätten einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Überschreitung der Quote sei unter anderem damit zu begründen, dass in Folge der Flächenstilllegung arbeitsintensive Kulturen (Zwiebeln, Kartoffeln) weggefallen seien. Des Weiteren seien als Folge der Stilllegung die Futterbestände abgebaut worden. Dies habe eine erhebliche Reduzierung des Tierbestandes mit sich gebracht. Ein kurzfristiger Abbau des Tierbestandes sei jedoch nicht möglich gewesen, so dass die Tierpfleger noch über einen längeren Zeitraum hätten weiterbeschäftigt werden müssen. Die Mastrinder habe der Betrieb bis zum Erreichen des Endgewichtes gehalten.

Mit Bescheid vom 21.10.1997 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Ausgleichsgeld zurück. Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses könne nicht der Stilllegung von Flächen im Sinne des FELEG zugerechnet werden. Maßgebliche kausale Stilllegung könne für den Kläger nur die Stilllegung 1996 mit dem Stilllegungsbeginn zum 15.01.1996 sein. Die Kündigung sei jedoch nicht innerhalb von 6 Monaten nach Beginn dieser Maßnahme wirksam geworden. Die von der früheren Arbeitgeberin für eine "verzögerte" Entlassung mitgeteilten Gründe reichten nicht aus, einen Ausnahmefall anzunehmen. Im Übrigen habe sich nur eine Berechtigung auf Ausgleichsgeld für 19 Arbeitnehmer ergeben. Da bereits für diese Anzahl von ehemaligen Mitarbeitern der früheren Arbeitgeberin Ausgleichsgeld bewilligt worden sei, sei die Quote der anspruchsberechtigten Personen ausgeschöpft.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 11.11.1997 Widerspruch ein. An die Kausalität seien keine hohen Anforderungen zu stellen. Sein Arbeitgeber habe umfassend dargestellt, aus welchen Gründen seine Entlassung nur zeitverzögert möglich gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.1998 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner am 19.02.1998 beim Sozialgericht Leipzig (SG) eingegangenen Klage vom 16.02.1998. Das Gesetz fordere weder eine Quote noch einen zeitlichen Zusammenhang. Der Kausalitätsnachweis werde durch eine Bestätigung des Arbeitgebers erbracht. Mehrfache plausible Erklärungen des Arbeitgebers seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Teilnahme des Betriebes am Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) sei bei der Berechnung der Quote vollständig vergessen worden. Da bereits 20 ehemalige Arbeitnehmer des Betriebes Ausgleichsgeld erhielten, solle auch im Fall des Klägers entsprechend entschieden werden.

Durch Urteil vom 30.03.1999 gab das SG der Klage statt. Nach Auffassung des SG bestand ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Flächenstilllegung und der Entlassung des Klägers.

Gegen das am 31.08.1999 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 23.09.1999 Berufung ein. Die von dem SG beanstandete Quotenregelung stelle aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine Vermutungsregelung dar. Diese Vermutungsregelung schließe jedoch nicht aus, dass eine "Quotenüberschreitung" durch die besonderen Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt werden könnte. Im Zweifel trage hierfür der Kläger die objektive Beweislast. Im vorliegenden Fall stünden die mit der Stilllegung begründeten Entlassungen nicht nur in einem Missverhältnis zu den zeitlich korrespondierenden Flächenstilllegungen. Sie überstiegen auch den insgesamt mit den Auswirkungen der konjunkturellen Flächenstilllegung rechnerisch zu begründenden Arbeitsplatzabbau, ohne dass dies mit Besonderheiten des Einzelfalles begründbar wäre. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass die Begründung zur Einführung von § 18 Buchstabe c FELEG im Rahmen der Agrarsozialreform 1995 ausdrücklich von einem engen kausalen Zusammenhang zwischen der Maßnahme (z.B. Flächenstilllegung) und dem Verlust des Arbeitsplatzes ausgehe. Da die frühere Arbeitgeberin des Klägers nicht an Maßnahmen nach dem KULAP teilgenommen habe, hätten sich keine weiteren Quotenplätze ergeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30.03.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der enge kausale Zusammenhang zwischen Stilllegung und Entlassung sei gegeben. Der Arbeitgeber habe mehrfach die Gründe für die zeitversetzt ausgesprochene Kündigung des Klägers dargelegt. In dem Betrieb sei bedingt durch die Flächenstilllegungen der eigene Futteranbau für die Schweineproduktion aufgegeben und die Fütterung der Tiere auf den alleinigen Einsatz von Fremdfutter (Fertigfutter) umgestellt worden. Dies habe in dem Stall, in dem der Kläger gearbeitet habe, zu einer veränderten Technologie der Futterlagerung und -verteilung geführt. Dadurch sei in erheblichem Umfang Handarbeit bei der Fütterung weggefallen. Auch sei der Tierbestand um 150 Stück abgebaut worden, da die Plätze mit dem modernen Futterverteilungssystem nicht mehr erreichbar gewesen seien. Durch beide Umstände sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Letztendlich seien die Veränderungen aber auf die Flächenstilllegungen zurückzuführen. Wegen des stilllegungsbedingt erfolgten Tierbestandsabbaus sei auch der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen.

Auf Nachfrage des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) teilte das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Gartenbau ... in dem Parallelverfahren L 6 LW 37/99 mit, dass sich die Agrargesellschaft nicht am KULAP beteiligt habe. Sie sei aber Teilnehmer am Programm "Umweltgerechte Landwirtschaft" gewesen.

Die frühere Arbeitgeberin des Klägers nahm in dem Parallelverfahren - L 6 LW 37/99 - zu der betrieblichen Situation Stellung. Die stilllegungsbedingte Reduzierung der eigenen Futterproduktion für die Schweinemast sei mit einer verstärkten Technisierung bei dem Einsatz von Fertigfuttermitteln und einer deshalb notwendigen Freisetzung von Arbeitskräften verbunden gewesen. Die wegen der veränderten Futtertechnik erforderlichen Stallumbauarbeiten hätten nicht eher abgeschlossen werden können. Erst nach den Umbauarbeiten könne die Stallanlage von einer Arbeitskraft bedient werden.

Auf Nachfrage des LSG teilte der nunmehr als ... Agrar GmbH firmierende Betrieb mit, dass sich der Tierbestand seit 1992 wie folgt entwickelt habe:

Jahr Schweine Milchkühe übrige Rinder
1992 2.742 Stück
1993 2.747 Stück 668 Stück 853 Stück
1994 2.688 Stück 583 Stück 762 Stück
1995 2.752 Stück 514 Stück 823 Stück
1996 2.863 Stück 396 Stück 682 Stück
1997 2.703 Stück 307 Stück 489 Stück

Auf Grund einer Antragstellung am 18.02.1999 erhält der Kläger seit dem 01.03.1999 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Verwaltungsakte zu diesem Rentenverfahren liegt dem Senat ebenso vor wie die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsgeld ab 01.08.1996 gemäß § 9 Abs. 1 i. V. m. mit § 13 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) vom 21. Februar 1989 (BGBl. I Seite 233), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I, Seite 3843) zu.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FELEG erhalten Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung tätig sind, ein Ausgleichsgeld, wenn 1. ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stilllegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und 2. sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate im Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stilllegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind. Satz 2 Nr. 1 verlangt darüber hinaus, dass das 55. Lebensjahr vor dem 01. Januar 1997 vollendet wurde; bei Vorliegen einer Berufsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung genügt nach Satz 2 Nr. 2 insofern die Vollendung des 53. Lebensjahres.

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6 FELEG gelten die §§ 9 bis 12 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe sonstiger EWG-rechtlicher Vorschriften hinsichtlich einer Stilllegung oder Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzfläche endet.

1. § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG setzt mit den Worten "auf Grund" einen Ursachenzusammenhang zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einerseits und der Flächenstilllegung oder der Abgabe von Flächen andererseits voraus. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesen Worten aus dogmatischer Sicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt (so LSG Thüringen, Urteil vom 26. März 1998, Az. L 2 LW 397/97), weil das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage in jedem Fall voller richterlicher Überprüfung zugänglich ist und § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG der Verwaltung ohnehin kein - nur eingeschränkt überprüfbares - Ermessen eröffnet. Zu beachten ist insoweit, dass jeder in einer Rechtsnorm verwendete Begriff in seinem Sinngehalt mehrdeutig und somit unbestimmt ist (vgl. Achterberg, Norbert, Allgemeines Verwaltungsrecht. Ein Lehrbuch, 2. Auflage, 1986, § 18, Rdnr. 39, S. 341: Der Ausdruck "unbestimmter Rechtsbegriff" sei ein Pleonasmus). Deshalb bedürfen auch die Worte "auf Grund" - wie jedes Tatbestandsmerkmal - der Auslegung (siehe Achterberg, a. a. O. S. 341 ff.; vgl. ferner Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgmeiner Teil, 10. Auflage 1973, § 5, S. 86: "Die Handhabung rein empirischer Begriffe ist ... Auslegung".) Für die Ermittlung eines Kausalzusammenhangs ist insbesondere im Recht der Sozialversicherung die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung entwickelt worden, welcher sich auch der erkennende Senat anschließt. Im Gegensatz zu der Äquivalenztheorie - wonach alle Ursachen als gleichwertig angesehen werden (sog. conditio sine qua non-Formel) - nimmt die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung eine Bewertung der Ursachen vor und gewichtet sie entsprechend. Damit steht sie der ebenfalls wertenden, im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie nahe. Anders als diese ist sie aber nicht generalisierend und abstrahierend, sondern vielmehr individualisierend und konkretisierend. Sie ermöglicht mithin anhand einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Wertung eine am Gesetzeszweck orientierte Bestimmung und Begrenzung der Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers (vgl. zum Ganzen: Schulin, Bertram, Sozialrecht. Ein Studienbuch, 5. Auflage, 1993, Rdnr. 337 ff.) Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG sind bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage regelmäßig folgende Kriterien zu berücksichtigen:

a) innerer Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stilllegung/Abgabe

Hiermit ist der sachliche Grund, also das Motiv für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses angesprochen (siehe LSG Thüringen, a. a. O., und LSG Sachsen- Anhalt, Urteil vom 20. Mai 1998, Az. L 3 LW 2/97).

b) zeitlicher Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stilllegung/Abgabe

Dieses Kriterium meint die zeitliche Komponente: Der zeitliche Zusammenhang kann nur bejaht werden, wenn die Flächenstilllegung/Abgabe und das Ende der Beschäftigung nicht zu weit auseinander liegen (siehe LSG Thüringen und LSG Sachsen-Anhalt, jeweils a. a. O.). Wann dies der Fall ist, wird unterschiedlich eingeschätzt: Der Gesetzgeber hielt die grundsätzliche Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten in einem Gesamtzeitraum von zwölf Monaten - Beendigung der Beschäftigung sechs Monate vor und sechs Monate nach der (Teil-) Flächenstilllegung - für plausibel (siehe BT-Drucks 13/391, Seite 7). Ausnahmsweise könne jedoch auch außerhalb dieses Zeitrahmens der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten geführt werden (siehe BT-Drucks, a. a. O.). Die Landessozialgerichte Thüringen und Sachsen-Anhalt verneinen den zeitlichen Zusammenhang, sobald zwischen Stilllegung/Abgabe und Ende des Beschäftigungsverhältnisses ein Zeitraum von ca. zwei Jahren liegt (siehe jeweils a. a. O.). Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Prüfung des zeitlichen Zusammenhangs stets der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und nicht derjenige der Kündigung maßgeblich.

c) Proportionalität zwischen dem Verhältnis der durch die Stilllegung/Abgabe freigesetzten Arbeitnehmer zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Verhältnis der in die Stilllegung/Abgabe einbezogenen Fläche zur Gesamtfläche des Unternehmes (siehe Rombach, Wolfgang, Altersicherung der Landwirte, Das neue Recht nach dem Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung, 1995, S. 299, sowie LSG Thüringen, a. a. O.)

Das Verhältnis zwischen Flächenstilllegung und Personalbestand ist für jedes Jahr neu zu bestimmen, in dem die Stilllegungsfläche erhöht wurde. Maßgeblich ist insoweit dann nur die zusätzlich stillgelegte Fläche. Die Praxis der Beklagten, von der Anzahl der Arbeitnehmer vor der ersten Entlassung abzüglich der errechneten Quote vom Vorjahr auszugehen, verkennt, dass Arbeitnehmer regelmäßig nicht nur auf Grund von Flächenstilllegungen entlassen werden. Die von der Beklagten zu Grunde gelegte Fiktion wird somit den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Lehnt man diesen Berechnungsweg jedoch ab, so kann konsequenterweise für die der ersten Stilllegung folgenden Jahre auch nicht auf die ursprüngliche Gesamtbetriebsfläche abgestellt werden. Denn dies macht nur Sinn, wenn die Verhältnismäßigkeit zwischen Fläche und Personal ausschließlich durch Stilllegungen definiert würde. Will man den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden, so ist grundsätzlich für jedes Jahr mit zusätzlicher Flächenstilllegung die jeweils aktuelle Gesamtbetriebsfläche zu berücksichtigen.

Sofern in einem Jahr weniger Arbeitnehmer entlassen wurden, als es unter Proportionalitätsgesichtspunkten der stillgelegten Fläche entsprach, ist eine pauschale Quotenübertragung auf die Folgejahre nicht möglich. Denn es bedarf stets auch des inneren Zusammenhangs zwischen Stilllegung/Abgabe und konkretem Arbeitsplatzverlust (Kriterium unter a).

d) tatsächlicher Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes (siehe LSG Thüringen, a. a. O., und LSG Brandenburg, Urteil vom 17. März 1999, Az. L 4 LW 1/98)

Vom Gesetzeszweck her dient das Ausgleichsgeld als Ausgleich dafür, dass wegen der Flächenstilllegung/Abgabe der Arbeitsplatz tatsächlich entfällt.

e) Art und Umfang der Beschäftigung der Arbeitnehmers vor der Stilllegung/Abgabe

Hierbei wird die zu prüfende Kausalität bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Flächenbezug (z.B. Tätigkeit im Feldbau) eher zu bejahen sein als bei einer Tätigkeit ohne unmittelbaren Flächenbezug (z.B. Tätigkeit in der Verwaltung oder der Viehproduktion).

Insgesamt gilt, dass nur eine wertende Zusammenschau sämtlicher aufgeführter Kriterien eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende Entscheidung ermöglicht (vgl. BT-Drucks 13/391, Seite 7):

Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber der Ursächlichkeit zwischend der Stilllegung/Abgabe auf der einen Seite und der Beendigung der Beschäftigung auf der anderen Seite erhebliches Gewicht beigemessen hat (siehe BT-Drucks 11/2972, S. 11 ff., 16). Dies ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass der Vorschlag der SPD-Fraktion, auf das Kausalitätserfordernis bei Arbeitnehmern vollständig zu verzichten, vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen wurde (siehe BT-Drucks. 11/3859, S. 21 ff., und 11/7233, S. 11 und 13). Vor diesem Hintergrund erscheint die Auffassung fragwürdig, es dürften keine strengen Anforderungen an die Kausalität gestellt werden, vielmehr genüge Mitursächlichkeit (so aber Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen [Hrsg.], Stellungnahme zum FELEG, 2. Auflage, 1993, S. 172 und 207).

Ebenso wenig vermag die Meinung zu überzeugen, der Kausalitätsnachweis sei bereits erbracht, wenn der Unternehmer bestätige, der Verlust des Arbeitsplatzes sei auf die Stilllegung/Abgabe zurückzuführen, es sei denn es lägen konkrete Erkenntnisse darüber vor, dass die Angabe nicht der Realität entspreche (so jedoch Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, a. a. O., S. 207).

Weiterhin ist die Gesamtbetrachtung stets so vorzunehmen, dass besonders schwerwiegende sonstige Umstände eine Ausnahmeentscheidung zulassen (vgl. BT-Drucks. 13/391, S. 7 ff.; zum Fall der Zusicherung der Gewährung von Ausgleichsgeld seitens der Verwaltung siehe Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Januar 2000, Az. L 4 LW 20/99).

2. Im vorliegenden Fall führt die Anwendung dieser Kriterien zu folgenden Ergebnissen:

a) Der innere Zusammenhang zwischen der Kündigung des Klägers zum 31.07.1996 und der letzten Erhöhung der Stilllegungsfläche im Jahr 1996 ist zu verneinen. Der Kläger arbeitete im Bereich der Schweinemast. Der Bestand an Schweinen war 1996 mit 2.863 Tieren höher als in den Jahren 1992 bis 1995 und 1997. Dies belegt eindeutig, dass der Arbeitsplatz des Klägers nicht etwa deshalb weggefallen ist, weil der Arbeitgeber wegen stilllegungsbedingt verringertem Futterertrag den Tierbestand abbauen musste. Vielmehr wurde die Arbeitskraft des Klägers vor allem aus Rationalisierungsgründen überflüssig. Auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung stellte der Betrieb die Schweinefütterung in den Jahren 1996/1997 vollständig auf Fertigfuttermittel um. Die Versorgung der Schweine mit Fertigfutter erforderte auf Grund des höheren Technisierungsgrades einen deutlich geringeren Arbeitsaufwand. Wie der Betrieb in der Stellungnahme vom 14.02.2000 ausführte, war nach den Umbauarbeiten eine Arbeitskraft in der Lage, die Stallanlage allein zu bedienen. Hierin liegt der sachliche Grund für die Kündigung.

b) Hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Entlassung des Klägers zum 31.07.1996 und dem Beginn der letzten Erhöhung der Stilllegungsfläche zum 15.01.1996 ist anzumerken, dass bei Tätigkeiten ohne unmittelbarem Flächenbezug - wie z.B. in der Schweinmast - der Zeitraum von etwas mehr als 6 Monaten allein nicht ausreicht, die Kausalität abzulehnen.

c) Proportionalitätsgesichtspunkte sprechen gegen die Annahme der Kausalität. 1993 legte der Betrieb 9,86 % der Gesamtfläche still. Bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von 108 Mitarbeitern könnten rechnerisch 11 Kündigungen auf die Flächenstilllegung zurückzuführen sein. Die Erweiterung der Stilllegungsfläche 1995 um 58,90 ha entsprach 4,4 % der Gesamtfläche dieses Jahres. Bei 67 zu Beginn des Jahres 1995 tätigen Mitarbeitern ergab sich bei drei weiteren Entlassungen die Möglichkeit zum Bezug von Ausgleichsgeld. 1996 erweiterte der Betrieb die Stilllegungsfläche um 68,12 ha; dies entsprach 5,18 % der Gesamtfläche 1996. Ausgehend von 54 zu Beginn des Jahres Beschäftigten Arbeitnehmern könnten entsprechend weitere drei Entlassungen mit den Auswirkungen der Flächenstilllegung rechnerisch begründet werden. Tatsächlich hat die frühere Arbeitgeberin des Klägers jedoch 1996 zwölf Kündigungen, 1995 drei Kündigungen und 1994 und 1993 jeweils vier Kündigungen aus Stilllegungsgründen ausgesprochen. Die mit den Auswirkungen der Flächenstilllegungen begründeten Entlassungen stehen damit nicht nur in einem Missverhältnis zu den zeitlich korrespondierenden Flächenstilllegungen. Sie übersteigen auch den rechnerisch mit den Flächenstilllegungen zu begründenden Arbeitsplatzabbau um 17 Mitarbeiter deutlich, ohne dass sich dies mit Besonderheiten des Einzelfalls rechtfertigen ließe.

d) Der Arbeitsplatz des Klägers ist weggefallen.

e) Bei der Tätigkeit in der Tierpflege ist ein unmittelbarer Flächenbezug zu verneinen.

In der Zusammenschau ist entscheidend darauf abzustellen, dass sachlicher Grund für die Entlassung des Klägers die Einsparung von Arbeitskräften im Zusammenhang mit der Modernisierung der Fütterungstechnik war. Die Entlassung ist allenfalls nur mittelbar auf die Flächenstilllegungen zurückzuführen. Dies reicht aber für die Annahme eines Kausalzusammenhanges im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG nicht aus. Es ist im Übrigen auch nicht davon auszugehen, dass die Umstellung auf Fertigfutter bei der Schweinemast durch die Flächenstilllegungsmaßnahmen erzwungen wurde. Denn anders als der Schweinebestand entwickelte sich der Bestand an Milchkühen und übrigen Rindern in den Jahren 1993 bis 1997 stark rückläufig (Milchkühe: von 668 Stück auf 307 Stück; übrige Rinder: von 853 Stück auf 489 Stück). Einhergehend mit dem geringeren Futterbedarf in diesem Bereich hätte die bislang für den Rinder-/Milchkuhbestand verwendete Futteranbaufläche entweder in die Stilllegung einbezogen werden können oder aber für die Produktion von Schweinefutter zur Verfügung gestanden.

Besondere Gründe, die hier ausnahmsweise doch zur Kausalität führen, liegen nicht vor. Wollte man jegliche Mitursächlichkeit ausreichen lassen, gäbe man de facto die im Sozialrecht geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung auf. Alle Ursachen wären dann wie bei der Äquivalenztheorie gleichwertig und eine wertende Betrachtung ausgeschlossen. Dies aber würde dem Gesetzeszweck des FELEG zuwiderlaufen. Andernfalls müsste jeder noch so vage Zusammenhang zwischen Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und Flächenstilllegung zur Bejahung der Kausalität führen.

Der Umstand, dass die Beklagte von einer Berufsunfähigkeit des Klägers ausgegangen ist, begründet allein noch keinen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Ausgleichsgeld.

Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte in zwanzig weiteren Fällen ehemaligen Mitarbeitern der Agrargesellschaft Ausgleichsgeld bewilligt hat. Entweder erfolgten diese Bewilligungen zu Recht: Dann handelt es sich nicht um identische Sachverhalte, weil der Kläger - wie oben erwähnt - keinen Anspruch auf Ausgleichsgeld hat. Oder die Bewilligungen sind zum Teil rechtswidrig erfolgt: Dann kommt eine Gewährung nicht in Betracht, weil es keine Gleichbehandlung im Unrecht gibt.

Der Berufung war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Kausalitätsfrage im Rahmen von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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