L 6 LW 38/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 LW 31/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 LW 38/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30.03.1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausgleichsgeld für die Zeit ab dem 01.12.1996.

Der am ... geborene Kläger war in der Zeit von 1980 bis 1991 Mitglied der LPG PP G ... bzw. der LPG "DSF" G ... Seit 1991 arbeitete er als Landarbeiter und Traktorist bei der AGROSS e. G. in G ... Diese kündigte das Beschäftigungsverhältnis zum 30.11.1996.

Mit Antrag vom 11.11.1996 begehrte der Kläger die Gewährung von Ausgleichsgeld.

In der Arbeitgeberbescheinigung zum Antrag auf Ausgleichsgeld bestätigte die frühere Arbeitgeberin des Klägers, das Beschäftigungsverhältnis als Landarbeiter/Traktorist werde wegen Stilllegung von Ackerflächen, Flächenstilllegung zur Produktion zu Nichtnahrungsmittelzwecken, Extensivierung bei Überschusserzeugnissen sowie wegen der Umstellung der Erzeugnisse auf nichtüberschüssige Erzeugnisse auf einer Fläche von 286,43 ha im Jahre 1996 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.11.1996 beendet.

Die frühere Arbeitgeberin des Klägers nahm in der Zeit von 1993 bis 1997 an der konjunkturellen Flächenstilllegung nach der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 teil. Die Größen der Gesamtfläche und der jeweiligen Stilllegungsfläche (Angaben jeweils in ha) betrugen:

Jahr Gesamtfläche Still. Fläche
1993 2.016,62 221,61
1994 2.116,96 246,47
1995 2.031,12 227,11
1996 2.023,59 284,93
1997 2.000,11 88,30

Ferner nahm die AGROSS e. G. in den Jahren 1994 bis 1998 mit Flächen zwischen 205,52 ha und 195,63 ha am KULAP teil. In dem von ihr ausgefüllten Fragebogen zum Nachweis der Arbeitskräfteeinsparung im Zusammenhang mit dem KULAP errechnete der Betrieb eine jährliche Arbeitszeiteinsparung von 214 Stunden. Eine Reduzierung des Tierbestandes als Folge von KULAP-Maßnahmen gab das Unternehmen nicht an.

Die Zahl der von der Agrargenossenschaft beschäftigten Arbeitnehmer entwickelte sich wie folgt:

Vollzeit Teilzeit Saison
06/1992 122 9 2
06/1993 117 9 4
06/1994 117 7 1
06/1995 105 4
06/1996 96 3

Die AGROSS e. G. nahm zu den Gründen für die Kündigung des Klägers wie folgt Stellung: Zu Beginn der Flächenstilllegung habe das Unternehmen rekultivierte Bergbauflächen genutzt. Im weiteren Verlauf sei durch die zunehmende Stilllegung von gewachsenen Böden mit wesentlich höherem Ertragspotential eine zusätzliche Extensivierung eingetreten. Deshalb sei ohne Ausweitung der Flächenstilllegung nochmals eine arbeitswirtschaftliche Entlastung und eine Verringerung des Futterfonds erreicht worden. Einen weiteren Abbau des Kuhbestandes habe die Teilnahme am KULAP bewirkt. Bei der Entlassung der dadurch freizusetzenden Arbeitnehmer habe der Betrieb eine längere Regulierungsphase eingehalten. Dies habe auch für diejenigen Arbeitnehmer gegolten, die wegen des Rückgangs arbeitsintensiver Kulturen wie Kartoffeln und Zuckerrüben hätten entlassen werden müssen. Arbeitnehmer seien über einen längeren Zeitraum zur Beräumung, zum Abbruch und zur Entsorgung von Tierproduktionsanlagen, welche durch die Absenkung des Tierbestandes infolge der Flächenstilllegung keinen Verwendungszweck mehr gehabt hätten, eingesetzt worden. Die Entlassung des Klägers sei neben der Flächenstilllegung vor allem durch die Vorgabe der Referenzmenge innerhalb der Milchproduktion erforderlich geworden. Die damit verbundene Reduzierung des Viehbestandes im Unternehmen habe sich auch auf die notwendige Anzahl an Arbeitsplätzen von Traktoristen ausgewirkt.

Bis Juni 1997 stellten insgesamt 31 ehemalige Mitarbeiter der AGROSS e. G. bei der Beklagten Anträge auf Ausgleichsgeld, von denen 30 Anträge bewilligt wurden. Darunter waren auch zwei ehemalige Traktoristen, deren Arbeitsverhältnisse am 31.01. bzw. 30.04.1996 geendet hatten.

Mit Bescheid vom 04.12.1997 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Ausgleichsgeld zurück. Es könne von keiner Entlassung auf Grund einer Flächenstilllegung ausgegangen werden. Wegen der Flächenstilllegung im Jahr 1993 habe sich unter Berücksichtigung von Gesamtfläche, Stilllegungsfläche und Zahl der Beschäftigten eine Berechtigung zur Entlassung von 14 Arbeitnehmern ergeben. Die Steigerung der Stilllegungsfläche im Jahr 1996 habe zur Folge, dass zwei weitere Arbeitnehmer mit einem Anspruch auf Ausgleichsgeld hätten entlassen werden können. Da bereits mehr als 16 ehemaligen Mitarbeitern der ehemaligen Arbeitgeberin Ausgleichsgeld bewilligt worden sei, sei die Quote der anspruchsberechtigten Personen ausgeschöpft. Die Entlassung sei auch nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Stilllegung erfolgt. Der Beginn der maßgeblichen Stilllegung sei der 15.01.1996. Die Entlassung des Klägers sei jedoch erst zum 30.11.1996 erfolgt, so dass der von der Beklagten angewandte 6-Monats-Zeitraum überschritten sei. Die von der früheren Arbeitgeberin für eine "verzögerte" Entlassung mitgeteilten Gründe reichten nicht aus, einen besonderen Ausnahmefall anzunehmen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15.12.1997 Widerspruch ein. Den Antrag auf Ausgleichsgeld habe er vor mehr als einem Jahr gestellt. Er habe keinerlei unrichtige Angaben gemacht oder fehlerhafte Berechnungen veranlasst. Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Betrieb habe er auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Seit dieser Zeit erhalte er keinerlei Leistungen. Die Ablehnung nach über 12 Monaten verletze den Vertrauenstatbestand und sei rechtswidrig.

Mit am 16.03.1998 abgesandtem Widerspruchsbescheid vom 12.03.1998 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück und bestätigte ihren Bescheid vom 25.09.1997.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner am 14.04.1998 beim Sozialgericht Leipzig eingegangenen Klage vom 07.04.1998. Das Gesetz fordere weder eine Quote noch einen zeitlichen Zusammenhang. Der Kausalitätsnachweis werde durch eine Bestätigung des Arbeitgebers erbracht. Mehrfache plausible Erklärungen des Klägers und durch den Arbeitgeber seien von der Beklagten nicht ausreichend gewürdigt worden. Da bereits andere Arbeitnehmer, die vor dem Kläger aus dem Betrieb ausgeschieden seien, Ausgleichsgeld erhielten, solle auch im Falle des Klägers entsprechend entschieden werden.

Durch Urteil vom 30.03.1999 gab das Sozialgericht der Klage statt. Die Beklagte wurde verurteilt, ab dem 01.12.1996 an den Kläger Ausgleichsgeld zu zahlen. Der Kläger sei auf Grund einer Flächenstilllegung im Sinne von §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 1 FELEG entlassen worden. Es genüge, wenn die Flächenstilllegung nicht nur eine ganz untergeordnete Rolle bei der Kündigung gespielt habe. Nach Auffassung des SG war der ursächliche Zusammenhang zwischen der Flächenstilllegung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Bedingung zu bejahen.

Gegen das am 31.08.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.09.1999, beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. In der Begründung vom 30.11.1999 verweist die Beklagte darauf, dass das erstinstanzliche Urteil auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruhe. Der Sachverhalt sei nicht ausreichend erforscht, so dass von einer Verletzung des § 103 SGG auszugehen sei. Der Kausalzusammenhang nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG zwischen Flächenstilllegung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses setze immer den sachlichen Grund und die zeitliche Komponente voraus. Die mit Flächenstilllegungen begründeten 32 Entlassungen in den Jahren 1993 und 1997 ständen nicht nur in einem Mißverhältnis zu den zeitlichen korrespondierenden Stilllegungsmaßnahmen. Sie überstiegen auch den insgesamt mit Auswirkungen der konjunkturellen Flächenstilllegung rechnerisch zu begründenden Arbeitsplatzabbau, ohne dass dies mit Besonderheiten des Einzelfalls begründbar wäre. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Beklagte in vergleichbaren Fällen bereits Ausgleichsgeld bewilligt habe. Denn diese Leistungen seien zum Teil rechtswidrig gewährt worden. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung scheide deshalb aus, weil es keine Gleichheit im Unrecht gebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30.03.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das FELEG fordere weder einen zeitlichen Zusammenhang im Sinne der 6-Monats-Regel noch eine sogenannte Quote. Beide Argumentationen seien nicht geeignet, die vom Arbeitgeber vorgebrachte Begründung, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei flächenstilllegungsbedingt beendet worden, zu widerlegen. Der Kläger sei als Traktorist tätig gewesen. Diese Tätigkeit stehe im Zusammenhang mit der Tierproduktion. Deshalb hätten sich die Stilllegungen nur zeitversetzt ausgewirkt. Der Zusammenhang zwischen Stilllegung und Entlassung des Klägers sei mehrfach herausgestellt worden.

Auf Anforderung des LSG teilte das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Gartenbau R ... mit Schreiben vom 07.02.2000 mit, dass sich der Tierbestand in Großvieheinheiten seit 1993 wie folgt entwickelt habe:

1993 1.497
1994 1.233
1995 1.198
1996 1.181
1997 1.149

Die AGROSS e. G. nahm auf Anforderung des Sächsischen Landessozialgerichts mit Schreiben vom 31.03.2000 nochmals zu den Kündigungsgründen Stellung. Der Kläger sei im Zusammenhang mit der Flächenstilllegung des Jahres 1996 entlassen worden. Vor der Stilllegung habe er Ernte- und Bestellarbeiten sowie Futter- und Dungtransporte durchgeführt. Nach der Stilllegung sei er in höherem Maße für Futter- und Dungtransporte eingesetzt worden. 1992 und 1993 habe der Betrieb 22 Traktoristen beschäftigt. 1995 seien 13 Traktoristen und 1996 und 1997 noch 10 Traktoristen im Betrieb tätig gewesen. Der Viehbestand habe sich seit 1993 reduziert. 1995 sei die Schweinehaltung eingestellt worden mit zuletzt 951 Tieren. Der Rinderbestand habe sich seit 1992 wie folgt entwickelt:

1993 1.458
1994 1.397
1995 1.377
1996 1.431
1997 1.408

Der Zukauf von Grundfutter habe im Unternehmen keine Rolle gespielt. Die Silovorräte hätten bis zum Anschluss der neuen Ernte gereicht, wobei sich in einigen Jahren mit besseren Erträgen Reserven gebildet hätten. Sobald die Überhänge zu groß geworden seien, habe der Betrieb dies beim Anbau berücksichtigt. Die Teilnahme am KULAP sei mit der Reduzierung von lebendiger Arbeit verbunden gewesen. Den Wegfall einer Arbeitskraft könne man damit jedoch nicht begründen. Die Gesamtfläche des Unternehmens habe sich zwar um 236 ha verringert, die Abgänge hätten jedoch keinen Einfluss auf die Futteranbaufläche gehabt. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit vorrangig bei den arbeitsintensiven Kulturen zum Einsatz gekommen. Der Kartoffelanbau schlage mit 39,8 Akh/ha zu Buche, während z.B. beim Getreideanbau nur mit 6,7 Akh/ha zu rechnen sei. Kartoffeln seien 1993 auf 67 ha, 1994 auf 59 ha, 1995 auf 83 ha, 1996 auf 85 ha und 1997 auf 64 ha angebaut worden.

Auf Nachfrage des Gerichts erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Dem Senat liegen die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsgeld ab 01.12.1996 gemäß § 9 Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) vom 21. Februar 1989 (BGBl. I S. 233), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I, S. 3843) zu.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FELEG erhalten Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung tätig sind, ein Ausgleichsgeld, wenn 1. ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stilllegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und 2. sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stilllegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind. Satz 2 Nr. 1 verlangt darüber hinaus, dass das 55. Lebensjahr vor dem 01. Januar 1997 vollendet wurde.

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6 FELEG gelten die §§ 9 bis 12 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe sonstiger EWG-rechtlicher Vorschriften hinsichtlich einer Stilllegung oder Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzfläche endet.

1. § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG setzt mit den Worten "auf Grund" einen Ursachenzusammenhang zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einerseits und der Flächenstilllegung oder der Abgabe von Flächen andererseits voraus. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesen Worten aus dogmatischer Sicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt (so LSG Thüringen, Urteil vom 26. März 1998, Aktz. L 2 LW 397/97), weil das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage in jedem Fall voller richterlicher Überprüfung zugänglich ist und § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG der Verwaltung ohnehin kein - nur eingeschränkt überprüfbares - Ermessen eröffnet. Zu beachten ist insoweit, dass jeder in einer Rechtsnorm verwendete Begriff in seinem Sinngehalt mehrdeutig und somit unbestimmt ist (vgl. Achterberg, Norbert, Allgemeines Verwaltungsrecht. Ein Lehrbuch, 2. Auflage, 1986, § 18, Rdnr. 39, S. 341: Der Ausdruck "unbestimmter Rechtsbegriff" sei ein Pleonasmus). Deshalb bedürfen auch die Worte "auf Grund" - wie jedes Tatbestandsmerkmal - der Auslegung (siehe Achterberg, a. a. O., S. 341 ff.; vgl. ferner Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 10. Auflage 1973, § 5, S. 86: "Die Handhabung rein empirischer Begriffe ist ... Auslegung"). Für die Ermittlung eines Kausalzusammenhangs ist insbesondere im Recht der Sozialversicherung die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung entwickelt worden, welcher sich auch der erkennende Senat anschließt. Im Gegensatz zu der Äquivalenztheorie - wonach alle Ursachen als gleichwertig angesehen werden (sog. conditio sine qua non-Formel) - nimmt die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung eine Bewertung der Ursachen vor und gewichtet sie entsprechend. Damit steht sie der ebenfalls wertenden, im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie nahe. Anders als diese ist sie aber nicht generalisierend und abstrahierend, sondern vielmehr individualisierend und konkretisierend. Sie ermöglicht mithin anhand einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Wertung eine am Gesetzeszweck orientierte Bestimmung und Begrenzung der Leistungspflicht des Sozialleistungsträger (vgl. zum Ganzen: Schulin, Bertram, Sozialrecht. Ein Studienbuch, 5. Auflage, 1993, Rdnr. 337 ff.) Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG sind bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage regelmäßig folgende Kriterien zu berücksichtigen:

Stilllegung/Abgabe

Hiermit ist der sachliche Grund, also das Motiv für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses angesprochen (siehe LSG Thüringen, a. a. O. und LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Mai 1998, Aktz. L 3 LW 2/97).

b) zeitlicher Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stilllegung/Abgabe

Dieses Kriterium meint die zeitliche Komponente: Der zeitliche Zusammenhang kann nur bejaht werden, wenn die Flächenstilllegung/Abgabe und das Ende der Beschäftigung nicht zu weit auseinander liegen (siehe LSG Thüringen und LSG Sachsen-Anhalt, jeweils a. a. O.). Wann dies der Fall ist, wird unterschiedlich eingeschätzt: Der Gesetzgeber hielt die grundsätzliche Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten in einem Gesamtzeitraum von zwölf Monaten - Beendigung der Beschäftigung sechs Monate vor sechs Monate nach der (Teil-) Flächenstilllegung - für plausibel (siehe BT Drucks 13/391, S. 7). Ausnahmsweise könne jedoch auch außerhalb dieses Zeitrahmens der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten geführt werden (siehe BT Drucks, a. a. O.). Die Landessozialgerichte Thüringen und Sachsen-Anhalt verneinen den zeitlichen Zusammenhang, sobald zwischen Stilllegung/Abgabe und Ende des Beschäftigungsverhältnisses ein Zeitraum von ca. zwei Jahren liegt (siehe jeweils a. a. O.). Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Prüfung des zeitlichen Zusammenhangs stets der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und nicht derjenige der Kündigung maßgeblich.

c) Proportionalität zwischen dem Verhältnis der durch die Stilllegung/Abgabe freigesetzten Arbeitnehmer zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Verhältnis der in die Stilllegung/Abgabe einbezogenen Fläche zur Gesamtfläche des Unternehmens (siehe Rombach, Wolfgang, Alterssicherung der Landwirte, Das neue Recht nach dem Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung, 1995 S. 299, sowie LSG Thüringen, a. a. O.).

Das Verhältnis zwischen Flächenstilllegung und Personalbestand ist für jedes Jahr neu zu bestimmen, in dem die Stilllegungsfläche erhöht wurde. Maßgeblich ist insoweit dann nur die zusätzlich stillgelegte Fläche. Die Praxis der Beklagten, von der Anzahl der Arbeitnehmer vor der ersten Entlassung abzüglich der errechneten Quote vom Vorjahr auszugehen, verkennt, dass Arbeitnehmer regelmäßig nicht nur auf Grund von Flächenstilllegungen entlassen werden. Die von der Beklagten zu Grunde gelegte Fiktion wird somit den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Lehnt man diesen Berechnungsweg jedoch ab, so kann konsequenterweise für die der ersten Stilllegung folgenden Jahre auch nicht auf die ursprüngliche Gesamtbetriebsfläche abgestellt werden. Denn dies macht nur Sinn, wenn die Verhältnismäßigkeit zwischen Fläche und Personal ausschließlich durch Stilllegung definiert würde. Will man den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden, so ist grundsätzlich für jedes Jahr mit zusätzlicher Flächenstilllegung die jeweils aktuelle Gesamtbetriebsfläche zu berücksichtigen.

Sofern in einem Jahr weniger Arbeitnehmer entlassen wurden, als es unter Proportionalitätsgesichtspunkten der stillgelegten Fläche entsprach, ist eine pauschale Quotenübertragung auf die Folgejahre nicht möglich. Denn es bedarf stets auch des inneren Zusammenhangs zwischen Stilllegung/Abgabe und konkretem Arbeitsplatzverlust (Kriterium unter a).

d) tatsächlicher Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes (siehe LSG Thüringen, a. a. O. und LSG Brandenburg, Urteil vom 17. März 1999, Aktz. L 4 LW 1/98)

Vom Gesetzeszweck her dient das Ausgleichsgeld als Ausgleich dafür, dass wegen der Flächenstilllegung/Abgabe der Arbeitsplatz tatsächlich entfällt.

e) Art und Umfang der Beschäftigung des Arbeitnehmers vor der Stilllegung/Abgabe

Hierbei wird die prüfende Kausalität bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Flächenbezug (z.B. Tätigkeiten im Feldbau) eher zu bejahen sein als bei einer Tätigkeit ohne unmittelbaren Flächenbezug (z.B. Tätigkeiten in der Verwaltung oder der Viehproduktion).

Insgesamt gilt, dass nur eine wertende Zusammenschau sämtlicher aufgeführter Kriterien eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende Entscheidung ermöglicht (vgl. BT-Drucks 13/391, S. 7):

Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber der Ursächlichkeit zwischen der Stilllegung/Abgabe auf der einen Seite und der Beendigung der Beschäftigung auf der anderen Seite erhebliches Gewicht beigemessen hat (siehe BT-Drucks 11/2972, S. 11 ff., 16). Dies ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass der Vorschlag der SPD-Fraktion, auf das Kausalitätserfordernis bei Arbeitnehmern vollständig zu verzichten, vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen wurde (siehe BT Drucks 11/3859, S. 21 ff. und 11/7233, S. 11 und 13). Vor diesem Hintergrund erscheint die Auffassung fragwürdig, es dürften keine strengen Anforderungen an die Kausalität gestellt werden, vielmehr genüge Mitursächlichkeit (so aber Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen [Hrsg.], Stellungnahme zum FELEG, 2. Auflage 1993, S. 172 und 207).

Ebenso wenig vermag die Meinung zu überzeugen, der Kausalitätsnachweis sei bereits erbracht, wenn der Unternehmer bestätige, der Verlust des Arbeitsplatzes sei auf die Stilllegung/Abgabe zurückzuführen, es sei denn es lägen konkrete Erkenntnisse darüber vor, dass die Angabe nicht der Realität entspreche (so jedoch Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, a. a. O., S. 207).

Weiterhin ist die Gesamtbetrachtung stets so vorzunehmen, dass besonders schwerwiegende sonstige Umstände eine Ausnahmeentscheidung zulassen (vgl. BT-Drucks 13/391, S. 7 ff.; zum Fall der Zusicherung der Gewährung von Ausgleichsgeld seitens der Verwaltung siehe Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Januar 2000, Aktz. L 4 LW 20/99).

2. Im vorliegenden Fall führt die Anwendung dieser Kriterien zu folgenden Ergebnissen.

a) Der innere Zusammenhang zwischen der Kündigung des Klägers zum 30.11.1996 und der letzten Erhöhung der Flächenstilllegung im Jahr 1996 ist zu verneinen. Laut der Auskunft der AGROSS e. G. wurde der Kläger sowohl für Futter- und Dungtransporte im Bereich der Tierproduktion als auch zu Ernte- und Bestellarbeiten im Bereich der Pflanzenproduktion, dort vorrangig bei den arbeitsintensiven Kulturen, eingesetzt. Die AGROSS legte 1996 286,43 ha still. Damit erhöhte sich die stillgelegte Fläche gegenüber 1995 um 56,32 ha. Würde man allein auf die zusätzlich stillgelegte Fläche abstellen, ließe sich hiermit durchaus die Freisetzung eines Traktoristen begründen. Die AGROSS e. G. entließ jedoch bereits zum 31.01.1996 und zum 30.04.1996 zwei weitere Traktoristen, so dass ein Zusammenhang zwischen der Stilllegungserweiterung und der Entlassung des Klägers nicht erkennbar ist. Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die 1996 bewirtschaftete Fläche mit 1.737,16 ha trotz der Erhöhung der Stilllegungsfläche nur um 3,5 % gegenüber der bewirtschaftenen Fläche des Jahres 1995 (1.801,01 ha) verringert hat. Dies führte aber nicht zu einem Rückgang der besonders arbeitsintensiven Kartoffelanbaufläche (39,8 Akh/ha). Vielmehr erhöhte sich diese von 1995 mit 83 ha auf 85 ha im Jahr 1996. Lediglich die von der AGROSS e. G. ebenfalls als arbeitsintensiv eingestufte Zuckerrübenanbaufläche (11,8 Akh/ha) ging um 24,8 % (117 ha im Jahr 1995 und zu 88 ha im Jahr 1996) zurück. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist bereits der Kausalzusammenhang zwischen der Stilllegungserweiterung 1996 und der Entlassung eines Traktoristen zweifelhaft. Die Entlassung von drei Traktoristen in Folge der Erhöhung der Stilllegungsfläche um 56,32 ha lässt sich unter diesen Umständen keinesfalls rechtfertigen. Der Tierbestand reduzierte sich im Zeitraum 1995 zu 1996 von 1.198 auf 1.181, also um 1,42 %. Bei nahezu identischem Tierbestand kann sich die Häufigkeit der Futter- und Dungtransporte nur dann reduziert haben, wenn entsprechende Rationalisierungsmaßnahmen erfolgt sind. Eine flächenstilllegungsbedingte Arbeitszeiteinsparung bei den Traktoristen im Hinblick auf Futter- und Dungtransporte ist nicht nachvollziehbar.

b) Bei Tätigkeiten mit unmittelbarem Flächenbezug muss die Entlassung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Stilllegungsmaßnahme erfolgen. Je weiter Beginn der Maßnahmne und Entlassungszeitpunkt auseinanderfallen, desto weniger kann ein Kausalitätszusammenhang hergestellt werden. In Bezug auf die Ernte- und Bestellarbeiten ist der Zeitraum von mehr als 10 Monaten zu lang, um von einem konkreten Zusammenhang zwischen Stilllegungsmaßnahme und Entlassung ausgehen zu können.

c) Proportionalitätsgesichtspunkte führen ebenfalls nicht zur Annahme der Kausalität. Zwar berechnete die Beklagte, dass Gesamtfläche und Stilllegungsfläche unter Beachtung der beschäftigten Arbeitnehmer im Jahr 1993 der Einsparung von 14 Arbeitskräften und im Jahr 1996 der Einsparung von zwei weiteren Arbeitskräften entsprechen, bei der die Kausalität zwischen der Stilllegung und der Entlassung vermutet werden kann. Jedoch kann diese Berechtigung nicht beliebig für ältere Arbeitnehmer beansprucht werden, ohne dass gleichzeitig auf den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang von Stilllegung und Beschäftigungsende abgestellt wird. Im Übrigen begründete die frühere Arbeitgeberin des Klägers im Jahr 1992 eine Kündigung, im Jahr 1995 insgesamt 13 Kündigungen und im Jahr 1996 insgesamt 10 Kündigungen mit den durchgeführten Flächenstilllegungen. Die mit der Flächenstilllegungen begründeten Entlassungen stehen damit nicht nur in einem Missverhältnis zu den zeitlichen korrespondierenden Flächenstilllegungen. Sie übersteigen auch den mit den Auswirkungen der konjunkturellen Flächenstilllegung rechnerisch zu begründenden Arbeitsplatzabbau.

d) Es kann offenbleiben, ob der Arbeitsplatz des Klägers tatsächlich weggefallen ist.

e) Bei der Tätigkeit in der Pflanzenproduktion ist ein unmittelbarer Flächenbezug zu bejahen, im Bereich der Tierproduktion dagegen zu verneinen.

In der Zusammenschau ist nochmals zu betonen, dass die Erweiterung der Stilllegungsfläche im Jahr 1996 durchaus kausal für die Entlassung eines Traktoristen gewesen sein kann. Die Entlassung von insgesamt drei Traktoristen läßt sich jedoch nicht rechtfertigen. Vor dem Kläger sind im Laufe des Jahres 1996 bereits zwei Traktoristen aus dem Betrieb ausgeschieden, deren Entlassungen ebenfalls mit Flächenstilllegungen begründet wurden und denen die Beklagte auch Ausgleichsgeld bewilligte. Besondere Gründe, die hier ausnahmsweise doch zur Kausalität führen, liegen nicht vor. Wollte man jegliche Mitursächlichkeit ausreichen lassen, gäbe man de facto die im Sozialrecht geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung auf. Alle Ursachen wären dann wie bei der Äquivalenztheorie gleichwertig und eine wertende Betrachtung ausgeschlossen. Dies aber würde dem Gesetzeszweck der FELEG zuwiderlaufen. Andernfalls müsste jeder noch so vage Zusammenhang zwischen Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und Flächenstilllegung zur Bejahung der Kausalität führen.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte in 30 weiteren Fällen ehemaligen Arbeitnehmern der AGROSS e. G. Ausgleichsgeld bewilligt hat. Entweder erfolgten diese Bewilligungen zu Recht: Dann handelt es sich nicht um identische Sachverhalte, weil der Kläger wie oben ausgeführt keinen Anspruch auf das Ausgleichsgeld hat. Oder die Bewilligungen sind zum Teil rechtswidrig erfolgt: Dann kommt eine Gewährung nicht in Betracht, weil es keine Gleichbehandlung im Unrecht gibt.

Der Berufung war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Kausalitätsfrage im Rahmen von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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