L 6 LW 7/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 2 LW 36/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 LW 7/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aussparung des Klägers von Erhöhungen des Ausgleichsgeldes nach § 10 Abs. 3 Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG).

Der am ... geborene Kläger arbeitete im Zeitraum vom 14.12.1987 bis zum 31.08.1990 als Schlosser und Traktorist bei der LPG "K ..." R ... C ..., anschließend dann bis zum 30.09.1995 bei deren Rechtsnachfolgerin, der Agrargenossenschaft F ... e. G.

In der Arbeitgeberbescheinigung zum Antrag auf Ausgleichsgeld bestätigte die frühere Arbeitgeberin des Klägers, dass das Beschäftigungsverhältnis als Schlosser/Traktorist wegen Stilllegung von Ackerflächen im Umfang von 187,11 ha bei einer Gesamtfläche von 1.108,57 ha beendet worden sei.

Die Agrargenossenschaft nahm in der Zeit von 1993 bis 1996 in Form der Rotationsbrache an der konjunkturellen Flächenstilllegung nach der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 teil. Die Größen der Gesamtfläche und der Stilllegungsfläche betrugen in den jeweiligen Jahren (Angaben in ha):

1993 1.034,04 120,25
1994 1.100,56 161,97
1995 1.086,99 187,11
1996 1.086,99 119,99

Des Weiteren beteiligte sich der Betrieb seit 1994 mit 73,20 ha Grünlandnutzung mit reduziertem Mitteleinsatz am Kulturlandschaftsprogramm (KULAP).

Auf den im September 1995 gestellten Antrag hin gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 02.11.1995 ab dem 01.10.1995 Ausgleichsgeld. Der Kläger erfülle alle Voraussetzungen der §§ 9, 13, 18c FELEG. Außer dem Kläger stellten noch 6 weitere ehemalige Arbeitnehmer der Agrargenossenschaft Anträge auf Ausgleichsgeld. 5 dieser Anträge (2 Entlassungen zum 31.12.1992, 3 Entlassungen ebenfalls zum 30.09.1995 - davon 1 Traktorist, 1 Schlosser, 1 Tierpfleger) wurden bewilligt, 1 Antrag abgelehnt.

Mit Schreiben vom 29.04.1998 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sie zur Überprüfung der Bewilligungen von Ausgleichsgeld unter Anwendung der von der Aufsichtsbehörde vorgegebenen Richtlinien verpflichtet sei. Diese Überprüfung habe ergeben, dass dem Kläger das Ausgleichsgeld zu Unrecht bewilligt worden sei. Zum Zeitpunkt der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses sei die betrieblich noch mit Stilllegungs-/Extensivierungsmaßnahmen zu begründende Anzahl von Entlassungen (1 im Jahr 1995) bereits erfolgt; der sachliche Zusammenhang könne deshalb beim Kläger nicht mehr begründet werden. Aus formellen Gründen komme eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides jedoch nicht in Betracht. Als Folge dieses Ausschlusses der Aufhebung bestimme § 48 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), dass, wenn eine Änderung zugunsten des Betroffenen einträte, der sich nach Änderung ergebende Betrag nicht über den Betrag hinausgehen dürfe, der sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergebe. Deshalb müsse das Ausgleichsgeld im Fall des Klägers von künftigen Rentenerhöhungen gemäß § 10 FELEG ausgenommen werden.

In seiner Äußerung vom 05.05.1998 wies der Kläger darauf hin, dass er alle Voraussetzungen für den Bezug des Ausgleichsgeldes erfülle. Im Vertrauen auf die Gewährung des Ausgleichsgeldes habe er keine Kündigungsschutzklage erhoben. Im Hinblick auf das feststehende monatliche Einkommen durch den Bezug des Ausgleichsgeldes habe er seinen Lebensstandard entsprechend eingerichtet und nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen.

Mit Bescheid vom 22.05.1998 stellte die Beklagte fest, dass der Bescheid vom 02.11.1995 über die Bewilligung von Ausgleichsgeld rechtswidrig begünstigend ergangen sei; er werde dahingehend abgeändert, dass neu nach § 10 Abs. 3 FELEG festzustellende Leistungen nicht über den Betrag hinausgehen dürfen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergebe. Der Kläger sei nicht auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe EWG-rechtlicher Vorschriften hinsichtlich einer Stilllegung entlassen worden. Maßgeblich kausale Stilllegung könne nur die des Jahres 1995 mit dem Stilllegungsbeginn 15.01.1995 gewesen sein. Der Kläger sei nicht innerhalb von 6 Monaten nach Beginn der Stilllegung entlassen worden. Es könne deshalb nicht ohne weiteres ein Kausalzusammenhang hergestellt werden. Im Übrigen sei es unwahrscheinlich, dass Auswirkungen durch die Teilnahme des Arbeitgebers am KULAP auch noch im Entlassungsjahr eine Reduzierung des Arbeitsaufwandes zur Folge gehabt hätten, denn grundsätzlich würden sich diese Maßnahmen nur zu Beginn auf den Arbeitskräftebedarf auswirken. Trotz Rechtswidrigkeit könne der Bescheid vom 02.11.1995 nicht aufgehoben werden, da seit der Bekanntgabe mehr als 2 Jahre vergangen seien. Gemäß § 48 Abs. 3 SGB X sei das Ausgleichsgeld jedoch von künftigen Erhöhungen ausgeschlossen.

Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos, die Beklagte wies den Rechsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.1998 zurück.

Am 07.07.1998 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dresden (SG). Das SG holte eine Stellungnahme der Agrargenossenschaft zu den Kündigungsgründen ein. In der mündlichen Verhandlung am 15.11.2000 hörte das SG den geschäftsführenden Vorstand der Agrargenossenschaft F ..., Herrn O ... W ..., als Zeugen.

Durch Urteil vom 15.11.2000 wies das SG die Klage ab. Der Bescheid vom 02.11.1995 sei rechtswidrig begünstigend ergangen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsgeld nach §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 6 FELEG. Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei nicht kausal auf die vorgenommenen Flächenstilllegungen zurückzuführen. Abzustellen sei auf die am 15.12.1992 begonnene Stilllegung im Jahr 1993. Die Entlassung könne nicht mit der Flächenstilllegung 1995 begründet werden, da wegen dieser rechnerisch nur 0,26 Arbeitskräfte kündbar gewesen wären. Flächenstilllegung 1993 und Entlassung im September 1995 lägen rund 2½ Jahre auseinander, eine Ursächlichkeit der Stilllegungsmaßnahme für die Kündigung bestehe nicht. Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang ergäben sich auch nicht aus der Zeugenaussage des Herrn W ... Die Entlassung des Klägers könne ferner nicht auf die Teilnahme der Agrargenossenschaft am KULAP zurückgeführt werden. Die Ausparung des Klägers von Erhöhungen des Ausgleichsgeldes nach § 10 FELEG durch Bescheid vom 22.05.1998 sei nicht zu beanstanden.

Gegen das am 20.02.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.03.2001, beim SLSG eingegangen am gleichen Tag, Berufung eingelegt. In der Begründung vom 28.03.2001 verweist der Klägerbevollmächtigte darauf, dass 1993 der Anteil der stillgelegten Fläche an der Gesamtfläche 11,63 % betragen hätte. Die Agrargenossenschaft habe diesen Anteil 1995 auf 17,21 % gesteigert. Das SG habe dies falsch gewürdigt. Im Zusammenhang mit der Teilnahme am KULAP träfe es zwar zu, dass die Auswirkungen auf den Arbeitskräftebedarf in der Pflanzenproduktion bereits 1994 eingetreten seien. Der Abbau des Tierbetandes in Folge der KULAP-Teilnahme sei jedoch erst mit einer zeitlichen Verzögerung eingetreten. Laut Fragespiegel zum KULAP seien 1996 136 Rinder mit 4.964 Arbeitskraftstunden (Akh) davon betroffen gewesen. Der Abbau sei kontinuierlich erfolgt und habe sich bereits 1995 auf den Arbeitskräftebedarf ausgewirkt. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Entlassung des Klägers und den Stilllegungs-/Extensivierungsmaßnahmen sei zu bejahen; das Ausgleichsgeld sei zu Recht bewilligt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15.11.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des SG,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gemäß § 48 Abs. 3 SGB X gilt: Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden und tritt eine Änderung nach Abs. 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen ein, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergeben würde.

Die Bewilligung des Ausgleichsgeld ab dem 01.10.1995 stellt einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung des Ausgleichsgeldes nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) vom 21.02.1989 (BGBl. I Seite 233), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.1998 (BGBl. I, Seite 3843).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FELEG erhalten Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung tätig sind, ein Ausgleichsgeld, wenn 1. ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Altersicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stilllegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und 2. sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stilllegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind. Satz 2 Nr. 1 verlangt darüber hinaus, dass das 55. Lebensjahr vor dem 01.01.1997 vollendet wurde.

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6 FELEG gelten die §§ 9 bis 12 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe sonstiger EWG-rechtlicher Vorschriften hinsichtlich einer Stilllegung oder Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzfläche endet.

1. § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG setzt mit den Worten "auf Grund" einen Ursachenzusammenhang zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einerseits und der Flächenstilllegung oder der Abgabe von Flächen andererseits voraus. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesen Worten aus dogmatischer Sicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt (so LSG Thüringen, Urteil vom 26.03.1998, Az. L 2 LW 397/97), weil das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage in jedem Fall voller richterlicher Überprüfung zugänglich ist und § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG der Verwaltung ohnehin kein - nur eingeschränkt überprüfbares - Ermessen eröffnet. Zu beachten ist insoweit, dass jeder in einer Rechtsnorm verwendete Begriff in seinem Sinngehalt mehrdeutig und somit unbestimmt ist (vgl. Achterberg, Norbert, Allgemeines Verwaltungsrecht. Ein Lehrbuch, 2. Auflage, 1986, § 18, Rn. 39, S. 341: Der Ausdruck "unbestimmter Rechtsbegriff" sei ein Pleonasmus). Deshalb bedürfen auch die Worte "auf Grund" - wie jedes Tatbestandsmerkmal - der Auslegung (siehe Achterberg, am angegebenen Ort, S. 341 f.; vgl. ferner Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgmeiner Teil, 10. Auflage 1973, § 5, S. 86: "Die Handhabung rein empirischer Begriffe ist ... Auslegung".) Für die Ermittlung eines Kausalzusammenhangs ist insbesondere im Recht der Sozialversicherung die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung entwickelt worden, welcher sich auch der erkennende Senat anschließt. Im Gegensatz zu der Äquivalenztheorie - wonach alle Ursachen als gleichwertig angesehen werden (sog. conditio sine qua non-Formel) - nimmt die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung eine Bewertung der Ursachen vor und gewichtet sie entsprechend. Damit steht sie der ebenfalls wertenden, im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie nahe. Anders als diese ist sie aber nicht generalisierend und abstrahierend, sondern vielmehr individualisierend und konkretisierend. Sie ermöglicht mithin anhand einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Wertung eine am Gesetzeszweck orientierte Bestimmung und Begrenzung der Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers (vgl. zum Ganzen: Schulin, Bertram, Sozialrecht. Ein Studienbuch, 5. Auflage, 1993, Rn. 337 f.) Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG sind bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage regelmäßig folgende Kriterien zu berücksichtigen:

a) innerer Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stilllegung/Abgabe

Hiermit ist der sachliche Grund, also das Motiv für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses angesprochen (siehe LSG Thüringen, am angegebenen Ort, und LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.05.1998, Az. L 3 LW 2/97).

b) zeitlicher Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stilllegung/Abgabe

Dieses Kriterium meint die zeitliche Komponente: Der zeitliche Zusammenhang kann nur bejaht werden, wenn die Flächenstilllegung/Abgabe und das Ende der Beschäftigung nicht zu weit auseinander liegen (siehe LSG Thüringen und LSG Sachsen-Anhalt, jeweils am angegebenen Ort). Wann dies der Fall ist, wird unterschiedlich eingeschätzt: Der Gesetzgeber hielt die grundsätzliche Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten in einem Gesamtzeitraum von 12 Monaten - Beendigung der Beschäftigung 6 Monate vor und 6 Monate nach der (Teil-)Flächenstilllegung - für plausibel (siehe Bundestags-Drucksache 13/391, Seite 7). Ausnahmsweise könne jedoch auch außerhalb dieses Zeitrahmens der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten geführt werden (siehe Bundestags-Drucksache, am angegebenen Ort). Die Landessozialgerichte Thüringen und Sachsen-Anhalt verneinen den zeitlichen Zusammenhang, sobald zwischen Stilllegung/Abgabe und Ende des Beschäftigungsverhältnisses ein Zeitraum von ca. 2 Jahren liegt (siehe jeweils am angebenen Ort). Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Prüfung des zeitlichen Zusammenhangs stets der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und nicht derjenige der Kündigung maßgeblich.

c) Proportionalität zwischen dem Verhältnis der durch die Stilllegung/Abgabe freigesetzten Arbeitnehmer zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Verhältnis der in die Stilllegung/Abgabe einbezogenen Fläche zur Gesamtfläche des Unternehmes (siehe Rombach, Wolfgang, Altersicherung der Landwirte, Das neue Recht nach dem Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung, 1995, Seite 299, sowie LSG Thüringen, am angegebenen Ort)

Das Verhältnis zwischen Flächenstilllegung und Personalbestand ist für jedes Jahr neu zu bestimmen, in dem die Stilllegungsfläche erhöht wurde. Maßgeblich ist insoweit dann nur die zusätzlich stillgelegte Fläche. Die Praxis der Beklagten, von der Anzahl der Arbeitnehmer vor der ersten Entlassung abzüglich der errechneten Quote vom Vorjahr auszugehen, verkennt, dass Arbeitnehmer regelmäßig nicht nur auf Grund von Flächenstilllegungen entlassen werden. Die von der Beklagten zu Grunde gelegte Fiktion wird somit den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Lehnt man diesen Berechnungsweg jedoch ab, so kann konsequenterweise für die der ersten Stilllegung folgenden Jahre auch nicht auf die ursprüngliche Gesamtbetriebsfläche abgestellt werden. Denn dies macht nur Sinn, wenn die Verhältnismäßigkeit zwischen Fläche und Personal ausschließlich durch Stilllegungen definiert würde. Will man den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden, so ist grundsätzlich für jedes Jahr mit zusätzlicher Flächenstilllegung die jeweils aktuelle Gesamtbetriebsfläche zu berücksichtigen.

Sofern in einem Jahr weniger Arbeitnehmer entlassen wurden, als es unter Proportionalitätsgesichtspunkten der stillgelegten Fläche entsprach, ist eine pauschale Quotenübertragung auf die Folgejahre nicht möglich. Denn es bedarf stets auch des inneren Zusammenhangs zwischen Stilllegung/Abgabe und konkretem Arbeitsplatzverlust (Kriterium unter a).

d) tatsächlicher Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes (siehe LSG Thüringen, am angegebenen Ort, und LSG Brandenburg, Urteil vom 17.03.1999, Az. L 4 LW 1/98)

Vom Gesetzeszweck her dient das Ausgleichsgeld als Ausgleich dafür, dass wegen der Flächenstilllegung/Abgabe der Arbeitsplatz tatsächlich entfällt.

e) Art und Umfang der Beschäftigung der Arbeitnehmers vor der Stilllegung/Abgabe

Hierbei wird die zu prüfende Kausalität bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Flächenbezug (z.B. Tätigkeit im Feldbau) eher zu bejahen sein als bei einer Tätigkeit ohne unmittelbaren Flächenbezug (z.B. Tätigkeit in der Verwaltung oder der Viehproduktion).

Insgesamt gilt, dass nur eine wertende Zusammenschau sämtlicher aufgeführter Kriterien eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende Entscheidung ermöglicht (vgl. Bundestags-Drucksache 13/391, Seite 7):

Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber der Ursächlichkeit zwischend der Stilllegung/Abgabe auf der einen Seite und der Beendigung der Beschäftigung auf der anderen Seite erhebliches Gewicht beigemessen hat (siehe Bundestags-Drucksache 11/2972, Seiten 11 f., 16). Dies ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass der Vorschlag der SPD-Fraktion, auf das Kausalitätserfordernis bei Arbeitnehmern vollständig zu verzichten, vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen wurde (siehe Bundestags-Drucksache 11/3859, Seiten 21 f., und 11/7233, Seiten 11 und 13). Vor diesem Hintergrund erscheint die Auffassung fragwürdig, es dürften keine strengen Anforderungen an die Kausalität gestellt werden, vielmehr genüge Mitursächlichkeit (so aber Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen (Hrsg., Stellungnahme zum FELEG, 2. Auflage, 1993, Seiten 172 und 207).

Ebenso wenig vermag die Meinung zu überzeugen, der Kausalitätsnachweis sei bereits erbracht, wenn der Unternehmer bestätige, der Verlust des Arbeitsplatzes sei auf die Stilllegung/Abgabe zurückzuführen, es sei denn es lägen konkrete Erkenntnisse darüber vor, dass die Angabe nicht der Realität entspreche (so jedoch Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, am angegebenen Ort, Seite 207).

Weiterhin ist die Gesamtbetrachtung stets so vorzunehmen, dass besonders schwerwiegende sonstige Umstände eine Ausnahmeentscheidung zulassen ( vgl. Bundestags-Drucksache 13/391, Seiten 7 f.; zum Fall der Zusicherung der Gewährung von Ausgleichsgeld seitens der Verwaltung siehe Sächsisches LSG, Urteil vom 19.01.2000, Az. L 4 LW 20/99).

2. Im vorliegenden Fall führt die Anwendung dieser Kriterien zu folgenden Ergebnissen:

Die Agrargenossenschaft beteiligte sich erstmals 1993 mit dem Stillllegungsbeginn am 15.12.1992 an der konjunkturellen Flächenstilllegung. Unter Zugrundelegung von Gesamtfläche des Betriebes, Stilllegungsfläche und Beschäftigtenzahl errechnet sich eine Quote von (21,5 Arbeitnehmern x 120,25 ha: 1.034,04 ha =) 2,5 Arbeitskräfte, bei denen sich rechnerisch ein Zusammenhang zwischen der Flächenstilllegung und der Entlassung begründen liesse. Bezogen auf die Entlassung des Klägers zum 30.09.1995 ist die zeitliche Differenz zwischen Beginn der Flächenstilllegung und Ende des Beschäftigungsverhältnisses jedoch mit 2,75 Jahren zu lang, als dass hier noch ein innerer Zusammenhang vermutet werden könnte. Eine pauschale Quotenübertragung auf die Folgejahre unter Außerachtlassung der zeitlichen Kausalität ist nicht möglich.

Die Erweiterung der Stilllegungsfläche im Jahr 1994 ist in Bezug auf den Anspruch des Klägers aus Ausgleichsgeld nach dem FELEG unbeachtlich. Zwar vergrößerte der Betrieb gegenüber 1993 die stillgelegte Fläche um 41,72 ha (von 120,25 ha auf 161,97 ha), gleichzeitig erhöhte sich jedoch auch die Gesamtbetriebsfläche um 66,52 ha. Die zu bewirtschaftende Fläche war deshalb 1994 größer als noch 1993. Es ist daher auszuschliessen, dass sich die Erweiterung der Stilllegungsfläche auf den Arbeitskräftebedarf des Gesamtbetriebes ausgewirkt hat.

Aufgrund der Erweiterung der Stilllgegungsfläche im Jahr 1995 auf 187,11 ha verringerte sich die bewirtschaftete Fläche in dem Unternehmen gegenüber den Werten des Jahres 1993 um 13,91 ha. Ausgehend von 20 Mitarbeitern zu Beginn des Jahres 1995 ließe sich rechnerisch die Entlassung von 0,26 Arbeitskräften mit der Reduzierung der bearbeiteten Fläche um 13,91 ha (1.086,99 ha - 187,11 ha gegenüber 1.034,04 ha - 120,25 ha) begründen. Diese Quote ist zu gering, als dass die Erweiterung als wesentliche Ursache für die Entlassung des Klägers überhaupt in Betracht kommt. Dies gilt umso mehr, als die Agrargenossenschaft die Stilllegungsmaßnahme des Jahres 1995 zum Anlass genommen hatte, insgesamt 4 Arbeitnehmern unter Hinweis auf die Möglichkeit des Bezugs von Ausgleichsgeld die Kündigung auszusprechen. Die tatsächlichen Entlassungen stehen damit in einem krassen Missverhältnis zu den rechnerisch zu begründenden Entlassungen.

Im Jahr 1996 verringerte sich die Stilllegungfläche bei gleichbleibender Gesamtfläche. Die Flächenstilllegung kann sich deshalb in diesem Jahr nicht auf den Arbeitkräftebedarf ausgewirkt haben.

Dem Kläger ist es nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen der Teilnahme der Agrargenossenschaft am KULAP und seiner Kündigung nachzuweisen. Die Agrargenossenschaft beteiligte sich erstmals 1994 am KULAP, wobei 73,20 ha Grünland mit reduziertem Mitteleinsatz genutzt wurden. Dadurch verringerte sich bereits 1994 die Anzahl der Weideumtriebe und der Schnitte und es konnten auch unmittelbar Arbeitsgänge bei der Düngung eingespart werden. Der Kläger wurde jedoch nicht 1994, sondern erst Ende September 1995 entlassen. Die zeitliche Differenz spricht gegen einen Kausalzusammenhang. Wie die Agrargenossenschaft im "Fragebogen zum Nachweis der Arbeitskräfteeinsparung im Zusammenhang mit dem Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)" angab, hatten die Extensivierungsmaßnahme erstmals 1996, also Monate nach der Entlassung des Klägers, Auswirkungen auf den Tierbestand. Zu bedenken ist auch, dass der Arbeitsplatz des Klägers keinen unmittelbaren Bezug zur Tierproduktion hatte. Laut Auskunft der Agrargenossenschaft gehörte zu den konkreten Aufgaben des Klägers das Fahren des Häckslers auf Futterflächen und Grünland sowie die Winterreparatur. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass die Entlassung des Klägers erst mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung zum Beginn der KULAP-Teilnahme möglich gewesen sein soll.

Besondere Gründe, die hier ausnahmsweise doch zur Kausalität führen, liegen nicht vor. Wollte man jegliche Mitursächlichkeit ausreichen lassen, gäbe man de facto die im Sozialrecht geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung auf. Alle Ursachen wären dann wie bei der Äquivalenztheorie gleichwertig und eine wertende Betrachtung ausgeschlossen. Dies aber würde dem Gesetzeszweck des FELEG zuwiderlaufen. Andernfalls müsste jeder noch so vage Zusammenhang zwischen Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und Flächenstillegungen/Extensivierungen zur Bejahung der Kausalität führen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

die Kausalitätsfrage im Rahmen von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG grundsätzliche Bedeutung hat und ein höchstrichterliches Urteil hierzu noch nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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