L 1 P 26/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 15 P 115/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 P 26/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.09.2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 879,24 DM zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des gerichtlichen Mahnverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.12.1998 bis zum 30.11.1999.

Die im ... 1946 geborene Beklagte ist Amtsrätin und als solche beihilfeberechtigt. Seit 01.01.1995 war sie bei der Bayerischen Beamtenkrankenkasse gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert. Am 27. November 1998 stellte die Beklagte bei der Klägerin einen Antrag auf Krankenversicherung und Pflegepflichtversicherung für sich als Versicherungsnehmerin, ihren beihilfeberechtigten Ehemann E ... N ..., die Kinder F ... und A ... N ... sowie für das Pflegekind S ... P ... Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten an und sandte mit Schreiben vom 05.01.1999 einen entsprechenden Versicherungsschein an die Beklagte, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 47 ff. SG-Akte). Vertragsbeginn war der 01.12.1998. Der Monatsbeitrag für die Beklagte und ihren Ehemann betrug im Dezember 1998 je 35,70 DM und ab Januar 1999 je 36,72 DM. Inhalt des Versicherungsvertrages waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV 1996). Zahlungen auf den Versicherungsvertrag hat die Beklagte nicht geleistet. Sie hat der Klägerin unter dem 06.11.1999 vielmehr mitgeteilt, sich selbst zum 01.12.1999 anderweitig versichert zu haben. Auf das Antwortschreiben der Klägerin vom 15.11.1999, das unter anderem den Hinweis auf § 13 Abs. 7 MB/KK enthält, wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Eine Kündigung des Versicherungsvertrages sowie die Kenntnisnahmeerklärungen der mitversicherten Personen sind bei der Klägerin nicht eingegangen. Auf die weiteren diesbezüglichen Schreiben der Klägerin vom 11.05.2000 und vom 04.08.2000 wird verwiesen (Bl. 74 f. SG-Akte).

Auf den Antrag der Klägerin vom 07.10.1999 erließ das Amtsgericht Hagen am selben Tag einen Mahnbescheid gegen die Beklagte in Höhe von 840,80 DM (ausstehende Beiträge zur privaten Pflegeversicherung vom 01.12.1998 bis 01.11.1999 in Höhe von 805,80 DM sowie Mahnkosten in Höhe von 35,00 DM). Nachdem die Beklagte gegen den ihr am 11.10.1999 zugestellten Mahnbescheid am 19.10.1999 Widerspruch erhoben hatte, hat das Amtsgericht Hagen das Verfahren an das Sozialgericht Chemnitz (SG) abgegeben.

Die Klägerin hat vor dem SG ihren Antrag insoweit erweitert, als sie von der Beklagten auch den Monatsbeitrag für die Eheleute Nöhring für den Monat November 1999 forderte.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 01.09.2000 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Beiträge, weil die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) mit der Folge greife, dass die Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 VVG nur noch eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen könne. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 08.09.2000 zugestellt.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung legte die Klägerin am 18.09.2000 beim Landessozialgericht Beschwerde ein, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Das SG habe unberücksichtigt gelassen, dass Kontrahierungszwang bestehe und somit die Frist nach § 38 Abs. 1 VVG entfalle. Eine Beendigung der privaten Pflegepflichtversicherung durch Kündigung oder Rücktritt seitens des Versicherers sei nicht möglich, so lange der Kontrahierungszwang gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bestehe. Dies ergebe sich auch aus § 14 Abs. 1 der dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 06.11.1999 mitgeteilt, dass sie sich zum 01.12.1999 anderweitig kranken- und pflegepflichtversichert habe. Eine Beendigung ihres Versicherungsteiles sei daher erst zum "01.12.2000" möglich.

Das SG hat der Beschwerde abgeholfen und die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 01.09.2000 mit Beschluss vom 12.10.2000 zugelassen. Der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu. Das Verhältnis der Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG zum Kontrahierungszwang des § 110 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB XI sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Gleiches gelte für das Verhältnis der Rücktrittsfiktion zu § 14 Abs. 1 Satz 1 der MB/PPV 1996. § 14 Abs. 1 Satz 1 MB/PPV 1996 schließe schon nach seinem Wortlaut die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht aus. Denn nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG gelte der Vertrag kraft gesetzlicher Fiktion als durch Rücktritt aufgehoben. Dem Versicherer werde aber nicht das Recht zum Rücktritt eingeräumt. In § 14 Abs. 1 Satz 1 MB/PPV 1996 sei hingegen die Ausübung von Gestaltungsrechten durch den Versicherer geregelt. Auch spreche der Zweck der Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG dafür, dass diese nicht von § 14 Abs. 1 Satz 1 MB/PPV 1996 erfasst werde. Die Rücktrittsfiktion diene dazu, den Versicherungsvertrag nicht allzu lange in der Schwebe zu halten und es so dem Versicherer zu ermöglichen, bis zum Verjährungsbeginn aufgelaufene Beiträge einzuklagen, ohne Versicherungsschutz geleistet haben zu müssen. Ein Bedürfnis hierfür bestehe auch in der privaten Pflegepflichtversicherung. Ein solcher Schwebezustand könne nämlich auch hier durch das von § 38 Abs. 2 VVG bewirkte Ruhen des Versicherungsschutzes eintreten. Aus § 110 SGB XI und den anderen für die private Pflegeversicherung geltenden Bestimmungen des SGB XI folge nicht, dass die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG auf die private Pflegepflichtversicherung unanwendbar sei. Dem Kontrahierungszwang und damit der Bindung an einen bestimmten Vertragspartner unterlägen nur die privaten Pflegeversicherungsunternehmen, nicht aber deren Versicherungsnehmer. Die der Versicherungspflicht nach §§ 22, 23 SGB XI unterlegenen Personen seien zwar verpflichtet, bei irgendeinem privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen, nicht aber bei einem bestimmten Versicherungsunternehmen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 SGB XI). In den Fällen des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG sei es letztlich die versicherungspflichtige Person, die unter Verstoß gegen ihre Versicherungs- bzw. Vorsorgepflicht das Scheitern ihrer Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit zu verantworten habe. Dies wolle das Gesetz zwar verhindern - aber nicht, indem es die versicherungs- bzw. vorsorgepflichtigen Personen an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen binde. Das Gesetz, das in der privaten Pflegeversicherung auf den Abschluss eines eigenständigen Versicherungsvertrages nicht verzichte und nicht einfach des Bestehen einer Pflegeversicherung für die versicherungs- bzw. vorsorgepflichtigen Personen fingiere, wenn für sie eine Krankenversicherung bestehe, nehme in Kauf, dass das Zustandekommen eines solchen Vertrages scheitere.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 VVG nicht eingreife (Berufungsbegründung vom 14.09.2000).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.09.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 879,24 DM zu zahlen.

Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Beklagte hat sich auch im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beklagten verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1; § 110 Abs. 1 SGG).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist kraft Zulassung durch das SG gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz statthaft und zulässig. In der Sache ist sie begründet.

Die Klage ist zulässig, insbesondere hat das SG zu Recht für den vorliegenden Rechtsstreit den Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG für eröffnet erachtet (vgl. auch Beschluss des Bundessozialgerichts -BSG- vom 08.08.1996 - 3 BS 1/96). Bei der Klage handelt es sich um eine reine Leistungsklage, die gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig ist und die die Klägerin zulässig auf den hier streitigen Zeitraum vom 01.12.1998 bis zum 30.11.1999 erstreckt hat.

Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage im Sinne des geltend gemachten Zahlungsanspruches begründet. Die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte als Versicherungsnehmerin ergibt sich aus dem zwischen den Beteiligten wirksam geschlossenen Pflegepflichtversicherungsvertrag i.V.m. § 1 Abs. 2 VVG und § 8 Abs. 1 MB/PPV 1996.

Entgegen der vom SG vertretenen Auffassung ist der zwischen den Beteiligten geschlossene private Pflichtversicherungsvertrag bis 30.11.1999 wirksam. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG im vorliegenden Fall erfüllt sind. Denn § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG, der den Rücktritt vom Vertrag fingiert, wenn die erste Rate oder einmalige Prämie nicht rechtzeitig bezahlt und der Anspruch auf die Prämie nicht innerhalb von drei Monaten vom Fälligkeitstage gerichtlich geltend gemacht wurde, findet im Bereich der privaten Pflegeversicherung keine Anwendung.

Hierfür sind nach Auffassung des Senats folgende Überlegungen maßgeblich:

Zwar finden die Vorschriften des VVG auch im Bereich der privaten Pflegeversicherung Anwendung. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, grundsätzlich verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Personen, die, wie die Beklagte, nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, sind zum Abschluss einer entsprechenden anteiligen beihilfekonformen Versicherung im Sinne des Abs. 1 verpflichtet (§ 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XI). Durch diese Verpflichtung der Versicherten der privaten Krankenversicherungsunternehmen, bei den privaten Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag gegen das Pflegefallrisiko abzuschließen, soll nach der Intention des Gesetzgebers möglichst für jeden Bürger der Bundesrepublik eine angemessene Absicherung für den Fall der Pflegebedürftigkeit erreicht werden (vgl. BT-Drucks. 505/93 v. 13. August 1993 zu § 20 Abs. 1; Udsching, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung § 23 Rz. 3). Die Regelung des § 23 SGB XI i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 2 SGB XI begründet insoweit eine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines Versicherungsvertrages (vgl. Gallon in Lehr- und Praxiskommentar -LPK- SGB XI § 23 Rz. 6).

Ungeachtet der Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages ist der private Pflegeversicherungsvertrag nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Zivilrecht zuzuordnen. Damit findet trotz der Zuweisung zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (BSG, a.a.O.) für die private Pflegeversicherung u.a. das VVG Anwendung (vgl. BSG, a.a.O.). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht der alleinigen Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten und Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nicht entgegen, dass in Streitsachen auch Rechtsfragen angesprochen sein könnten, die ihre Grundlage im Zivilrecht haben, z.B. im Versicherungsvertragsgesetz, im BGB oder im Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) (vgl. BSG, a.a.O.). Damit finden die Bestimmungen des VVG im Bereich der privaten Pflegeversicherung grundsätzliche Anwendung (vgl. auch LSG Baden-Würtemberg, Urteil vom 19.06.1998 - Az. L 4 P 2801/97 -).

Indesssen ist § 38 Abs. 1 VVG im Bereich der privaten Pflegeversicherung nicht anzuwenden. Die Anwendung des VVG im Bereich des privaten Pflegeversicherungsrecht kann nicht uneingeschränkt erfolgen. Dem steht die im SGB XI normierte Einschränkung der Abschluss- und Gestaltungsfreiheit (vgl. §§ 23, 110 SGB XI) entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht nur für Versicherte die Versicherungspflicht vorgesehen, sondern vielmehr auch den Versicherungsunternehmen der privaten Wirtschaft, die sich an der Durchführung der privaten Pflegeversicherung beteiligen, einen Kontrahierungszwang auferlegt. So verpflichtet § 110 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI die Versicherer, komplementär zu der in § 23 SGB XI vorgesehen Vorsorgepflicht ihrerseits mit den vertragspflichtigen Personen einen entsprechenden Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. § 110 Abs. 4 SGB XI konkretisiert den Kontrahierungszwang für die Versicherungsunternehmen durch den expliziten Ausschluss von Rücktritts- oder Kündigungsrechten während der Dauer des Kontrahierungszwanges. Dadurch wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der Versicherungspflichtige durch vertragswidriges Verhalten seine Versicherungspflicht unterlaufen kann (vgl. BT-Drucks. 12/5952 S. 49 zu § 119 Abs. 4).

Die mit dem Kontrahierungszwang verbundene Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Versicherungsunternehmen der privaten Wirtschaft als auch die für den Versicherten bei privaten Krankenversicherungsunternehmen bestehende Vorsorgepflicht schließen die Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG aus.

Der in § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG geregelte Eintritt der Rücktrittsfunktion kraft gesetzlicher Fiktion wird vom Ausschluss des § 110 Abs. 4 SGB XI umfasst. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. § 110 Abs. 4 SGB XI umfasst nicht nur den Ausschluss der Ausübung von Rücktritt und Kündigung, sondern gerade auch den Ausschluss der "Rücktritts- und Kündigungsrechte". Diese Formulierung deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber generell verhindern wollte, dass ein Rücktritt oder eine Kündigung den Pflegepflichtversicherungsvertrag beendet, sei es durch die Ausübung des jeweiligen Gestaltungsrechts, sei es durch den Eintritt einer entsprechenden Fiktion, die durch ein "Unterlassen" des Versicherers eintritt.

Diese, vom Gesetzeswortlaut ausgehende Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Danach soll gerade auch bei Vertragsverletzungen der Versicherungsschutz aufrecht erhalten bleiben, damit die private Pflegepflichtversicherung auch in dieser Hinsicht einen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertigen Schutz gewährleistet (vgl. BT-Drucks. a.a.O.; vgl. auch Gürtner, in: Kasseler Kommentar § 110 SGB XI Rz. 26).

Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Gesetzessystematik. Die Pflicht des Versicherten zur Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI normiert. Sie besteht entgegen dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 SGB XI entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auch für die Beihilfeberechtigten (vgl. Gallon, a.a.O. § 23 Rz. 29). In § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB XI hat der Gesetzgeber darüberhinaus die Versicherungsunternehmen verpflichtet Versicherungsnehmer zu melden, die mit sechs Monatsprämien in Verzug geraten sind. Das Bundesversicherungsamt ist in einem solchen Fall berechtigt, gegen den Versicherungsnehmer eine Geldbuße zu verhängen (vgl. § 112 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB XI). Gerade durch diese Bußgeldvorschrift soll der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflichten und damit zur Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes angehalten werden (vgl. BT-Drucks. a. a. O.). Diese Möglichkeit würde indes bei einer Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG unterlaufen werden. Im Übrigen ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigte, § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB XI anzuwenden und gleichzeitig die Kündigung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VVG gem. § 110 Abs. 4 SGB XI auszuschließen. Das vom SG geschilderte Bedürfnis, zu deren Erfüllung die Rücktrittsfunktion diene, tritt jedenfalls hinter dem Willen des Gesetzgebers, den Versicherungsschutz auch bei Vertragsverletzungen aufrechtzuerhalten, zurück. Dies bedeutet notwendig, dass auch die in §§ 38 Abs. 2 und 39 Abs. 2 SGB XI vorgesehenen Leistungsverweigerungsrechte den Versicherern insoweit nicht zustehen, als sie diese auf Dauer von der Leistungspflicht freistellen würden (so auch Udsching, a.a.O. § 110 Rz. 13; Gallon, a.a.O., § 110 Rz. 20; Gürtner, a.a.O. § 110 Rz. 26).

Schließlich steht dem Bestehen des Kontrahierungszwanges und damit der Anwendung des § 110 Abs. 4 SGB XI nicht entgegen, dass die Beklagte vor dem Vertragsabschluss mit der Klägerin bereits bei einem anderen privaten Versicherungsunternehmen gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert war. Teilweise wird zwar vertreten, dass das Gesetz einen Kontrahierungszwang nur für den ersten Vertragsabschluss bei bzw. nach Eintritt der Versicherungspflicht vorsehe. Kündige ein Versicherungsnehmer den in Erfüllung seiner Versicherungspflicht geschlossenen Pflegeversicherungsvertrag, was das SGB XI in § 23 Abs. 2 Satz 4 ausdrücklich nicht ausschließe, so sei ein anderes Versicherungsunternehmen nicht gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI zum Abschluss eines neuen Vertrages verpflichtet (vgl. König, in: Hauck/Haines, SGB XI § 110 Rz. 8; Waschull in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung § 110 SGB XI Rz. 58). Mit der Regelung des § 23 Abs. 2 SGB XI sehe das Gesetz die Wahl eines anderen Versicherungsunternehmens binnen sechs Monaten ab Eintritt der individuellen Versicherungspflicht vor. Diese Befristung liefe leer, wenn nach Kündigung des Pflegeversicherungsvertrages zu einem späteren Zeitpunkt wiederum ein Annahmezwang für andere privaten Pflegeversicherungsunternehmen bestünde (vgl. König, a.a.O.). Dies überzeugt nicht. Der Kontrahierungszwang gilt vielmehr für die Dauer, in der der Versicherungsnehmer nach § 23 Abs. 3 SGB XI § 23 Abs. 3 SGB XI auf Grund ihrer nach beamtenrechtlichen Vorschriften bestehenden Beihilfeberechtigung (vgl. Gallon a.a.O., § 110 Rz. 18). Anderenfalls würde dem Versicherungspflichtigen nunmehr jedenfalls ermöglicht, durch vertragswidriges Verhalten seine Versicherungspflicht zu unterlaufen (vgl. Gürtner, a.a.O., § 110 SGB XI Rz. 24). Denn § 110 Abs. 4 SGB XI, der dies, wie dargestellt, u.a. gerade vermeiden soll, käme dann nicht mehr zur Anwendung.

Da im Übrigen eine Kündigung des Versicherungsvertrages durch die Beklagte zum 30.11.1999 nicht erfolgte und die Monatsbeiträge gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 MB/PPV 1996 fällig waren, ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch begründet.

Nach alledem war der Berufung der Klägerin stattzugeben, das Urteil aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung der ausstehenden Beiträge zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGG i. V. m. § 182a SGG.

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved