L 4 RA 120/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 4 RA 470/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 120/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten nur noch die Berücksichtigung der Arbeitsausfalltage von 1979 bis 1990 als Beitragszeit.

Er wurde am ... geboren und absolvierte nach der Ausbildung zum Elektromechaniker beim VEB Elektroschaltgeräte B ... von September 1958 bis Februar 1961 ein Studium an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik D ... von September 1964 bis Juli 1967. Von September 1967 bis Ende Dezember 1991 arbeitete der Kläger im Kernforschungszentrum R ... Neben seiner Tätigkeit schloss er zwei Fernstudiengänge ab (Fernstudium zum Patentingenieur vom 1.9.1968 bis 25.6.1971; Fernstudium zum Diplom-Juristen vom 1.9.1972 bis 17.8.1978). Die BfA als Zusatzversorgungsträger stellte mit Bescheid vom 19.6.1996 die zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus der Zusatzversorgung in die Rentenversicherung erforderlichen Daten fest. Nachgewiesen seien Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften zu B ... und der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu B ... vom 1.12.1980 bis 21.5.1990. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) war der Kläger nicht beigetreten. Als Arbeitsausfalltage vermerkte der Zusatzversorgungsträger folgende Zeiträume, die im Sozialversicherungsausweis des Klägers summenmäßig eingetragen worden waren: 28.11.-31.12.1979 (24), 23.10.-31.12.1981 (50), 29.11.-31.12.1982 (23), 29.11.-31.12.1984 (23), 19.12.-31.12.1986 ( 9), 3.11.-31.12.1987 (42), 6.11.-31.12.1989 (40), 22. 5.-30. 6.1990 (28).

Am 12.12.1997 erließ die Beklagte einen Vormerkungsbescheid und bewertete die Arbeitsausfalltage als Anrechnungszeit mit insgesamt acht Monaten. Mit seinem Widerspruch wendete sich der Kläger unter anderem gegen die Nichtberücksichtigung der Arbeitsausfalltage als Beitragszeit. Auch dürfe keine monatsweise Bewertung der Arbeitsausfalltage erfolgen; diese seien vielmehr nach Ansicht des Klägers tageweise in den Versicherungsverlauf einzustellen. Der Bescheid vom 20.4.1998 berücksichtigte diesen Einwand nicht; unter dem 12.6.1998 erging der Widerspruchsbescheid. Nach § 17 der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17.11.1977 (SVO; GBl. DDR I, 373) habe während der Arbeitsausfalltage keine Beitragspflicht bestanden. Die entsprechenden Zeiten seien nach § 252a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) dem Ende der für das jeweilige Kalenderjahr bescheinigten Beschäftigung zuzuordnen, wobei es sich nicht um Beitragszeiten handele. Die Umrechnung der Arbeitsausfalltage in Kalenderjahre durch Vervielfältigung mit der Zahl 7 und anschließender Division durch 5 sei in § 252a Abs. 2 SGB VI gesetzlich vorgegeben.

Mit seiner am 7.7.1998 vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Die Eingruppierung als Wissenschaftler der Akademie der Wissenschaften habe neben der Lohnfortzahlung bei Krankheit für die Dauer von sechs Monaten aufgrund des Rahmenkollektivvertrages die Zusicherung enthalten, dass sich Krankheitszeiten nicht rentenmindernd auswirken würden. Während der mündlichen Verhandlung am 16.3.2000 hat er die Klage bezüglich der Umrechnung der Arbeitsausfalltage nach § 252a SGB VI zurückgenommen. Das SG hat die im Übrigen aufrecht erhaltene Klage abgewiesen (Urteil vom 16.3.2000). Die Anerkennung der Arbeitsausfalltage als Beitragszeit komme nicht in Betracht. § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI setze voraus, dass in den maßgeblichen Zeiträumen Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden seien. Dies sei jedoch während der streitgegenständlichen Zeiträume nicht geschehen, weil Zeiten mit Arbeitsausfalltagen gemäß §§ 17, 3 SVO keine Beitragspflicht zur Sozialversicherung begründet hätten. Diese Regelung sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Kläger aufgrund fehlender Beitragsleistung keine Rentenanwartschaften erworben habe. Auf möglicherweise erteilte "Zusagen" zu DDR-Zeiten komme es nach dem Inkrafttreten des SGB VI am 1.1.1992 nicht an.

Gegen das ihm am 17.6.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Sein Arbeitgeber habe während der Arbeitsausfalltage nachweislich Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe abgeführt.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.3.2000 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 12.12.1997 und 20.4.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.6.1998 zu verpflichten, die Zeiten mit Arbeitsausfalltagen von 1979 bis 1990 als Beitragszeit zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung enscheiden, weil der Kläger zum Termin nicht erschienen ist (§§ 153 Abs. 1, 126 SGG). Der Kläger wurde zuvor mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erweist sich als unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Arbeitsausfalltage als Beitragszeit hat.

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten die Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten, § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Den Beitragszeiten nach Bundesrecht stehen Zeiten nach dem 8.5.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind, § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI.

Dies ist jedoch im Falle des Klägers während der Arbeitsausfalltage nicht geschehen. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass nach § 17 SVO keine Beitragspflicht für Arbeitstage bestand, für die der Werktätige aus den in § 3 SVO genannten Gründen keinen Arbeitsverdienst erzielte. Die Sozialpflichtversicherung wurde lediglich nicht unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, § 3 a) SVO, so dass der Versicherungsschutz nach § 6 SVO auch in solchen Fällen erhalten blieb.

An dieser Bewertung ändert auch die Tatsache nichts, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften gemäß § 8 ihrer Vergütungsordnung vom 20.9.1951 (Gbl. DDR, S. 865) einen Anspruch auf Fortzahlung ihres Nettogehalts hatten für solche Zeiten, in denen ihnen Krankengeld zu zahlen war. Damit sollte den Mitarbeitern der Akademie im Gegensatz zu gewöhnlichen Arbeitnehmern (vgl. §§ 25, 26 SVO) das Nettogehalt in voller Höhe gesichert werden. Das Nettogehalt war allerdings nicht beitragspflichtig; vielmehr richtete sich die Beitragspflicht nach dem Bruttoverdienst (§§ 14, 16 SVO). Des Weiteren handelte es sich dabei im Gegensatz zur Ansicht des Klägers nicht um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern um einen solchen auf Krankengeld. Unerheblich ist demgegenüber, ob der Arbeitgeber des Klägers seinen Beitragsanteil für den streitgegenständlichen Zeitraum voll entrichtet hat, denn die Beitragspflicht der Betriebe bestand unabhängig von der der Arbeitnehmer (vgl. § 13 SVO).

Selbst eine zu DDR-Zeiten in einem Rahmenkollektivvertrag abgegebene "Zusage", wonach sich Arbeitsausfalltage nicht rentenmindernd auswirkten, würde nach der Wiedervereinigung keinerlei Rechtswirkungen entfalten, da es sich dabei jedenfalls nicht um einen Verwaltungsakt der DDR handelte, der nach Art. 19 des Einigungsvertrages wirksam bliebe. Hinzu kommt, dass sich Arbeitsausfalltage nach dem Recht der ehemaligen DDR zwar nicht rentenmindernd auswirkten aufgrund von § 11 Abs. 5 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung vom 23.11.1979 (GBl. I, 413). Diese Bestimmungen sind allerdings jetzt nicht mehr anzuwenden; seit dem 1.1.1992 gilt bundesweit einheitlich grundsätzlich das SGB VI.

Das Gesetz berücksichtigt Arbeitsausfalltage vor dem 1.7.1990 pauschal als Anrechnungszeiten (§ 252a Abs. 2 Satz 1 SGB VI), welche die Beklagte zutreffend gemäß § 149 SGB VI vorgemerkt hat. Diese Bewertung ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere war der Bundesgesetzgeber nicht vor dem Hintergrund des Art. 14 Grundgesetz (GG) verpflichtet, Arbeitsausfalltage als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Denn es bestand - wie das SG richtig dargestellt hat - während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach der SVO keine Beitragspflicht des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung. Deshalb konnte nach bundesrechtlichen Kriterien auch kein Anwartschaftsrecht begründet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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