Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 RA 140/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 120/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Wiederaufnahme eines vor dem Sozialgericht Chemnitz abgeschlossenen Klageverfahrens, in dem es um die Begrenzung von Arbeitsentgelten nach § 6 Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ging.
Der am ... geborene Kläger war vom 01.04.1957 bis 31.07.1954 als Sachbearbeiter beim Ministerium für Leichtindustrie, Preisbildungsstelle Textil, tätig. Vom 01.01.1958 bis 31.01.1967 war er als Referent und Fachgebietsleiter im Büro der Regierungskommission, Zentralreferat Textil, vom 01.02.1967 bis 31.08.1986 als Fachgebietsleiter und ab 01.01.1983 als Revisor beim Ministerrat der DDR, Amt für Preise, Außenstelle Textil versicherungspflichtig beschäftigt.
Seit 01.03.1971 war er der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates beigetreten und entrichtete entsprechende Beiträge.
Mit Bescheid vom 06.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.1995 stellte die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme die Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung nach Anlage 19 zum AAÜG und die während dieser Zeiten erzielten Entgelte fest. Sie begrenzte die in der Zeit vom 01.04.1957 bis 06.03.1986 erzielten Arbeitsentgelte jeweils auf die Werte der Anlagen 4, 5 und 8 zum AAÜG. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage (Az: S 8 An 452/95) blieb ohne Erfolg (vgl. Urteil vom 15.11.1996). Berufung hatte der Kläger nicht eingelegt, so dass das Urteil rechtskräftig wurde.
Nach Inkrafttreten des AAÜG-ÄndG nahm die Beklagte auf den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29.04.1997 für Leistungszeiträume ab 01.01.1997 eine Begrenzung der vom Kläger erzielten Entgelte nach den Anlagen 4, 5 und 8 zum AAÜG nicht mehr vor. Wegen der Berücksichtigung der erzielten Entgelte erst für Leistungszeiträume ab dem 01.01.1997 hatte der Kläger Einwendungen erhoben. Nach Überprüfung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.1997 eine Änderung des Überführungsbescheides vom 29.04.1997 ab.
Mit Schreiben vom 14.04.2000 wandte sich der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.04.1999 und nachfolgend des Bundessozialgerichts (BSG) an die Beklagte mit der Bitte um Berücksichtigung der nur auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG begrenzten Entgelte auch für Leistungszeiträume ab dem 01.07.1993. Die Beklagte klärte den Kläger mit Schreiben vom 09.05.2000 dahingehend auf, dass im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG die Neuregelung durch den Gesetzgeber abgewartet werden müsse. Das Urteil des BSG vom 04.08.1999 (B 4 RA 23/99 R) sei nicht einschlägig, da danach eine vorläufige Regelung nur für nicht bestandskräftige Bescheide vorgesehen sei.
Mit Schreiben vom 04.03.2001, beim Sozialgericht Chemnitz eingegangen am 06.03.2001, beantragte der Kläger eine Neuverhandlung seiner Klage vom 15.08.1995 und die Überprüfung des Urteils vom 15.11.1996. Das BVerfG habe am 28.04.1999 die Kürzungen nach § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErG) als mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar erklärt. Damit beruhe das Urteil vom 15.11.1996 auf verfassungswidrigen Normen. Diese nach Urteilsverkündung bekannt gewordenen neuen Umstände müssten nunmehr berücksichtigt werden.
Das Sozialgericht hat nach Anfrage beim Kläger das Schreiben vom 04.03.2001 als Wiederaufnahmeklage bewertet und ihn mit Übersendung der Gesetzestexte darauf hingewiesen, dass Gründe zur Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahren nicht vorlägen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2001 verworfen. Die Klage sei unzulässig. Zwar sei nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) möglich. Jedoch gebe das Prozessrecht nur bei schwersten Mängeln (Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO) oder unrichtiger Urteilsgrundlage (Restitutionsklage nach § 580 ZPO, § 179 Abs. 2 SGG) die Möglichkeit, ein rechtskräftiges Urteil durch Wiederaufnahmeklage zu beseitigen. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht statthaft, da die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage nicht vorlägen (§ 579 Abs. 1 und 2 ZPO) und der Kläger Restitutionsgründe (§ 580 ZPO) nicht schlüssig behauptet bzw. dargelegt habe. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften in einem anderen Verfahren begründe keinen Zulassungsgrund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Auch lägen Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 179 Abs. 2 SGG oder einander widersprechende Entscheidungen nach § 180 SGG nicht vor. Vielmehr sei in sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nach den §§ 44 und 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Möglichkeit einer Überprüfung bindender Verwaltungsentscheidung gegeben. Eine derartige Antragstellung stehe dem Kläger frei.
Gegen den dem Kläger mit Einschreiben vom 26.07.2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am 02.08.2001 eingelegte Berufung. Er geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 580 Ziff. 2 und Ziff. 7b ZPO erfüllt seien und deshalb seine Restitutionsklage zur Aufhebung des Urteils vom 15.11.1996 und zur Abänderung des Bescheides der Beklagten führen müsse. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 44 SGB X hält er deshalb seine Restitutionsklage aufrecht.
Der im Termin der mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Chemnitz vom 11.07.2001, das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 15.11.1996 (S 8 An 452/95) sowie den Bescheid vom 06.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von ihm im Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG erzielten Entgelte ohne Begrenzung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Neue Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien weiterhin nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, der Verfahrensakte des Sozialgerichts Chemnitz S 8 An 452/95 und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage auf Wiederaufnahme des mit Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.11.1996 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (S 8 An 452/95) als unzulässig verworfen, denn ein Restitutionsgrund ist vom Kläger nicht schlüssig behauptet worden und liegt im Übrigen auch nicht vor.
Zwar besteht nach § 179 Abs. 1 SGG grundsätzlich die Möglichkeit, ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend der Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufzunehmen. Dazu muss jedoch einer der in den vom Sozialgericht zutreffend zitierten §§ 579 und 580 ZPO abschließend genannten Gründe vorliegen. Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich dabei in drei Abschnitte: Zulässigkeitsprüfung, aufhebendes Verfahren und ersetzendes Verfahren (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. 1998, § 179 RdNr. 9; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 56. Aufl. 1998, Grundzüge vor § 578 RdNr. 15). Dabei darf das Gericht in die Prüfung des jeweils späteren Verfahrensabschnitts immer erst dann eintreten, wenn die Prüfung des vorhergehenden Abschnitts abgeschlossen ist.
Vorliegend scheitert die Wiederaufnahmeklage bereits im ersten Prüfungsabschnitt, der Zulässigkeitsprüfung. Die vom Kläger eingereichte Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft, weil er einen zulässigen Anfechtungsgrund nicht schlüssig behauptet hat.
Der Kläger hat als Grund zur Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 15.11.1996 abgeschlossenen Verfahrens (S 8 An 452/95) sinngemäß vorgetragen, dass die ihn benachteiligende ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts auf die Regelung des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes gestützt sei, die mit dem Urteil des BVerfG vom 28.04.1999 (1 BvL 34/95 und 1 BvL 22/95) seit dem 01.07.1993 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt worden war. Der Kläger vertrat die Ansicht, das Urteil des Sozialgerichts vom 15.11.1996 müsse nach der Entscheidung des BVerfG rückwirkend aufgehoben und über seine Ansprüche zur Feststellung der berücksichtigungsfähigen Entgelte neu entschieden werden, weil es sich auf die Anwendung einer Rechtsnorm stütze, die vom BVerfG als mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt worden sei. Dieser Vortrag genügt den Anforderungen an einen schlüssig behaupteten zulässigen Anfechtungsgrund nicht. Den Gründen des benannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist vielmehr unter dem Abschnitt IV folgender Text zu entnehmen:
"Die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide, insbesondere die nicht mehr anfechtbaren (Entgeltüberführungs-)Bescheide gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG, bleiben unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 (384)). Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht." (vgl. BVerfGE 100, 59 [104]).
Bereits aus diesem Zitat und dem Hinweis auf die einschlägigen Regelungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) ist ersichtlich, dass die Entscheidung des BVerfG vom 28.04.1999 keinen Einfluss auf bereits rechtskräftige Bescheide und abgeschlossene sozialgerichtliche Entscheidungen hat. Auch soweit nicht mehr anfechtbare Entscheidungen auf einer nachträglich für verfassungswidrig erklärten Norm beruhen, bleiben diese Entscheidungen unberührt (vgl. § 79 Abs. 2 BVerfGG). Insoweit ist es allein Sache des Gesetzgebers, auch bindende Verwaltungsakte in eine gesetzliche Neuregelung einzubeziehen.
Allein mit Blick auf die Wirkungen des Urteils des BVerfG vom 28.04.1999 (1 BvL 34/95 und 1 BvL 22/95) ist ein zulässiger Anfechtungsgrund vom Kläger nicht schlüssig dargelegt. Deshalb kann die Prüfung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere des § 582 ZPO, offen bleiben, denn die Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft und war deshalb - wie zutreffend vom Sozialgericht erfolgt - als unzulässig zu verwerfen.
Der Ansicht des Klägers, aus § 580 Ziff. 2 und Ziff. 7b ZPO könne ein zulässiger Anfechtungsgrund hergeleitet werden, folgt der Senat ausdrücklich nicht. Das Urteil des BVerfG vom 28.04.1999 - auf das sich der Kläger stützt - stellt weder im Sinne der Ziff. 2 des § 580 ZPO eine Urkunde dar, die fälschlich angefertigt oder verfälscht war, noch handelt es sich dabei um eine zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung am 15.11.1996 bereits bestehende Urkunde, die der Kläger erst danach aufgefunden hat oder zu benutzen in den Stand gesetzt war, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (§ 580 Ziff. 7b ZPO).
Mit dem 2. AAÜG-Änderungsgesetz (BGBl. I S. 1939) hat der Gesetzgeber zwar nunmehr die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Regelungen geschaffen und diese mit Art. 13 in verschiedenem zeitlichen Umfang in Kraft gesetzt. Es steht dem Kläger frei, aufgrund dieser gesetzlichen Neuregelung einen Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X an die Beklagte zu stellen.
Aus den genannten Gründen blieb die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Wiederaufnahme eines vor dem Sozialgericht Chemnitz abgeschlossenen Klageverfahrens, in dem es um die Begrenzung von Arbeitsentgelten nach § 6 Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ging.
Der am ... geborene Kläger war vom 01.04.1957 bis 31.07.1954 als Sachbearbeiter beim Ministerium für Leichtindustrie, Preisbildungsstelle Textil, tätig. Vom 01.01.1958 bis 31.01.1967 war er als Referent und Fachgebietsleiter im Büro der Regierungskommission, Zentralreferat Textil, vom 01.02.1967 bis 31.08.1986 als Fachgebietsleiter und ab 01.01.1983 als Revisor beim Ministerrat der DDR, Amt für Preise, Außenstelle Textil versicherungspflichtig beschäftigt.
Seit 01.03.1971 war er der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates beigetreten und entrichtete entsprechende Beiträge.
Mit Bescheid vom 06.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.1995 stellte die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme die Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung nach Anlage 19 zum AAÜG und die während dieser Zeiten erzielten Entgelte fest. Sie begrenzte die in der Zeit vom 01.04.1957 bis 06.03.1986 erzielten Arbeitsentgelte jeweils auf die Werte der Anlagen 4, 5 und 8 zum AAÜG. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage (Az: S 8 An 452/95) blieb ohne Erfolg (vgl. Urteil vom 15.11.1996). Berufung hatte der Kläger nicht eingelegt, so dass das Urteil rechtskräftig wurde.
Nach Inkrafttreten des AAÜG-ÄndG nahm die Beklagte auf den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29.04.1997 für Leistungszeiträume ab 01.01.1997 eine Begrenzung der vom Kläger erzielten Entgelte nach den Anlagen 4, 5 und 8 zum AAÜG nicht mehr vor. Wegen der Berücksichtigung der erzielten Entgelte erst für Leistungszeiträume ab dem 01.01.1997 hatte der Kläger Einwendungen erhoben. Nach Überprüfung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.1997 eine Änderung des Überführungsbescheides vom 29.04.1997 ab.
Mit Schreiben vom 14.04.2000 wandte sich der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.04.1999 und nachfolgend des Bundessozialgerichts (BSG) an die Beklagte mit der Bitte um Berücksichtigung der nur auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG begrenzten Entgelte auch für Leistungszeiträume ab dem 01.07.1993. Die Beklagte klärte den Kläger mit Schreiben vom 09.05.2000 dahingehend auf, dass im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG die Neuregelung durch den Gesetzgeber abgewartet werden müsse. Das Urteil des BSG vom 04.08.1999 (B 4 RA 23/99 R) sei nicht einschlägig, da danach eine vorläufige Regelung nur für nicht bestandskräftige Bescheide vorgesehen sei.
Mit Schreiben vom 04.03.2001, beim Sozialgericht Chemnitz eingegangen am 06.03.2001, beantragte der Kläger eine Neuverhandlung seiner Klage vom 15.08.1995 und die Überprüfung des Urteils vom 15.11.1996. Das BVerfG habe am 28.04.1999 die Kürzungen nach § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErG) als mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar erklärt. Damit beruhe das Urteil vom 15.11.1996 auf verfassungswidrigen Normen. Diese nach Urteilsverkündung bekannt gewordenen neuen Umstände müssten nunmehr berücksichtigt werden.
Das Sozialgericht hat nach Anfrage beim Kläger das Schreiben vom 04.03.2001 als Wiederaufnahmeklage bewertet und ihn mit Übersendung der Gesetzestexte darauf hingewiesen, dass Gründe zur Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahren nicht vorlägen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2001 verworfen. Die Klage sei unzulässig. Zwar sei nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) möglich. Jedoch gebe das Prozessrecht nur bei schwersten Mängeln (Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO) oder unrichtiger Urteilsgrundlage (Restitutionsklage nach § 580 ZPO, § 179 Abs. 2 SGG) die Möglichkeit, ein rechtskräftiges Urteil durch Wiederaufnahmeklage zu beseitigen. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht statthaft, da die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage nicht vorlägen (§ 579 Abs. 1 und 2 ZPO) und der Kläger Restitutionsgründe (§ 580 ZPO) nicht schlüssig behauptet bzw. dargelegt habe. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften in einem anderen Verfahren begründe keinen Zulassungsgrund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Auch lägen Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 179 Abs. 2 SGG oder einander widersprechende Entscheidungen nach § 180 SGG nicht vor. Vielmehr sei in sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nach den §§ 44 und 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Möglichkeit einer Überprüfung bindender Verwaltungsentscheidung gegeben. Eine derartige Antragstellung stehe dem Kläger frei.
Gegen den dem Kläger mit Einschreiben vom 26.07.2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am 02.08.2001 eingelegte Berufung. Er geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 580 Ziff. 2 und Ziff. 7b ZPO erfüllt seien und deshalb seine Restitutionsklage zur Aufhebung des Urteils vom 15.11.1996 und zur Abänderung des Bescheides der Beklagten führen müsse. Trotz gerichtlichen Hinweises auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 44 SGB X hält er deshalb seine Restitutionsklage aufrecht.
Der im Termin der mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Chemnitz vom 11.07.2001, das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 15.11.1996 (S 8 An 452/95) sowie den Bescheid vom 06.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von ihm im Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG erzielten Entgelte ohne Begrenzung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Neue Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien weiterhin nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, der Verfahrensakte des Sozialgerichts Chemnitz S 8 An 452/95 und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage auf Wiederaufnahme des mit Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.11.1996 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (S 8 An 452/95) als unzulässig verworfen, denn ein Restitutionsgrund ist vom Kläger nicht schlüssig behauptet worden und liegt im Übrigen auch nicht vor.
Zwar besteht nach § 179 Abs. 1 SGG grundsätzlich die Möglichkeit, ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend der Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufzunehmen. Dazu muss jedoch einer der in den vom Sozialgericht zutreffend zitierten §§ 579 und 580 ZPO abschließend genannten Gründe vorliegen. Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich dabei in drei Abschnitte: Zulässigkeitsprüfung, aufhebendes Verfahren und ersetzendes Verfahren (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. 1998, § 179 RdNr. 9; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 56. Aufl. 1998, Grundzüge vor § 578 RdNr. 15). Dabei darf das Gericht in die Prüfung des jeweils späteren Verfahrensabschnitts immer erst dann eintreten, wenn die Prüfung des vorhergehenden Abschnitts abgeschlossen ist.
Vorliegend scheitert die Wiederaufnahmeklage bereits im ersten Prüfungsabschnitt, der Zulässigkeitsprüfung. Die vom Kläger eingereichte Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft, weil er einen zulässigen Anfechtungsgrund nicht schlüssig behauptet hat.
Der Kläger hat als Grund zur Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 15.11.1996 abgeschlossenen Verfahrens (S 8 An 452/95) sinngemäß vorgetragen, dass die ihn benachteiligende ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts auf die Regelung des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes gestützt sei, die mit dem Urteil des BVerfG vom 28.04.1999 (1 BvL 34/95 und 1 BvL 22/95) seit dem 01.07.1993 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt worden war. Der Kläger vertrat die Ansicht, das Urteil des Sozialgerichts vom 15.11.1996 müsse nach der Entscheidung des BVerfG rückwirkend aufgehoben und über seine Ansprüche zur Feststellung der berücksichtigungsfähigen Entgelte neu entschieden werden, weil es sich auf die Anwendung einer Rechtsnorm stütze, die vom BVerfG als mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt worden sei. Dieser Vortrag genügt den Anforderungen an einen schlüssig behaupteten zulässigen Anfechtungsgrund nicht. Den Gründen des benannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist vielmehr unter dem Abschnitt IV folgender Text zu entnehmen:
"Die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide, insbesondere die nicht mehr anfechtbaren (Entgeltüberführungs-)Bescheide gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG, bleiben unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 (384)). Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht." (vgl. BVerfGE 100, 59 [104]).
Bereits aus diesem Zitat und dem Hinweis auf die einschlägigen Regelungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) ist ersichtlich, dass die Entscheidung des BVerfG vom 28.04.1999 keinen Einfluss auf bereits rechtskräftige Bescheide und abgeschlossene sozialgerichtliche Entscheidungen hat. Auch soweit nicht mehr anfechtbare Entscheidungen auf einer nachträglich für verfassungswidrig erklärten Norm beruhen, bleiben diese Entscheidungen unberührt (vgl. § 79 Abs. 2 BVerfGG). Insoweit ist es allein Sache des Gesetzgebers, auch bindende Verwaltungsakte in eine gesetzliche Neuregelung einzubeziehen.
Allein mit Blick auf die Wirkungen des Urteils des BVerfG vom 28.04.1999 (1 BvL 34/95 und 1 BvL 22/95) ist ein zulässiger Anfechtungsgrund vom Kläger nicht schlüssig dargelegt. Deshalb kann die Prüfung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere des § 582 ZPO, offen bleiben, denn die Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft und war deshalb - wie zutreffend vom Sozialgericht erfolgt - als unzulässig zu verwerfen.
Der Ansicht des Klägers, aus § 580 Ziff. 2 und Ziff. 7b ZPO könne ein zulässiger Anfechtungsgrund hergeleitet werden, folgt der Senat ausdrücklich nicht. Das Urteil des BVerfG vom 28.04.1999 - auf das sich der Kläger stützt - stellt weder im Sinne der Ziff. 2 des § 580 ZPO eine Urkunde dar, die fälschlich angefertigt oder verfälscht war, noch handelt es sich dabei um eine zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung am 15.11.1996 bereits bestehende Urkunde, die der Kläger erst danach aufgefunden hat oder zu benutzen in den Stand gesetzt war, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (§ 580 Ziff. 7b ZPO).
Mit dem 2. AAÜG-Änderungsgesetz (BGBl. I S. 1939) hat der Gesetzgeber zwar nunmehr die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Regelungen geschaffen und diese mit Art. 13 in verschiedenem zeitlichen Umfang in Kraft gesetzt. Es steht dem Kläger frei, aufgrund dieser gesetzlichen Neuregelung einen Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X an die Beklagte zu stellen.
Aus den genannten Gründen blieb die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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