L 4 RA 146/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 16 RA 245/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 146/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die fortdauernde Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Möglichkeit der Nachforderung von Beiträgen.

Der Kläger begann am 01.10.1990 einen selbständigen Feuerlöscher-Prüfdienst. Bis 30.06.1991 zahlte er noch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 1991 schloss er eine private Rentenversicherung ab, stellte ab dem 2. Halbjahr die Zahlungen an die Beklagte ein. Im Zuge der Überprüfung von Scheinselbständigkeit stellte die zuständige BKK B ... mit Bescheid vom 24.06.1999 fest, dass der Kläger selbständig tätig sei, damit keine Pflichtversicherung in der Krankenkasse bestünde. Gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, die Zweitausfertigung der Rentenversicherung vorzulegen. Am 25.06.1999 beantragte darauf der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungpflicht nach § 231 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Mit Bescheid vom 27.08.1999 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 229a SGB VI fest. Da das Gewerbe 1990 begonnen sei, habe Versicherungspflicht nach § 10 Sozialversicherungsgesetz (SVG) bestanden. Diese Versicherungspflicht sei durch § 229a SGB VI fortgeführt worden. Bis 31.12.1994 habe beantragt werden können, dass die Versicherungspflicht ende. Ein solcher Antrag sei vom Kläger nicht gestellt worden. Gegen den Bescheid legte der Kläger am 27.09.1999 Widerspruch ein. Einen Antrag auf Befreiung habe er 1991 gestellt, nach Juni 1991 die Beitragszahlungen eingestellt. Er habe eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen. Über die Versicherung sei der Befreiungsantrag gestellt. Hierzu legte er eine Bestätigung der Firma Konzeption über den Vertragsschluss mit der Kopie eines von dort erhaltenen Merkblattes der Überleitungsanstalt Sozialversicherung vor. Dieses enthält folgende Belehrung: "5. Bis zur Bekanntgabe des Bescheides sind Beiträge zur Rentenversicherung zu bezahlen. Beiträge für Zeiten, die zwischen dem Beginn der Befreiung und der Bekanntgabe des Befreiungsbescheides liegen, werden auf Antrag erstattet, soweit Leistungen aus der Rentenversicherung nicht erbracht wurden." Nach der Bescheinigung der Firma K ... habe man einen Befreiungsantrag für den Kläger entsprechend den Hinweisen im Formblatt gestellt.

Mit Hinweisschreiben vom 18.10.1999 teilte die Beklagte mit, dass ein Befreiungsantrag nach § 20 SVG bei ihr nicht vorliege. Ein Antrag sei Willenserklärung des öffentlichen Rechts. Hierfür würden die Grundsätze des Bürgerlichen Rechts gelten. Eine empfangsbedürtige Willenserklärung wie z. B. der Befreiungsantrag werde erst mit Zugang wirksam. Das Übermittlungsrisiko trage nach § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Erklärende. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Nachsichtgewährung seien nicht möglich. Wenn ein Antrag 1991 gestellt sei, hätte Pflicht bestanden, innerhalb eines Jahres nachzufragen, was mit dem Antrag geschehen sei. Damit bestünde ab dem 01.01.1992 die Versicherungspflicht nach § 229a SGB VI. Die Befreiungsfrist nach dieser Vorschrift sei auch abgelaufen. Damit müssten die gesetzlichen Beiträge nachgefordert werden.

Da der Kläger auf das Schreiben nicht reagierte, wurde sein Widerspruch mit Bescheid vom 15.05.2000 zurückgewiesen, wobei im Wesentlichen die Argumentation im Hinweisschreiben wiederholt wurde. Außerdem ist dargestellt, dass eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI nicht in Betracht komme, da sie nur Personen betreffe, die vor dem 01.01.1999 nicht versicherungspflichtig waren.

Mit der am 06.06.2000 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel der Befreiung von der Versicherungspflicht. Bereits 1991 sei ein Befreiungsantrag gestellt worden. Außerdem sei 1996 die Kontenklärung beantragt worden, auf die ein Bescheid am 12.05.1998 ergangen sei. Auch hier sei nicht auf die Versicherungspflicht hingewiesen worden. Der Befreiungsantrag sei persönlich gestellt worden. Damit habe man kein Übermittlungsrisiko auf dem Postweg gehabt.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 30.05.2001 ab. Für den Zugang des Befreiungsantrages trage der Kläger das Übermittlungsrisiko, wie die Beklagte ausgeführt habe. Der Kläger habe nachfragen müssen, nachdem er nichts von der Beklagten gehört habe.

Gegen das mit Einschreiben vom 02.08.2001 zugestellte Urteil legte der Kläger fristgerecht am 30.08.2001 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein, mit der er sein Ziel der Befreiung von der Versicherungspflicht weiter verfolgt. Durch den Abschluss einer Versicherung über eine seriöse Agentur, die die Befreiung veranlasst habe, sei man sicher gewesen, nicht mehr der Versicherungspflicht zu unterliegen. Der Rentenversicherungsträger habe eine Versicherungsnummer erteilt. Mit dem in der DDR erlernten Rechtsverständnis sei man davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei, weil auf die Einstellung der Beitragszahlungen keine Reaktion erfolgte. Die BfA habe als staatliche Behörde die Pflicht gehabt, die ausstehenden Beitragszahlungen anzumahnen. Man habe einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI gestellt, der aber mit Bescheid vom 10.10.01 zurückgewiesen worden sei. Im Übrigen wurde das bisherige Vorbringen vertieft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30.05.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2000 aufzuheben und festzustellen, dass die Versicherungspflicht des Klägers zum 30.06.1991 geendet hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Gründe des erstinstanzlichen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist zulässig, §§ 144, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid vom 27.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2000 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Beendigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit ab 01.07.1991 nicht zu.

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommen § 20 SVG und § 229a Abs. 1 SGB VI in Betracht. Nach § 10 SVG waren selbständig Tätige in der ehemaligen DDR bzw. dem Beitrittsgebiet, die ihr Gewerbe vor dem 01.08.1991 begonnen hatten, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Sie konnten bis 31.12.1991 bei dem Versicherungsträger die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen. Diese war zu gewähren, wenn eine entsprechende Altersicherung und Sicherung gegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit nachgewiesen wurde.

Nach § 229a SGB VI bleiben Personen, die am 31.12.1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren und nicht nach §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sind, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des jeweiligen Leistungsbezuges versicherungspflichtig (§ 229a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Selbständig Tätige und mitarbeitende Familienangehörige konnten nach § 229a Abs. 1 Satz 2 SGB VI bis zum 31.12.1994 die Beendigung der Versicherungspflicht nach Satz 1 beantragen. Das Ende der Versicherungspflicht trat vom 01.01.1992 an ein, wenn der Antrag bis zum 30.06.1992 gestellt wurde, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 229 a Abs. 1 Satz 3 SGB VI).

Die Vorschrift des § 229a SGB VI führt die nach dem Recht des Beitrittsgebiets begründete Versicherungspflicht, die nicht nach den §§ 1 bis 3, 229 SGB VI fortbestehen würde, fort und verbindet sie mit einer Beendigungsmöglichkeit. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet, wie oben dargestellt, weiter reichte als im übrigen Bundesgebiet. Die nach § 229a Abs. 1 Satz 1 SGB VI aufrechterhaltene Versicherungspflicht ist an die nach dem Recht des Beitrittsgebietes begründete Tätigkeit geknüpft und besteht so lange fort, wie diese Tätigkeit währt.

Der Kläger übte seit Oktober 1990 eine selbständige Tätigkeit im Beitrittsgebiet aus. Mit dieser selbständigen Tätigkeit unterlag der Kläger nach § 10 Abs. 1 SVG i.V.m. §§ 19, 20 der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 09.12.1977 (GBl. I 1978 S. 1) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit er aus seiner selbständigen Tätigkeit mehr als 900 Mark Arbeitseinkommen im Jahr erzielte. Ab 01.01.1992 blieb er in diesen Tätigkeiten weiterhin versicherungspflichtig (§ 229a SGB VI) mit der Möglichkeit, bis zum 31.12.1994 auf Antrag die "fortwirkende" Versicherungspflicht zu beenden.

Der Antrag ist neben der Erfüllung der sachlichen Voraussetzung eine konstitutive Voraussetzung für eine Beendigung der Versicherungspflicht (siehe zur vergleichbaren Lage nach § 6 SGB VI: KassKomm-Gürtner, § 6 SGB VI Rdnr. 22). Der nach § 20 Abs. 1 SVG bzw. § 229a SGB VI erforderliche Antrag stellt eine Willenserklärung des öffentlichen Rechts dar. Auf Willenserklärungen Privater sind die Grundsätze des bürgerlichen Rechts zur Willenserklärung entsprechend anzuwenden, weil weder im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung noch sonst im Sozialversicherungsrecht, aber auch nicht im allgemeinen Verwaltungsrecht besondere Rechtsvorschriften über Willenserklärungen des öffentlichen Rechts bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.1975, 11 RKLw 23/74 = SozR 5486 Art. 4 § 2 Nr. 2; Beschluss vom 29.01.1990, 5 BJ 361/89).

Somit ist § 130 BGB entsprechend anzuwenden. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie zugeht. Dies gilt auch, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist (§ 130 Abs. 3 BGB). Auch für die Beendigung der Versicherungspflicht ist, wie sich aus dem Wortlaut des § 229a SGB VI ergibt, der Zugang der Willenserklärung (des Antrags) maßgeblich. Für die Beendigung der Versicherungspflicht nach § 20 SVG musste ein Antrag bei dem Versicherungsträger gestellt werden, also dort zugehen. Die Versicherungspflicht endete mit dem Befreiungsbescheid. Ein nach § 229a SGB VI gestellter Antrag führte zum 01.01.1992 zum Ende der Versicherungspflicht, wenn er bis 30.06.1992 gestellt war, ansonsten zum Tag des Eingangs bei der Beklagten, wenn er bis 31.12.1994 gestellt wurde.

In Anwendung dieser Regelungen hat die Beklagte zutreffend die vom Kläger begehrte Beendigung der Versicherungspflicht nach § 20 SVG bzw. § 229a Abs. 1 Satz 3 SGB VI abgelehnt, denn ein Zugang eines Befreiungsantrages hat sich nicht feststellen lassen. Das Übermittlungsrisiko für empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung - wie sie ein Antrag auf Beendigung der Versicherungspflicht darstellt - trägt der Absender. Die bloße Möglichkeit, dass der Antrag bei der zuständigen Stelle angekommen, dort aber verlorengegangen sein könnte, worauf der Kläger sein Klagebegehren sinngemäß stützt, genügt für die Feststellung des Zugangs nicht (BSG, Urteil vom 26.10.1998 [B 2 U 26/97 R]; Urteil vom 21.02.1991 [7 RAr 74/89] = SozR 3-4100 § 81 Nr. 1 m.w.N.). Denn die Vorschrift des § 130 BGB, die das Übermittlungsrisiko dem Absender einer Willenserklärung auferlegt, verkörpert einen allgemeinen Grundsatz, der auch für empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärungen gilt (BSG, a.a.O.; vgl. zur Beweislast nach dem BGB auch: Förschler in Münchner Kommentar, BGB, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1993, § 130 Rdnr. 34).

Auch das Risiko, dass ein Zwischengeschalteter die Übermittlung nicht richtig vorgenommen hat, ist vom Kläger zu tragen. Nach Angaben des Klägers soll der Versicherer mit der Antragstellung beauftragt worden sein. Dieser Auftrag kann nur von dem Kläger erteilt sein. Handlungen des Vertreters sind dem Vertretenen zuzurechnen, § 164 BGB. Damit ist dem Vertretenen auch zuzurechnen, wenn der Vertreter nichts macht. Sollte der Versicherer entgegen einem erteilten Auftrag keinen Befreiungsantrag gestellt haben, ist dies ebenfalls dem Kläger zuzurechnen. Es ist deshalb im Verfahren vor dem Sozialgericht nicht zu prüfen, welche Vereinbarungen im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Versicherer getroffen waren. Ist ein vom Versicherer gestellter Antrag nicht zur Beklagten gelangt, gelten die Ausführungen zum Übermittlungsrisiko.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten konnte der Zugang eines Befreiungsantrags des Klägers nicht festgestellt werden. Aus dem Umstand, dass er 1991 einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen hat, kann zwar ein Wille des Klägers zur Beendigung der Rentenversicherungspflicht geschlossen werden. Dieser Umstand entbindet ihn aber nicht, den tatsächlichen Zugang eines entsprechenden Antrags auf Befreiung oder Beendigung der Versicherungspflicht nachzuweisen. Die Nichterweislichkeit des Zugangs des von ihm geltend gemachten Beendigungsantrags geht nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast, wonach derjenige die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den vom ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. 1998, § 103 Rdnr. 19 f.), zu seinen Lasten. Ein Befreiungsantrag liegt bei der Beklagten nicht vor. Den Zugang dieses Antrags bei der Beklagten hat der Kläger nicht nachgewiesen. Er kann für die Richtigkeit seiner Einlassungen keine Eingangsbestätigung der Beklagten vorlegen.

Somit mangelt es an einem rechtzeitig, d.h. einem bis zum 31.12.1991 nach § 20 SVG oder einem bis zum 30.06.1992 nach § 229a Abs. 1 Satz 3 SGB VI oder bis zum 31.12.1994 nach § 229a Abs. 1 Satz 2 SGB VI gestellten Antrag des Klägers auf Beendigung der Versicherungspflicht.

Ein günstigeres Ergebnis lässt sich auch nicht aus der Bestimmung des § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) herleiten. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Unabhängig von der Frage, ob für die in § 229a Abs. 1 Satz 3 SGB VI normierten materiell-rechtliche Ausschlussfristen überhaupt über § 27 SGB X eine Wiedereinsetzung erfolgen kann, sind objektive Gründe, die den Kläger an der Einhaltung des gesetzlich festgelegten Frist gehindert haben weder vorgetragen noch dem Senat ersichtlich. Auch eine Nachsichtgewährung, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt, kommt nicht in Betracht, weil derartige Erwägungen in § 27 SGB X gesetzlich konkretisiert und bei Versäumung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen nur noch ausnahmsweise anzuwenden sind (BSG, SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N.). Aus dem vom Kläger vorgelegten Merkblatt war für ihn eindeutig ersichtlich, dass für die Befreiung nach § 20 SVG eine Entscheidung des Versicherungsträgers notwendig war, denn er bzw. sein Beauftragter wurde darauf hingewiesen, dass bis zur Entscheidung über die Befreiung Beiträge zu zahlen sind. Nachdem er keinerlei Nachricht erhielt, hätte er sich gezwungen sehen müssen, bei dem Versicherungsträger Nachfrage zu halten.

Für die Beklagte bestand auch keinerlei Pflicht, wegen der Einstellung der Beitragszahlung Nachfrage bei dem Kläger zu halten. Eine Pflicht zur Einzelberatung nach § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ist dadurch nicht verletzt. Eine solche Pflicht wird in der Regel erst durch ein Beratungsbegehren ausgelöst (s. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 9 und 12). Eine Beratungspflicht besteht auch bei Vorliegen eines konkreten Anlass. Dann hat der Versicherungsträger von sich aus auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (BSG SozR § 1233 RVO Nr. 3). Ein konkreter Anlass kann sich aus einem konkreten Rentenverfahren oder nach erfolglosem Abschluss eines Rentenverfahrens oder Rechtsstreites ergeben. Die Einstellung von Beitragszahlungen ist kein solcher Anlass, denn sie kann auf Ende der Berufstätigkeit, Arbeitslosigkeit oder anderen Gründen beruhen. Zu beachten ist dabei weiter, dass der Kläger auch nie Beiträge an die Beklagte abgeführt hat. Soweit er noch Beiträge geleistet hat, war die Überleitungsanstalt Sozialversicherung zuständig, bei der Beiträge auf ein Sammelkonto eingingen. Überdies bestand auch kein Beratungsbedarf, denn der Kläger war durch das übergebene Formblatt mehr als ausreichend aufgeklärt. Die Übergabe an seinen Beauftragten reichte hierzu aus. Weitere Informationen hätte er auch bei einer Beratung durch die Überleitungsanstalt nach Einstellung der Zahlungen nicht erhalten.

Auch die Tatsache, dass ein Kontenklärungsverfahren durchgeführt wurde, ändert nichts an der Versicherungspflicht. Zwar hätte die Beklagte im Rahmen der Antragsbearbeitung merken können und müssen, dass noch Versicherungspflicht besteht. Dies hätte den Kläger aber ebenfalls nicht von der weiteren Versicherungspflicht befreit, denn bei Antragsstellung 1995 war die Frist für einen Befreiungsantrag ebenfalls schon abgelaufen.

Dem Kläger steht daher kein Anspruch auf Beendigung der Versicherungspflicht nach § 20 SVG oder § 229a SGB VI zu. Die Klage wurde vom SG zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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