S 23 KN 1/02 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 KN 1/02 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Kostenpflicht der Beklagten für neuropsychologische Behandlung.

Der 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er beantragte im Juli 2001 durch die Dipl.-Psychologin Frau M die Übernahme von 30 Einheiten ambulanter neuropsychologischer Behandlung je 190,00 DM. Beigefügt war eine Empfehlung der RWTH B - Neurochirurgische Klinik, Prof. H - mit der Empfehlung wegen verzögerter Erholung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nach Aneurysma-Operation, die neuropsychologische Untersuchung und gegebenenfalls Therapie durchführen zu lassen. Im Übrigen waren Atteste des Dr. T, des Arbeitsmediziners Dr. M1 und des Neurologen und Psychiaters Dr. T1, welche gleichfalls die neuropsychologische Behandlung empfahlen bzw. für dringend angezeigt hielten, beigefügt. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B1-E, welche einerseits auf fehlende Angaben zum umstrittenen Verfahren hinwies, jedoch vorschlug, für die als zweckmäßig erscheinende Therapie zunächst etwa 15 Sitzungen zu genehmigen und sodann einen Zwischenbericht erstellen zu lassen. Sie fügte an, die Kosten schienen ihr sehr hoch zu sein.

Mit Schreiben vom 08.09.2001 schlug die Beklagte vor, zunächst 15 Sitzungen durchführen zu lassen, um dann einen aktuellen Zwischenbericht einzuholen. Für jede Sitzung werde sie maximal 120,00 DM vergüten. Insbesondere verwies sie auf fehlende wissenschaftlich gesicherte Hinweise des Nutzens der Neuropsychologie und ihre Vorteile im Vergleich zu etablierten Behandlungsverfahren (z.B. Ergotherapie), fehlende einheitliche Zielvorstellungen der Anwender über den diagnostisch-therapeutischen Inhalt und letztlich auch fehlende geregelte Standards zum Ausbildungsniveau so genannter Neuropsychologen. Am 11.10.2001 legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf ein Schreiben der Dipl.-Psychologin Frau M, welche im wesentlichen darauf verwies, die umstrittene Behandlung sei im Jahre 2000 als wissenschaftliche Behandlungsmethode vom wissenschaftlichen Beirat anerkannt worden. Zudem wurde dargelegt, weshalb aus ihrer Sicht der Kostenansatz gerechtfertigt sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2001 zurück. Mit der am 02.01.2002 erhobenen Klage verweist der Kläger auf die durch die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, zuletzt eine erneute Bescheinigung der RWTH B von November 2001 (Bl. 41 ff. VA) bestätigte Notwendigkeit der Behandlung.

Er beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.09.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2001 zu verpflichten, die Kosten für 30 weitere Einheiten ambulanter neuropsychologischer Behandlung je 190,00 DM zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält weder die neuropsychologische Diagnostik noch die Therapie für einen Teil der vertragsärztlichen Versorgung. Die Kostenbeteiligung sei lediglich im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erfolgt.

Das Gericht hat eine Auskunft der Dipl.-Psychologin Frau M eingeholt, die angegeben hat, die Neuropsychologie sei seit ca. 10 Jahren gängige Praxis, die im so genannten Kostenerstattungsverfahren mit 190,00 DM pro Behandlungseinheit bezahlt werde. Sie falle nicht unter das Psychotherapeutengesetz. Sie selbst habe eine Zulassung nach dem Heilpraktikergesetz. Zusätzlich hat das Gericht eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingeholt. Auf den Inhalt der Auskunft vom 28.02.2002 nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, denn über die schriftlich zugesagte Kostenerstattung hinaus kann er die Freistellung von Kosten neuropsychologischer Behandlung nicht verlangen.

Nach § 27 Abs. 1 SGB V besteht Anspruch auf Krankenbehandlung, der u.a. auch die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie sowie Heilmittelversorgung einschließt. Die neuropsychologische Behandlung zählt jedoch nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen, weil diese Methode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehört und die für die Abrechnungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V erforderliche Empfehlung der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen nicht vorliegt.

§ 135 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass neue Behandlungsmethoden nur abgerechnet werden dürfen, wenn der Bundesausschuss in den genannten Richtlinien Empfehlungen u.a. zum diagnostischen und therapeutischen Nutzen der neuen Methode und deren Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. Diese Vorschrift legt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG zugleich den Umfang der von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen fest. Auch nach der Rechtsprechung des LSG NW (u.a. L 5 KR 187/00) handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich regeln, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum Leistungsumfang der Krankenversicherung zählen. Nach der Auskunft des Arbeitsausschusses Psychotherapierichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 28.02.2002 hat sich dieser im Jahr 2001 mit der Beurteilung der neuropsychologischen Therapie beschäftigt, konnte aber zu keinem positiven Votum im Hinblick auf die Anerkennung gelangen. Da § 135 Abs. 1 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt enthält, scheidet ein Anspruch des Klägers grundsätzlich aus, solange die Anerkennung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen aussteht. Ein Leistungsanspruch käme grundsätzlich ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung der Methode darauf zurückzuführen wäre, dass der Bundesausschuss trotz Erfüllung der notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen das Verfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat (sogenanntes Systemversagen). Im vorliegenden Falle wird aus der Auskunft des Bundesausschusses vom 28.02.2002 deutlich, dass sich der Bundesausschuss intensiv mit der neuropsychologischen Behandlung beschäftigt hat und auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des wissenschaftlichen Beirates von Juni 2000 nicht zu einer Anerkennung gekommen ist. Dabei ergibt sich kein Systemmangel aus dem Umstand, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gestützt auf das Votum des Arbeitsausschusses Psychotherapierichtlinien das Fehlen hinreichender Wirksamkeitsbelege für die Therapie des gesamten psychosozialen Raumes bei Menschen nach Hirnschädigung annimmt und auch die Anerkennung mehrheitlich deshalb versagt hat, weil es keine Belege für die Wirksamkeit bei mindestens 5 der 12 Anwendungsbereiche der Psychotherapie gebe. Weitere Anhaltspunkte für einen so genannten Systemmangel ergeben sich auch nicht aus der Angabe der Dipl. Psychologin Frau M, seit ca. 10 Jahren sei die Kostenübernahme gängige Praxis der gesetzlichen Krankenkasse. Auch wenn diese Angaben zutreffen mögen, so beruht die frühere Praxis allein auf einer ursprünglich weitergehenden Rechtsauffassung und einer zunehmend differenzierteren Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts im eingangs genannten Sinne. Weitere Anhaltspunkte für ein so genanntes "Systemversagen" sind auch dem Klägervorbringen nicht zu entnehmen.

Lediglich unter dem Gesichtspunkt der Zusicherung gemäß § 34 Abs. 1 SGB X ist die Beklagte an ihren Vorschlag aus dem Bescheid vom 28.09.2001 gebunden. Dahinstehen kann, ob die Rücknahme der Zusicherung gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 45 SGB X künftig in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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