S 5 KR 46/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 46/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2001 verurteilt, die Kosten für die Anschaffung einer "sprechenden Schreibmaschine" abzüglich des vom Hersteller zum Anschaffungszeitpunkt empfohlenen Endverbraucherverkaufspreises brutto für die darin eingebaute Typenradschreibmaschine zu übernehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu fünf Sechstel.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch auf Versorgung mit einer "sprechenden Schreibmaschine".

Die Klägerin ist seit 1979 erblindet. Ihr Ehemann ist ebenfalls zu 100 % sehbehindert. Die Eheleute verfügen nicht über Schreib- oder Lesehilfsmittel für Blinde im privaten Bereich. Privaten Schriftwechsel erledigte die Klägerin früher mit Hilfe einer Vertrauensperson, die aber zwischenzeitlich verzogen ist. Briefe lässt sich die Klägerin entweder am Arbeitsplatz oder von Vertrauenspersonen (z.B. in ihrer Bank) vorlesen.

Bei der von der Klägerin begehrten "sprechenden Schreibmaschine" handelt es sich um eine mit Interface Elektronik, Sprachcomputer, taktilen Zeichen, Blattführung für Zentrierung und Braillezeile für die Grad/TAB-Einstellung versehene marktübliche Typenradschreibmaschine. Der Benutzer kann sich per Tastendruck anhören, was bisher geschrieben worden ist. Dabei kann das Gerät den gesamten Text, einzelne Seiten, Zeilen, Worte und Buchstaben vorlesen. Ebenso sind Korrektur, Einfügen und Löschen möglich.

Die Kosten für die Anschaffung der "sprechenden Schreibmaschine" beliefen sich im Jahr 2000 auf 4.582,00 DM. Der empfohlene Endverbraucherverkaufspreis für die dabei verwandte Typenradschreibmaschine Triumph Adler T-300 beträgt gegenwärtig 340,00 EUR incl. MWST.

Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme für die Schreibmaschine mit Bescheid vom 06.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2001 ab.

Hiergegen richtet sich die am 21.03.2001 erhobene Klage. Die Klägerin trägt vor: Sie benötige die "sprechende Schreibmaschine" für ihren Schriftwechsel mit Behörden, Banken, Versicherungen, Vermieter, Mieterverein, Rechtsanwälten etc. Darüber hinaus werde sie das Gerät aber auch für den unmittelbaren privaten Bereich, z.B. die Korrespondenz mit Freunden und Verwandten, einsetzen. Es sei davon auszugeben, dass sie die Maschine drei- bis fünfmal pro Woche nutzen werde. Aus dem Büro wisse sie, dass ein Computer mit WORD und einer Sprachausgabe sehr viel störanfälliger sei als eine "sprechende Schreibmaschine". Mit einer Braillezeile nicht nur für die Grad/TAB-Einstellung, sondern auch für die Buchstabentasten selbst könne sie nicht hinreichend sicher umgehen, da auch ihr Tastsinn eingeschränkt sei. Darüber hinaus sei die Korrektur mit einer "sprechenden Schreibmaschine" sehr viel leichter als mit anderen Blindenhilfsmitteln. Darüber hinaus sei ein Lesesystem mit elektronischer Sprachausgabe ungleich teurer als die von ihr begehrte Versorgung. Über diese hinaus werde sie die Beklagte mit Aufwändungen für den Lese- und Schreibbereich nicht weiter belasten. Insbesondere habe sie nicht vor, sich ein Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung zu besorgen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2001 zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung einer "sprechenden Schreibmaschine" zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, Schreibmaschinen seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens auch dann, wenn sie behindertengerecht ausgestattet seien. Darüber hinaus seien behindertengerechte Schreibmaschinen nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt. Die Versorgung sei auch weder erforderlich noch wirtschaftlich. Zum einen befriedige sie nur das Bedürfnis nach schriftlicher Kommunikation. Dabei handele es sich aber, anders als beim Informationsbedürfnis, nicht um ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Ihr Bedürfnis nach aktiver Kommunikation zur Vermeidung von Vereinsamung könne die Klägerin durch Gespräche mit ihrem Ehemann ausreichend befriedigen. Darüber hinaus helfe das Gerät nur beim Schreiben, nicht auch beim Lesen und damit bei der Informationsbeschaffung. Würde nun neben der "sprechenden Schreibmaschine" auch noch ein Lesegerät notwendig, so sei die Gesamtversorgung teurer als bei der Beschaffung eines Lesesystems mit elektronischer Sprachausgabe.

Das Gericht hat eine Auskunft von Dipl.-Ing. L (Bl. 64 GA) und einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden praktischen Arztes J (Bl. 67 GA) eingeholt. Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit einer "sprechenden Schreibmaschine", abzüglich der Kosten für die Beschaffung der in diesem System enthaltenen Typenradschreibmaschine. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 33 Abs. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V).

Bei der "sprechenden Schreibmaschine" handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des §§ 33 SGB V und nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Diese Unterscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließt, anhand ihrer Zweckbestimmung und ihrer Verwendung durch die Verbraucher. Dabei wird ein Gegenstand, der in erster Linie für den Gebrauch durch Kranke oder Behinderte konzipiert ist, erst dann zum Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, wenn er auch von Nichtbehinderten in nennenswerter Zahl genutzt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27 m.w.N.).

Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen bei der "sprechenden Schreibmaschine" erfüllt sind, ist zwischen der in das Gerät eingebauten Schreibmaschine und den weiteren Bestandteilen, wie z.B. dem Sprachcomputer und der Braillezeile, zu unterscheiden (vgl. zum Folgenden BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16). Während es sich bei einer Typenradschreibmaschine unproblematisch um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt, werden die übrigen Bestandteile, wie Dipl.-Ing. L mitgeteilt hat, in erster Linie für sehbehinderte Menschen hergestellt und von diesen am Markt angenommen. Beispielsweise für den Sprachcomputer, die taktilen Zeichen und die Braillezeile ist dies auch offensichtlich.

Durch den Zusammenbau geht die Funktion der Schreibmaschine als solche nicht verloren. Denn es handelt sich bei diesem Zusammenbau um eine Verbindung im Sinne von § 947 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), nicht um eine Verarbeitung im Sinne von § 950 BGB. Auch wenn bei der Schreibmaschine einzelne Tasten behindertengerecht verändert werden, ändert dies nichts daran, dass die Schreibtasten als solche erhalten bleiben und die Schreibmaschine als solche auch durch Sehende genutzt werden kann.

Gleichwohl handelt es sich bei dem Gesamtprodukt um ein Hilfsmittel und nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil die Kosten, die auf den Umbau der Schreibmaschine und die Herstellung der zum Behinderungsausgleich bestimmten Bestandteile entfallen, die Kosten der Typenradschreibmaschine wesentlich überwiegen. Nach Auskunft von Dipl.-Ing. L ist davon auszugehen, dass die Marktkosten der eingebauten Typenradschreibmaschine Triumpf Adler T-300 bei gegenwärtig 340,00 EUR netto liegen. Damit liegt der Anteil an den Gesamtkosten lediglich bei einem Sechstel.

Die "sprechende Schreibmaschine" ist erforderlich zum Ausgleich einer bei der Klägerin bestehenden Behinderung, nämlich ihrer Blindheit.

Welche Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zum Behinderungsausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich sind, ist in § 31 Abs. 1 Nr. 3 des Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) näher bestimmt. Danach dienen Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation nur der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Soll ein Hilfsmittel demgegenüber nur die Folgen einer Behinderung auf beruflichem, gesellschaftlichem oder sozialem Gebiet ausgleichen, so handelt es sich entweder um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX) oder eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB IX). Hierfür sind die Krankenversicherungsträger nicht zuständig. Da die Begriffsbildung des Gesetzgebers des SGB IX ersichtlich auf die bisherige Rechtsprechung zur medizinischen Rehabilitation im Hilfsmittelbereich abhebt, kann auf die hierzu entwickelten Abgrenzungskriterien auch unter der Geltung des SGB IX weiter zurückgegriffen werden.

Danach gehört zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auch das Bedürfnis nach Kommunikation.

Entgegen der Auffassung der Beklagten gehört hierzu nicht nur die mündliche, sondern auch die schriftliche Kommunikation, zumindest in Gestalt des lesbaren Schreibens mit der Hand. Dies gilt auch nicht nur für einen der oben genannten Rehabilitationsbereiche, sondern umfasst sämtliche Bereiche. So können wesentliche Erklärungen auf beruflichem oder gesellschaftlichem Gebiet nur schriftlich abgegeben werden (vgl. z.B. §§ 355 Abs. 1 Satz 2, 550, 623 BGB). In anderen Fällen dient die Schriftform jedenfalls der Verkörperung der Erklärung und damit der Beweiserleichterung. Nicht anders verhält es sich im privaten Bereich. Während ein Teil der Kommunikation hier sicherlich unmittelbar mündlich oder jedenfalls unter Zuhilfe des Telefons erfolgen kann, entspricht es allgemeinen Gepflogenheiten, z.B. Glückwünsche zu wichtigen Anlässen oder Kondulationen schriftlich zu formulieren. Dass dabei jeweils eine gewisse Form, zumindest Lesbarkeit zu wahren ist, bedarf keiner näheren Ausführung.

Dies gilt auch eingedenk des Umstandes, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Kommunikation mit anderen in erster Linie dazu dient, Vereinsamung zu verhindern (vgl. BSG SozR 3-2200 § 33 Nr. 40). Dass dies nicht der einzige grundlegende Zweck von Kommunikation ist, sondern dass Kommunikation z.B. mit Vermieter, Arbeitgeber, Kreditinstituten etc. auch dazu dienen kann, zum Leben unverlässliche Voraussetzungen wie Wohnen, Zufluss von Geldmitteln und dergleichen zu beschaffen oder zu sichern, liegt auf der Hand. Vereinsamung lässt sich darüber hinaus aber auch nur dann vermeiden, wenn der Behinderte in den Stand versetzt wird, auf wichtige Ereignisse im Leben seiner Kontaktpersonen angemessen zu reagieren.

Die Klägerin braucht sich dabei auch im Rahmen der Grundbedürfnisse entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Kommunikation allein mit ihrem Ehemann verweisen zu lassen. Es bedarf keines medizinischen Sachverständigengutachtens festzustellen, dass ein kontaktfähiger Mensch, der gezwungen ist, seine Kontakte auf einen einzigen anderen Menschen zu beschränken, auf Dauer gesundheitlichen Schaden nehmen wird.

Das Kommunikation in dem geschilderten Umfang zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehört, wird nicht zuletzt auch durch das Regelungssystem des SGB IX bestätigt. Wie bereits ausgeführt, gehören dabei die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Dementsprechend lässt sich §§ 55 ff SGB IX entnehmen, was nach Vorstellung des Gesetzgebers zu den über die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens hinausgehenden Bedürfnissen gehört. So umfasst die Hilfe zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 1 und 2 SGB IX "Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen und Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen". Beide genannten Kommunikationsbereiche gehen jedoch weit über das hinaus, was nach den obigen Ausführungen noch zu den Grundbedürfnissen zählt.

Mit dieser Beurteilung setzt die Kammer sich nicht in Widerspruch zu den beiden Entscheidungen des BSG, in denen der Anspruch auf Versorgung mit einer Schreibmaschine abgelehnt worden ist. In der Entscheidung vom 22.02.1974 - 3 RK 27/73 (BSGE 37, 138 ff.) - hat das BSG den Anspruch eines an Phokomelie der oberen Gliedmaßen leidenden Kindes mit der Begründung verneint, die Schreibmaschine solle allein der Eingliederung ins spätere Berufsleben, also der beruflichen Rehabilitation, dienen. Ob das BSG diese Argumentation heute noch aufrecht erhalten würde oder ob das Bedürfnis, lesbar zu schreiben, nicht zwingend mit dem vom BSG anerkannten Grundbedürfnis des Schuldbesuchs zusammenhängt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls geht es hier nämlich, wie dargestellt, nicht allein um die berufliche Rehabilitation, sondern die Befriedigung eines übergreifenden Grundbedürfnisses. Nicht wesentlich anders verhält es sich mit der Entscheidung vom 15.02.1978 - 3 RK 36/76 (SozR 2200 § 182 b Nr. 5). Hier hat das BSG ohne nähere Auseinandersetzung mit der Frage der in Betracht kommenden Grundbedürfnisse lediglich ausgeführt, allein der Ausgleich von Behinderungsfolgen im privaten Bereich reiche für einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse nicht aus.

Die Klägerin benötigt die "sprechende Schreibmaschine" zur Wahrnehmung ihres Grundbedürfnisses nach schriftlicher Kommunikation. Inwieweit Behinderte auf die Hilfe von Familienangehörigen verwiesen werden können, bedarf dabei keiner Entscheidung. Da der Ehemann der Klägerin nämlich selbst blind ist, kann er ihr insoweit nicht beistehen. Andere private Hilfen, auf die die Klägerin im Übrigen auch nicht verwiesen werden könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht ihre Bekannte, die ihr bislang die Korrespondenz erledigt hat, nicht mehr zur Verfügung.

Eine wirtschaftlichere Versorgungsmöglichkeit als die Anschaffung der "sprechenden Schreibmaschine" ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind auch seitens der Beklagten hierzu keinerlei Vorschläge unterbreitet worden. Dass die in Betracht kommenden, im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten, Hilfsmittel sämtlich teurer sind, hat bereits der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in seinem Gutachten vom 11.08.2000 an die Beklagte ausgeführt.

Ohne Erfolg hält die Beklagte dem entgegen, bei zusätzlicher Versorgung mit einem Lesesystem entstünden unnötige Mehrkosten. Die Klägerin hat nämlich klargestellt, dass sie ein solches System derzeit und auch in Zukunft nicht begehrt. Diese Entscheidung ernst zu nehmen, schreibt § 33 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch ausdrücklich vor. Danach soll den Wünschen des Sozialleistungsberechtigten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Aufgrund dessen liegt es in der Entscheidungsfreiheit der Versicherten, sich für die Befriedigung einzelner Grundbedürfnisse zu entscheiden und auf die Befriedigung anderer zu verzichten. Demgegenüber wäre es ein elementarer Verstoß gegen das auch in § 1 Satz 1 SGB IX enthaltene Selbstbestimmungsrecht, behinderten Menschen die Versorgung mit einem bestimmten Hilfsmittel zu verweigern, um ihnen stattdessen gleichsam ein Hilfsmittel "aufzuzwingen", das sie weder wünschen noch gebrauchen können. Dementsprechend wäre der Verzicht der Klägerin auf die Versorgung mit einem Hilfsmittel zur Information gegebenenfalls zu berücksichtigen, falls die Klägerin - wofür derzeit nicht die geringsten Anhaltspunkte sprechen - ihre diesbezügliche Ansicht später ändern sollte.

Schließlich ist die Versorgung mit der "sprechenden Schreibmaschine" auch angemessen. Nach dem glaubhaften Vortrag der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie das Gerät regelmäßig, d.h. mindestens alle zwei Tage, benutzen wird. Damit stehen Nutzen und Anschaffungskosten nicht außer Verhältnis.

Die "sprechende Schreibmaschine" ist nicht in der aufgrund von § 34 Abs. 4 SGB V ergangenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischem Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt und damit auch nicht durch diese Verordnung von der Versorgung ausgeschlossen.

Dem Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit der "sprechenden Schreibmaschine" steht nicht entgegen, dass dieses Hilfsmittel in Produktgruppe 7 des Hilfsmittelverzeichnisses nicht aufgeführt ist. Denn das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen nach § 128 SGB V erstellte Hilfsmittelverzeichnis ist keine Richtlinie im Sinne von § 92 SGB V und hat daher nur Empfehlungscharakter (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27 und 28 m.w.N.). Dass nach Ziffer 8 der auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V erlassenen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien (Heil- und HilfsmittelRL) ein Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse nur verordnet werden darf, wenn es im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Würde man diese Vorschrift nämlich dahingehend verstehen, dass sie auch den Leistungsanspruch des Versicherten unmittelbar beeinflusst, wäre sie nichtig. Denn erstens würde es sich in diesem Fall um eine unzulässige dynamische Blankettverweisung handeln. Zweitens hätte der Richtliniengeber damit seine Befugnisse überschritten, weil in den Richtlinien nach § 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB V nur der Katalog der verordnungsfähigen Heilmittel und damit nicht auch der Hilfsmittel festgelegt werden darf. Ziff. 8 Heil- und HilfsmittelRL ist daher ebenfalls im Sinne einer Empfehlungsvorschrift zu verstehen, die im Verhältnis zum Versicherten keine Bindungswirkung hat.

Das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung hindert den Versorgungsanspruch ebenfalls nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, bedarf es bei der Versorgung mit Hilfsmitteln keiner vertragsärztlichen Verordnung, weil der Verordnungsvorbehalt des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V sich nur auf Hilfeleistungen anderer Personen, nicht aber auf andere Leistungen erstreckt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28 und 33).

Die Klage war nach allem nur insoweit abzuweisen, als die Klägerin die volle Kostenübernahme beansprucht hat. Denn sie muss den auf den Typenradschreibmaschine in ihrer Eigenschaft als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens entfallenden Anteil der Gesamtkosten selbst übernehmen. Hierdurch wird sie im Hinblick auf die voraussichtlichen Kosten von 340 EUR netto auch, anders als möglicherweise bei Anschaffung eines kompletten Computers, nicht unzumutbar belastet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Rechtskraft
Aus
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