L 4 RA 156/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 RA 132/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 156/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 07. August 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zubilligung des besonderen Steigerungssatzes von 1,5 aus § 11 bzw. § 13 der Eisenbahnerverordnung vom 28.03.1973 (GBl. S. 217).

Der am ... geborene Kläger war ab 1956 bei der Deutschen R ... beschäftigt. Dabei absolvierte er ein Studium an der Verkehrshochschule D ... Mit Urkunde vom 21.07.1961 wurde ihm der Grad eines Diplom-Ingenieurs zuerkannt. Mit Auflösungsvertrag vom 05.12.1997 beendete er seine Beschäftigung zum 31.12.1998. Im Jahr 1999 war er arbeitslos. Zum 01.01.2000 beantragte er die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, die die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2000 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 2.649,71 DM gewährte.

Bereits im Rahmen der Verhandlungen über den Auflösungsvertrag hatte der Kläger die Kontenklärung beantragt. Gegen den festgestellten Versicherungsverlauf hatte er Widerspruch eingelegt. Dieser Versicherungsverlauf wurde auch dem Rentenbescheid zugrunde gelegt. Der Kläger legte deshalb am 24.01.2000 Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein. Zum einen bemängelte er, dass für die Zeit ab dem 01.03.1971 nicht sein vollständiger Verdienst bei der Rentenberechnung berücksichtigt sei. Für diese Zeit seien die Überverdienste nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach § 256a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen. Er habe Anspruch auf die so genannte "Alte Versorgung", da er 1973 bereits über 10 Jahre bei der R ... beschäftigt gewesen sei. Außerdem stünde ihm der besondere Steigerungssatz von 1,5 nach §§ 11 bis 15 der Eisenbahnerverordnung vom 28.03.1973 i.V.m. der Versorgungsordnung der Deutschen R ... zu.

Mit Hinweisschreiben vom 02.02.2000 teilte die Beklagte mit, dass und warum die Rentenversicherer der "Einzelentscheidung" des BSG hinsichtlich der Überentgelte nicht folgten. In dieser Entscheidung habe das BSG außerdem klargestellt, dass der besondere Steigerungssatz nicht anzuwenden sei. Bereits mit Schreiben vom 13.01.2000 hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger wohl in die Altersversorgung der Intelligenz (AVI) einzubeziehen sei. Er könne einen entsprechenden Antrag stellen. Mit Bescheid vom 23.11.2000 wurde die Rente des Klägers neu mit einem monatlichen Zahlbetrag von 2.950,42 DM festgestellt. Der Berechnung waren nun entsprechend der Verdienstbescheinigung des Zusatzversorgungsträgers sämtliche Entgelte zugrunde gelegt. Der Bescheid vom 21.01.2000 wurde gleichzeitig zurückgenommen. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies die Beklagte darauf hin, dass der Bescheid Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde.

Den Widerspruch hielt der Kläger nach Anfrage der Beklagten hinsichtlich des Steigerungssatzes aufrecht. Mit Bescheid vom 05.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hinsichtlich der Überentgelte sei bei der Berechnung nach SGB VI eine Berücksichtigung nicht möglich, denn der Kläger sei nicht zum 01.03.1971 der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten. Diese Entgelte würden aber nun bei der Rentenberechnung berücksichtigt, da der Kläger der AVI angehört habe. Anspruch auf den besonderen Steigerungssatz habe der Kläger nicht. Auf Grund des Einigungsvertrages (EV) seien die Vorschriften der Eisenbahnerverordnung nur bis zum 31.12.1991 in Kraft geblieben. Nach Artikel 2 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) sei der besondere Steigerungssatz nach den Voraussetzungen des Art. 2 § 1 Abs. 1 RÜG nur zu gewähren gewesen, wenn die Rente zwischen dem 01.01.1992 und 31.12.1996 begonnen habe. Die Rente des Klägers habe erst zum 01.01.2000 begonnen.

Gegen den Bescheid richtet sich die am 21.02.2001 beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage, mit der der Kläger das Ziel der Zubilligung des besonderen Steigerungssatzes weiter verfolgt. Er regte gleichzeitig an, das Verfahren ruhen zu lassen, da ein Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig sei. Dieser Anregung stimmte die Beklagte nicht zu. Der Kläger ist der Meinung, dass das BVerfG mit seinen Entscheidungen vom 28.04.1999 die wesentlichen Grundlagen der Überleitung der Ansprüche aus der Sozialversicherung für verfassungswidrig erklärt habe. Die getroffene Systementscheidung sei nur nach Maßgabe der Auslegung durch das BVerfG verfassungsmäßig.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.08.2001 ab. Der besondere Steigerungssatz von 1,5 sei nicht in das bundesdeutsche Recht überführt. Dies habe auch das BSG in seinem Urteil vom 10.11.1998 (B 4 RA 25/98 R) festgestellt. Diese Entscheidung des Gesetzgebers verstoße nicht gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Die Bundesregierung habe auf eine Anfrage klargestellt, dass "die Übernahme leistungsrechtlicher Elemente, die mit den Grundsätzen der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten nicht vereinbar sind", aus Gründen der Gleichbehandlung bei Schaffung des SGB VI nicht erfolgt sei. Im Gegensatz zum Bergbau seien für die Beschäftigten bei Reichsbahn, Post und Gesundheitswesen keine erhöhten Beiträge entrichtet worden (BT-Drucksache 14/553). Auch gegen Art. 14 GG sei nicht verstoßen. Dem Schutz dieser Vorschrift unterlägen die Rechtspositionen, die in der DDR erworben und im EV in die gesamtdeutsche Rechtsordnung übernommen seien (Urteil des BVerfG vom 28.04.1999, 1 BvL 32/95). Der besondere Steigerungssatz sei vom EV nicht erfasst. Selbst wenn der Steigerungssatz übernommen wäre, hätte der Kläger keinen Anspruch, da dieser nur für eine Rente aus der Sozialversicherung gelte, die ab dem 65. Lebensjahr zu zahlen sei. Dieses habe der Kläger noch nicht vollendet.

Gegen den mit Einschreiben vom 21.08.2001 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 06.09.2001 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein. Er hält weiterhin die Nichtgewährung des Steigerungssatzes für verfassungswidrig. Er hat hat einen Vergleich dahin vorgeschlagen, dass die Beklagte ihm einen neuen Bescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erteilen solle, wenn eine Entscheidung des BSG, des BVerfG oder des Gesetzgebers den besonderen Steigerungssatz zubillige.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 07.08.2001 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 21.01.2000 und 23.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2001 dahingehend abzuändern, dass bei der Rentenberechnung für die Zeit der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn der besondere Steigerungsfaktor von 1,5 zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, erklärt weiter ihr Einverständnis mit einer Ruhensanordnung.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung, §§ 144, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG), erweist sich als unbegründet. Der Kläger ist durch den Gerichtsbescheid und die Entscheidungen der Beklagten nicht in seinen Rechten verletzt. Im steht kein Anspruch auf Berücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes von 1,5 bei der Rentenberechnung zu. Das Verfahren war auch fortzusetzen. Die Beklagte hat den Vergleichsvorschlag des Klägers nicht angenommen. Sie stimmt inzwischen zwar seiner Anregung zu, das Verfahren ruhen zu lassen. Für den Senat bestand dazu aber angesichts der gesetzlichen Lage kein Anlass.

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Rentenbescheid vom 23.11.2000. Über den Bescheid, mit dem der Versicherungsverlauf festgestellt wurde, ist nicht mehr zu entscheiden, da er durch die Rentenbescheide überholt ist, denn der Versicherungsverlauf ist Teil der Berechnung der Rente und damit der angegriffenen Bescheide. Der Rentenbescheid vom 21.01.2000 ist von der Beklagten zulässig nach § 44 SGB X zurückgenommen worden, denn die Beklagte hat eine dem Kläger günstigere Entscheidung mit dem Bescheid vom 23.11.2000 getroffen.

Die Beklagte ist bei Erlass dieses Bescheides zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage I zum Anspruchs- und Anwartschaftüberführungsgesetz (AAÜG) zuzurechnen ist. BSG hat dazu entschieden (Urteil vom 04.08.1998, 4 RA 93/97 R): "Zugehörigkeitszeiten des § 5 AAÜG liegen immer dann vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war, die in den Anlagen I und II des AAÜG aufgelistet worden ist." Der Kläger ist Ingenieur und war bei der Deutschen Reichsbahn tätig. Er erfüllt damit die Voraussetzungen der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Dies bedeutet, dass für die Ermittlung der Entgeltpunkte des Klägers die §§ 256a, 259b SGB VI anzuwenden sind. Demgemäß wird nur der Verdienst nach dem AAÜG der Rentenberechnung zu Grunde gelegt. Hier handelt es sich nach § 6 AAÜG um den gesamten Bruttoverdienst bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze. Ein Steigerungssatz ist hierbei nicht enthalten und kann in keinem Fall berücksichtigt werden.

Der Kläger führt seinen Anspruch auf die Vorschriften § 11 ff. der Eisenbahnerverordnung vom 28.03.1973 zurück. Diese Vorschriften waren aber nicht auf eine Zusatzversorgung anzuwenden, so dass damit der Anspruch auf den Steigerungssatz bereits ausgeschlossen ist.

Aber auch für Renten aus der Sozialversicherung ist ein Steigerungssatz nicht zu gewähren. Der Bundesgesetzgeber hat den besonderen Steigerungssatz von 1,5 aus der Eisenbahnerverordnung nicht in das Rentenrecht des SGB VI übernommen. Diese gesetzgeberische Entscheidung hat er bei der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesezes (2. AAÜG-ÄndG) vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1939) bestätigt. In diesem Gesetz ist § 256a SGB VI inzwischen so gefasst, dass für die langjährigen Bediensteten von Post und Bahn keine Nachteile dadurch entstehen, dass sie meist erst zum 01.01.1974 der FZR beigetreten sind. Bei der gesetzgeberischen Willensbildung wurde die Übernahme des besonderen Steigerungssatzes erneut abgelehnt. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG und die dort zitierte Quelle (s. BT-Drucks. 14/553) verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass nach seinem Willen bei der Rentenberechnung für Beschäftigte bei Reichsbahn und Deutscher Post nach Ablauf der Übergangsfrist bis 31.12.1996 nur der erzielte Arbeitsverdienst, für den tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind, in die Ermittlung der Entgeltpunkte eingeht. Ausgenommen ist alleine der Vertrauensschutz für langjährig Beschäftigte, der durch die Versorgungsordnung von 1973 gewährt war (BT-Drucks. 14/5640 S. 13 f.). Hierfür wird aber auch nur fingiert, dass für die genannten Einkommen Beiträge bezahlt seien.

Gegen Grundrechte ist durch diese gesetzgeberische Entscheidung nicht verstoßen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der Erstentscheidung Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG. Auf die §§ 46, 47 der Rentenverordnung vom 23.11.1979 kann sich der Kläger nicht mehr stützen, denn sie sind mit dem Ablauf des 31.12. 1991 außer Kraft getreten, Kap. VIII, Sachgebiet F, Abschnitt III Ziffer 6 der Anlage II zum EV. Den Schutz der potentiellen Rentenbezieher mit Ansprüchen aus der ehemaligen DDR - auch ehemalige Beschäftigte von Bahn, Post und Gesundheitswesen - hat der Gesetzgeber sachgerecht so geregelt, dass er die erforderliche Neubegründung und Ausgestaltung von Ansprüchen aus der Sozialversicherung der DDR, aus der FZR, aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ausschließlich im SGB VI geregelt hat. Diese grundsätzliche Entscheidung ist verfassungsgemäß (BVerfGE 100, S. 1 [39]). Dem Schutz der Grundrechte unterliegen nach dieser Entscheidungen nur die Rentenansprüche in der Form, in der sie durch den EV in bundesdeutsches Recht überführt wurden. Hierbei wurden besondere Steigerungssätze nicht überführt. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung auch nicht die Grundlagen der Überführung der Rentenansprüche für verfassungswirdrig erklärt. Es hat vielmehr die Überführung der Rentenansprüche für entsprechend der Verfassung angesehen und nur bei der Überführung von Zusatzversorgungen durch verfassungsgemäße Auslegung Korrekturen angebracht.

Da der Kläger somit durch die Bescheide der Beklagten nicht in seinen Rechten verletzt ist, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG, da die streitige Frage eindeutig gesetzlich geregelt ist.
Rechtskraft
Aus
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