L 4 RA 17/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 15 RA 952/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 17/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Wert des Rechts auf Altersrente für Frauen. Insbesondere ist streitig, in welchem Umfang für die ab 01.02.1998 beginnende Altersrente Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind.

Die am ...1938 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 24.03.1998 die Gewährung einer Altersrente für Frauen und machte in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten für die Kinder C ... (geboren am ...1962), G ... (geboren ...1964), K ... (geboren am ...1966), G ... (geboren am ...1970) und L ... (geboren am ...1972) geltend.

Teilweise wurden die Kinder C ..., G ... und L ... von den Großeltern erzogen, und zwar die Tochter C ... in der Zeit von August 1962 bis Juli 1965, die Tochter G ... von August 1965 bis Juli 1971 und der Sohn L ... von Dezember 1981 bis Februar 1982.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 18.06.1998, zuletzt geändert mit Bescheid vom 16.10.1998, die beantragte Altersrente ab 01.02.1998 mit einem monatlichen Zahlbetrag ab Dezember 1998 in Höhe von 1.577,67 DM. Für die Rentenberechnung berücksichtigte sie die Zeiten der Kindererziehung wie folgt:

für C ... vom 01.06.1962 bis 31.07.1962,
für G ... vom 01.08.1964 bis 31.07.1965,
für K ... vom 01.03.1966 bis 28.02.1967,
für G ... vom 01.11.1970 bis 31.10.1971
und für L ... vom 01.03.1972 bis 28.02.1973.

folgende Zeiten anerkannt:

für C ... vom 25.05.1962 bis 31.07.1962, vom 01.08.1965 bis 24.05.1972,
für G ... vom 02.07.1964 bis 31.07.1965, vom 01.08.1971 bis 01.07.1974,
für K ... vom 22.02.1966 bis 21.02.1976,
für G ... vom 12.10.1970 bis 11.10.1980
und für L ... vom 20.02.1972 bis 10.12.1981.

Für die Kindererziehungszeiten ermittelte die Beklagte in dem Bescheid vom 18.06.1998 für 50 Monate zusätzliche persönliche Entgeltpunkte (Ost) in Höhe von 4,1650 (Anlage 6 Seite 2).

Mit ihrem Widerspruch begehrte die Klägerin zum einen die Anerkennung der Zeit der Verbüßung einer Freiheitsstrafe von März 1982 bis April 1983 als rentenrechtliche Zeit. Ferner seien für die Kinder je drei Jahre als Kindererziehungszeit zu berücksichtigen. Nach dem Rentenrecht der ehemaligen DDR seien bei drei und mehr Kindern jeweils drei Zurechnungsjahre berücksichtigt worden. Die Streichung dieser Zurechnungsjahre greife in ihren Bestandsschutz nach Art. 14 Grundgesetz (GG) ein.

Auch mit der Neuberechnung der Altersrente mit dem Bescheid vom 16.10.1998 verblieb es bei den bisher festgestellten Kindererziehungszeiten und den dafür bereits berücksichtigten 4,1650 pauschalen persönlichen Entgeltpunkten.

Den Widerspruch wies die Beklagte, soweit ihm nicht mit dem Bescheid vom 16.10.1998 abgeholfen worden war, mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.1999 zurück. Für Zeiten des Arbeitseinsatzes während des Strafvollzuges seien nach dem Recht der DDR keine Beiträge entrichtet worden. Entsprechende Zeiten seien daher nicht als Beitragszeit nach § 248 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen. Auch eine Anerkennung der Zeit von März 1982 bis April 1983 als Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VI komme nicht in Betracht. Für die nach § 39 SGB VI gewährte Altersrente seien die nach § 249 SGB VI maßgeblichen Kindererziehungszeiten berücksichtigt worden. Die bisherige im Beitrittsgebiet bestehende Sonderregelung, wonach bei Geburt von mindestens drei Kindern für jedes Kind drei Jahre angerechnet werden konnten, habe nach Art. 2 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) nur noch für Rentenneuzugänge bis 31.12.1996 bestanden. Da die Altersrente der Klägerin jedoch am 01.02.1998 begonnen habe, seien ausschließlich die Vorschriften des SGB VI anzuwenden.

Mit der am 23.12.1999 vor dem Sozialgericht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren bezüglich der Anerkennung von zusätzlichen Kindererziehungszeiten weiter. Nach § 4 der "Zweiten Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung" seien ihr ab 01.01.1985 bei Rentenbeginn je Kind drei Zurechnungsjahre garantiert worden. Die Beklagte habe jedoch nach § 249 SGB VI nur 50 Monate berücksichtigt. Eine Kürzung von Erziehungszeiten verstoße aber gegen das Rückwirkungsverbot. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) könne sich der von der Belastung Betroffene auf Vertrauensschutz berufen und damit einem Eingriff in seine Rechte entgegentreten, wenn er mit dem Eingriff im Rückwirkungszeitraum nicht rechnen konnte und ihn daher bei der Gestaltung seines Lebensplanes nicht zu berücksichtigen brauchte. Auf dieses Recht nach Art. 3 Abs. 1 GG berufe sich die Klägerin. Sie machte insoweit Vertrauensschutz geltend. Da Kindererziehungszeiten unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stünden, sei der Gesetzgeber nicht befugt gewesen, zwei Drittel ihres Anspruchs zu kürzen. Letztlich führe das mit § 56 SGB VI gegebene Versprechen, allen Müttern drei Erziehungsjahre zu gewähren, zu Irrtümern. Ferner beanstandete die Klägerin die Regelungen zum Versorgungsausgleich im Beitrittsgebiet.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 17.11.2000 ohne mündliche Verhandlung ab. Die Beklagte habe die nach § 39 SGB VI gewährte Altersrente zutreffend berechnet und die insoweit maßgeblichen Zeiten der Kindererziehung nach § 249 SGB VI und damit jeweils für die ersten 12 Kalendermonaten nach der Geburt berücksichtigt. Für die Kinder G ..., K ..., G ... und L ... habe die Beklagte jeweils 12 Monate Kindererziehungszeit anerkannt. Für die Tochter C ... sei die Kindererziehung im ersten Jahres nach der Geburt am ...1962 unterbrochen worden. Ein Anspruch auf Berücksichtigung von drei Zurechnungsjahren je Kind bestehe nicht. Ein derartiger Anspruch habe sich zwar aus § 4 der Zweiten Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 26.07.1984 (GBl. I Nr. 23 S. 281) ergeben. Diese Regelung sei aber am 31.12.1991 außer Kraft getreten. Auch das im Anschluss daran nach Art. 2 RÜG geltende Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes sei vorliegend nicht anwendbar, da dieses nur für Rentenansprüche gelte, die bis zum 31.12.1996 beginnen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG). Die Begrenzung der Regelungen des Übergangsrechts auf Berechtigte, deren Renten zum 31.12.1996 begonnen haben, sei nicht verfassungswidrig. Es handele sich hierbei um eine Stichtagsregelung, die zur Regelung von Massenerscheinungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei. Dem Vertrauensschutz rentennaher Jahrgänge sei durch die zeitliche Begrenzung des Art. 2 RÜG Rechnung getragen worden. Auch die Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Artikel 14 GG sei nicht verletzt, weil die Bewertung von Kindererziehungszeiten nicht unzulässigerweise in eine unter den Schutz des Eigentums gestellte Rechtsposition eingreife. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, z.B. Beschluss vom 08.04.1987 - 1 BvR 564/84) verschaffe die Rentenanwartschaft dem Versicherten zwar eine Rechtsposition, die vor allem wegen der einkommensbezogenen Beitragsleistung derjenigen eines Eigentümer gleicht und deshalb dem Schutz der Eigentumsgarantie unterliege. Die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums ergebe sich allerdings erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, was Aufgabe des Gesetzgebers sei. Der Betroffene müsse dabei solche Einschränkungen seiner eigentumsrechtlich geschützten Position hinnehmen, die durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt seien. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 29.03.1996 (1 BvR 1238/95) zwar festgestellt, dass der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet sei, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in dem durch Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung liege, in weiterem Umfang als bisher auszugleichen. Dieser Forderung des BVerfG sei der Gesetzgeber mit dem Rentenreformgesetz 1999 nachgekommen. Dass der Gesetzgeber dabei nicht auch den zeitlichen Rahmen der Kindererziehungszeiten bei Geburten vor dem 01.01.1992 erweitert habe, sei im Hinblick auf die umfangreiche Verbesserung nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen. Schließlich verstoße § 249 SGB VI auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Es handele sich nicht um eine echte Rückwirkung, vielmehr liege ein Fall unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher Rückanknüpfung vor, indem die Bewertung von Kindererziehungszeiten von einer Kindererziehung vor Verkündung des Gesetzes abhängig gemacht worden sei. Dies sei in der Regel zulässig.

Gegen das der Klägerin am 23.12.2000 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 22.01.2001 eingelegte Berufung. Die Klägerin verknüpft erneut Ansprüche aus einem - jedoch in ihrem Fall nicht durchgeführten - Versorgungsausgleich mit der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. Soweit ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, müsse die darin liegende Ungleichbehandlung zumindest durch die Gewährung der zum Zeitpunkt der Ehescheidung 1985 zugesagten Zurechnungsjahre für Kindererziehung ausgeglichen werden. Nach Ansicht der Klägerin könne auch bei unechten Rückwirkungen der Vertrauensschutz verletzt werden, wenn der Betroffene mit dem entwertenden Eingriff nicht habe rechnen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17.11.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.1999 zu verurteilen, ihre Altersrente ab 01.02.1998 unter Berücksichtigung von je drei Zurechnungsjahren für die Kinder C ..., G ..., K ..., G ... und L ... neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 16.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.1999, der die vorangegangenen Rentenbescheide in vollem Umfang ersetzt hat. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Wert des subjektiven Rechts der Klägerin auf die ab 01.02.1998 beginnende Altersrente für Frauen unter zutreffender Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten festgestellt. Streitig ist allein die Frage, ob der Rentenberechnung weitere Zeiten der Kindererziehung als Pflichtbeitragszeiten zugrunde zu legen sind und ob eine Nichtberücksichtigung der für die Klägerin nach rentenrechtlichen Regelungen der ehemaligen DDR zugesagten Berücksichtigung von je drei Zurechnungsjahren je Kind verfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht.

Zutreffend hat die Beklagte mit dem streitigen Bescheid den Wert des Rechts auf die ab 01.02.1998 beginnende Altersrente festgestellt und insoweit gestützt auf § 56 SGB VI i. V. m. § 249 Abs. 1 SGB VI für die Kinder G ..., K ..., G ... und L ... jeweils 12 Monte Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung berücksichtigt. Für die Tochter C ... hat die Beklagte zutreffend nur zwei Kalendermonate Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung anerkannt, weil noch im ersten Lebensjahr des Kindes, und zwar ab 01.08.1962, die Erziehung und Betreuung überwiegend durch die Großeltern und nicht durch die Klägerin erfolgt war.

Eine Anspruchsgrundlage zur Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten existiert nicht. Insbesondere kann die Klägerin ihren Anspruch nicht auf § 56 Abs. 1 SGB VI, wonach für die Zeit der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren Pflichtbeiträge als gezahlt gelten, stützen. Diese Regelung ist mit dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) mit Wirkung vom 01.01.1992 in Kraft getreten und bezieht sich allein auf Geburten nach dem 31.12.1991. Abweichend von § 56 Abs. 1 SGB VI hat es der Gesetzgeber auch bereits mit dem RRG 1992 für Geburten bis zum 31.12.1991 mit § 249 Abs. 1 SGB VI bei der zuvor bestehenden Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für 12 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt belassen. Weil die Kinder der Klägerin sämtlich vor dem 31.12.1991 geboren sind, hatte die Beklagte zutreffend unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Regelung jeweils 12 Kalendermonate für Kindererziehung zu berücksichtigen, soweit diese Kindererziehung auch von der Klägerin überwiegend wahrgenommen worden war. Eine Übertragung der Zeiten der Kindererziehung auf den Kindesvater war nicht erfolgt und steht insoweit im Übrigen auch nicht in Streit.

Zwar werden in der renten- und familienpolitischen Diskussion zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten unterschiedlich weitreichende Forderungen an den Gesetzgeber gestellt. Soweit die Klägerin im Blick auf diese rechtspolitische Diskussion eine gesetzliche Änderung begehrt, ist ein Anspruch auf Gesetzgebung nicht vor den Sozialgerichten durchsetzbar.

Zu Recht hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Berücksichtigung von je drei Zurechnungsjahren für Kindererziehung je Kind weder auf § 4 der 2. RenteVO (a. a. O.) noch auf § 20 Abs. 3 Buchst. b des mit Art. 2 RÜG normierten Übergangsrechts für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606) stützen kann. Nach dem Einigungsvertrag (Anlage II Kap. VIII Sachg. F Abschn. III Nr. 7) blieb § 4 der 2. Renten-VO bis zum 31.12.1991 in Kraft und wurde danach für die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.12.1996 durch Art. 2 § 20 Abs. 3 Buchst. b RÜG ersetzt. Für den für die Klägerin maßgeblichen Rentenbeginn am 01.02.1998 sind diese Regelungen demnach nicht mehr anzuwenden. Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich ausschließlich nach den für alle Berechtigten des Bundesgebietes geltenden Vorschriften des SGB VI.

Zu einer Aussetzung des Verfahrens und zur Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Maßgabe des Art. 100 Abs. 1 GG sieht der Senat keinen Anlass. § 56 SGB VI i. V. m. § 249 Abs. 1 SGB VI ist im hier streitgegenständliche Zusammenhang mit der Verfassung vereinbar. Der Gesetzgeber war von verfassungswegen nicht verpflichtet, Kindererziehungszeiten im Beitrittsgebiet für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder im Umfang von drei Jahren anzuerkennen.

Die Begrenzung der Regelungen des Übergangsrechts auf Berechtigte, deren Renten zum 31.12.1996 beginnt (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG) und damit auch eine Berücksichtigung von Zurechnungsjahren, in dem Umfang wie dies im früheren Rentenrecht der DDR geregelt war, verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Wie das BVerfG in der Grundsatzentscheidung vom 28.04.1999 (BVerfGE 100, 1 ff.) festgestellt hat, kommt der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz den in der DDR erworbenen Rentenansprüchen und -anwartschaften nur in der Form zu, die sie auf Grund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten haben. Daraus kann die Klägerin keine Ansprüche herleiten, denn die Regelungen des Art. 2 RÜG halten sich im Rahmen der Vorgaben des Vertrages zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion (WWSVtr) vom 18.05.1990 (DDR-GBl. I Nr. 345 S. 232 = BGBl. II S. 537) und des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 (BGBl. II S. 889). Aus Art. 20 Abs. 1 WWSVtr ergibt sich, dass bei der Angleichung des Rentenrechts der DDR an das Rentenrecht der Bundesrepublik in einer Übergangszeit von fünf Jahren für die rentennahen Jahrgänge dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung getragen werden sollte. Diese Regelung hat der Einigungsvertrag mit Art. 30 Abs. 5 übernommen und einen Vertrauensschutzzeitraum bis zum 30.06.1995 festgelegt. Dieser Zeitraum wurde mit Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG bis zum 31.12.1996 erweitert. Somit halten sich die Regelungen des Übergangsrechts des Art. 2 RÜG im Rahmen des Einigungsvertrages (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 06.05.1999 - B 8 KN 10/98 R).

Auch ein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes durch die Regelungen des Art. 2 RÜG liegt nicht vor. Die Regelungen des RÜG, die den Anspruch auf Rentenleistungen nach dem Übergangsrecht zeitlich begrenzen, schaffen einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit an einer Angleichung des Rentenrechts, und den Individualinteressen der Klägerin. Der im Rentenüberleitungsrecht geschaffene Vertrauensschutz genügt damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Das Ausmaß des individuellen Vertrauensschutzes ergibt sich aus einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 89, 48 [66]; BSGE 74, 101 [107]). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Bürger der ehemaligen DDR angesichts der Umwälzungen, die zur Einheit Deutschlands geführt haben, objektiv nicht damit rechnen konnten, dass diese tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen ohne einschneidende Änderungen in den persönlichen Lebensverhältnissen bleiben würden. Dem Vertrauensschutzinteresse der Klägerin ist daher nicht dasselbe Gewicht beizumessen wie den Interessen Betroffener bei solchen gesetzlichen Änderungen, die ohne diesen historisch einmaligen Kontext vorgenommen werden. Gerade im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung war der Gesetzgeber wegen des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gehalten, Unterschiede in der Rentenversicherung beider deutschen Staaten in angemessener Zeit abzubauen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.02.1996 - 1 BvR 1429/95).

Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Das Sozialgericht führt mit Recht aus, dass hier ein Fall der "unechten" Rückwirkung vorliegt. Schon deshalb war der Gesetzgeber bei Schaffung des § 56 SGB VI i. V. m. § 249 Abs. 1 SGB VI weitgehend frei (zur Zulässigkeit der unechten Rückwirkung vgl. nur BVerfGE 63, 152 [175]; 72, 141 [154]; st. Rspr.) Wie dargelegt, konnte und durfte die Klägerin gerade wegen der mit der Herstellung der Einheit Deutschlands einher gehenden - auch rentenrechtlichen - Aufgaben nicht darauf vertrauen, dass der Bundesgesetzgeber die im DDR-Recht angelegte Anerkennung von Kindererziehungszeiten unbesehen in das SGB VI einbeziehen werde.

Unabhängig von der vorstehenden Erwägung übersieht die Klägerin, dass, hätte der Bundesgesetzgeber im hier streitigen Zusammenhang die DDR-Bestimmungen hinsichtlich der Kindererziehungszeiten vollinhaltlich übernommen, den Betroffenen und damit auch der Klägerin überhaupt kein Vorteil erwachsen wäre (zum Nachfolgenden vgl. Schneider ZSR 1995, 501 ff. m. w. N.).

Zwar nahmen Kindererziehungszeiten in der DDR einen Stellenwert ein, der vereinzelt zu der Auffassung geführt hat, Frauen seien im Rentenrecht der DDR besser sozial abgesichert als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. die Nachweise bei Ruland, DRV 1991, 518 [524]). Nach der für die Einheitsversicherung geltenden Rentenverordnung vom 23.11.1979 (GBl. DDR I S. 401), zuletzt geändert durch die 4. Rentenverordnung vom 08.06.1989 (GBl. DDR I S. 229) war für Frauen, die mehr als zwei Kinder geboren hatten, eine Verringerung der geforderten versicherungspflichtigen Tätigkeit um ein Jahr für das dritte und jedes weitere Kind vorgesehen. Für Frauen, die fünf und mehr Kinder geboren hatten, hatte die Rentenverordnung ab Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersrente in Höhe der Mindestrente vorgesehen; hatten diese Frauen zusätzlich mindestens 15 Arbeitsjahre geleistet, so war ein Mindestbetrag der Altersrente von 340,00 Mark festgelegt. Schließlich hatte die Rentenverordnung eine Zurechnungszeit von einem Jahr für jedes geborenen Kind eingeräumt, die bei Geburt von drei Kindern auf drei Jahre pro Kind ausgedehnt war (vgl. Polster, DRV 1990, 154 [163]).

Aus diesen Regelungen erwuchsen den Versicherten indessen nur scheinbar Vorteile. Im Ganzen war mit dem in der DDR bestehenden Mindestrentenregelungssystem das die gesetzliche Rentenversicherung in der Bundesrepublik kennzeichnende Versicherungsprinzip weitgehend überlagert. Das Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung hatte keine wesentliche Bedeutung. Dem gemäß ist auch die Zubilligung von Versicherungsjahren und die weitgehende Einbeziehung von Kindererziehungszeiten im Rentensystem der DDR nur scheinbar als großzügig zu bezeichnen. Zehn Jahre Kindererziehungszeit hatten nach dem Recht der DDR nur eine Rentenerhöhung um 40,00 Mark zur Folge, so dass sich bei der Rentenberechnung insoweit nur eine bescheidene Bedeutung ergab (vgl. Ruland, DRV 1991, 518 [525]). Erst mit der Anhebung der Renten im Zusammenhang mit der Währungsunion und der damit verbundenen Entzerrung der Rentenzahlbeträge erhielten die Kindererziehungsjahre im Rentenrecht der ehemaligen DDR ein erhebliches Gewicht, da die Angleichung ausschließlich nach der Zahl der angerechneten Arbeitsjahre vorgenommen wurde und diese auch die Zurechnungszeiten mit umfassten (dazu Müller, DRV 1991, 451 [453]).

All dies zeigt unmissverständlich, dass von einer Benachteiligung der Klägerin in Bezug auf die Anerkennung weiter gehender Kindererziehungszeiten keineswegs die Rede sein kann.

Soweit sich die Klägerin schließlich auf die sog. "Trümmerfrauen-Entscheidung" des BVerfG beruft (BVerfGE 87, 1), rechtfertigt dies keine von dem Vorstehenden abweichende Beurteilung. Wie den Gründen der Entscheidung des BVerfG unmissverständlich zu entnehmen ist, war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG) nicht verpflichtet, dem Lebenssachverhalt der Kindererziehung im Rahmen des HEZG (zur Gesetzgebung vgl. i. E. BVerfGE 87, 1) rentenrechtlich in größerem Umfang Rechnung zu tragen. Nichts anderes gilt für die Neuregelungen im Rahmen des RRG 1992 und damit auch des § 56 SGB VI i. V. m. § 249 Abs. 1 SGB VI. Soweit in der Entscheidung des BVerfG darauf verwiesen wird, dass der Gesetzgeber dem Lebenssachverhalt Kindererziehung künftig in vermehrtem Umfang Rechnung tragen möge, mag sich dies - wie die Klägerin selbst erkennt - für in die Zukunft gerichtete Gesetzgebungsvorhaben auswirken. Für den hier zur Entscheidung gestellten Sachverhalt ist dies indessen ohne Belang.

Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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