L 4 RA 21/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 13 RA 178/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 21/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19. November 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die rentenrechtliche Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1955 bis 1960.

Der am ... geborene Kläger absolvierte in der Zeit vom 01.09.1951 bis 31.08.1953 eine Lehre als Landwirt im Betrieb seiner Eltern. Anschließend war er bis zum 31.03.1960 als mitarbeitender Familienangehöriger im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern tätig. Danach war er bis zum 28.02.1978 als Agrotechniker/Traktorist beschäftigt. Er erhielt am 22.01.1970 ein Facharbeiterzeugnis in dem Bereich Agrotechnik. Vom März 1978 bis zum 15.07.1990 war er als Kraftfahrer beschäftigt, später kurzzeitig als Heizer und - im Rahmen einer ABM - als Naturpfleger tätig. Der Kläger entrichtete vom März 1978 bis Juli 1990 Beiträge zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung (FZA).

Am 31.03.1992 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Mit Bescheid vom 16.02.1994 gewährte die Beklagte mit Wirkung ab 01.04.1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) mit einem monatlichen Zahlbetrag von 774,98 DM. Aus Anlage 10 des Bescheides ergibt sich, dass die Zeit vom 01.09.1953 bis 10.08.1958 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt wurde, da für diesen Zeitraum Beitragszeiten bzw. Beschäftigungszeiten weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht seien.

Hiergegen legte der Kläger am 08.03.1994 Widerspruch ein und begehrte die Berücksichtigung der Zeit vom 10.01.1992 bis 15.02.1992 als Zeit im Beitrittsgebiet. Er erweiterte mit Schreiben vom 12.03.1994 seinen Widerspruch auf die Anrechnung der Jahre von 1951 bis 1953 (Lehrzeit) und der Jahre von 1953 bis 1958 als mithelfender Familienangehöriger im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb. In dieser Zeit habe für mithelfende Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres keine Versicherungspflicht bestanden. Eine Anrechnung wäre bei der EU-Rente nach dem 2. Artikel des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) auf der Grundlage der 5. Rentenverordnung möglich. Als Beleg legte er zwei Zeugenaussagen bei. Mit Schreiben vom 06.04.1994 erläuterte die Beklagte, dass § 247 Abs. 2a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) keine Anwendung auf Beschäftigungszeiten in der ehemaligen DDR finde. Eine Bewertung als Beitragszeit im Beitrittsgebiet könne ebenfalls nicht erfolgen, da seit dem 01.06.1949 mitarbeitende Kinder in landwirtschaftlichen Betrieben mit einer Bodenfläche bis 20 ha bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nicht der Versicherungspflicht unterlagen. Am 25.04.1994 fertigte die Beklagte einen neuen Rentenbescheid über die Gewährung einer Rente wegen BU. Es wurde ein monatlicher Zahlbetrag von 774,18 DM ausgewiesen. Die sich für die Zeit vom 01.04.1992 bis 31.05.1994 ergebende Überzahlung von 25,08 DM wurde nicht zurückgefordert. Die Änderung im Zahlbetrag ergab sich daraus, dass dem Widerspruch des Klägers vom 08.03.1994 Rechnung getragen wurde und die Zeit vom 10.01. bis 15.02.1992 mit Entgeltpunkten/Ost berücksichtigt wurde. Mit Rentenbescheid vom 24.05.1994 nahm die Beklagte nochmals eine Neuberechnung der Rente wegen BU vor. Wegen neu vorgelegter Verdienstbescheinigungen erhöhte sich der monatliche Zahlbetrag auf 811,58 DM. Unter Verweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (Az. 5 RJ 40/92) hielt der Kläger seinen Widerspruch aufrecht, da er sich nicht mit einer Rentenberechnung ab 01.08.1958 einverstanden erklären könne. Mit Bescheid vom 16.09.1994 gewährte die Beklagte dem Kläger beginnend zum 01.01.1993 eine Rente wegen EU bei einem monatlichen Zahlbetrag von 1.220,32 DM. Dies war darin begründet, dass der Kläger seit diesem Zeitpunkt keiner Beschäftigung mehr nachging. Dieser Bescheid wurde Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.1995 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, soweit sie ihm nicht durch Bescheid vom 24.05.1994 abgeholfen hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres der Kläger als mitarbeitendes Kind im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb nicht der Versicherungspflicht unterlag. Vor dem 11.08.1958 liege daher keine Beitragszeit im Sinne von § 248 Abs. 3 SGB VI vor. Über eine eventuelle Berücksichtigung dieser Zeit nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes erhalte der Kläger im Rahmen der noch zu prüfenden Vergleichsberechnung von der dafür zuständigen Fachabteilung gesondert einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid.

Mit Schreiben vom 12.03.1995 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Leipzig und bat um gerichtliche Klärung der Anrechnung von Rentenzeiten vor dem 21. Lebensjahr bei mithelfenden Kindern im elterlichen Betrieb. Zur Bestätigung seiner Mitarbeit im elterlichen Betrieb legte er eine Erklärung seiner Eltern vom 07.08.1995 vor, wonach er seine Lehrzeit vom 01.09.1951 bis 31.08.1953 im elterlichen Betrieb verbracht hatte. Er habe auch darüber hinaus ab dem 01.09.1953 als landwirtschaftlicher Facharbeiter im elterlichen Betrieb gearbeitet. Bei einer Betriebsgröße von ca. 11 ha habe für ihn keine Versicherungspflicht bis zum 21. Lebensjahr bestanden. Der Kläger übersandte ferner einen Grundbuchauszug und verwies auf die bereits von der Beklagten eingeholten Zeugenaussagen der Zeugen W ... L ... und J ... F ... Außerdem legte er eine Auskunft der gewerblich-kaufmännischen Berufsschule O ... vor, wonach er in den Schuljahren 1951/52 und 1952/53 die damalige Kreisberufsschule in einer Landwirtschaftsklasse besucht hatte. Der Kläger verwies zudem darauf, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, bis zum 21. Lebensjahr Beiträge zu zahlen. Bei Nachfragen bei der ehemaligen SVK-Abrechnungsstelle zu DDR-Zeiten sei ihm jedoch immer eine Vollständigkeit der Arbeitsjahre ab dem 14. Lebensjahr bestätigt worden. Er sehe eine klare Benachteiligung ehemaliger DDR-Bürger, da diese Arbeitsjahre bei der Rentenberechnung nun keine Berücksichtigung finden sollen. Im Laufe des Klageverfahrens teilte der Kläger darüber hinaus mit, dass er während der Zeit, in der er im elterlichen Betrieb beschäftigt war, auch in der damaligen MTS als Schichtfahrer gearbeitet habe. Besonders in den Monaten der Feldbestellung, der Ernte und der Herbstarbeiten sei er aktiv beschäftigt und als Schichtfahrer entlohnt worden. Zur Bestätigung legte er Zeugenerklärungen des ehemaligen Lohnbuchhalters und Brigadeleiters bei, wonach er in den Jahren 1955 bis 1960 als ständiger Schichtfahrer tätig war. Der Kläger trug vor, in den Jahren 1955 bis 1960 jährlich ca. 1.800,00 Mark Bruttoentgelt erhalten zu haben, wobei jeweils ein Nettobetrag nur ausgezahlt wurde. Der Betrieb habe es sich nicht leisten können, für Saisonarbeiter keine Versicherungsbeiträge abzuführen. Über weitere Nachweise verfüge er nicht. Des Weiteren gehe er davon aus, dass die Lehrzeit ab dem 14. Lebensjahr rentenrechtlich anzuerkennen sei.

Die Beklagte erkannte mit Schriftsatz vom 08.09.1995 die Zeit der Lehre ab Vollendung des 16. Lebensjahres vom 11.08.1953 bis 31.08.1953 als Anrechnungszeit nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI an. Die Zahlung eines Renten- bzw. Übergangszuschlages nach § 319a, b SGB VI lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.1996 ab, da der Betrag der SGB VI-Rente im Vergleich zur ermittelten Art. 2-RÜG-Rente im Vergleichszeitpunkt höher war. Bei der Vergleichsberechnung nach Art. 2 RÜG hatte die Beklagte die streitige Zeit vom 01.09.1953 bis 10.08.1958 berücksichtigt. Des Weiteren hatte die Beklagte mit Bescheid vom 30.04.1998 auch eine Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vorgenommen, welche auch zu keiner höheren Rente führte.

Das SG hatte Auskünfte bei der Stadtverwaltung O ... und bei dem Rechtsnachfolger der MTS W ... eingeholt sowie die vom Kläger benannten Zeugen schriftlich angehört. Diese sagten aus, dass die Tätigkeit des Klägers bei der MTS W ... sozialversicherungspflichtig gewesen sei, über die konkrete Abführung von SV-Beiträgen konnten sie keine Angaben machen.

Das SG hat die Klage sodann mit Urteil vom 19.11.1998 abgewiesen. Der Kläger hatte sein Begehren letztlich darauf begrenzt, die Tätigkeit bei der MTS von 1955 bis 1960 als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass Anspruchsgrundlage für die Berücksichtigung einer glaubhaft gemachten Beitragszeit im Beitrittsgebiet § 286b SGB VI sei. Danach sei eine im Beitrittsgebiet zurückgelegte versicherungspflichtige Beschäftigung abweichend von dem grundsätzlichen Erfordernis der Vorlage konkreter Nachweise auch dann als Beitragszeit bei der Berechnung der Rente zugrunde zu legen, wenn der Versicherte glaubhaft macht, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt, ein bestimmtes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielt und entsprechende Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden sind. Eine Tatsache sei dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist. Zwar sah es das SG nach den vorliegenden Unterlagen als überwiegend wahrscheinlich an, dass der Kläger in dem angegebenen Zeitraum als Traktorist bei der MTS W ... beschäftigt war. Gleichwohl sei damit weder ein konkreter Beschäftigungszeitraum mit Erzielung eines bestimmten Arbeitsverdienstes noch die Entrichtung eines entsprechenden Sozialversicherungsbeitrages glaubhaft gemacht. Die Berücksichtigung von Beitragszeiten nach § 286b SGB VI setze grundlegend voraus, dass ein bestimmter bzw. bestimmbarer Zeitraum der Beitragszahlung glaubhaft gemacht wird. Eine solche konkrete zeitliche Zuordnung sei im Falle des Klägers jedoch auch bei Berücksichtigung der Angaben der Zeugen nicht möglich. Der Kläger selbst habe geschildert, dass er neben seiner primären Beschäftigung als mitarbeitendes Familienmitglied im elterlichen Betrieb besonders in den Monaten der Feldbestellung, der Ernte und der Herbstarbeiten als Schichttraktorist tätig war. Dabei sei er vorwiegend in der Zeit von Mai bis Dezember des Kalenderjahres eingesetzt worden, und zwar bei Bedarf zum Teil für Zeiträume für zwei oder vier Wochen, zum Teil auch an Sonnabenden. Genauere Angaben habe der Kläger nicht machen können. Damit sei eine konkrete zeitliche Zuordnung von Verdiensten und davon unter Umständen zu entrichtenden bzw. entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen nicht möglich. Darüber hinaus sei es nach Auffassung der Kammer nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der vom Kläger für die streitigen Jahre angegebene Verdienst der Sozialversicherungspflicht unterlag bzw. dass hierfür Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden sind. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass der Kläger als mitarbeitendes Familienmitglied im elterlichen Betrieb nach § 2 Abs. 1 der Anordnung über die Sozialpflichtversicherung in der Landwirtschaft vom 25.05.1949 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres am 10.08.1958 nicht der Versicherungspflicht unterlag, da der elterliche Betrieb lediglich eine Bodenfläche von ca. 10,77 ha aufwies. Entsprechend finde sich der erste Eintrag im Sozialversicherungsausweis des Klägers für den 11.08.1958. Es hätte nahe gelegen, dass bereits 1955 ein Sozialversicherungsausweis ausgestellt worden wäre, wenn die Tätigkeit bei der MTS W ... bereits zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtig gewesen wäre. Spätestens jedoch beim Eintritt der Versicherungspflicht als mithelfendes Familienmitglied mit Vollendung des 21. Lebensjahres hätte es sich nach Auffassung der Kammer aufgedrängt, dass sich auch Eintragungen der MTS W ... im Versicherungsausweis fänden. Lohnunterlagen des damaligen Arbeitgebers konnten jedoch nicht vorgelegt werden. Auch die Zeugenaussagen stünden diesem Ergebnis nicht entgegen, da die Zeugen hinsichtlich Höhe und Umfang der Vergütungen bzw. hinsichtlich der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Kläger keine konkreten Angaben machen konnten. Die Aussage, dass die Tätigkeit des Klägers grundsätzlich sozialversicherungspflichtig war, führe nicht zwingend zu dem Schluss, dass auch entsprechende Beiträge entrichtet worden sind.

Gegen das mit Einschreiben am 30.12.1998 zur Post gebrachte Urteil richtet sich die am 29.01.1999 beim SG Leipzig eingegangene Berufung. Der Kläger trägt vor, die Glaubhaftmachung seiner Tätigkeit als Schichttraktorist sei von den Zeugen R ... und Ro ... bestätigt worden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beschränkten in ihrer Berufungsbegründung vom 30.11.1999 das Begehren nochmals ausdrücklich auf die Anerkennung der Zweitbeschäftigung als Traktorist in den Jahren 1955 bis 1960. Es wurde angeregt, nochmals die Zeugen zur Dauer der einzelnen Beschäftigungsabschnitte zu befragen, damit die Voraussetzung für die Anerkennung als glaubhaft gemachte Beitragszeit erfüllt werden könnten. Die Tatsache, dass die Tätigkeit für die MTS W ... nicht im SV-Ausweis eingetragen sei, lasse sich mit der Verfahrensweise zu DDR-Zeiten erklären, wo ein zweites befristetes Beschäftigungsverhältnis oft nicht eingetragen wurde, da bereits durch die erste Tätigkeit eine Rentenanwartschaft vorlag. Da nach DDR-Recht die Tätigkeit in der elterlichen Landwirtschaft als rentenrechtliche Zeit anerkannt worden sei, wäre die Anerkennung einer weiteren Zeit nicht erforderlich gewesen. Beiträge hätten nach DDR-Recht abgeführt werden müssen, da es sich um eine versicherungspflichtige Tätigkeit handelte, die grundsätzlich der Beitragspflicht unterlag. Der Kläger wäre auch bereit, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, so dass die Anerkennung als glaubhaft gemachte Beitragszeit möglich sei. Außerdem werde der beim SG Leipzig gestellte Klageantrag im Berufungsverfahren dahingehend erweitert, das für den Zeitraum vom 10.01. bis 15.02.1990 bezogene Krankengeld in die Rentenberechnung einzubeziehen. Des Weiteren sei bisher die Zeit vom 01.07. bis 15.07.1990 unberücksichtigt geblieben.

Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 14.01.2000 bereit, die Rente unter Berücksichtigung eines Entgeltes in Höhe von 3.400,00 DM für die Zeit vom 01.01.1990 bis 15.07.1990 neu festzustellen und erließ am 26.01.2000 einen entsprechenden Rentenbescheid, welcher Gegenstand des anhängigen Verfahrens wurde. Der des Weiteren geltend gemachte Zeitraum des Bezuges von Krankengeld sei für 1992 nachgewiesen und bereits berücksichtigt. Am 14.03.2001 erließ die Beklagte darüber hinaus einen Bescheid über die Gewährung von Altersrente mit Wirkung ab 01.05.2001. Dieser Bescheid wurde gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ebenfalls Gegenstand des anhängigen Verfahrens.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des SG Leipzig vom 19.11.1998 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 16.02.1994, 25.04.1994, 24.05.1994 und 16.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.1995 sowie der Bescheide vom 26.01.2000 und 14.03.2001 zu verurteilen, die Zeit der Tätigkeit bei der MTS W ... in den Jahren 1955 bis 1960 als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG Leipzig für zutreffend. Die Zeit als Schichtfahrer bei einer MTS von 1955 bis 1960 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, da eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht sei. Werden werktätige Einzelbauern als Schichtfahrer bei der MTS tätig, so werde dadurch ein Arbeitsrechtsverhältnis begründet. Die dabei erzielten Verdienste seien als Lohneinkünfte der Lohnsteuer und der SV-Beitragspflicht durch die MTS zu unterwerfen. Es sei aber davon auszugehen, dass beim Kläger ein ordentliches Arbeitsrechtsverhältnis nicht vorgelegen habe. Der Versicherte habe, schon abgesehen davon, dass ein Eintrag im SV-Ausweis über die Nebenbeschäftigung gänzlich fehle, kein Arbeitsbuch vorlegen können, das die Nebenbeschäftigung als Schichtführer bestätigt. Nach § 11 Abs. 1 der Verordnung über die Wiedereinführung eines Arbeitsbuches und die Einführung einer Kontrollkarte in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands habe der Arbeitsbuchpflichtige sein Arbeitsbuch bei Aufnahme der Tätigkeit unverzüglich dem Arbeitgeber zur Vornahme der notwendigen Eintragungen vorzulegen. Diese Regelung habe nach Abs. 2 auch für die Nebenbeschäftigungen gegolten. Somit hätten zumindest in einem Arbeitsbuch Eintragungen über die Nebenbeschäftigung vorliegen müssen. Anhand der Zeugenerklärungen sei lediglich das Beschäftigungsverhältnis glaubhaft gemacht worden. Damit allein lasse sich jedoch nicht die Beitragsentrichtung zur Sozialpflichtversicherung glaubhaft machen. Nach alldem sei davon auszugehen, dass ein ordentliches Arbeitsrechtsverhältnis nicht bestanden habe.

Eine Anfrage des Senats bei der D ... GmbH hinsichtlich Unterlagen über die MTS W ... verlief erfolglos. Die Beteiligten erklärten ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche bei der Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und im Übrigen zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitigen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten. Für die rentenrechtliche Berücksichtigung der Jahre 1955 bis 1960, in denen der Kläger als Schichttraktorist bei der MTS W ... tätig war, und damit für die Gewährung einer höheren Rente wegen BU bzw. EU bzw. einer höheren Altersrente ist eine Rechtsgrundlage nicht gegeben.

Maßgeblich für die Berücksichtigung eines Zeitraumes als Beitragszeit ist § 55 SGB VI. Nach der Legaldefinition in § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Pflichtbeiträge nach Bundesrecht hatte der Kläger im hier streitigen Zeitraum von 1955 bis 1960 jedoch nicht gezahlt. Für das Beitrittsgebiet wird § 55 SGB VI jedoch durch § 248 SGB VI ergänzt. Nach § 248 Abs. 3 SGB VI stehen Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Eine Beitragsentrichtung nach den Vorschriften der DDR konnte für den Kläger für den streitigen Zeitraum ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Der erste Sozialversicherungsausweis für den Kläger wurde am 20.05.1959 ausgestellt. Er beginnt mit dem Nachweis einer beitragspflichtigen Beschäftigung am 11.08.1958 als mithelfender Sohn. Dass für die Zeit davor im Rahmen der Tätigkeit als mithelfendes Familienmitglied im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern keine Beiträge entrichtet wurden, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Eltern des Klägers haben unter dem 07.08.1995 bestätigt, dass der Kläger ab dem 01.09.1953 als landwirtschaftlicher Facharbeiter im elterlichen Betrieb tätig war. Ebenso wurde durch sie bestätigt, dass bei ihrer Betriebsgröße keine Versicherungspflicht des Klägers bis zum 21. Lebensjahr laut Gesetz bestand. Folgerichtig beginnt die Eintragung im SV-Ausweis mit dem 11.08.1958, dem 21. Geburtstag des Klägers. Nach den damals geltenden Rechtsvorschriften bestand für den Kläger vor diesem Zeitpunkt in dem genannten Beschäftigungsverhältnis tatsächlich keine Versicherungspflicht. Zwar unterlagen seit dem 01.02.1947 nach § 3d der Verordnung über die Sozialversicherungspflicht (VSV) vom 28.01.1947 alle ständig mitarbeitenden Familienmitglieder eines Unternehmens in der Landwirtschaft oder eines selbständig in der Landwirtschaft Arbeitenden grundsätzlich der Versicherungspflicht. Allerdings wurde diese grundsätzliche Versicherungspflicht mit Wirkung vom 01.06.1949 durch die Anordnung über die Sozialpflichtversicherung in der Landwirtschaft vom 25.05.1949 für einen bestimmten Personenkreis wieder beseitigt. Damit sollten kleinere landwirtschaftliche Betriebe hinsichtlich der Beitragsleistung für die Sozialpflichtversicherung entlastet werden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 dieser Anordnung unterlagen mitarbeitende Familienangehörige in bäuerlichen Betrieben mit einer Bodenfläche bis zu 20 ha bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nicht der Sozialpflichtversicherung nach § 3 der VSV 1947. Da der landwirtschaftliche Betrieb der Eltern des Klägers weit unter 20 ha lag, bestand für den Kläger hinsichtlich seiner Tätigkeit im elterlichen Betrieb tatsächlich keine Versicherungs- und damit keine Beitragspflicht.

Es existieren darüber hinaus jedoch auch keine Nachweise, dass für den Kläger in den Jahren 1955 bis 1960 für ein Beschäftigungsverhältnis bei MTS W ... Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind. Als Beitragszeiten gemäß § 248 Abs. 3 SGB VI können jedoch nur diejenigen Zeiten berücksichtigt werden, für die Beiträge nach ehemaligem DDR-Recht tatsächlich gezahlt worden sind (vgl. Polster in KassKomm, § 248 SGB VI, Rn. 19). Als Nachweis der Beitragzeiten dienen insbesondere Versicherten- und Versicherungsausweise, Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung, Bescheinigungen der Versicherungsträger und Einzugsstellen, Steuer-, Beitrags-, Feststellungs- und Abrechnungsbescheide von Selbständigen, in denen die Zahlung von Beiträgen vermerkt ist, ferner Rentenbescheide und Arbeitsbescheinigungen (vgl. Gürtner in KassKomm, § 286b SGB VI, Rn. 3). Derartige Nachweise liegen für den streitigen Zeitraum jedoch nicht vor. Weder ist eine Tätigkeit bei der MTS W ... von 1955 bis 1960 im Sozialversicherungsausweis des Klägers vermerkt noch konnten beim Rechtsnachfolger der MTS W ... Nachweise über eine versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers ermittelt werden. Auch eine Anfrage bei der D ... GmbH verlief erfolglos.

Zu Recht hat das SG auch die Berücksichtigung des streitigen Zeitraumes als glaubhaft gemachte Beitragszeit abgelehnt. Nach § 286b SGB VI ist eine im Beitrittsgebiet zurückgelegte versicherungspflichtige Beschäftigung abweichend von dem grundsätzlichen Erfordernis der Vorlage konkreter Nachweise auch dann als Beitragszeit bei der Berechnung der Rente zugrunde zu legen, wenn der Versicherte glaubhaft macht, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt, ein bestimmtes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielt und entsprechende Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden sind. Diese Vorschrift wurde deshalb eingeführt, weil im Beitrittsgebiet sämtliche leistungsrechtlich relevanten Versicherungsunterlagen vom Versicherten aufbewahrt und lediglich im Leistungsfall der antragsaufnehmenden Stelle vorgelegt wurden. Bei diesem System der Sicherung von Versicherungsnachweisen kann es durch verschiedene Umstände später zu Nachweisschwierigkeiten kommen. Um diesen Beweisnotstand zu mildern, wird dem Versicherten eine Glaubhaftmachung der Beitragszeiten ermöglicht, wenn die üblichen Versicherungsunterlagen nicht vorgelegt werden können (Gürtner in KassKomm, § 286b, Rn. 2 unter Verweis auf die BTDrucks. 12/405 S. 132). Glaubhaft zu machen sind die Erzielung eines beitragspflichtigen Arbeitsentgeltes bzw. Arbeitseinkommens und die Zahlung der diesem entsprechenden Beiträge. Eine Tatsache ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist.

Die Angaben des Klägers genügen nicht, um eine Beitragszahlung im Beitrittsgebiet im Sinne des § 286b SGB VI glaubhaft zu machen. Nach den vorliegenden Erklärungen des Klägers sowie der Zeugenaussagen ist es zwar - wie auch das SG ausgeführt hat - überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger in dem angegebenen Zeitraum als Traktorist bei der MTS W ... beschäftigt war. Die vom Kläger benannten Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass der Kläger in den Jahren 1955 bis 1960 als Schichttraktorist tätig war. Eine Glaubhaftmachung nach § 286b SGB VI setzt jedoch voraus, dass glaubhaft gemacht wird, dass ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt worden ist und dass von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Dies konnten die benannten Zeugen jedoch gerade nicht bestätigen. In der Erklärung vom 05.08.1998 bestätigte der vom Kläger benannte Zeuge G ... R ... zwar, dass der Kläger in der Zeit seiner Tätigkeit für die MTS sozialversichert gewesen sei, doch führte er ausdrücklich an, dass er konkrete Angaben zur Abführung von SV-Beiträgen nicht machen könne. Ebenso bestätigte der damalige Brigadeabrechner A ... Ro ..., dass die Entlohnung des Klägers im Rahmen der monatlichen Gesamtlohnabrechnungen erfolgte und SV-pflichtig war. Jedoch konnte auch er über die Höhe und den Umfang der vergüteten Leistungen keine Angaben machen. Da beide ausdrücklich angaben, keinerlei Kenntnisse von Höhe und Umfang der vergüteten Leistungen und von der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu haben, konnte auf eine weitere Zeugenbefragung, wie von der Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregt, verzichtet werden. Selbst wenn sie Angaben machen könnten zu der Dauer der einzelnen Beschäftigungsabschnitte, würde dies einer Glaubhaftmachung gemäß § 286b SGB VI nicht genügen. Diese Vorschrift verlangt gerade, dass auch glaubhaft gemacht wird, dass entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Ein förmlicher Beweisantrag wurde überdies nicht gestellt.

Auch kann auf die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung durch den Kläger verzichtet werden. Zwar ist nach § 286b SGB VI auch die eidesstattliche Erklärung als Mittel der Glaubhaftmachung zugelassen, doch sind hieraus keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten. Wie der Kläger bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht darlegte, kann auch er die Zeiträume seiner Tätigkeit für die MTS nur noch vage angeben. Nach seinen Angaben war er während der Saison (Mai bis Dezember eines Kalenderjahres) bei Bedarf beschäftigt. Dies umfasste Zeiträume von zwei oder vier Wochen, zum Teil habe er auch Sonnabends arbeiten müssen. Ob konkret Sozialversicherungsbeiträge für ihn entrichtet wurden und welches beitragspflichtige Entgelt er jeweils erzielte, hat auch er nicht dargelegt. Bei Berücksichtigung aller Tatsachen ist eine Beitragsentrichtung nicht überwiegend wahrscheinlich. Wie die Beklagte unter Verweis auf die entsprechenden Vorschriften ausführte, war die Tätigkeit eines Einzelbauern als Schichtfahrer bei der MTS auch im Rahmen einer Saisonarbeit zwar grundsätzlich beitragspflichtig. Voraussetzung hierfür war jedoch, dass die Beschäftigung aufgrund eines Arbeitsvertrages gegen Entgelt erfolgte. Dass ein ordentliches Arbeitsverhältnis vorlag, konnte jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Weder hat der Kläger Arbeitsverträge vorgelegt noch liegen entsprechende Eintragungen im Arbeitsbuch bzw. Sozialversicherungsausweis vor. Glaubhaft gemacht ist lediglich, dass der Kläger in dieser Zeit tatsächlich beschäftigt war. Der Annahme einer Beitragsentrichtung widerspricht aber die Tatsache, dass die erste Eintragung im SV-Buch mit der Beitragspflicht im Arbeitsverhältnis in der elterlichen Landwirtschaft zusammenfällt. Bei einer beitragspflichtigen Tätigkeit bei der MTS W ... und entsprechender Beitragszahlung wäre zu erwarten, dass - wenn auch im ersten Arbeitsverhältnis Versicherungsfreiheit bestand - ein entsprechendes SV-Buch bereits ab 1955 geführt worden wäre. Zwar besteht auch die Möglichkeit, dass sich der Sachverhalt so verhielt, wie von der Prozessbevollmächtigten des Klägers dargestellt, dass nämlich keine Notwendigkeit dafür gesehen wurde, ein zweites befristetes Beschäftigungsverhältnis in den SV-Ausweis einzutragen. Da jedoch keine weiteren Anhaltspunkte für die Entrichtung von Beiträgen vorliegen, kann nicht festgestellt werden, dass dies die überwiegend wahrscheinliche Alternative im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB X ist. Auch der Kläger hat erstmals im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens, als sich abzeichnete, dass sich die Tätigkeit in der elterlichen Landwirtschaft vor dem 21. Lebensjahr nicht rentenrechtlich auswirkt, auf die Tätigkeit bei der MTS hingewiesen. Bei der Beantragung der Rente im März 1992 hat er keinerlei Angaben zu dieser Tätigkeit gemacht. Da keinerlei Erkenntnisse zur Beitragsentrichtung vorliegen, ist die Berücksichtigung der Jahre 1955 bis 1960 als glaubhaft gemachte Beitragszeit im Beitrittsgebiet gemäß § 286b SGB VI nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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