L 4 RA 38/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 10 RA 780/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 38/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09.12.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.

Die am ... geborene Klägerin beantragte am 29.04.1996 bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie sich auf Grund ihrer körperlichen Konstitution seit 1994 für berufs- bzw. erwerbsunfähig hielt.

Die Klägerin leidet an einer angeborenen Skelettanomalie, welche durch ein vermindertes enchondrales Wachstum zu disproportioniertem Zwergwuchs geführt hat. Sie ist ca. 1,37 m groß und wiegt ca. 60 kg. Ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt.

In der Zeit vom 01.09.1983 bis 28.02.1985 absolvierte sie eine Teillehre als Stempelmontiererin und war danach bis zu ihrer Entlassung 1991 im Ausbildungsberuf tätig. Anschließend war sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zeitraum April 1992 bis November 1995 als Schreibkraft bzw. Mitarbeiterin vier Stunden bzw. sieben Stunden täglich beschäftigt. Vom 29.04.1996 bis zum 28.04.1997 hat sie über das Arbeitsamt Leipzig an einer Anpassungsfortbildung zur Bürofachkraft "mit Erfolg" teilgenommen und ein Zertifikat erhalten.

Nach Beiziehung der Krankenunterlagen der behandelnden Ärztin beauftragte die Beklagte die Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. V ... mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens. Die Sachverständige diagnostizierte im Gutachten vom 15.07.1996:

- Chondrodystrophie mit Minderwuchs, geringer varischer Beinverkrümmung rechts und deutlicher varischer Beinverkrümmung links, Zustand nach Korreturosteotomie beider Unterschenkel, Zustand nach Verlängerungsosteotomie beider Beine,
- rezidivierende Lumbalgien,
- abgeklungenes Cervicobrachialsyndrom,
- Genua vara und
- Bandinstabilität beider Kniegelenke.

Bei der Klägerin handele es sich um ein angeborenes Leiden (kurze, plumpe Röhrenknochen) mit Minderwuchs. Sie sei deutlich vermindert körperlich belastbar. Infrage käme eine vorwiegend sitzende Tätigkeit an einem für ihre Körpermaße individuell gestalteten Arbeitsplatz. In der letzten Tätigkeit als Mitarbeiterin sei sie nur halb- bis unter vollschichtig einsetzbar, vollschichtig jedoch bei vorwiegend sitzender Tätigkeit, wobei langes Sitzen, Stehen und Gehen, gehäuftes Treppensteigen, einseitige Dauerbelastung der Arme, Überkopfarbeiten, Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Zwangshaltung der Wirbelsäule und in der Hocke sowie Arbeiten im rheumafördernden Milieu zu vermeiden seien.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 31.10.1996 ab, da die Klägerin trotz Wachstumsstörung ohne Einschränkung des Leistungsvermögens im bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig ist und noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe. Zumutbar sei stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -).

Dagegen legte die Klägerin am 20.11.1996 Widerspruch ein, da sie in den zurückliegenden Jahren einen den Körpermaßen angepassten Arbeitsplatz nicht angetroffen habe und nach dem Gutachten langes Sitzen zu meiden sei. Mit den genannten Einschränkungen sei es ausgeschlossen, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Die Beklagte holte daraufhin ein internistisches Fachgutachten Dr. W ... vom 10.05.1997 ein. Die Hauptbeschwerden würden auf orthopädischem Gebiet liegen. Nach Einschätzung des Sachverständigen sei die Klägerin in der Lage, vorwiegend sitzende Tätigkeiten bei angepassten Arbeitsplatzbedingungen auszuüben. Nach Angaben der Klägerin sei die Arbeit im Rahmen der Umschulung über das Arbeitsamt als Bürofachkraft von ihr durchführbar. Zur Bewältigung längerer Wegstrecken sei sie im Besitz eines behindertengerechten PKW. Aus internistischer Sicht liege keine Erkrankung vor. Als Schreibkraft/Bürokraft sei sie vollschichtig einsetzbar.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 28.07.1997 zurück, da dem Begehren auf Zahlung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Invalidität nicht entsprochen werden könne. Nach den im Rentenverfahren getroffenen medizinischen Feststellungen sei sie noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen, ohne Überkopfarbeiten an einem größenmäßig angepassten Arbeitsplatz vollschichtig auszuüben.

Hiergegen hat sich die am 01.09.1997 beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhobene Klage gerichtet. Das SG hat Befundberichte von Dr. L ... - praktische Ärztin - und Dr. M ... - Facharzt für Orthopädie - eingeholt und die Schwerbehindertenakten der Klägerin beigezogen.

In dem vom SG veranlassten fachärztlichen Gutachten, das der Chefarzt der Orthopädie der MEDIAN Klinik Bad L ... Dr. med. F ... am 23.09.1998 erstattet hat und auf welches wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wurde auf der Grundlage der am 21.08.1998 durchgeführten Untersuchung diagnostiziert:

- angeborener disproportionierter Zwergwuchs,
- verkürzte obere und untere Gliedmaßen bei Zustand nach mehrfachen Korrekturosteotomien der Beine,
- Bänderlaxität beider Kniegelenke bei Genua vara,
- Fehlstatik der Wirbelsäule mit lumbal eingeengtem Spinalkanal.

Die Klägerin sei in der Lage, bei Vorliegen eines adäquaten Arbeitsplatz einer vollschichtigen Tätigkeit im Berufsleben nachzugehen. Orthopädischerseits stehe eine Belastungseinschränkung der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule im Vordergrund. Besonders statische Fehlbelastungen der lumbosakralen Region sowie der großen tragenden Körpergelenke (Hüfte und Knie) seien auszuschließen. Hierzu gehörten alle mechanischen Faktoren wie Bücken, Aufrichten, Drehen, Heben, Fehlbelastungen oder Überbelastungen, Witterung, Feuchtigkeit oder akutes Trauma (Erschütterungen). Schon auf Grund der Hebelverhältnisse sei sie nicht in der Lage, schwere körperliche Arbeiten oder Haltearbeiten zu verrichten. Ihr seien nur leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen zuzumuten. Es sollte eine überwiegend sitzende Arbeit ausgeführt werden. Längere Wegstrecken oder das Besteigen von Treppen oder Podesten seien nicht zumutbar. Die Stehbelastung der unteren Extremitäten sollte 15 min nicht übersteigen. Unter Berücksichtigung der schulischen Grundausbildung bestünden keine Einschränkungen betreffs der Funktionstüchtigkeit der Sinnesorgane, Auffassungsgabe, Merk- und Reaktionsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Flexibilität. Insgesamt bestehe schon konstitutionell eine deutlich herabgesetzte Belastungsfähigkeit. Der Sachverständige verwies auf medizinisch-soziale Probleme und die berufliche Integration dieser Randgruppe der Behinderten. Die Klägerin sei in der Lage, den Arbeitsweg mit dem eigenen Pkw zurückzulegen. Größere Wegstrecken zu Fuß (über 500 m) seien ohne Unterbrechung nicht zuzumuten. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei grundsätzlich möglich, jedoch auf Grund der Körpermaße beschwerlich. Die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Schreibkraft/Bürokraft könne weiter ausgeübt werden. Der Arbeitsplatz müsse mit individuell und ergonomisch gestalteten Sitzmöbeln ausgestattet sein. Der beschriebene Zustand und das daraus folgende Leistungsbild bestehe im Wesentlichen seit 1988 nach Abschluss der Korrekturbehandlung. Danach habe die Klägerin wieder volle Berufsfähigkeit erlangt und im erlernten Beruf bis zur Entlassung 1991 gearbeitet. Der erlernte Beruf (Teilfacharbeiter) entspräche der damaligen und heutigen Leistungsfähigkeit. Eine wesentliche Verschlechterung des Befundes sei nicht eingetreten.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.1999 gab der Sachverständige an, dass auf Grund der im Gutachten dargelegten gesundheitlichen Schäden, Störungen und Schwächen der Klägerin größere Wegstrecken zu Fuß (über 500 m) ohne Unterbrechungen nicht zuzumuten seien. Die Wegefähigkeit definiere sich als das Vermögen, viermal pro Arbeitstag eine Wegstrecke von 500 m längstens 20 min pro Wegstrecke zu Fuß zurückzulegen. Bei einer eingeschränkten Wegefähigkeit sei die gesundheitsbedingte Benutzbarkeit von öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln zu erörtern. Nach ärztlicher Auffassung bestehe durchaus Wegefähigkeit. Es könnten sicherlich Anmarschwege von 501 m viermal pro Tag zurückgelegt werden, aber größere Strecken über 500 m (z. B. viermal 900 m) nicht.

Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 09.12.1999 abgewiesen und dabei nach Lage der Akten entschieden. Bei der Klägerin würden weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit oder Invalidität vorliegen. Als bisheriger Beruf sei die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Schreibkraft/Bürohilfe heranzuziehen. Insoweit habe sie auch eine Umschulung als Bürofachkraft mit Erfolg abgeschlossen. Nach durchgeführter Beweisaufnahme sei sie aus medizinischer und berufskundlicher Sicht in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten an einem größenangepassten Arbeitsplatz mit überwiegend sitzender Tätigkeit zu verrichten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung lägen nicht vor. Die Kammer schließe sich den Feststellungen der Sachverständigen an. Die Beschränkung auf leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegenden Sitzanteilen bedeute nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Beschluss Großer Senat vom 19.12.1996 SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8) keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die den Nachweis oder die Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit erforderlich gemacht hätte. Wegeunfähigkeit sei nicht gegeben. Die Beklagte übernehme bei einem vorhandenen Arbeitsplatz die Kosten für größenangelegtes Mobiliar, so dass sich auch daraus keine weiteren Einschränkungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit herleiten ließen. Durch die Anpassungsfortbildung zur Bürofachkraft gebe es zumutbare Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in genügender Anzahl, beispielsweise in einem Betrieb der gewerblichen Wirtschaft, in einem Amt oder in einer Behörde. In diesen Bereichen gebe es körperlich leichte Arbeiten, die überwiegend im Sitzen verrichtet würden und besonders für orthopädisch vorgeschädigte Versicherte geeignet seien. Die Zuerkennung eines GdB von 50 für den Kleinwuchs, dysplastische Hüft- und Kniegelenke beidseits und beginnende Bewegungseinschränkung beider Hüft- und Kniegelenke widerspräche nicht der getroffenen Entscheidung, da die Zuerkennung nach anderen Kriterien erfolge.

Gegen das am 11.01.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.02.2000 eingelegte Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG). Die Berufung richte sich insbesondere gegen die Auffassung des SG, dass der Nachweis einer zustandsangemessenen Verweisungstätigkeit nicht erforderlich gewesen sei. Die vorliegenden Einschränkungen des Leistungsvermögens umfassten nicht das Erfordernis "leichte körperliche Tätigkeiten". Nach dem Urteil des BSG vom 11.03.1999 - B 13 RJ 71/97R - bestünden ernsthafte Zweifel, ob sie mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar sei. Dabei sei sie auf eine Tätigkeit mit wechselnder Körperhaltung mit überwiegenden Sitzanteilen angewiesen. Zusätzlich bedürfe der Arbeitsplatz einer besonderen Ausstattung. Diese Leistungseinschränkung habe das SG bei seiner Prüfung nicht herangezogen. Die Einschätzungen des Sachverständigen Dr. F ... sprächen dafür, dass die Leistungseinschränkungen gerade nicht gewöhnlich seien. Darüber hinaus sei die Wegefähigkeit der Klägerin nicht gegeben und sie könne auch nicht wegen der absolvierten Anpassungsfortbildung auf die Tätigkeit als Bürofachkraft verwiesen werden. Zwar habe sie mit gutem Erfolg an der Maßnahme teilgenommen, jedoch seit Beendigung nicht in dieser Tätigkeit gearbeitet. Sie ist daher für sie nicht mehr zumutbar. Allein ausschlaggebend sei somit die Ausbildung der Klägerin zur Stempelmontiererin. Diese Tätigkeit könne sie nicht mehr ausüben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Leipzig vom 09.12.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit/Invalidität zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Leipzig zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungsgründe des SG für zutreffend. Für die Tätigkeit als Bürofachkraft bzw. Schreibkraft sei sie laut orthopädischem Gutachten vollschichtig einsetzbar. Bis Ende Juni 2000 habe sie sich im Erziehungsurlaub befunden. Aus dem Befund des behandelnden Orthopäden ergäben sich keine Arbeitsunfähigkeiten.

Der Senat hat ergänzend einen Befundbericht der Fachärzte für Orthopädie Dr. M .../Dr. P ... vom 05.09.2000 eingeholt. Eine Änderung des gesundheitlichen Zustandes sei nicht eingetreten. Es bestehe eine Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit. Schweres Heben und Tragen sei nicht möglich. Durch den Zwergwuchs würden sich Probleme im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich jedoch als unbegründet.

Die angefochtenen Entscheidungen des SG und auch der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist weder berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI noch erwerbsunfähig gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI oder invalide im Sinne des Art. 2 § 7 Abs. 3 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG).

Hinsichtlich der Voraussetzungen zur Rentenbewilligung wegen Berufsunfähigkeit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffende und ausführliche Begründung des SG.

Vorliegend stellt sich indessen die Frage der Verweisbarkeit nicht, da die Klägerin nach den vorliegenden, insgesamt übereinstimmenden ärztlichen Gutachten die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schreibkraft/Bürohilfe weiterhin vollschichtig ausüben kann. Diese Tätigkeit hat sie nach kurzfristiger Arbeitslosigkeit ab 01.04.1992 bis Ende 1995 in der ABW Gesellschaft Leipzig ausgeübt und anschließend einen Anpassungsfortbildungslehrgang als Bürofachkraft über die Dauer eines Jahres mit Erfolg abgeschlossen. Entgegen ihrer Ansicht ist die erlernte und ausgeübte Tätigkeit einer Stempelmontiererin nicht als Hauptberuf heranzuziehen, da gesundheitliche Gründe für einen Wechsel bzw. für eine Aufgabe dieses Berufes nicht verantwortlich gemacht werden können. Insoweit verfügt sie lediglich über einen Teilberuf und wäre nach dem Mehr-Stufen-Schema des BSG auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar und damit ebenso ohne Berufsschutz. Hat sich der Versicherte von einer Beschäftigung oder Tätigkeit gelöst, ist diese nicht mehr der bisherige Beruf im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Eine Lösung liegt vor, wenn der Versicherte seiner Berufstätigkeit erkennbar nicht mehr nachgehen will und sich endgültig einer anderen Berufstätigkeit zuwendet (BSGE 46, 121). Sie tritt durch die Aufgabe einer anderen versicherungspflichtigen Beschäftigung ein. Folglich hat sie ihren qualifizierten Teilberuf als Stempelmontiererin aufgegeben. Des Weiteren ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.09.1993 - 5 RJ 70/92) beachtlich, dass sich der Versicherte nach absolvierter Umschulung auf den Umschulungsberuf verweisen lassen muss, sofern dieser unter Berücksichtigung der medizinischen Feststellungen dem gesundheitlichen Restleistungsvermögen entspricht und wenn er die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung des Berufs (noch) besitzt. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist ein Rentenanspruch nicht gegeben. Bereits die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet sowie das vom SG in Auftrag gegebene orthopädische Gutachten Dr. F ... belegen, dass die Klägerin vorrangig an orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen durch die angeborene Skelettanomalie (Klein- oder Zwergwuchs) leidet. Den Gutachten ist danach übereinstimmend zu entnehmen, dass sie in der Lage ist, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sowie im Wechsel unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen vollsichtig zu verrichten. Dies kommt insbesondere aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. F ... vom 23.09.1998 zum Ausdruck. Bei diesen Diagnosen und den weiteren sachverständigerseits getroffenen Feststellungen ist es für den Senat nachvollziehbar, wenn der Sachverständige zu der Feststellung gelangt, dass die Klägerin unter Berücksichtigung aller bestehenden Gesundheitsstörungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten und die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Schreibkraft/Bürokraft an einem adäquat ausgestalteten Arbeitsplatz verrichten kann. Keine andere Beurteilung lässt der im Berufungsverfahren eingeholte Befundbericht der Orthopäden Dr. P .../Dr. M ... zu. Demnach wurde eingeschätzt, dass die Geh- und Stehfähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist sowie schweres Heben und Tragen gemieden werden sollte. Insbesondere die von den Sachverständigen zusätzlich aufgeführten Einschränkungen in dem bei der Klägerin zumutbaren Anforderungsprofil schließen einen Einsatz im Rahmen der benannten Bürotätigkeit nicht aus. Unbeachtlich ist dabei, ob diese Tätigkeit als Umschulungsberuf zu beurteilen ist, da das Zertifikat nach erfolgreicher Anpassungsfortbildung erteilt wurde.

Die Verweisung auf eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur beruflichen Reha mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult wurde, ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stets zumutbar (KassKomm Niesel zu § 43 SGB VI Randziff. 124). Die Klägerin verfügt noch über die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieser Tätigkeit, ggf. nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten. Der seit Abschluss der Ausbildung vergangene Zeitraum ist nicht so lang, dass sich die Anforderungen im Umschulungsberuf völlig geändert haben. Darüber hinaus hat die Klägerin bereits vor Aufnahme der Qualifizierung als Schreibkraft und Bürokraft gearbeitet.

Der Arbeitsmarkt kann als verschlossen gelten, wenn der Weg zur Arbeitsstelle nicht zurückgelegt werden kann. Nach der Einschätzung der Sachverständigen ist ausreichende Wegefähigkeit bei der Klägerin gegeben. Sind Arbeitsplätze auf andere Art erreichbar, z. B. mit dem eigenen Kfz (BSG SozR Nr. 56 zu § 1246 RVO; BSG Urteil vom 28.11.1978 - 4 RJ 117/77 = DRV 1979, 223), ist der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Vorliegend verfügt die Klägerin über eine behindertengerechtes Fahrzeug und nutzt dieses auch. Erwerbsunfähigkeit ist erst dann anzunehmen, wenn der Versicherte u.a. einen Arbeitsplatz nicht innehat und auch nicht mit Hilfe eines Kraftfahrzeuges erreichen kann.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder sonstige schwerwiegende Behinderungen, welche es ihr auch bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit unmöglich machten, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, so genannte "Katalogfälle" (BSG Urteil vom 25.06.1986 SozR 2200 § 1246 RVO 137 -; Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) liegen nicht vor. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass bei einer Beschränkung auf leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegenden Sitzanteilen nach ständiger Rechtsprechung des BSG keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellt, die den Nachweis oder die Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit erforderlich machten. Die aufgeführten Einschränkungen qualitativer Art sind demnach im Begriff "leichte Arbeiten" enthalten (BSG Urteil vom 11.03.1999 - B 13 RJ 71/97 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 21). Andererseits ist mit der Benennung der Tätigkeit als Schreibkraft/Bürohilfe bzw. Bürokraft eine zumutbare Verweisung gegeben und auch so vom SG benannt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ausreichend.

Unmaßgeblich ist, dass das Arbeitsamt der Klägerin bei der derzeit angespannten Arbeitsmarktlage keine passende Erwerbstätigkeit vermitteln kann. Denn es kommt nicht darauf an, wie viele zustandsangemessene Arbeitsplätze frei oder offen sind, sondern, ob es solche Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl gibt, und das ist zu bejahen. Bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit obliegt das Arbeitsplatzrisiko der Arbeitslosenversicherung und nicht der Rentenversicherung (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2, § 44 Abs. 2 Ziff. 2 SGB VI).

Da die Klägerin nicht berufsunfähig ist, ist sie erst recht nicht erwerbsunfähig. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird nur unter den strengeren Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB VI gewährt. Die Klägerin ist trotz der unbestritten vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage, mit dem festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und hierbei mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Sie hat seit Aufnahme der Lehre von 1983 an bis April 1997 nahezu durchgehend im Erwerbsleben gestanden. Eine Änderung des gesundheitlichen Zustandes ist seit 1988 durch den Sachverständigen nicht festgestellt worden. Nicht nachvollziehbar ist insoweit der Anlass der Rentenantragstellung am 29.04.1996, da die Umschulung zur Bürofachkraft am 29.04.1996 begann.

Invalidität im Sinne von Art. 2 § 7 RÜG ist bei vollschichtigem Leistungsvermögen nicht gegeben.

Ebenso besteht beim Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI ist der ab 01.01.2001 geltende Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. S. 1827), denn die Klägerin ist nach den übereinstimmenden ärztlichen Feststellungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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