L 4 RA 83/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 RA 549/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 83/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialagerichts Chemnitz vom 16. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 01.09.1972 bis 31.01.1991, in der der Kläger im Beitrittsgebiet wegen des Bezuges einer Invalidenrente von der Entrichtung eigener Beiträge zur Sozialpflichtversicherung befreit war, als Beitragszeit.

Der im Mai ... geborene Kläger erwarb nach einer Ausbildung an der medizinischen Fachschule Leipzig, Außenstelle Hubertusburg vom 15.09.1958 bis 15.08.1959 ab 01.09.1960 die staatliche Anerkennung als Masseur und Bademeister. Zuvor hatte er vom 17.08.1959 bis 17.08.1960 an der medizinischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig ein Praktikum absolviert.

Bereits seit 01.03.1960 bezog der Kläger aufgrund seiner Erblindung eine Invalidenrente, die aber seine auf Grund der ausgeübten Tätigkeit bestehende Versicherungspflicht nicht unterbrach. Daneben bezog er bis 31.12.1991 Blindengeld nach den insoweit geltenden gesetzlichen Regelungen der früheren DDR.

Vom 06.09.1960 bis 31.12.1976 übte der Kläger zunächst beim Volksbad, später Staatsbad und Sanatorium Bad Elster eine vollschichtige Tätigkeit als Masseur aus. Aufgrund seiner in mehrjähriger Berufstätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen erhielt er ab 28.02.1976 die staatliche Anerkennung als Physiotherapeut. In diesem Beruf war er vom 01.01.1977 bis 31.12.1990 ebenfalls im Sanatorium Bad Elster weiterhin tätig. Ausweislich der Eintragungen im Sozialversicherungs-Ausweis entrichtete der Arbeitgeber aufgrund der Versicherungspflicht des Klägers ab dem Jahr 1969 bis 1978 zu den Beiträgen zur Sozialversicherung einen Beitragsanteil von 20 % und für die Zeit von 1979 bis 30.06.1990 einen solchen von 22,5 %. Nach Aufsplittung der Sozialversicherungsträger ab 01.07.1990 entrichtete der Arbeitgeber wegen der Zugehörigkeit zur bergbaulichen Versicherung einen Beitragsanteil zur Rentenversicherung von 15,1 %.

Für den Monat Januar 1991 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Ab 02.02.1991 nahm er eine selbständige Tätigkeit als Krankengymnast auf.

Die Beklagte wertete zunächst mit Bescheid vom 02.12.1991 die dem Kläger zum 31.12.1991 gewährte Invalidenrente nach § 307 a Sechstes Buch Soziagesetzbuch (SGB VI) in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) um. Wegen der selbständigen Tätigkeit des Klägers wandelte sie diese auf seinen Antrag mit Bescheid vom 24.02.1994 ab 01.01.1992 in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) um.

Am 27.04.1998 beantragte der Kläger bei der Bundesknappschaft die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Antrag wurde aufgrund des Zuständigkeitsregelung des § 126 Abs. 1 SGB VI durch die Beklagte bearbeitet und mit Bescheid vom 05.02.1999 abgelehnt, weil der Kläger weiterhin eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt.

Im Zuge dieses Rentenverfahrens klärte die Beklagte das Versicherungskonto und stellte mit Bescheid vom 11.03.1999 u.a. fest, dass die Zeiten vom 01.09.1972 bis 31.12.1990 und vom 01.01.1991 bis 31.01.1991 nicht als Beitragszeiten anerkannt werden könnten, weil nach dem seinerzeit im Beitrittsgebiet geltenden Recht wegen des Bezugs einer Rente oder Versorgung Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden habe. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, durch die Bundesknappschaft seien die nunmehr abgelehnten Zeiten als mit Pflichtbeiträgen belegte Zeiten anerkannt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.1999 zurück. Für die Zeit vom 01.09.1972 bis 31.01.1991 habe wegen des Bezugs einer Invalidenrente im Beitrittsgebiet Beitragsfreiheit zur gesetzlichen Rentenversicherung bestanden. Diese Zeiten seien nach § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI keine Beitragszeiten im Beitrittsgebiet und somit auch nicht den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichgestellt. Bis zum 31.08.1972 seien auch blinde Invalidenrentenempfänger, die als Schwerstbeschädigte ein Sonderpflegegeld erhalten hätten, in vollem Umfang beitragspflichtig gewesen, wenn das Einkommen aus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit das gesetzliche Lohndrittel überstiegen habe. Das sei ausweislich der Eintragungen im Versicherungsausweis beim Kläger der Fall gewesen, denn das gesetzliche Lohndrittel habe bis zum 30.06.1968 monatlich 115,00 Mark und ab 01.07.1968 monatlich 150,00 Mark betragen. Die Sonderregelungen für die genannten Personenkreise seien ab 01.09.1972 aufgehoben worden. Von diesem Zeitpunkt an seien auch weiterbeschäftigte oder selbständig tätige Invalidenrentenempfänger, die blind gewesen seien oder als Schwerstbeschädigte ein Sonderpflegegeld erhalten hätten, in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsfrei gewesen.

Mit der am 22.10.1999 vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage trug der Kläger vor, er sei seit 19.04.1960 blinder Invalidenrentner. Auch soweit für ihn wegen des Bezugs einer Rente Beitragsfreiheit bestanden habe, sei der Betrieb nach § 13 Abs. 3 der Sozialversicherungsverordnung (SVO) vom 17.11.1977 zur Zahlung seines Beitragsanteils verpflichtet gewesen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 16.03.2000 ab. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit vom 01.09.1972 bis 31.12.1991 als Beitragszeit nicht zu. § 248 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI bestimme ausdrücklich, dass Zeiten, in denen wegen des Bezugs einer Rente oder einer Versorgung nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden hat, keine Beitragszeiten im Beitrittsgebiet seien. Zwar hätten blinde Invalidenrentner zunächst nach § 7 Abs. 1 der 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung vom 15.03.1968 (GBl. II S. 149) der Beitragspflicht nach den Bestimmungen der Sozialversicherung unterlegen, soweit ihr Verdienst nicht um mindestens zwei Drittel gemindert gewesen sei. Diese Rechtslage sei mit der Zweiten Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung vom 10.05.1972 (GBl. II S. 306) zum 01.09.1972 geändert worden. Nach § 7 Satz 1 dieser Verordnung seien Empfänger eines Blinden- bzw. Sonderpflegegeldes, unabhängig von der Höhe des Arbeitsverdienstes, von der Zahlung des eigenen Beitragsanteils zur Sozialversicherung befreit worden. Somit habe für den Kläger ab 01.09.1972 Beitragsfreiheit bestanden. Auf eine nach § 13 Abs. 3 SVO erfolgte Beitragszahlung des Betriebes komme es bezüglich einer Berücksichtigung dieser Zeit als Beitragszeit nicht an.

Gegen das dem Kläger mit Einschreiben vom 04.04.2000 zugestellte Urteil richtet sich seine am 28.04.2000 eingelegte Berufung, mit der er sein Begehren weiter fortsetzt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.03.2000 aufzuheben, den Bescheid vom 11.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 30.09.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01.09.1972 bis 31.01.1991 als Beitragszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die dem Senat vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die statthafte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen; dem Kläger steht ein Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 01.09.1972 bis 31.01.1991 als Beitragszeit nicht zu.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 149 Abs. 5 SGB VI i. V. m. § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI. Nach § 149 Abs. 5 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits geklärten Daten durch Bescheid fest. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden. Infolge ist im Rahmen eines Vormerkungsverfahren nur zu prüfen, ob der behauptete Beitragszeit-Tatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Das Vormerkungsverfahren dient dazu, das Vorhandensein von Beitragszeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für den künftigen Leistungsfall vorab zu klären. Demnach beurteilt sich die Frage, ob der Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit vorzumerken ist, nach der im jeweils maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gültigen materiellen Rechtslage, hier also nach § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI.

Aus § 248 Abs. 3 SGB VI ergibt sich, dass dem Kläger der behauptete Anspruch nicht zusteht: Nach Satz 1 Halbsatz 1 dieser Vorschrift stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 gleich, "für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Satz 2 Nr. 2 legt fest, dass "Zeiten, in denen wegen des Bezugs einer Rente ... nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden hat", "nicht" Beitragszeiten sind.

Die Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI liegen vor: Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum im Beitrittsgebiet Bezieher einer Invalidenrente. Das Sozialgericht hat dazu mit Recht auf § 7 der Zweiten Verordnung über die Gewährung und Berechnung der Renten der Sozialversicherung vom 10.05.1972 hingewiesen. Danach waren in der ehemaligen DDR ab 01.09.1972 alle Invalidenrentner von der Beitragszahlung befreit. Mithin scheidet eine rentenrechtliche Berücksichtigung für diesen Zeitraum aus.

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es nach der ausdrücklichen Ausschlussregelung des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI nicht auf die Entrichtung des jeweiligen Beitragsanteils des Betriebes, sondern allein auf die für den Versicherten bestehende Versicherungs- oder Beitragsfreiheit und damit auf die fehlende Entrichtung von Beiträgen durch den Versicherten selbst an.

Die Ausschlussregelung des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI in der Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.7.1991 (BGBl. I. S. 1606) begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist allein Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Art. 14 Abs. 1 GG scheidet als Prüfungsmaßstab dagegen von vornherein aus, weil der Kläger nach § 7 der Zweiten Verordnung über die Gewährung und Berechnung der Renten der Sozialversicherung vom 10.05.1972 Beiträge nicht entrichtet hat. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 [88]; 88, 87 [96]; st. Rspr.).

Im vorliegenden Fall kommt als maßgebliche Vergleichsgruppe allein die Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Betracht, die bei gleicher Tätigkeit wie der Kläger aufgrund ihrer Beitragsentrichtung rentenrechtliche Anwartschaften erworben haben. Indessen folgt allein daraus keineswegs die Verfassungswidrigkeit der streitbefangenen Norm. Denn im Rahmen der bei Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG anzustellenden Vergleichsprüfung verbleibt dem Gesetzgeber ein nicht unerheblicher Gestaltungsraum. Die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen. Unter diesen Umständen ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder eine Ungleichbehandlung ansieht (vgl. BVerfGE 83, 395 [401]; BVerfGE 87, 1 [36]; st. Rspr.). Bei der Überprüfung gesetzlicher Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nur zu beurteilen, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BVerfGE 81, 108 [117 f.]; 83, 395 [401]; st. Rspr.).

Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist überdies der jeweilige Lebens- und Sachbereich zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 62, 256 [274] m.w.N.). Wegen der fortwährend schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens steht dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialrechts eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zu. Diese unterliegt nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 81, 156 [205 f.]). Es ist hiernach insbesondere nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder sachgerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerfGE 71, 255 [271] m. w. N.; 81, 156 [206]). Insbesondere haben die Gerichte sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers hinzunehmen, solange dessen Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (vgl. BVerfGE 13, 97 [107 und 110]; 14, 288 [301]).

Gemessen an dem dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstab verletzt § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten allgemeine Gleichheitssatz.

Im Unterschied zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die Rentenanwartschaften in der Sozialpflichtversicherung der früheren DDR und nunmehr in der bundesdeutschen Sozialversicherung erworben haben, hat der Kläger im streitigen Zeitraum Beiträge gegenüber der Sozialpflichtversicherung nicht entrichtet. Es kann von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI davon ausgeht, dass sich allein die Beitragsentrichtung anwartschaftserhöhend auswirkt. Anders ausgedrückt: die genannte Vorschrift wahrt das der Sozialpflichtversicherung eigene Beitragsprinzip. Der Umstand, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum Beitragszahlungen nicht erbracht hat, - und nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen des Beitrittsgebiets auch nicht erbringen konnte -, rechtfertigt aber die Ungleichbehandlung gegenüber solchen Rentenbeziehern und Anwartschaftsberechtigten, deren Ansprüche sich nach Maßgabe der von ihnen geleisteten Beiträge bestimmen.

Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung gegenüber Beziehern von Invalidenrente rügen sollte, die zwar ebenfalls keine Beiträge entrichtet hatten, aber in der früheren DDR einem Zusatzversorgungssystem angehört haben, ergibt sich daraus nichts anderes. Zwar wird nach § 259 b Abs. 1 SGB VI für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem im Sinne des AAÜG unabhängig von einer Beitragszahlung bei der Ermittlung der Entgeltpunkte der Verdienst nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zugrunde gelegt. Diese Regelung hat ihre Ursache in dem für die Zusatz- und Sonderversorgungen bestehenden grundlegenden Unterschied zur vom Versicherungsprinzip geprägten Sozialversicherung, die dem vom Beitragsprinzip geprägten bundesdeutschen Rentenrecht anzugleichen waren (vgl. BT-Drucks 12/826 S. 18). § 259 b SGB VI ist jedoch auf alle Zusatz- und Sonderversorgten der früheren DDR anzuwenden, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe Beitragszahlung erfolgt waren. Insoweit ist eine Unterscheidung zwischen blinden und nicht blinden Zusatzversorgten nicht ersichtlich. Zwar besteht zwischen blinden Zusatzversorgten und den übrigen blinden im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig Beschäftigten eine Ungleichbehandlung. Diese Ungleichbehandlung findet aber in den gänzlich unterschiedlichen renten- und beitragsrechtlichen Regelungen der früheren DDR ihre rechtfertigende Grundlage. Ein Verfassungsverstoß ist darin nicht zu erkennen.

Im Übrigen liegt eine Ungleichbehandlung nicht vor. Das Sozialgericht weist mit Recht darauf hin, dass in der früheren DDR ab 01.09.1972 alle Invalidenrentner nach § 7 der Zweiten Verordnung über die Gewährung und Berechnung der Renten der Sozialversicherung vom 10.05.1972 von der Beitragszahlung befreit gewesen sind.

Der Gesetzgeber des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ist daher von Verfassungs wegen nicht gehindert, die Begründung von Rentenanwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung der DDR an der Beitragsentrichtung auszurichten und danach bei denjenigen im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten von einer Anerkennung als Beitragszeit abzusehen, in denen Beitragsfreiheit bestanden hat. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, solche Zeiten als Beitragszeiten anzuerkennen, ist von Verfassungs wegen im Ganzen nicht zu ersehen. Dies berührt vielmehr allein den dem Gesetzgeber zugewiesenen Gestaltungsraum, der der richterlichen Kontrolle entzogen ist. Es ist allein Sache des Gesetzgebers, zu prüfen, ob, auf welchem Weg und in welchem Maß er dem vom Kläger repräsentierten Personenkreis einen "Ausgleich" dafür schaffen will, dass dieser in der früheren DDR ab 01.09.1972 keinen Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung habe entrichten können. Eine Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeit als Beitragszeit ist jedenfalls mit § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ausdrücklich ausgeschlossen.

Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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