L 4 RA 8/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 RA 17/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 8/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Berücksichtigung von Überverdiensten bei der Berechnung der Höhe ihrer Altersrente.

Die am ... geborene Klägerin absolvierte von 1953 bis 1956 eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Vom 1.7.1968 bis 31.8.1999 war sie im Maschinen- und Metallbaubetrieb ihres Ehemannes beschäftigt, zuletzt als Buchhalterin. Im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung wurde ihre Tätigkeit ab 1968 als die einer mithelfenden Ehefrau bezeichnet. Vom 1.8.1984 bis 30.6.1990 hatte sie Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der ehemaligen DDR entrichtet auf der Grundlage eines monatlichen Arbeitseinkommens von höchstens 1.200,00 M monatlich. Die am 25.2.1962 geborene gemeinsame Tochter C ... hatte die Klägerin bis zu deren vollendetem 10. Lebensjahr erzogen.

Auf ihren Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für Frauen mit Bescheid vom 7.7.1999 ab dem 1.9.1999 in Höhe von 1.208,56 DM.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein am 22.7.1999. In Anlage 2 des Bescheides seien Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 1984 nicht berücksichtigt. Zudem habe die Beklagte anstelle der Schwangerschaft für das im Februar 1962 geborene Kind eine Krankheitszeit gespeichert. Ferner sei die Klägerin als mitarbeitende Ehegattin im Betrieb ihres Ehemannes tätig gewesen. Für den Zeitraum vom 1.1.1985 bis zum 30.11.1989 müsse die Beklagte Überverdienste gemäß § 256a III SGB VI ermitteln und anerkennen, da sie - die Klägerin - nur höchstens 1.200 M an Beiträgen zur FZR habe zahlen dürfen. Die Klägerin überreichte der Beklagten eine Bescheinigung des Finanzamtes C ... vom 11.12.1997 über die erwirtschafteten Gewinne aus dem Handwerksbetrieb ihres Ehemannes von 1965 bis Februar 1990. Aufgrund der ehelichen Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der ehemaligen DDR habe ihr die Hälfte des Gewinns zugestanden.

Die Beklagte berücksichtigte im Rentenbescheid vom 20.10.1999 entsprechend dem Begehren der Klägerin die geltend gemachten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und der Schwangerschaft. Überverdienste erkannte sie jedoch nicht an, nachdem das Finanzamt C ... am 22.9.1999 erläutert hatte, dass die bescheinigten Gewinne aus dem Handwerksbetrieb nicht unter den Ehegatten aufgeteilt worden waren.

Dementsprechend wies sie den Widerspruch der Klägerin insoweit als unbegründet zurück mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.1999. Überentgelte nach § 256a III SGB VI könnten nur berücksichtigt werden, wenn der Versicherte einkommensbezogene Beiträge zur Sozialpflichtversicherung zu zahlen gehabt habe und die Zahlung von Beiträgen bis zur Höchstgrenze der Beitragspflicht für die Sozialpflichtversicherung und ab 1.3.1971 auch zur FZR nachgewiesen sei. Der Nachweis der tatsächlichen Einkünfte, die dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig gewesen seien, aber wegen Überschreitung der Höchstgrenze der Beitragspflicht für die Sozialpflichtversicherung bzw. die FZR nicht in den Sozialversicherungsausweis eingetragen worden seien, könne bei Ehegatten von Selbständigen regelmäßig nur durch eine Bescheinigung des Finanzamtes über den dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Gewinn bzw. die dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Einkünfte oder durch Steuerunterlagen geführt werden, aus denen für mitarbeitende Ehegatten der auf sie entfallende Anteil am Gewinn oder den steuerpflichtigen Einkünften eindeutig ersichtlich sei. Dies sei bei der Klägerin aber nicht der Fall.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit der am 10.1.2000 erhobenen Klage. Die Steuer- und FZR-Gesetzgebung der ehemaligen DDR habe dazu geführt, dass eine monatliche Gehaltszahlung von mehr als 1.200,00 M an mitarbeitende Ehegatten wirtschaftlich unsinnig gewesen sei, obwohl diese Ehegatten den Gewinn des Unternehmens maßgeblich miterwirtschaftet hätten. Die Beklagte dürfe daher die Anerkennung von Überverdiensten nicht von einer Gewinnaufteilung abhängig machen, zumal eine solche vor dem Hintergrund des Güterstandes der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach § 14 des Familiengesetzbuches (FGB) der ehemaligen DDR unüblich gewesen sei. Denn aufgrund des § 14 FGB sei von einem jeweils hälftigen Gewinnanteil beider Ehegatten auszugehen. Dieser sei als versicherungspflichtiges Entgelt anzusehen, so dass nach Abzug der SV- und FZR-pflichtigen Entgelte ein Überverdienst verbleibe.

Das Sozialgericht Chemnitz (SG) wies die Klage ab mit Urteil vom 28.11.2000. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung von Überverdiensten für die Zeit vom 1.1.1985 bis 30.11.1989. Nach § 256a III SGB VI zählten zum Verdienst auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 1.7.1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten. Für den streitgegenständlichen Zeitraum sei es der Klägerin nicht möglich gewesen, ihren Verdienst oberhalb von 1.200,00 M monatlich in der FZR zu versichern. Dies folge aus § 11 I Nr. 1 der 1. VO über die FZR vom 17.11.1977 (GBl. I, 395). Erst ab dem 1.12.1989 sei es der Klägerin möglich gewesen, ihren Verdienst oberhalb von 1.200,00 M monatlich in der FZR zu versichern aufgrund der 4. VO über die FZR vom 8.6.1989 (GBl. I, 232). Die Klägerin habe jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum keinen monatlichen Verdienst von mehr als 1.200,00 M erzielt. Mangels rechtlicher Grundlage dürfe der von ihrem Ehemann erwirtschaftete Gewinn nicht als Überverdienst der Klägerin anerkannt werden. Entgegen ihrer Ansicht sei nach § 13 FGB gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten erst aus den aus Arbeitseinkünften erworbenen Sachen und Vermögensrechten und an den aus Arbeitseinkünften gebildeten Ersparnissen entstanden. Der Betriebsgewinn eines Handwerkers gehöre nicht zum ehelichen Vermögen, sondern sei Arbeitseinkünften gleichzustellen. Zudem hätten die Klägerin und ihr Ehemann keinen Antrag auf Gewinnteilung beim Finanzamt gestellt, obwohl dies nach Ansicht des SG ebenso vorstellbar gewesen wäre wie die Möglichkeit, der Klägerin ein über 1.200,00 M monatlich hinausgehendes Arbeitsentgelt zu zahlen.

Gegen das ihr am 3.1.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt am 15.1.2001. Sie meint, da Ehepaare auch zu DDR-Zeiten gemeinsam steuerlich veranlagt worden seien, stehe ihr die Hälfte der steuerpflichtigen Einkünfte als anrechnungsfähiges Überentgelt zu. Eine Gewinnaufteilung sei regelmäßig nicht vorgenommen worden aufgrund des Güterstandes der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft. Die Anerkennung von Überentgelten dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, dass der auf den mithelfenden Ehegatten bezogene Gewinnanteil eindeutig aus Steuerunterlagen ersichtlich sei. Ansonsten werde die Absicht des Bundesgesetzgebers unterlaufen, durch § 256a SGB VI all jene besser zu stellen, die von den Vergünstigungen der 3. VO über die weitere Verbesserung der FZR und der Leistungen der Sozialversicherung bei Arbeitsunfähigkeit vom 29.7.1976 ausgeschlossen gewesen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28.11.2000 sowie die Bescheide vom 7.7.1999 und 20.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Überverdienste der Klägerin bei der Berechnung der Rentenhöhe zu berücksichtigen für die Zeit vom 1.1.1985 bis 30.11.1989.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Entscheidungen nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung von Überentgelten für die Zeit vom 1.1.1985 bis 30.11.1989 bei der Berechnung der Höhe ihrer Altersrente.

Nach § 256a I 1 SGB VI werden für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8.5.1945 Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Als Verdienst zählen der Arbeitsverdienst und die Einkünfte, für die Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur FZR oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 1.1.1992 oder danach bis zum 31.3.1999 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 279b) gezahlt worden sind, § 256a II 1 SGB VI.

Als Verdienst zählen auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 1.7.1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbener Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten, § 256a III 1 SGB VI. Für Versicherte, die berechtigt waren, der FZR beizutreten, gilt dies für Beträge oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen zur FZR nur, wenn die zulässigen Höchstbeträge zur FZR gezahlt worden sind, § 256a III 2 SGB VI.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass Inhaber von Handwerksbetrieben und ihre mithelfenden Ehegatten aufgrund des § 11 I der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung - FZR-VO - vom 17.11.1977 (GBl. I, 395) lediglich Arbeitseinkünfte bis zu 1.200,00 M monatlich versichern konnten. Erst vom 1.12.1989 war es nach § 1 der 4. FZR-VO vom 8.6.1989 (GBl. I, 232) möglich, ein darüber hinausgehendes Einkommen zu versichern.

Ausweislich ihres eigenen Vortrags hat die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ein Arbeitseinkommen von höchstens 1.200,00 M monatlich erzielt und dementsprechend Beiträge zur Sozialversicherung und zur FZR abgeführt. Damit hat sie jedoch keinen Überverdienst im Sinne des § 256a III 1 SGB VI erzielt. Dies war nur der Fall bei Einkünften über das monatlich höchstens versicherbare Einkommen in der FZR hinaus. An dieser Bewertung ändert auch der Vortrag der Klägerin nichts, sie habe nur wegen der erwähnten Beitragsbemessungsgrenze in der FZR kein höheres Arbeitseinkommen erhalten.

Dem SG ist auch in seiner Ansicht zu folgen, wonach die Gewinne aus dem Handwerksbetrieb des Ehemannes der Klägerin nicht anteilig zu ihren Gunsten als Überverdienste anerkannt werden können. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten während des streitgegenständlichen Zeitraums im gesetzlichen Güterstand des § 13 des Familiengesetzbuches der DDR vom 20.12.1965 (GBl. I, 1) gelebt. Nach § 13 I 1 FGB gehörten die von einem oder beiden Ehegatten während der Ehe durch Arbeit oder aus Arbeitseinkünften erworbenen Sachen, Vermögensrechte und Ersparnisse beiden Ehegatten gemeinsam. Zum gemeinschaftlichen Vermögen zählten entgegen der Auffassung des SG danach die Arbeitseinkünfte der Ehegatten als das unmittelbare Ergebnis ihrer Arbeit (Wassermann, Die güterrechtlichen Beziehungen von Übersiedlern aus der DDR, in: Schwab (Hrsg.), Familienrecht und deutsche Einigung, 1991, S. 76, 81; FGB-Kommentar, Autorenkollektiv, hrsg. vom Ministerium der Justiz, 5. Aufl. 1982, § 13 Anm. 1.2.3; Grandke/Gysi/Orth/Rieger, NJ 1977, 583, 585; Grandke, Familienrecht, 1972, S. 183; Rechtslexikon, hrsg. vom Staatsverlag der DDR, 1988, Stichwort: Eigentum der Ehegatten). Darunter fielen auch die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder die für den Bedarf der Familie entnommenen Beträge aus dem Betrieb eines Handwerkers, Unternehmers oder sonst selbständig Tätigen (Wassermann, a.a.O., FGB-Kommentar, a.a.O., § 13 Anm. 1.2.1).

In diesem Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin Alleineigentümer des Handwerksbetriebes gewesen ist. Das FGB kannte trotz des Grundsatzes gemeinschaftlichen Eigentums auch die Begründung bzw. Aufrechterhaltung von Alleineigentum durch einen Ehegatten, nämlich dann, wenn er Sachen oder Vermögensrechte vor der Eheschließung erworben oder ihm solche während der Ehe als Geschenk oder Auszeichnung zugewendet oder durch Erbschaft zugefallen waren, § 13 II 1 FGB. Auch Gegenstände des persönlichen Bedarfs und die zur Berufsausübung genutzten Sachen standen im Alleineigentum eines Ehegatten, vorausgesetzt, ihr Wert war gemessen am gemeinschaftlichen Einkommen und Vermögen nicht unverhältnismäßig groß, § 13 II 2 FGB. Darüber hinaus konnten die Ehegatten von den Regelungen des § 13 FGB abweichende Vereinbarungen treffen, § 14 I 1 FGB. Solche Vereinbarungen sollten zwar schriftlich getroffen werden (§ 14 II 1 FGB), konnten jedoch auch stillschweigend erfolgen (Wassermann, a.a.O., S. 82).

Da der Handwerksbetrieb allein dem Ehemann der Klägerin gehörte, hatte ausschließlich er - abweichend von dem Grundsatz des gemeinschaftlichen Eigentumserwerbs nach § 13 I 1 FGB - Anspruch aus dem daraus erzielten Gewinn. Diese Eigentumslage blieb auch im streitgegenständlichen Zeitraum unverändert bestehen. Eine Gewinnaufteilung zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann erfolgte ausweislich der Bescheinigungen des Finanzamtes C ... nicht. Damit ist für die Rentenberechnung allein das versicherte Arbeitseinkommen der Klägerin von höchstens 1.200,00 M monatlich maßgeblich. Überverdienste hat sie somit nicht erzielt.

Der Hinweis der Klägerin auf die gemeinsame steuerliche Veranlagung mit ihrem Ehemann geht fehl. Eine solche Veranlagung besagt entgegen ihrem Vortrag in der Berufung nichts darüber, welchem der Ehegatten die der Erhebung der Steuer zugrundegelegten Einkünfte zugestanden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 I SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 II SGG).
Rechtskraft
Aus
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