Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 691/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 238/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die am ... geborene Klägerin erlernte nach Abschluss der achten Klasse in der Zeit von September 1964 bis Juli 1967 den Beruf einer Wirtschaftpflegerin, war anschließend bis August 1969 als Büfetteuse, bis Dezember 1990 als Verkäuferin und von September 1992 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 16. September 1997 als Reinigungskraft tätig. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos und bezieht Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld.
Den am 25. März 1998 gestellten Rentenantrag begründete sie mit einem Diabetes und Skelettveränderungen seit September 1997.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor:
- der Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. V ... vom 03. November 1997, - der Bericht der F ...-Klinik Band Sch ... vom 17. Februar 1998 über eine stationäre Rehabilitation vom 16. Januar bis zum 06. Februar 1998, aus welcher die Klägerin zunächst arbeitsunfähig als Reinigungskraft zur Anpassung der Blutzuckerkontrollen und Insulingaben mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten entlassen wurde, - das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 23. März 1998 sowie - das Gutachten des Dr. S ... - Sozialmedizinischer Dienst - vom 15. Juni 1998, in welchem ein zweistündiges bis unter halbschichtiges Leistungsvermögen als Reinigungskraft und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten, im Wechsel der Körperhaltungen, ohne Überkopfarbeiten attestiert wurde.
Mit Bescheid vom 03. Juli 1998 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Den am 21. Juli 1998 eingegangenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 04. November 1998 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nur noch zweistündig bis unter halbschichtig in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Reinigungskraft, welcher der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen sei, tätig sein. Sie könne jedoch ganztägig leichte Arbeiten mit wechselnder Arbeitshaltung und ohne Überkopfarbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.
In der am 17. November 1998 erhobene Klage begehrte die Klägerin eine umfassende Begutachtung und wies darauf hin, ihre behandelnden Ärzte befürworteten eine Rente. Das Sozialgericht Leipzig hat Befundberichte der Dr. V ... vom 19. März 1999, der Fachärztin für Chirurgie Dr. W ... vom 16. März 1999, der Fachärztin für Orthopädie Dr. S ... vom 16. Mai 1999 sowie das Gutachten des Arbeitsamtes Oschatz vom 15. März 1999 - Leistungsvermögen von vier Stunden täglich wegen vordergründiger Wirbelsäulen-, Schulter- und Kniegelenkserkrankung - eingeholt. Des Weiteren hat es Dipl.-Med. Sch ... mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Dieser erhob, nach ambulanter Untersuchung am 25. Februar 2000, in seinem Gutachten vom 11. März 2000 folgende Feststellungen/Diagnosen:
- Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im rechten Schultergelenk bei degenerativen Veränderungen,
- allgemeine Mindermobilität bei hochgradiger Adipositas und insulinpflichtigem Diabetes mellitus,
- rezidivierendes Cervical- und Cervico-brachial-Syndrom bei hypermobiler Halswirbelsäule und beginnenden Abnutzungen,
- rezidivierendes, chronifiziertes lumbales Pseudoradikulärsyndrom mit temporären, sensiblen Störungen im linken Bein,
- beginnende Abnutzungserscheinungen in den Kniegelenken.
Bei der letzten Untersuchung im Rentenverfahren seien noch nicht erwähnt eine Bewegungseinschränkung und subjektiv fortbestehende Kraftminderung im rechten Schultergelenk mit Auswirkung auf den rechten Arm bei beginnenden degenerativen Veränderungen sowie eine beginnende Abnutzung in den Kniegelenken mit Schmerzhaftigkeit besonders bei und nach Belastungen, wie Treppensteigen. Weiterhin seien hinzugekommen temporäre Schmerzen in den Füßen bei von der Klägerin angegebenen früheren Umknicken mit den Sprunggelenken. Arbeiten als Reinigungskraft seien nicht möglich, da die Klägerin die dort geforderten Leistungen in Bezug auf Beweglichkeit und Schnelligkeit sowie gelegentliches Tragen von Lasten nicht mehr bewältigen könne. Als Arbeiterin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin leichte Arbeiten, im Wechsel von 60 Prozent Sitzen, 40 Prozent Stehen und Gehen, im Freien und in geschlossenen Räumen, vollschichtig verrichten. Hierbei müssten Verrichtungen wie z.B. Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Hocken und Knien, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit starker Beanspruchung der rechten oberen Extremität vermieden werden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitstätte bestünden nicht. Das Leistungsbild bestehe seit September 1997.
Mit Urteil vom 12. Juli 2000 hat das Sozialgericht Leipzig die Klage abgewiesen. Ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft hat es die Klägerin in die Gruppe der ungelernten Arbeiter eingeordnet, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten festgestellt und sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen.
Die Klägerin macht mit der am 14. September 2000 bei dem Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung geltend, durch die orthopädisch bedingten und sich aus dem insulinpflichtigen Diabetes, der Neuropathie, der Retinopathie und der chronischen Bronchitis ergebenden Funktionseinschränkungen liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, so dass ihr der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Im Falle einer Über- bzw. Unterzuckerung bei Anstrengung sei es notwendig, dass sie sich ausruhe und sofort etwas esse, wofür ein Zeitraum von 20 bis 30 Minuten benötigt werde. Eine internistische Begutachtung sei erforderlich.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
ein internistisches Gutachten einzuholen sowie das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Juli 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 1998 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Bei dem gut geführten Diabetes mellitus könne den erforderlichen Pausen im Rahmen der Arbeitszeitverordnung Rechnung getragen werden.
Der Senat hat Befundberichte der Augenärztin Dr. R ... vom 02. Januar 2001 und vom 22. Oktober 2001, der Fachärztin für Innere Medizin Dr. V ... vom 10. Januar 2001 und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M ... vom 26. Januar 2001 eingeholt.
Zur Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle hat der Senat das berufskundliche Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S ... H ... vom 13. April 2000, in der Ergänzung vom 16. Juni 2000, erstellt für das Sächsische Landessozialgericht in einem anderen Verfahren, beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnisnahme übersandt.
Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Leipzig (SG) die Klage abgewiesen, weil der Klägerin ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.
Die Klägerin ist nicht berufsunfähig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [a.F.]).
Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.
Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst Gesundheitszustand und nach ihrem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).
Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als Reinigungskraft. Diese hat die Klägerin vollwertig, bewusst und gewollt von September 1992 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 16. September 1997 zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.
Den Beruf als Reinigungskraft kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen mittelschweren und schweren körperlichen Arbeiten sind mit ihren orthopädischen und internistischen Erkrankungen nicht mehr vereinbar. Hiervon geht auch die Beklagte aus.
Dennoch liegt Berufsunfähigkeit bei der Klägerin nicht vor. Sie ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen sie mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.
Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten eine leistungsgeminderte Versicherte zumutbar verwiesen werden kann, hat das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat es noch eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter gliedert sich in einen oberen und in einen unteren Bereich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109, 132, 143). Dem unteren Bereich unterfallen alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf Monaten bis zu vierundzwanzig Monaten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45). Jeder Versicherte kann auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter im oberen Bereich auf angelernte und ein solcher im unteren Bereich auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 m.w.N.).
In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist die Klägerin als Reinigungskraft der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Dies ergibt sich aus ihrer eigenen Darstellung im Verwaltungsverfahren, wonach sie für diese Tätigkeit weder ausgebildet worden ist, noch eine betriebliche Einarbeitung von mehr als drei Monaten benötigt hat. Auf die bis Dezember 1990 verrichtete Tätigkeit als Verkäuferin kann nicht abgestellt werden. Denn eine rentenrelevante, gesundheitsbedingte Lösung hat die Klägerin nicht behauptet. Insofern ist sie sozial zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass diese konkret benannt werden müssten.
Für körperlich leichte Tätigkeiten, beispielsweise als Mitarbeiterin in einer Poststelle, besteht seit der Rentenantragstellung ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen im rechten Schultergelenk eine Bewegungseinschränkung und Kraftminderung bei degenerativen Veränderungen, ein rezidivierendes Cervical- und Cervico-brachial-Syndrom bei hypermobiler Halswirbelsäule und beginnenden Abnutzungen, ein rezidivierendes, chronifiziertes lumbales Pseudoradikulärsyndrom mit temporären, sensiblen Störungen im linken Bein sowie beginnende Abnutzungserscheinungen in den Kniegelenken. Diese von Dipl.-Med. Sch ... erhobenen Befunde, welche im Wesentlichen denen im Gutachten des Dr. S ... entsprechen, schränken die Erwerbsfähigkeit der Klägerin insoweit ein, als Verrichtungen wie z.B. Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Hocken und Knien, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit starker Beanspruchung der rechten oberen Extremität vermieden werden müssen und nur noch leichte körperliche Arbeiten möglich sind. Wegen der Abnutzungen in den Kniegelenken ist ein Wechsel der Körperhaltung erforderlich, wobei eine solche zu 60 Prozent im Sitzen und zu 40 Prozent im Gehen und Stehen ausgeübt werden sollte. Eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung der Wegefähigkeit besteht nach den orthopädischen Befunden nicht. Auf internistischem Gebiet leidet die Klägerin an einer Adipositas, einer chronischen Bronchitis sowie an einem insulinpflichtigen Diabetes mit den beginnenden Folgeerkrankungen Retinopathie und Polyneuropathie. Die Retinopathie hat nach Angabe der Dr. R ... seit 1994 nur gering zugenommen; es treten einzelne, diabetische Blutungen in beiden Augen auf; mit Brille besteht ein guter Visus R/L von 1,0. Die Adipositas bedingt nach den Befundberichten der Dres. V ... und M ... keine weitergehenden Einschränkungen. Dr. V ... hat in ihrem Bericht vom 10. Januar 2001, welcher dem Bevollmächtigten der Klägerin zusammen mit dem Bericht der Dr. R ... vom 02. Januar 2001 übersandt worden ist, seit 1978 eine wesentliche Befundänderung nicht bekundet. Die chronische Bronchitis wird ärztlich nicht als leistungsmindernd beschrieben und am 21. Juli 2000 wurde ein produktiver Husten medikamentös behandelt. Zwar muss sich die Klägerin seit 1998 jeweils vor den Mahlzeiten dreimal rasch wirkendes Normalinsulin und zur Nacht Langzeitinsulin verabreichen. Bei dieser Einstellung werden von Dr. V ... und seit April 2000 von Dr. M ...keine Über- bzw. Unterzuckerungszustände mitgeteilt, so dass der Diabetes gut eingestellt und beherrschbar ist. Zusätzlich sind zwei Zwischenmahlzeiten - zwischen 09.00 bis 10.00 und ca. gegen 16.00 Uhr - erforderlich. Diese, als auch die Zeiten der Blutzuckerbestimmungen und der Insulininjektion bedingen jedoch keine betriebsunüblichen Pausen mit der Folge, dass der Klägerin der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen ist. Die von Dr. M ... angegebene Zeit für eine Blutzuckerbestimmung mit Insulininjektion von ca. zehn Minuten wird relativiert durch die sozialmedizinische Literatur (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Aufl., Seite 263), wonach ein Zeitraum von fünf bis sieben Minuten ausreichend ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer orthopädischen Erkrankungen nicht in der Lage sein sollte, eine Blutzuckerbestimmung mit Insulininjektion binnen maximal sieben Minuten durchzuführen, bestehen nicht. Der zeitliche Aufwand zur Einnahme einer Zwischenmahlzeit vermag nur geschätzt zu werden (§ 202 Sozialgerichtsgesetz, § 287 Zivilprozessordnung). Für Diabetiker geeignet sind insbesondere Milchgetränke und Fruchtsäfte (vgl. Petrides, Der Diabetiker im Erwerbsleben in Konietzko/Duupis, "Handbuch der Arbeitsmedizin", IV 10.7.1), welche - im Regelfall - auch ohne Verlassen des Arbeitsplatzes binnen drei bis fünf Minuten eingenommen werden können. Bezogen auf einen achtstündigen Arbeitstag in Normalschicht sind - die Gabe des Langzeitinsulins zur Nacht sowie die jeweiligen Kurzzeitinsulingaben nach dem Frühstück und dem Abendessen liegen außerhalb einer Arbeitstätigkeit - eine Blutzuckerbstimmung mit Insulingabe - sieben Minuten - sowie zwei Zwischenmahlzeiten - jeweils maximal fünf Minuten - insgesamt also siebzehn Minuten erforderlich. Nach § 4 des Arbeitszeitgesetzes vom 06. Juni 1994 (BGBl. I, 1994, Seite 1170) ist die Arbeit bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis zu neun Stunden durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zu unterbrechen, wobei die Ruhepausen in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden können. Im Bürobereich werden etwa sieben Minuten je Arbeitsstunde an persönlicher Verteilzeit kalkuliert (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Auflg., Seite 75), so dass die Klägerin in diesem Berufsbereich sowohl nach der Arbeitszeitverordnung als auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verteilzeit während eines achtstündigen Insulingabe vornehmen sowie zwei Zwischenmahlzeiten in Form von Milchgetränken, Fruchtsäften o.ä. einnehmen kann. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 05. Oktober 2001 geschilderte feinmotorische Störung in den Händen infolge der Neuropathie findet in dem Befundbericht der Dr. M ... vom 26. Januar 2001 keine Stütze. Dass diese, als auch die gleichfalls von der Klägerin bekundete Störung der Konzentrationsfähigkeit zwischenzeitlich ärztlich objektiviert worden ist, ist nicht vorgetragen worden. Insoweit haben keine Anhaltspunkte vorgelegen, von Amts wegen ein internistisches Gutachten einzuholen. Einen Antrag gemäß § 109 Abs. 1 SGG einen bestimmten Arzt gutachterlich zu hören, hat die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.
Nach dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Diplom- Verwaltungswirtin S ... H ... vom 13. April 2000, in der Ergänzung vom 16. Juni 2000, handelt es sich bei der Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle generell um eine körperlich leichte, geistig einfache und routinemäßige Bürohilfsarbeit, welche im Wechsel der Körperhaltungen zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt wird, so dass Zwangshaltungen vermieden werden können. Diese Arbeit bedingt kein schweres Heben oder Tragen von Lasten, denn die zu transportierenden Schriftstücke können mittels Wagen befördert werden. Wie bereits vorstehend ausgeführt, verfügt die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten. Dieses Leistungsvermögen entspricht den Anforderungen, welche an die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle gestellt werden. Der Wechsel der Körperhaltungen zwischen Sitzen, Stehen und Gehen von jeweils ca. einem Drittel steht den Feststellungen des Dipl.-Med. Sch ..., wonach ein Wechsel von 60 Prozent Sitzen und 40 Prozent Gehen und Stehen anzustreben wäre, nicht entgegen. Denn die von ihm festgestellte Streckung/Beugung der Kniegelenke beiderseits von 0/0/135 und der beiderseitigen Streckung/Beugung der Sprunggelenke von 35/0/30, bei 100-prozentiger Pro-/Supination, bedingen keine wesentlichen Funktionseinschränkungen. Insbesondere ist die auf Grund des Diabetes erforderliche Blutzuckerbestimmung mit Insulingabe sowie die Einnahme von zwei Zwischenmahlzeiten im täglichen Ablauf dieser Bürotätigkeit integrierbar. Eine verminderte Konzentrationsfähigkeit, eine eingeschränkte Reaktions- und Übersichtsfähigkeit oder eine reduzierte Anpassungsfähigkeit oder geistige Beweglichkeit wurde ärztlich nicht festgestellt. Für die vorbenannte Tätigkeit wird grundsätzlich kein anerkannter Ausbildungsabschluss oder eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt. Eine Anlernung/Einarbeitungszeit ist üblich. Tätigkeiten dieser Art können auch von Berufsfremden innerhalb einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeführt werden. Arbeitsplätze dieser Art stehen trotz rückläufiger Tendenzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in genügender Anzahl zur Verfügung. Es handelt sich hierbei nicht ausschließlich um Schonarbeitsplätze.
Mit dem vollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Klägerin nicht berufsunfähig. Bei einer auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbaren Versicherten bedarf es nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 01. März 1984 (4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 117) nur dann der konkreten Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn die Klägerin selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ausführen kann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine sonstige schwerwiegende Behinderung, die es der Klägerin auch bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit unmöglich macht eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sogenannte "Katalogfälle" (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 - 4 a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 137), liegen nicht vor. Insbesondere ist die Klägerin nicht am Zurücklegen des Arbeitsweges, also des Weges von ihrer Wohnung bis zu einer etwaigen Arbeitsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 43/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10), gehindert. Betriebsunübliche Pausen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 5a RKn 18/83-SozR 2200 § 1247 RVO Nr. 43) muss sie während der Arbeitszeit, wie vorstehend ausgeführt, nicht einhalten.
Der Umstand, dass es in einer Zeit angespannter Arbeitsmarktlage schwierig ist, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, und die Bundesanstalt für Arbeit zu einer derartigen Vermittlung nicht in der Lage ist, ist kein Grund zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Denn bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ist der Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, und es kommt auf die Zahl der vorhandenen, nicht auf die Zahl der gerade freien Arbeitsplätze an (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80,24).
Bei einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind auch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2001 - BGBl. 2000, Teil I, Seite 1827) nicht erfüllt.
Die Anwendung des § 43 SGB VI a.F. resultiert aus der Rentenantragstellung im März 1998 (§ 300 Abs. 2 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die am ... geborene Klägerin erlernte nach Abschluss der achten Klasse in der Zeit von September 1964 bis Juli 1967 den Beruf einer Wirtschaftpflegerin, war anschließend bis August 1969 als Büfetteuse, bis Dezember 1990 als Verkäuferin und von September 1992 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 16. September 1997 als Reinigungskraft tätig. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos und bezieht Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld.
Den am 25. März 1998 gestellten Rentenantrag begründete sie mit einem Diabetes und Skelettveränderungen seit September 1997.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor:
- der Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. V ... vom 03. November 1997, - der Bericht der F ...-Klinik Band Sch ... vom 17. Februar 1998 über eine stationäre Rehabilitation vom 16. Januar bis zum 06. Februar 1998, aus welcher die Klägerin zunächst arbeitsunfähig als Reinigungskraft zur Anpassung der Blutzuckerkontrollen und Insulingaben mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten entlassen wurde, - das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 23. März 1998 sowie - das Gutachten des Dr. S ... - Sozialmedizinischer Dienst - vom 15. Juni 1998, in welchem ein zweistündiges bis unter halbschichtiges Leistungsvermögen als Reinigungskraft und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten, im Wechsel der Körperhaltungen, ohne Überkopfarbeiten attestiert wurde.
Mit Bescheid vom 03. Juli 1998 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Den am 21. Juli 1998 eingegangenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 04. November 1998 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nur noch zweistündig bis unter halbschichtig in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Reinigungskraft, welcher der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen sei, tätig sein. Sie könne jedoch ganztägig leichte Arbeiten mit wechselnder Arbeitshaltung und ohne Überkopfarbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.
In der am 17. November 1998 erhobene Klage begehrte die Klägerin eine umfassende Begutachtung und wies darauf hin, ihre behandelnden Ärzte befürworteten eine Rente. Das Sozialgericht Leipzig hat Befundberichte der Dr. V ... vom 19. März 1999, der Fachärztin für Chirurgie Dr. W ... vom 16. März 1999, der Fachärztin für Orthopädie Dr. S ... vom 16. Mai 1999 sowie das Gutachten des Arbeitsamtes Oschatz vom 15. März 1999 - Leistungsvermögen von vier Stunden täglich wegen vordergründiger Wirbelsäulen-, Schulter- und Kniegelenkserkrankung - eingeholt. Des Weiteren hat es Dipl.-Med. Sch ... mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Dieser erhob, nach ambulanter Untersuchung am 25. Februar 2000, in seinem Gutachten vom 11. März 2000 folgende Feststellungen/Diagnosen:
- Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im rechten Schultergelenk bei degenerativen Veränderungen,
- allgemeine Mindermobilität bei hochgradiger Adipositas und insulinpflichtigem Diabetes mellitus,
- rezidivierendes Cervical- und Cervico-brachial-Syndrom bei hypermobiler Halswirbelsäule und beginnenden Abnutzungen,
- rezidivierendes, chronifiziertes lumbales Pseudoradikulärsyndrom mit temporären, sensiblen Störungen im linken Bein,
- beginnende Abnutzungserscheinungen in den Kniegelenken.
Bei der letzten Untersuchung im Rentenverfahren seien noch nicht erwähnt eine Bewegungseinschränkung und subjektiv fortbestehende Kraftminderung im rechten Schultergelenk mit Auswirkung auf den rechten Arm bei beginnenden degenerativen Veränderungen sowie eine beginnende Abnutzung in den Kniegelenken mit Schmerzhaftigkeit besonders bei und nach Belastungen, wie Treppensteigen. Weiterhin seien hinzugekommen temporäre Schmerzen in den Füßen bei von der Klägerin angegebenen früheren Umknicken mit den Sprunggelenken. Arbeiten als Reinigungskraft seien nicht möglich, da die Klägerin die dort geforderten Leistungen in Bezug auf Beweglichkeit und Schnelligkeit sowie gelegentliches Tragen von Lasten nicht mehr bewältigen könne. Als Arbeiterin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin leichte Arbeiten, im Wechsel von 60 Prozent Sitzen, 40 Prozent Stehen und Gehen, im Freien und in geschlossenen Räumen, vollschichtig verrichten. Hierbei müssten Verrichtungen wie z.B. Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Hocken und Knien, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit starker Beanspruchung der rechten oberen Extremität vermieden werden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitstätte bestünden nicht. Das Leistungsbild bestehe seit September 1997.
Mit Urteil vom 12. Juli 2000 hat das Sozialgericht Leipzig die Klage abgewiesen. Ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft hat es die Klägerin in die Gruppe der ungelernten Arbeiter eingeordnet, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten festgestellt und sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen.
Die Klägerin macht mit der am 14. September 2000 bei dem Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung geltend, durch die orthopädisch bedingten und sich aus dem insulinpflichtigen Diabetes, der Neuropathie, der Retinopathie und der chronischen Bronchitis ergebenden Funktionseinschränkungen liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, so dass ihr der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Im Falle einer Über- bzw. Unterzuckerung bei Anstrengung sei es notwendig, dass sie sich ausruhe und sofort etwas esse, wofür ein Zeitraum von 20 bis 30 Minuten benötigt werde. Eine internistische Begutachtung sei erforderlich.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
ein internistisches Gutachten einzuholen sowie das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Juli 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 1998 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Bei dem gut geführten Diabetes mellitus könne den erforderlichen Pausen im Rahmen der Arbeitszeitverordnung Rechnung getragen werden.
Der Senat hat Befundberichte der Augenärztin Dr. R ... vom 02. Januar 2001 und vom 22. Oktober 2001, der Fachärztin für Innere Medizin Dr. V ... vom 10. Januar 2001 und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M ... vom 26. Januar 2001 eingeholt.
Zur Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle hat der Senat das berufskundliche Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S ... H ... vom 13. April 2000, in der Ergänzung vom 16. Juni 2000, erstellt für das Sächsische Landessozialgericht in einem anderen Verfahren, beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnisnahme übersandt.
Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Leipzig (SG) die Klage abgewiesen, weil der Klägerin ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.
Die Klägerin ist nicht berufsunfähig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [a.F.]).
Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.
Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst Gesundheitszustand und nach ihrem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).
Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als Reinigungskraft. Diese hat die Klägerin vollwertig, bewusst und gewollt von September 1992 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 16. September 1997 zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.
Den Beruf als Reinigungskraft kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen mittelschweren und schweren körperlichen Arbeiten sind mit ihren orthopädischen und internistischen Erkrankungen nicht mehr vereinbar. Hiervon geht auch die Beklagte aus.
Dennoch liegt Berufsunfähigkeit bei der Klägerin nicht vor. Sie ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen sie mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.
Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten eine leistungsgeminderte Versicherte zumutbar verwiesen werden kann, hat das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat es noch eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter gliedert sich in einen oberen und in einen unteren Bereich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109, 132, 143). Dem unteren Bereich unterfallen alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf Monaten bis zu vierundzwanzig Monaten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45). Jeder Versicherte kann auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter im oberen Bereich auf angelernte und ein solcher im unteren Bereich auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 m.w.N.).
In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist die Klägerin als Reinigungskraft der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Dies ergibt sich aus ihrer eigenen Darstellung im Verwaltungsverfahren, wonach sie für diese Tätigkeit weder ausgebildet worden ist, noch eine betriebliche Einarbeitung von mehr als drei Monaten benötigt hat. Auf die bis Dezember 1990 verrichtete Tätigkeit als Verkäuferin kann nicht abgestellt werden. Denn eine rentenrelevante, gesundheitsbedingte Lösung hat die Klägerin nicht behauptet. Insofern ist sie sozial zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass diese konkret benannt werden müssten.
Für körperlich leichte Tätigkeiten, beispielsweise als Mitarbeiterin in einer Poststelle, besteht seit der Rentenantragstellung ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen im rechten Schultergelenk eine Bewegungseinschränkung und Kraftminderung bei degenerativen Veränderungen, ein rezidivierendes Cervical- und Cervico-brachial-Syndrom bei hypermobiler Halswirbelsäule und beginnenden Abnutzungen, ein rezidivierendes, chronifiziertes lumbales Pseudoradikulärsyndrom mit temporären, sensiblen Störungen im linken Bein sowie beginnende Abnutzungserscheinungen in den Kniegelenken. Diese von Dipl.-Med. Sch ... erhobenen Befunde, welche im Wesentlichen denen im Gutachten des Dr. S ... entsprechen, schränken die Erwerbsfähigkeit der Klägerin insoweit ein, als Verrichtungen wie z.B. Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Hocken und Knien, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit starker Beanspruchung der rechten oberen Extremität vermieden werden müssen und nur noch leichte körperliche Arbeiten möglich sind. Wegen der Abnutzungen in den Kniegelenken ist ein Wechsel der Körperhaltung erforderlich, wobei eine solche zu 60 Prozent im Sitzen und zu 40 Prozent im Gehen und Stehen ausgeübt werden sollte. Eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung der Wegefähigkeit besteht nach den orthopädischen Befunden nicht. Auf internistischem Gebiet leidet die Klägerin an einer Adipositas, einer chronischen Bronchitis sowie an einem insulinpflichtigen Diabetes mit den beginnenden Folgeerkrankungen Retinopathie und Polyneuropathie. Die Retinopathie hat nach Angabe der Dr. R ... seit 1994 nur gering zugenommen; es treten einzelne, diabetische Blutungen in beiden Augen auf; mit Brille besteht ein guter Visus R/L von 1,0. Die Adipositas bedingt nach den Befundberichten der Dres. V ... und M ... keine weitergehenden Einschränkungen. Dr. V ... hat in ihrem Bericht vom 10. Januar 2001, welcher dem Bevollmächtigten der Klägerin zusammen mit dem Bericht der Dr. R ... vom 02. Januar 2001 übersandt worden ist, seit 1978 eine wesentliche Befundänderung nicht bekundet. Die chronische Bronchitis wird ärztlich nicht als leistungsmindernd beschrieben und am 21. Juli 2000 wurde ein produktiver Husten medikamentös behandelt. Zwar muss sich die Klägerin seit 1998 jeweils vor den Mahlzeiten dreimal rasch wirkendes Normalinsulin und zur Nacht Langzeitinsulin verabreichen. Bei dieser Einstellung werden von Dr. V ... und seit April 2000 von Dr. M ...keine Über- bzw. Unterzuckerungszustände mitgeteilt, so dass der Diabetes gut eingestellt und beherrschbar ist. Zusätzlich sind zwei Zwischenmahlzeiten - zwischen 09.00 bis 10.00 und ca. gegen 16.00 Uhr - erforderlich. Diese, als auch die Zeiten der Blutzuckerbestimmungen und der Insulininjektion bedingen jedoch keine betriebsunüblichen Pausen mit der Folge, dass der Klägerin der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen ist. Die von Dr. M ... angegebene Zeit für eine Blutzuckerbestimmung mit Insulininjektion von ca. zehn Minuten wird relativiert durch die sozialmedizinische Literatur (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Aufl., Seite 263), wonach ein Zeitraum von fünf bis sieben Minuten ausreichend ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer orthopädischen Erkrankungen nicht in der Lage sein sollte, eine Blutzuckerbestimmung mit Insulininjektion binnen maximal sieben Minuten durchzuführen, bestehen nicht. Der zeitliche Aufwand zur Einnahme einer Zwischenmahlzeit vermag nur geschätzt zu werden (§ 202 Sozialgerichtsgesetz, § 287 Zivilprozessordnung). Für Diabetiker geeignet sind insbesondere Milchgetränke und Fruchtsäfte (vgl. Petrides, Der Diabetiker im Erwerbsleben in Konietzko/Duupis, "Handbuch der Arbeitsmedizin", IV 10.7.1), welche - im Regelfall - auch ohne Verlassen des Arbeitsplatzes binnen drei bis fünf Minuten eingenommen werden können. Bezogen auf einen achtstündigen Arbeitstag in Normalschicht sind - die Gabe des Langzeitinsulins zur Nacht sowie die jeweiligen Kurzzeitinsulingaben nach dem Frühstück und dem Abendessen liegen außerhalb einer Arbeitstätigkeit - eine Blutzuckerbstimmung mit Insulingabe - sieben Minuten - sowie zwei Zwischenmahlzeiten - jeweils maximal fünf Minuten - insgesamt also siebzehn Minuten erforderlich. Nach § 4 des Arbeitszeitgesetzes vom 06. Juni 1994 (BGBl. I, 1994, Seite 1170) ist die Arbeit bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis zu neun Stunden durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zu unterbrechen, wobei die Ruhepausen in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden können. Im Bürobereich werden etwa sieben Minuten je Arbeitsstunde an persönlicher Verteilzeit kalkuliert (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Auflg., Seite 75), so dass die Klägerin in diesem Berufsbereich sowohl nach der Arbeitszeitverordnung als auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verteilzeit während eines achtstündigen Insulingabe vornehmen sowie zwei Zwischenmahlzeiten in Form von Milchgetränken, Fruchtsäften o.ä. einnehmen kann. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 05. Oktober 2001 geschilderte feinmotorische Störung in den Händen infolge der Neuropathie findet in dem Befundbericht der Dr. M ... vom 26. Januar 2001 keine Stütze. Dass diese, als auch die gleichfalls von der Klägerin bekundete Störung der Konzentrationsfähigkeit zwischenzeitlich ärztlich objektiviert worden ist, ist nicht vorgetragen worden. Insoweit haben keine Anhaltspunkte vorgelegen, von Amts wegen ein internistisches Gutachten einzuholen. Einen Antrag gemäß § 109 Abs. 1 SGG einen bestimmten Arzt gutachterlich zu hören, hat die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.
Nach dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Diplom- Verwaltungswirtin S ... H ... vom 13. April 2000, in der Ergänzung vom 16. Juni 2000, handelt es sich bei der Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle generell um eine körperlich leichte, geistig einfache und routinemäßige Bürohilfsarbeit, welche im Wechsel der Körperhaltungen zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt wird, so dass Zwangshaltungen vermieden werden können. Diese Arbeit bedingt kein schweres Heben oder Tragen von Lasten, denn die zu transportierenden Schriftstücke können mittels Wagen befördert werden. Wie bereits vorstehend ausgeführt, verfügt die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten. Dieses Leistungsvermögen entspricht den Anforderungen, welche an die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle gestellt werden. Der Wechsel der Körperhaltungen zwischen Sitzen, Stehen und Gehen von jeweils ca. einem Drittel steht den Feststellungen des Dipl.-Med. Sch ..., wonach ein Wechsel von 60 Prozent Sitzen und 40 Prozent Gehen und Stehen anzustreben wäre, nicht entgegen. Denn die von ihm festgestellte Streckung/Beugung der Kniegelenke beiderseits von 0/0/135 und der beiderseitigen Streckung/Beugung der Sprunggelenke von 35/0/30, bei 100-prozentiger Pro-/Supination, bedingen keine wesentlichen Funktionseinschränkungen. Insbesondere ist die auf Grund des Diabetes erforderliche Blutzuckerbestimmung mit Insulingabe sowie die Einnahme von zwei Zwischenmahlzeiten im täglichen Ablauf dieser Bürotätigkeit integrierbar. Eine verminderte Konzentrationsfähigkeit, eine eingeschränkte Reaktions- und Übersichtsfähigkeit oder eine reduzierte Anpassungsfähigkeit oder geistige Beweglichkeit wurde ärztlich nicht festgestellt. Für die vorbenannte Tätigkeit wird grundsätzlich kein anerkannter Ausbildungsabschluss oder eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt. Eine Anlernung/Einarbeitungszeit ist üblich. Tätigkeiten dieser Art können auch von Berufsfremden innerhalb einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeführt werden. Arbeitsplätze dieser Art stehen trotz rückläufiger Tendenzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in genügender Anzahl zur Verfügung. Es handelt sich hierbei nicht ausschließlich um Schonarbeitsplätze.
Mit dem vollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Klägerin nicht berufsunfähig. Bei einer auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbaren Versicherten bedarf es nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 01. März 1984 (4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 117) nur dann der konkreten Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn die Klägerin selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ausführen kann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine sonstige schwerwiegende Behinderung, die es der Klägerin auch bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit unmöglich macht eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sogenannte "Katalogfälle" (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 - 4 a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 137), liegen nicht vor. Insbesondere ist die Klägerin nicht am Zurücklegen des Arbeitsweges, also des Weges von ihrer Wohnung bis zu einer etwaigen Arbeitsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 43/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10), gehindert. Betriebsunübliche Pausen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 5a RKn 18/83-SozR 2200 § 1247 RVO Nr. 43) muss sie während der Arbeitszeit, wie vorstehend ausgeführt, nicht einhalten.
Der Umstand, dass es in einer Zeit angespannter Arbeitsmarktlage schwierig ist, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, und die Bundesanstalt für Arbeit zu einer derartigen Vermittlung nicht in der Lage ist, ist kein Grund zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Denn bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ist der Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, und es kommt auf die Zahl der vorhandenen, nicht auf die Zahl der gerade freien Arbeitsplätze an (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80,24).
Bei einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind auch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2001 - BGBl. 2000, Teil I, Seite 1827) nicht erfüllt.
Die Anwendung des § 43 SGB VI a.F. resultiert aus der Rentenantragstellung im März 1998 (§ 300 Abs. 2 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved