L 4 RJ 318/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 362/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RJ 318/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 03. August 1999 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1998 insoweit aufgehoben, als der Bescheid vom 28.08.1997 für die Zeit vom 03.10. bis 31.12.1990 zurückgenommen wurde.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 03.10. bis 31.12.1990.

Der am ... in M ...-M ..., Mocambique, geborene Kläger hielt sich seit dem 05.12.1987 im Gebiet der ehemaligen DDR auf. Der Zuzug des Klägers erfolgte aufgrund des Arbeitskräfteabkommens zwischen der ehemaligen DDR und dem Staat Mocambique. Er war vom 05.12.1987 bis 05.12.1991 bei der D ... D ... und V ... GmbH beschäftigt und erwarb am 30.10.1991 die Berechtigung, den Titel "Facharbeiter für Drucktechnik" zu führen. Während der Zeit der Beschäftigung bei dem D ... und V ... D ... wurde für den Kläger ein Arbeits- und Sozialversicherungsausweis geführt und der beitragspflichtige Gesamtarbeitsverdienst eingetragen. Der Kläger heiratete am 01.10.1992 eine deutsche Staatsangehörige und kehrte nicht nach Mocambique zurück.

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens (Ehezeit vom 01.10.1992 bis 31.03.1997) wurde für den Kläger eine Kontenklärung durchgeführt. Mit Bescheid vom 28.08.1997 stellte die Beklagte die Zeiten bis 31.12.1990 nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) verbindlich fest. Nach dem Versicherungsverlauf, der Bestandteil dieses Bescheides war, wurde die Zeit vom 05.12.1987 bis 31.12.1990 anerkannt. Die Beklagte nahm den Bescheid vom 28.08.1997 mit Bescheid vom 22.09.1997 gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) für die Zeit vom 05.12.1987 bis 31.12.1990 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß dem Arbeitskräfteabkommen zwischen der ehemaligen DDR und Mocambique für den Arbeitskräfteeinsatz entsprechende Ausgleichszahlungen an Mocambique erfolgten. Diese Beitragszeiten seien somit in die Versicherungslast des Heimatstaates gefallen und deshalb aus dem deutschen Rentensystem ausgeschieden.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 24.10.1997 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger in der streitigen Zeit Beiträge an die Sozialversicherung der DDR entrichtet habe und somit einen Rentenanspruch erworben habe. Selbst wenn irgendwelche Abkommen zwischen der DDR und Mocambique ein Ausscheiden der Vertragsarbeiter während ihrer Tätigkeit in der DDR aus der deutschen Rentenversicherung zum Inhalt gehabt haben sollten, dürften diese Bestimmungen mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland obsolet gewesen sein. Hierzu erläuterte die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.11.1997, dass zwischenstaatliches Recht zur Anwendung komme. Hier seien auch die Arbeitskräfteabkommen zwischen der ehemaligen DDR und den entsprechenden ausländischen Staaten beinhaltet. Ausländische Arbeitnehmer, die aufgrund von Arbeitskräfteabkommen in Betrieben der ehemaligen DDR beschäftigt waren, hätten der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlägen. Ansprüche auf Rentenleistungen des DDR-Systems hätten jedoch nicht erworben werden können; während Arbeitsunfähigkeit habe lediglich Anspruch auf Krankengeld, ggf. auf Unfallrente bestanden, aber nur für die Dauer des Aufenthaltes in der DDR. Nach Rückkehr des Arbeitnehmers in sein Heimatland seien alle Leistungen der Sozialversicherung nach den dortigen Rechtsvorschriften und zu Lasten dieses Staates zu erbringen. Zum Ausgleich hierfür werde dem Abkommensstaat entweder pauschal je Arbeitnehmer ein fester Betrag oder ein im Abkommen festgelegter Vomhundertsatz des gezahlten Sozialversicherungsbeitrages überwiesen. Beitragszeiten nach § 248 SGB VI lägen nicht vor, wenn Ausgleichszahlungen an den anderen Abkommensstaat geleistet worden seien. Vertraglich vorgesehene Ausgleichszahlungen seien aufgrund des Abkommens mit Mocambique bis 31.12.1990 geleistet worden, so dass die Beitragszeiten, die in die Versicherungslast der Heimatstaaten gefallen sind, aus den deutschen Rentenversicherungen ausgeschieden wären.

Am 09.06.1998 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid. Zur Begründung verwies sie auf § 248 SGB VI, wonach Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 gleichstünden, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Sie lägen jedoch dann nicht vor, wenn Ausgleichszahlungen an den Abkommensstaat geleistet worden wären. Nach dem von der ehemaligen DDR und dem Staat Mocambique geschlossenen Arbeitskräfteabkommen sei die DDR zu entsprechenden Ausgleichszahlungen verpflichtet gewesen. Entsprechend den Eintragungen im SV-Ausweis könnten in seltenen Einzelfällen Beitragszeiten anerkannt werden, sofern der Antragsteller zusätzliche Nachweise vorlege: 1. ab dem Tag der Verleihung der DDR-Staatsbürgerschaft mit dem Nachweis der Staatsbürgerurkunde, 2. ab dem Tag der Eheschließung eines Ausländers mit einem Deutschen, sofern dadurch ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in der ehemaligen DDR erteilt worden ist für die Dauer des gewöhnlichen Aufenthaltes im Beitrittsgebiet mit dem Nachweis der Bestätigung der diplomatischen Vertretung des jeweiligen Heimatstaates. Diese Alternativen seien im Widerspruchsverfahren geprüft worden, fänden jedoch keine Anwendung, da die Heirat erst am 01.10.1992 erfolgt sei. Mit dem Aufklärungsschreiben vom 07.11.1997 sei das Anhörungsrecht nach § 24 SGB X eingeräumt worden. Da die vertraglich vorgesehenen Ausgleichszahlungen bis zum 31.12.1990 geleistet worden wären, sei die Beitragszeit vom 05.12.1987 bis 31.12.1990 aus dem deutschen Rentensystem ausgeschieden. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X seien erfüllt. Zwar bestünde subjektive Schutzwürdigkeit, dagegen fehle es an der objektiven Schutzwürdigkeit. Sie entfalle regelmäßig dann, wenn es an einem Leistungsverbrauch für die Vergangenheit oder einer festen Vermögensdisposition für die Zukunft fehle. Bei Ausübung des Ermessens überwiege nach Auffassung des Widerspruchsausschusses eindeutig das Interesse an einer Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides mit Wirkung für die Vergangenheit.

Mit der am 20.07.1998 beim Sozialgericht (SG) Dresden eingegangenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Mit Schriftsatz vom 20.01.1999 reduzierte der Kläger sein Begehren auf die Berücksichtigung der Zeit vom 03.10.1990 bis 31.12.1990. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Zeit vom 05.12.1987 bis 02.10.1990 wurde die Klage im Hinblick auf die herrschende Meinung zur Wirkung des Arbeitskräfteabkommens zurückgenommen. Das völkerrechtliche Abkommen zwischen der ehemaligen DDR und der Volksrepublik Mocambique sei jedoch seit dem 03.10.1990 erloschen. Hierzu werde verwiesen auf die Bekanntmachung über das Erlöschen völkerrechtlicher Übereinkünfte der Deutschen Demokratischen Republik vom 04.08.1992, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt II 1992, S. 616 f. Damit wäre die behauptete Überweisung der Sozialabgaben für den Kläger an die Republik Mocambique im Zeitraum vom 03.10.1990 bis 31.12.1990 ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Dem Kläger seien diese Versicherungszeiten daher für sein deutsches Rentenkonto anzurechnen. Hierzu nahm die Beklagte dahingehend Stellung, dass nach § 4 der Verordnung über die Veränderung von Arbeitsrechtsverhältnissen mit ausländischen Bürgern, die auf der Grundlage von Regierungsabkommen in der DDR beschäftigt und qualifiziert werden, vom 13.06.1990 die Verpflichtungen aus dem Arbeitskräfteabkommen bis zur Beendigung des Arbeitsrechtsverhältnisses galten. Aufgrund Art. 12 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 sei auch das Arbeitskräfteabkommen der ehemaligen DDR mit der Volksrepublik Mocambique zum 03.10.1990 erloschen. Dies werde nachträglich in der Bekanntmachung vom 04.08.1992 festgestellt. Zum Zeitpunkt der Beschäftigung vor diesem Zeitpunkt sei das Abkommen somit grundsätzlich noch anzuwenden. Für die Anerkennung von Beitragszeiten nach § 248 SGB VI komme es allerdings darauf an, ob tatsächlich Ausgleichszahlungen an den fremden Versicherungsträger geflossen seien. Für die Beklagte sei maßgebend das Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 05.03.1992 an den Verband der deutschen Rentenversicherungsträger. Hier werde bestätigt, dass Ausgleichszahlungen aufgrund der Abkommen an Mocambique bis zum 31.12.1990 tatsächlich geleistet wurden. Die Beschäftigungszeiten bis zu diesem Zeitpunkt seien also eindeutig in die Versicherungslast des mocambiquanischen Versicherungsträger gefallen, zumal auch keine Rückzahlung der Ausgleichsbeträge erfolgte. Es lägen somit für diese Zeit keine Beitragszeiten zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vor. Die Beklagte stellte dem SG "Informationsmaterial zur sozialen und gesundheitlichen Betreuung mocambiquanischer Werktätiger durch die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten der DDR für die mocambiquanischen Gewerkschaftsfunktionäre", herausgegeben vom FDGB-Bundesvorstand, zur Verfügung. Ferner wurde die "Verordnung über die Veränderung von Arbeitsrechtsverhältnissen mit ausländischen Bürgern, die auf der Grundlage von Regierungsabkommen in der DDR beschäftigt und qualifiziert werden", vom 13.06.1990 mit der entsprechenden Durchführungsbestimmung vorgelegt. Das SG hat den Beteiligten die Schreiben aus dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 30.09.1992 und 05.03.1992 sowie das "Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Volksrepublik Mocambique über die zeitweilige Beschäftigung mocambiquanischer Werktätiger in sozialistischen Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik" vom 24.02.1979 einschließlich der Änderung vom 28.05.1990 zur Kenntnis gegeben.

Das SG hat sodann die Klage mit Urteil vom 03.08.1999 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das SG der auch vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vertretenen Auffassung folge, dass die vom vereinten Deutschland geleisteten Ausgleichszahlungen die Berücksichtigung von Beitragszeiten ausschließe. Nur so könnte eine Doppelbelastung der deutschen Seite ausgeschlossen werden. Zwar sei die Ansicht des Klägerbevollmächtigten rechtlich zutreffend, dass die DDR als Staats- und Völkerrechtssubjekt mit Ablauf des 02.10.1990 vollständig und ersatzlos untergegangen sei. Damit seien grundsätzlich auch die von ihr geschlossenen völkerrechtlichen Verträge beendet. Für eine Fortgeltung solcher Verträge gebe es keine völkerrechtliche Grundlage. Eine Rechtsverordnung, in der die vorübergehende Anwendung des hier streitgegenständlichen Arbeitskräfteabkommens geregelt wäre, existiere nicht. Die Bundesrepublik Deutschland habe bis zum 31.12.1990 Ausgleichszahlungen geleistet, ohne dass eine vertragliche Verpflichtung hierzu bestehe. Im Fall des Klägers sei § 55 SGB VI einschlägig, da ab dem 03.10.1990 Bundesrecht gelte. Diese Beitragszeiten könnten nicht mehr in die Versicherungslast der Staates Mocambique fallen. Die Kammer habe dennoch die Klage abgewiesen und sei damit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27.01.1999, Az. B 4 RA 44/98 R) abgewichen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 01.11.1999 zugestellte Urteil legte dieser am 01.12.1999 Berufung beim SG Dresden ein. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Rücknahmebescheid der Beklagten rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei. Des Weiteren wird auf die Rechtsprechung des BSG in dem Urteil vom 27.01.1999 verwiesen. Es sei davon auszugehen, dass die vom BSG geschaffenen Grundsätze dazu führen, dass auch Versicherungsanwartschaften, die aufgrund damals geltenden DDR-Rechts bzw. seiner Fortführung durch Verwaltungsakte der Bundesrepublik Deutschland entfallen sollten, nunmehr Teil der dem Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland anrechenbaren Anwartschaften sei, so dass auch die vom Kläger zurückgelegten Anwartschaften Aufnahme in die von der LVA zu berücksichtigenden Anwartschaften finden müssten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Dresden vom 03.08.1999 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 22.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1998 insoweit aufzuheben, als der Bescheid vom 28.08.1997 für die Zeit vom 03.10. bis 31.12.1990 zurückgenommen wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil des SG Dresden für zutreffend und vertritt weiterhin die Ansicht, dass nach Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Ausgleichszahlungen bis 31.12.1990 geleistet worden sind und dass das nachträglich bekanntgegebene Erlöschen des Arbeitskräfteabkommens zum 02.10.1990 dem Ausscheiden der Beitragszeit aus dem deutschen Rentensystem nicht entgegenstehe. Zwar sei davon auszugehen, dass die DDR mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich untergegangen und die von ihr geschlossenen Verträge erloschen seien. Das Erlöschen der DDR-Sozialversicherungsabkommen habe jedoch nicht zur Folge, dass die in den Abkommen enthaltenen Regelungen zum 02.10.1990 gegenstandslos wurden. Sie wären vielmehr im Rahmen der Weitergeltungsverordnung vom 03.04.1991 und 18.12.1992 für bestimmte Personen weiter befristet anzuwenden. Zwar würden die unterschiedlichen Senate des BSG verschiedene Auffassungen zur spiegelbildlichen Anwendung im anderen Staat vertreten, woraus letztlich die Frage entstehe, ob bei SGB VI-Auslandsrenten Anspruch bei Aufenthalt im anderen Vertragsstaat bestehe. Nach der Diskussion dieser Rechtsprechung in den Verbandsgremien der Rentenversicherer träfe diese BSG-Rechtsprechung für Fälle mit Berührung zu einem Arbeitskräfteabkommen nicht zu. Die Arbeitskräfteabkommen seien nie im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht worden und nie von der Weitergeltungsverordnung erfasst worden. Der sachliche Geltungsbereich der Weitergeltungsverordnung sei abschließend in Art. 1 geregelt und beinhalte nur die völkerrechtlich verbindlich im Gesetzblatt der DDR veröffentlichten Sozialversicherungsabkommen mit Bulgarien, Polen, Rumänien, UdSSR, CSSR und Ungarn. Abweichend von der Auffassung der Klägerseite gehe die Beklagte nicht davon aus, dass die vom Bundessozialgericht geschaffenen Grundsätze dazu führen, dass auch Versicherungsanwartschaften, die aufgrund von damals geltenden DDR-Recht bzw. seiner Fortführung durch Verwaltungsakte der Bundesrepublik Deutschland entfallen sollen, nunmehr Teil der dem Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland anrechenbaren Anwartschaften seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG), im Übrigen zulässig und erweist sich auch in der Sache als begründet.

Der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 22.09.1997 - der nur noch insoweit angefochten ist, als er den Bescheid vom 28.08.1997 auch für den Zeitraum vom 03.10.1990 bis 31.12.1990 zurücknimmt - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.06.1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 03.08.1999 ist daher aufzuheben.

Gemäß § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) auch nachdem er unanfechtbar geworden ist unter Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurück genommen werden, soweit er rechtswidrig ist. Der von der Beklagten ursprünglich erlassene Feststellungsbescheid vom 28.08.1997 stellt einen derartigen begünstigenden Verwaltungsakt dar, da er die Zeiten bis 31.12.1990 für den Kläger verbindlich feststellte, also einen rechtlich erheblichen Vorteil begründete. Nach § 149 Abs. 5 SGB VI ist der Versicherungsträger verpflichtet und befugt, durch schriftlichen, feststellenden Verwaltungsakt (so genannten Vormerkungsbescheid) die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Jahre zurückliegen, verbindlich festzustellen. Soweit diese Daten mögliche Relevanz für den Tatbestand rentenrechtlicher Zeiten im Sinne des § 54 SGB VI haben, wird beweissichernd für den später vielleicht eintretenden Leistungsfall für die im Bescheid aufgeführten Zeiten verbindlich geklärt, dass sie den Tatbestand der jeweiligen rentenrechtlichen Zeit nach den im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen materiell-rechtlichen Regelungen erfüllen bzw. nicht erfüllen. Über die Anrechnung und Bewertung der vorgemerkten Tatbestände darf der Versicherungsträger erst im Leistungsfall entscheiden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI).

Dieser Vormerkungsbescheid vom 28.08.1997, welcher durch den streitigen Bescheid vom 22.09.1997 zurückgenommen wurde, war jedoch - soweit noch im Streit stehend - nicht rechtswidrig. Zutreffend hatte die Beklagte im Bescheid vom 28.08.1997 den streitigen Zeitraum vom 03.10.1990 bis 31.12.1990 als rentenrechtliche Zeit berücksichtigt. Maßgebliche Vorschrift bei der Berücksichtigung des Zeitraumes vom 03.10.1999 bis 31.12.1990 ist § 54 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 55 SGB VI. Soweit von der Beklagten auf § 248 Abs. 3 SGB VI Bezug genommen wurde, kann dies nur für den Zeitraum bis zum 02.10.1990 gelten. Nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI stehen Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Solche so genannten Beitrittsgebietsbeitragszeiten können jedoch nur bis zum 02.10.1990 vorliegen. Ab 03.10.1990 im Beitrittsgebiet gezahlte Beiträge sind Beitragszeiten nach Bundesrecht im Sinne von § 55 SGB VI. Dies gilt auch dann, wenn die Beiträge bis zum 31.12.1991 noch in Anwendung der ehemaligen DDR-Vorschriften gezahlt worden sind (vgl. Verbandskommentar § 248 Rn. 4.1.1.).

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist der streitige Zeitraum grundsätzlich als Tatbestand einer Beitragszeit vorzumerken. Der Kläger war während dieser Zeit bei der D ... GmbH als Apparateführer beschäftigt. Für diesen Zeitraum sind ausweislich des Sozialversicherungsausweises auch Beiträge gezahlt worden. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts kann die Beklagte die Vormerkung dieser Beitragszeiten nicht unter Berufung auf das zwischen der DDR und der Volksrepublik Mocambique geschlossene Abkommen vom 24.02.1979 über die zeitweilige Beschäftigung mocambiquanischer Werktätiger in sozialistischen Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik verweigern. Dem Anspruch auf Vormerkung dieser Beitragszeiten nach dem SGB VI steht kein über- oder zwischenstaatlich wirksames Recht entgegen, das innerstaatlich wirksames Recht gleichen Ranges geworden ist und die Regelung des SGB VI insoweit verdrängen würde. Das so genannte "Ausscheiden" als rentenrechtliche Zeit stellt einen echten Eingriff in eine gesetzlich gewährte Rechtsposition dar und bedürfte als solcher einer Vorschrift mit Gesetzesqualität. Eine derartige gesetzliche Vorschrift liegt jedoch nicht vor. Dies wird auch von der Beklagten anerkannt. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht mehr auf das Arbeitskräfteabkommen vom 24.02.1979 stützen.

Die DDR hat mit zahlreichen ausländischen sozialistischen Staaten so genannte Arbeitskräfteabkommen geschlossen, unter anderem auch mit Mocambique. Die Rentenversicherungsträger vertreten die Auffassung, dass Arbeitnehmer, die im Rahmen eines solchen Abkommens in der DDR beschäftigt waren, keine Beitragszeiten im Sinne des § 248 Abs. 3 SGB VI (bzw. § 55 SGB VI) zurückgelegt haben, wenn die Abkommen Regelungen enthielten, nach den sich der jeweilige Vertragspartner zur Übernahme der Sozialversicherungsleistungen gegen entsprechende Ausgleichszahlungen in der DDR verpflichtet hatte, und soweit diese Zahlungen von der DDR (bzw. ab dem 03.10.1990 von der Bundesrepublik Deutschland) erbracht worden sind, (vgl. auch Polster KassKomm, § 248 Rn 36, 37; Zwing/Scherer/Buschmann/Dörr § 248 SGB VI Rn 98; Verbandskommentar, § 248 Nr. 4.1.1.). Das Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Volksrepublik Mocambique hat hierzu folgende Regelungen: "Artikel 12: (1) Die mocambiquanischen Werktätigen entrichten Beiträge zur Sozialpflichtversicherung entsprechend den Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik ... (7) Nach der endgültigen Rückkehr der mocambiquanischen Werktätigen in die Volksrepublik Mocambique erhalten sie alle Leistungen der Sozialversicherung entsprechend den Rechtsvorschriften und zu Lasten der Volksrepublik Mocambique. Artikel 13: Die Deutsche Demokratische Republik gewährt der Volksrepublik Mocambique einen Augleich für Leistungen, die gem. Absätze 2, 5, 6 und 7 des Art. 12 die Volksrepublik Mocambique übernimmt. Der Ausgleich beträgt 50 % der Summe der Beiträge der mocambiquanischen Werktätigen und der Betriebe zur Sozialpflichtversicherung und der Unfallumlage." Nach dem Protokoll vom 28.05.1990 erhielt Art. 12 Abs. 1 folgende Fassung: "Die mocambiquanischen Werktätigen entrichten Beiträge zur Sozialpflichtversicherung entsprechend den Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik. Für die Dauer der Beschäftigung in der Deutschen Demokratischen Republik erhalten sie vom Betrieb einen Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der Deutschen Demokratischen Republik."

Dieses Arbeitskräfteabkommen ist jedoch keine geeignete Rechtsgrundlage, um dem Kläger die Vormerkung der streitigen Zeit zu verwehren. Es ist mit Ablauf des 02.10.1990 nach den Regeln des Völkergewohnheitsrechtes erloschen (vgl. Rechtsprechung des BSG zur Weitergeltung bilateraler Verträge zwischen der DDR und den ehemals sozialistischen Staaten über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens, Urteil vom 29.06.2000 Az. B 4 RA 62/99 R, Urteil vom 29.09.1998 BSGE 83, 19 ff, Urteil vom 24.01.1999, BSGE 83, 224 ff., Urteil des 5. Senats vom 22.09.1999, Az. B 5 RJ 36;/98 R). Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Regierungsabkommen der DDR mit anderen sozialistischen Staaten auf dem Gebiet der Sozialpolitik kein Bundesrecht geworden sind, sondern als so genannte "geschlossene Abkommen" mit Ablauf des 02.10.1990 erloschen sind. Die DDR ist als Staats- und Völkerrechtssubjekt mit Ablauf des 02.10.1990 vollständig und ersatzlos untergegangen. Mit diesem Untergang sind jedenfalls die (so genannten geschlossenen) völkerrechtlichen Verträge der DDR erloschen, die nur die Staatsbürger der Vertragspartner erfassen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht anstelle der DDR Vertragspartner der Abkommen geworden, welche die DDR mit ehemals sozialistischen Staaten auf dem Gebiet der Sozialpolitik geschlossen hatte. Für die Fortgeltung über den 02.10.1990 hinaus hätte es eines neuen völkerrechtlichen Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mocambique bedurft. Dieser völkerrechtliche Vertrag hätte schon wegen seiner Grundrechtsrelevanz und wegen der zahlreichen Abweichungen von status- und rechtsbegründenden sowie aufgabenzuweisenden parlamentsgesetzlichen Regelungen des SGB VI Gegenstände der Bundesgesetzgebung im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG berührt und deswegen ein palamentsgesetzliches Vertragsgesetz benötigt. Ein derartiger völkerrechtlicher Vertrag mit einem entsprechenden Vertragsgesetz ist jedoch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mocambique nicht geschlossen worden.

Das Abkommen zwischen der DDR und Mocambique ist auch nicht Gegenstand der "Verordnung über die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich der sozialen Sicherheit" vom 03.04.1991 (BGBl. 1991, II S. 614) in Gestalt der Änderungsverordnung vom 18.12.1992 (BGBl. 1992, II S. 1231) geworden. Vielmehr hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland durch eine an die Regierung der Republik Mocambique gerichtete Verbalnote vom 24.03.1992 auf Grund der in Art. 12 des Einigungsvertrages vorgesehenen Konsultationen festgestellt, dass das Arbeitskräfteabkommen vom 24.02.1979 mit Herstellung der Deutschen Einheit am 03.10.1990 erloschen ist, (vgl. Bekanntmachung über das Erlöschen völkerrechtlicher Übereinkünfte der Deutschen Demokratischen Republik mit Mocambique, BGBl. 1992, II S. 616). Damit wurde allerdings lediglich das ausdrücklich festgestellt, was sich nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen (Grundsatz der Diskontinuität der Verträge des inkooperierten Staates) bereits mit Ablauf des 02.10.1990 ergeben hat.

Sonstige anspruchsvernichtende Normen, welche die Anwendung des § 55 SGB VI i. V. m. § 149 Abs. 5 SGB V im Verhältnis zum Kläger ausschließen würde, sind nicht ersichtlich. Auch das Argument der Beklagten, dass ansonsten eine Doppelbegünstigung des Klägers bzw. Doppelbelastung auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland entstünde, da nach Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Ausgleichszahlungen bis 31.12.1990 an Mocambique geleistet worden sind, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Diese Argumentation setzt voraus, dass der Kläger in sein Heimatland zurückkehrt und die Bundesrepublik Deutschland für den streitigen Zeitraum tatsächlich Zahlungen geleistet hat. Nach den Arbeitsanweisungen der BfA wurden vertraglich vorgesehene Ausgleichszahlungen an Mocambique bis zum 31.12.1990 geleistet, wobei diese Zahlungen allerdings nur den Zeitraum bis zum Erlöschen dieses Abkommens (nämlich den 02.10.1990) betrafen. Darüber hinaus kann jedoch allein die Tatsache, dass die Bundesregierung über das Erlöschen des Abkommens hinaus Zahlungen geleistet haben könnte, keinen Eingriff in die Rechtsposition des Klägers begründen. Nach § 55 Abs. 1 SGB VI ist die streitige Zeit für den Kläger als rentenrechtliche Zeit vorzumerken. Die damit begründete Rentenanwartschaft unterfällt dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes, so dass es zumindest eines förmlichen Gesetzes bedürfte, um diese Rechtsposition zu beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich, da eine eindeutige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Erlöschen bilateraler Verträge besteht.
Rechtskraft
Aus
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