L 5 RJ 91/97

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 15 Ar 107/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 91/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09. November 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.

Die am ... geborene Klägerin nahm im Jahre 1969 eine Lehre als Weberin auf, die sie jedoch im Jahre 1971 abbrach. In der Folgezeit war sie als Flaschenkellermitarbeiterin, Reinigungskraft, Küchenhilfe, Lampenwärterin und in der Kleingutverladung bis zum 14.12.1982 beschäftigt. Ab dem 17. September 1984 bis zum 28. Dezember 1989 war sie als Aushilfe im Obstbau beschäftigt. Seit dem Ende dieser Tätigkeit ist die Klägerin arbeitslos. Am 12. September 1991 meldete sie sich bei der Bundesanstalt für Arbeit arbeitslos. Leistungen erhielt sie nicht. Ab dem 26. Mai 1998 stellte sich die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung.

Die Klägerin leidet seit Mitte der 80iger Jahre unter den unterschiedlichsten, oftmals schwer erfassbaren Beschwerden, insbesondere war sie häufig wegen "diffuser Bauchbeschwerden" in Behandlung. Im März 1992 wurde bei der Klägerin ein gutartiger Nierentumor entfernt. Im Mai 1992 unterzog sie sich einer abdominalen Hysterektomie. Seit Mitte der 80iger Jahre betrieb die Klägerin einen Nikotin- und Alkoholmissbrauch, letzteren allerdings zunächst noch in unregelmäßigen Zeitabständen. In der Folgezeit steigerte sie ihre Trinkmenge; insbesondere im Zusammenhang mit den im März und Mai 1992 durchgeführten Operationen erhöhte die Klägerin ihren Alkoholkonsum. Dieser wurde mehr und mehr exzessiv, bis er Ende 1992/Anfang 1993 in einem Verbrauch von mindestens 0,7 l Schnaps am Tag, verbunden mit Kontrollverlusten und ausgeprägten körperlichen Entzugserscheinungen mündete. Im März 1993 unterzog sich die Klägerin einer Alkoholentgiftungsbehandlung im Psychiatrischen Fachkrankenhaus in ...und wurde in der gleichen Einrichtung vom 30. Juli 1993 bis 09. November 1993 im Rahmen einer stationären Rehabilita- tionsmaßnahme entwöhnt.

Einen am 28. Mai 1991 gestellten Antrag auf Invalidenrente beschied die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 1991 ablehnend, nachdem ein Gutachten des Assistenzarztes ... vom 09. August 1991 ergeben hatte, dass bei der Klägerin zwar eine chronische Pankreatitis mit Pankreasinsuffizienz sowie ein Zustand nach Sectio caeserea und Parametritis links mit Tubenligator vorläge, die Klägerin nach den klinischen Untersuchungen der beiden stationären Aufenthalte (September 1990 und April 1991) aber in der Lage sei, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit auszuführen und Invalidität nicht vorliege. Am 11. November 1993 beantragte die Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und begründete dies mit ihren seit 1992 bestehenden Unterleibsschmerzen.

Gestützt auf den Rehabilitationsabschlussbericht vom 16. November 1993 gelangte der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 26. April 1994 zu der Auffassung, die Klägerin könne zwar nicht mehr in ihren zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Küchenhilfe und Erntehelferin arbeiten, in sonstigen körperlich leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Mit Bescheid vom 12. September 1994 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dem Antrag nicht entsprechen zu können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Wegen ihrer dauernden Schmerzen fühle sie sich nicht mehr in der Lage, einer Tätigkeit nachzugehen. Die Beklagte ließ ein Gutachten von ... auf internistischem Fachgebiet erstellen. Danach lagen bei der Klägerin insbesondere objektiv nicht begründbare diffuse Bauchbeschwerden nach mehreren Operationen im Bauchraum bei hochgradiger neurasthenischer Persönlichkeitsstruktur vor. Durch diese nicht objektivierbaren Schmerzzustände werde die subjektive Befindlichkeit der Klägerin zwar als deutlich gestört empfunden, eine wesentliche Auswirkung auf ihre Belastbarkeit lasse sich daraus bei der 40-jährigen, in gutem Körper- und Allgemeinzustand befindlichen Versicherten nicht ableiten. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte bis zum Teil mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Belastung durch inhalative Reizstoffe und starke Temperaturunterschiede vollschichtig zu verrichten.

Nachdem die Beklagte den Arztbericht des ...Krankenhauses ... vom 07. Juni 1995 ausgewertet hatte, wonach im Rahmen einer stationären Behandlung vom 03. Mai 1995 bis zum 06. Mai 1995 bei der Klägerin Verwachsungen im rechten Unterbauch gelöst worden seien bei komplikationslosem postoperativem Verlauf, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1996 zurück. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr, nicht an laufenden Maschinen und ohne Gefährdung durch inhalative Reizstoffe vollschichtig zu verrichten.

Das hiergegen angerufene Sozialgericht Chemnitz (SG) hat nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte ein nervenfachärztliches Gutachten von ..., Nervenarzt, Kinderneuropsychiater und Psychotherapeut, eingeholt. In seinem Gutachten vom 14. Mai 1997 diagnostizierte dieser bei der Klägerin eine narzißtische Persönlichkeitsstörung. Es bestünden jedoch keine gröber gestörten Organfunktionen und auch die neurologische Befunderhebung habe keine krankhafte Veränderung der nervalen Funktion ergeben. Die bei der Klägerin festgestellte Persönlichkeitsstörung sei im Hinblick auf ihren sozialmedizinischen Krankheitswert umstritten. Es handle sich hierbei um Varianten der Persönlichkeitsausstattung, die in extremen Situationen durchaus Krankheitswert erlangen könnten. Im konkreten Fall sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin im Vorfeld der stationären Behandlung, also seit etwa 1990 bis 1991, eine doch erhebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bestanden habe, welche aber nach der Entwöhnungsbehandlung relativiert gesehen werden müsse. Für den Zeitraum von etwa 1990 bis November 1993 sei von einer "Erwerbsunfähigkeit" aufgrund der Alkoholkrankheit auszugehen. Dagegen sei die Klägerin seit Beendigung der Entwöhnungsbehandlung wieder in der Lage, eine leichte Tätigkeit im Wechsel der Körperhaltung und mit einigen weiteren Einschränkungen zu verrichten; dabei solle die tägliche Arbeitszeit "zu Beginn" fünf bis sechs Stunden nicht überschreiten. Der Grund hierfür sei, dass wegen der relativ langen Zeit der Nichteinsatzfähigkeit der Klägerin durch eine stufenweise Wiederaufnahme einer Tätigkeit eine schonende Wiedereingliederung in das Erwerbsleben anzustreben sei. Diese stufenweise, zeitlich begrenzte Reduzierung der Arbeitszeit diene dazu, schrittweise die volle motivationale Belastungsfähigkeit zu erreichen.

Die Beklagte hat im Klageverfahren vorgetragen, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seien zum Antragszeitpunkt nicht mehr gegeben.

Mit Urteil vom 09. Oktober 1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Weder lägen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI, noch eine durchgängige Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne der §§ 240 Abs. 2, 241 Abs. 2 SGB VI vor. Auch liege keine Minderung des Leistungsvermögens der Klägerin auf eine Einsatzfähigkeit von weniger als acht Stunden für die Zeit vor dem 01. Januar 1993 vor.

Hiergegen richtet sich die am 24. November 1997 eingegangene Berufung der Klägerin. Diese trägt insbesondere vor, bereits vor dem 01. Januar 1992 erwerbsunfähig gewesen zu sein.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09. Oktober 1997 abzuändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1996 zu verurteilen, ihr ab dem 10. November 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Invalidität, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, weder die medizinischen noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lägen vor. Invalidität liege ebenso wenig vor.

Der Senat hat die Unterlagen der ... Klinik ... und des ...Krankenhauses ..., die Unterlagen von Frau ... für die Zeit bis 1994 und einen Befundbericht von Frau Dr ..., Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie für die Zeit vom 10. Juni 1992 bis 20. März 1997 beigezogen. Weiter wurden de r Befundbericht von Frau ... für die Zeit bis Mai 2000 und das Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Arbeitsamtes ... vom 14. März 1994 beigezogen. Dr ... kommt darin zu dem Ergebnis, dass Eignung für eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit ohne Heben und Tragen, Einfluss von Nässe und Kälte und ohne Leistungsdruck, häufiges Bücken, erhöhte Verletzungsgefahr, Einfluss von Staub, Rauch, Gasen und Dämpfen überwiegend im Gehen und Sitzen, zeitweise stehend, bestehe, wobei der berufliche Einsatz vorerst untervollschichtig erfolgen solle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Krankenunterlagen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Invalidität.

Invalidität im Sinne des § 7 Art. 2 Rentenüberleitungsgesetz entfällt, da das Leistungsvermögen der Klägerin in der Zeit bis zum 31. Dezember 1996 nicht um mehr als 2/3 desjenigen einer körperlich und geistig gesunden Versicherten des Beitrittsgebiets gesunken ist. Selbst nach Auffassung des erstinstanzlichen Gutachters, Dr. Herrmann, ist die Klägerin jedenfalls in der Lage, eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 5 Stunden täglich durchzustehen.

Einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI hat die Klägerin aus mehreren Gründen nicht.

Zum einen liegen bereits die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedenfalls nach dem 30.11.1992 nicht mehr vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils wird insoweit verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz). Die Tatsache, dass die Beklagte der Klägerin anlässlich der Bescheiderteilung im Dezember 1991 nicht nachweislich mitgeteilt hat, dass eine Rechtsänderung dahin eintreten werde, dass zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes für Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit die Entrichtung freiwilliger Beiträge notwendig werden könnte, wirkt sich nicht zugunsten der Klägerin aus. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dahin, dass die Klägerin die Möglichkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab 1992 einzuräumen ist, folgt hieraus nicht. Dieses von der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit entwickelte Rechtsinstitut setzt voraus, dass der Leistungsträger eine Nebenpflicht, insbesondere eine solche, die der allgemeinen Fürsorge - und speziell der Beratungspflicht des § 14 SGB I - entspringt, verletzt hat (Erlenkämper/Fichte, SozR 4. Auflage, S. 142). Dies ist dann der Fall, wenn der Leistungsträger auf ein entsprechendes Auskunfts- bzw. Beratungsbegehren des Versicherten keine oder unzureichende Beratung vornimmt oder wenn er zur so genannten "Spontanberatung" verpflichtet ist. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sich Hinweise auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherungsverhältnisses - z. B. des Antrags auf freiwillige Weiterversicherung - dem Sachkundigen quasi auf den ersten Blick aufdrängen (Erlenkämper/Fichte a. a. O., S. 147). Der Sozialleistungsträger ist hingegen nicht verpflichtet, den Berechtigten ohne konkrete Bitte auf alle möglichen Rechtsvor- oder Nachteile aufmerksam zu machen, die nur unter bestimmten Umständen eintreten können (Erlenkämper/Fichte a. a. O.). Angesichts dessen, dass noch bis November 1992 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Invalidität vorlagen, war die Gestaltungsmöglichkeit, 1992 die freiwillige Weiterversicherung zu beantragen, nicht "naheliegend". Dies wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn diese Gestaltung von jedem vernünftigen Versicherten in der gleichen Situation wie die Klägerin genutzt worden wäre und sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängte (vgl. Seewald in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, Rn 19 zu § 14 SGB I). Dies war vorliegend nicht der Fall. Ein Zeitraum von fast einem Jahr, der verstreichen müsste, bevor die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erlöschen, lässt die Antragstellung auf freiwillige Weiterversicherung noch nicht als "naheliegende" Gestaltungsmöglichkeit ansehen, welche sich dem Sachbearbeiter geradezu aufdrängen muss, da insbesondere auch die Möglichkeit der erneuten Arbeitsaufnahme und damit der Entrichtung von Pflichtbeiträgen bestand.

Abgesehen hiervon ist die Klägerin bei Würdigung des medizinischen Sachverhaltes nicht berufs- bzw. erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Abs. 2 SGB VI.

Berufsunfähig ist gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI derjenige, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Gemäß S. 2 der Vorschrift umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit bestimmt sich nach der qualitativen Wertigkeit des bisherigen Berufs, welcher nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ist (BSG, Urteil vom 27. Februar 1997, 13 RJ 5/96, NZS 1997, S. 478/479).

Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten ein leistungsgeminderter Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, hat das BSG ein Mehrstufenschema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Danach gibt es die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, SozR 2200 Nr. 103 zu § 1246 RVO). Im Rahmen dieses Schemas kann jeder Versicherte auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind als der bisherige Beruf. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden. Da die Klägerin zuletzt den Beruf der Erntehelferin im Obstbau, eine ungelernte Tätigkeit, ausgeübt hat, kann sie auch auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, so dass eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich ist. Zutreffend hat das SG daher ausgeführt, dass sich im Fall der Klägerin die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit mit denen der Erwerbsunfähigkeit decken.

Gemäß § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI ist derjenige Versicherte erwerbsunfähig, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Nach der "konkreten Betrachtungsweise" der sozialgerichtlichen Rechtsprechung liegt Erwerbsunfähigkeit (auf Zeit) bereits dann vor, wenn gesundheitsbedingt keine vollschichtige Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei praktischer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes vorliegt (vgl. Niesel in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, Rn 19 zu § 44 SGB VI).

So liegt der Fall der Klägerin jedoch nicht. Diese ist mit den von der Beklagten bereits genannten qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig in leichten körperlichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einsetzbar. Für die Zeit bis zum 01. Januar 1993 wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist auszuführen, dass dies auch für die anschließende Zeit zutrifft. Soweit Dr ... in seinem Gutachten ausführt, die tägliche Arbeitszeit solle fünf bis sechs Stunden im Sinne des Arbeitstrainings nicht überschreiten, deckt sich dies zwar mit den Ausführungen des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens. Die entsprechend von dem Gutachter als anzustreben angesehene schonende Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ist jedoch allenfalls unter "Fürsorgegesichtspunkten" nachvollziehbar. Aus dem Gesundheitszustand der Klägerin ergibt sich eine solche Einschränkung jedoch nicht. Allein entscheidend ist aber, inwieweit eine Leistungseinschränkung durch bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen bedingt ist (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 23. März 2000 - B 13 RJ 61/99 R, S. 6 des amtlichen Umdrucks). Dr. Herrmann führt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Mai 1997 jedoch explizit aus, dass die Persönlichkeitsbesonderheit der Klägerin eine verminderte Anstrengungsbereitschaft impliziere, Leistungen zu erbringen und die Belastungsfähigkeit nach relevanter körperlicher Beeinträchtigung im Sinne des Arbeitstrainings hierdurch erhöht werde sowie auch eine - für möglich gehaltene, jedoch nicht gewisse - Konversion in eine neue körperliche Beschwerdesymptomatik verhindert werden solle. Dies impliziert, dass zum einen nicht wegen krankheitsbedingter Veränderungen der Persönlichkeit, sondern wegen der bestehenden Persönlichkeitsbesonderheit, die an sich keinen Krankheitswert hat, und zum anderen aus nicht näher verifizierten Präventionsgesichtspunkten heraus eine zunächst unter vollschichtige Arbeitsaufnahme empfohlen wird. Die entsprechende Einschränkung der Arbeitszeit auf "zu Beginn 5 bis 6 Stunden täglich", zu der der Gutachter gelangt, stellt sich demgemäß nicht als krankheitsbedingt dar. Angesichts dessen ist von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen.

Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken und ohne Maschinen- und Fließbandarbeit und ohne Nässe/Kälte-Exposition, ist die Klägerin selbst dann, wenn man darin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 80, 24, 33) sieht, noch als Pförtnerin an einer Nebenpforte vollschichtig einsetzbar. Eine Verweisung auf diese Tätigkeit, die körperlich leicht ist und überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit aufzustehen und umherzulaufen ausgeübt wird, ohne dass besonderer Zeitdruck, Gefährdung durch Kälte, Nässe oder Zugluft, einseitige Körperhaltungen, Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten oder Maschinenarbeit anfielen, ist vom BSG wiederholt zugelassen worden, so in den Urteilen vom 13. Juli 1988 (5/4 RJ 19/87) sowie in zwei Urteilen vom 22. Oktober 1996 (13 RJ 35/95 und 13 RJ 81/95).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, § 160 Abs. 2 SGG, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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