L 1 SB 11/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 SB 12/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 11/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. Januar 2001 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug zu einem Drittel zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die schwerbehinderte Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist und deshalb die Voraussetzung für das Merkzeichen "aG" erfüllt.

Bei der im ... geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 01. Juli 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Januar 1995 folgende Behinderungen fest: Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks beidseits, Kunstgelenkersatz der Hüfte links sowie Beinverkürzung rechts. Der Gesamt-Grad der Behinderung (GdB) betrage 50. Die Klägerin erfülle die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Am 03. Januar 1997 stellte die Klägerin bei dem Beklagten unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen einen Antrag auf Erhöhung des GdB, auf Eintragung von Merkzeichen und auf Feststellung weiterer Behinderungen und des GdB. Neben dem Vorliegen neuer Behinderungen seit der letzten Feststellung hätte sich links das Kunstgelenk verschlimmert. Sie habe seit 3 1/2 Jahren Beschwerden. Es bestehe ein beiderseitiges Hüftleiden.

Der Beklagte zog daraufhin medizinische Unterlagen über die Klägerin von der Klinik für Orthopädie der Z ...kliniken B ... C ... und von der AOK S ... bei. Ferner holte er Befundberichte von Dipl.-Med. A ..., Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie in L ..., ein. Dr. N ..., Facharzt für Innere Medizin beim ärztlichen Dienst des Beklagten, führte unter dem 09. Februar und 26. April 1997 unter anderem aus, hinsichtlich des Merkzeichens "aG" bestehe kein Vergleich mit Doppeloberschenkelamputierten.

Unter dem 16. Mai 1997 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, indem er nunmehr als Behinderungen einen Kunstgelenk- ersatz der Hüfte beidseits sowie einen Speiseröhrengleitbruch feststellte. Die Behinderungen bewirkten einen GdB von 50. Weitere Gesundheitsstörungen lägen bei der Klägerin nicht vor bzw. seien nicht nachgewiesen. Sie erfülle die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G", die gesundheitlichen Voraussetzungen für die übrigen Merkzeichen lägen nicht vor. Dagegen legte die Klägerin am 17. Juli 1997 Widerspruch ein. Der GdB sei zu niedrig eingestuft worden, ebenso die Einstufung mit dem Merkzeichen "G". Auch sei der "behinderten Parkschein" abgelehnt worden.

Der Beklagte zog daraufhin erneut Krankenunterlagen von der Klinik für Orthopädie der Z ...kliniken B ... bei. In einem von Dr. St ..., Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie in B ..., eingeholten Befundbericht teilte dieser mit Schreiben vom 13. August 1997 unter anderem mit, bei der Klägerin liege eine Dysplasiecoxarthrose beidseits mit Zustand nach Hüft-TEP beidseits, eine Hüft-TEP-Lockerung links vor. Es bestehe eine maximale Gehstrecke von 100 bis 150 Metern. Eine Unterarmstütze werde verwandt. Die TEP-Wechsel-Operation sei nach der geplanten Magen-Operation vorgesehen. Dr. V ..., Facharzt für Innere Medizin im ärztlichen Dienst des Beklagten, stellte am 21. September 1997 fest, bei der Klägerin liege eine TEP-Implantation im Bereich der Hüftgelenke vor. Nach den Anhaltspunkten 1996 sei hierfür ein GdB von 40 festzustellen. Gleichzeitig bestehe aber eine Lockerung der TEP links, so dass ein TEP-Wechsel vorgesehen sei. Erhöht werde der GdB durch die Tatsache, dass in beiden Hüftgelenken deutliche (links erhebliche) Bewegungseinschränkungen beständen. Unter Einbeziehung des Beckenschiefstandes von 3 cm resultiere ein GdB von 60. Trotzdem könne das Merkzeichen "aG" nicht vorgeschlagen werden, da die Klägerin nicht zum Personenkreis laut Nr. 31 Abs. 3 der Anhaltspunkte 1996 gehöre und eine Gleichstellung nicht ausreichend zu begründen sei. Auch das Merkzeichen "B" sei nicht gerechtfertigt, da die Klägerin mit einer Unterarmstütze laufe.

Der Beklagte half dem Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 16. Mai 1997 teilweise ab (Teilabhilfe-Bescheid vom 17. November 1997). Der GdB wurde für die Zeit ab 13. August 1997 mit 60 festgestellt unter Beibehaltung der bisher festgestellten Behinderungen. Die gesundheitlichen Voraussetzung für alle Merkzeichen mit Ausnahme des Merkzeichens "G" würden von ihr nicht erfüllt. Soweit dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, hat der Beklagte diesen mit Widerspruchsbescheid vom 05. Januar 1998 abgewiesen. Als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung - Merkzeichen "aG" - seien solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen könnten. Hierzu zählten Querschnittsgelähmte, Doppel- oberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande seien, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert seien, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung - auch aufgrund von Erkrankungen - dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen seien. Eine derartig schwere Bewegungseinschränkung, wie sie für den oben genannten Personenkreis zutreffe, habe bei ihr nicht festgestellt werden können. Auch könne sie nach Art und Ausmaß ihrer Behinderung nicht dem oben genannten Personenkreis gleichgestellt werden. Die Feststellung des Merkzeichens "aG" sei daher nicht möglich.

Die Klägerin erhob am 15. Januar 1998 unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen - auch im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens - beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage, mit der sie zunächst die Feststellung eines höheren GdB und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" begehrte, später auch für das Merkzeichen "B".

Am 05. Februar 1998 wurde bei der Klägerin ein Hüftpfannenwechsel links vorgenommen. Vom 03. März bis 07. April 1998 befand sie sich zu einer stationären Anschlussheilbehandlung in der Orthopädisch/Rheumatologischen Klinik der Klinik Ba ... Im Entlassungsbericht der Klinik vom 28. April 1998 wurde hinsichtlich des Rehabilitationsverlaufes und -ergebnisses unter anderem ausgeführt, die anfangs körperlich recht geschwächte Klägerin sei nur entsprechend stufenweise mäßig belastbar gewesen. Die zur Anschlussheilbehandlung befundgezielt eingesetzten komplexen Physiotherapieanwendungen mit Schwerpunkt in der Mobilisationsbehandlung des linken Hüftgelenkes/Gangschule seien dabei zunehmend besser vertragen worden und bewirkten eine gute allgemeine Muskelkraftstabilisierung bei Verbesserung der beschwerdefreien Laufleistung auf zuletzt 1.000 Meter mit zwei Unterarmstützen im sicheren Gang, links wenig hinkend. Auch die Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk hätten praktisch völlig behoben werden können, wenn auch bedingt durch die Mobilisierung zeitweise Schmerzen im linken Schulter- und Handgelenk angegeben worden seien.

Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung des Entlassungsberichtes der Klinik Ba ... Ferner hat es Befundberichte von Dr. Sch ..., Facharzt für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe in B ..., von Dr. St ..., Dr. O ..., Praktischer Arzt in Cl ..., Dr. G ..., Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie und Chefarzt der Inneren Klinik des D ...krankenhauses C ... L ..., sowie von Prof. Dr. Schr ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Kinderneuropsychiatrie/Psychotherapie in W ..., eingeholt. Von Dr. Ge ..., Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie in C ..., hat das Gericht ein fachorthopädisches Gutachten erstellen lassen. In seinem Gutachten vom 25. November 1999 diagnostizierte er:

- Hochschmerzhafte Pseudolumboischialgie linksseitig mit schwerer muskuläre Dysbalance, Segmentinstabilitätszeichen der Lendenwirbelsäule und aufsteigendem Schmerzsyndrom in die Hals-und Brustwirbelsäule,
- Hüft-TEP links mit bereits erfolgtem Pfannenwechsel und erneuter leichter Lockerung der Pfanne (klinisch nicht im Vordergrund),
- Hüft-TEP rechts, ohne pathologischen Befund,
- Rheumatoidarthritis mit Basistherapie ohne bereits bestehende Gelenkdeformierungen, jedoch Funktionseinschränkung der rechten Hand im Sinne des morgendlichen Anlaufschmerzes,
- Zustand nach Speiseröhrengleitbruchoperation,
- Verdacht auf ständig zunehmende endogene Depression mit Ausbildung eines chronischen Schmerzsyndroms.

Ferner führte er aus, im Bereich der Gehstrecke werde noch zur Kurbehandlung 1998 eine maximale Laufleistung von 1.000 Meter mit zwei Unterarmstützen beschrieben. Bei der Erstanamneseerhebung in der Praxis seien maximal 100 Meter angegeben worden. Diese maximal mögliche Gehstrecke sei durch ihn nochmals hinterfragt worden. Es sei eine Wegstrecke um 500 Meter angegeben worden, bei der jedoch mehrere Pausen notwendig seien. Das eingeschränkte Gehvermögen mit diesem deutlichen Überhang-, Trendelenburg- und auch Versteifungshinken sei auch ohne Unterarmstützen möglich, die Klägerin sei mit Sicherheit in der Lage, mit Unterarmstützen 500 Meter zurückzulegen. Auch wenn hier noch ein oder zwei Pausen notwendig sein sollten, bestehe mit Sicherheit noch nicht eine Vergleichbarkeit mit der Personengruppe, der das Merkzeichen "aG" zustehe. Die Klägerin sei objektiv in der Lage, mit zwei Unterarmstützen außerhalb ihres Pkw s mindestens 500 Meter zurückzulegen. Ein oder zwei ggf. auch mehr Zwangspausen seien notwendig. Die mögliche Gehstrecke liege noch beachtlich über dem, was einem an beiden Oberschenkeln Amputierten zugemutet werden könne. Die Klägerin sei nicht mindestens genauso schwer gehbehindert wie ein einseitig Oberschenkelamputierter, der sein Kunstbein nicht tragen könne, der eine Beckenkorbprothese trage und der gleichzeitg noch armamputiert sei. Das Gehvermögen der Klägerin könne mit keiner der Personengruppen, denen das Merkzeichen "aG" zustehe, verglichen werden. Vordergründig für dieses sich verschlechternde Fortbewegungsvermögen sei aus seiner Sicht die massive Lumboischialgie mit muskulärer Dysbalance. Die eigentliche Hüft-TEP stehe trotz des Pfannenwechels für ihn nicht für die Gehbehinderung im Vordergrund. Das Gehen sei auch ohne Unterarmstützen möglich, hier sei ein deutliches Trendelenburghinken, Verkürzungshinken mit Versteifungskomponente erkennbar. Die Einbeinstandphase sei eingeschränkt, aber noch möglich. Obwohl es sich um ein progredientes Leiden handele, seien der Klägerin doch noch Wegstrecken über 100 Meter zumutbar. Es bestehe keine akute Gefahr, dass bei Gehstrecken über 100 Meter eine erhebliche Verschlimmerung eintrete. Trotz der Lockerungstendenz der Pfanne linksseitig sei das eingeschränkte Gehvermögen nicht durch die Hüfte allein bedingt. Auch beständen klinisch nicht die typischen Lockerungszeichen. Weiterhin bestehe nur ein geringes Streckdefizit im Bereich beider Hüftgelenke. Die Klinik habe keinen TEP-Wechsel durchgeführt, weil die Pfannenlockerung links nicht ursächlich für das Beschwerdebild zuständig gewesen sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2001 stellte Dr. Ge ... unter anderem fest, aufgrund der objektiven orthopädischen Krankheiten sei die Klägerin bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen angewiesen.

In der Zeit vom 28. März bis 25. April 2000 befand sich sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Schmerzklinik des D ...Krankenhauses C ...- ... In einem Arztbericht Dr. R ..., Chefarzt der Schmerzklinik, vom 09. Mai 2000 wurden ein chronisches Schmerzsyndrom bei angeborener Hüftdysplasie und Zustand nach TEP rechts 1996, TEP links 1992 und TEP-Wechsel 1998, ein chronisches Schmerzsydrom (cervical, lumbal), ein Zustand nach Fundoplicatio 1997 bei Oesophagusgleithernie, anamestisch eine Rheumatoidarthritis sowie anamestisch ein Hepatitis B positiv diagnostiziert. Hinsichtlich des Verlaufs der Therapie wurde ausgeführt, unter den gesamttherapeutischen Maßnahmen habe die Klägerin eine deutliche Schmerzreduktion erreicht, Schmerzspitzen seien ausgeblieben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 08. Januar 2001 hat der Beklagte folgendes Teilanerkenntnis abgegeben: "Zusätzlich zu den im Bescheid vom 17.11.1997 festgestellten Behinderungen werden bei gleichbleibendem GdB als weitere Behinderungen festgestellt: - "Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Schmerzausstrahlung in das linke Bein und chronischem - Schmerzsyndrom, depressives Syndrom, - Rheumatoidarthritis." Dieses Teilanerkenntnis wurde von der Klägerin angenommen und der Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Auf mündliche Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 08. Januar 2001 den Bescheid des Beklagten vom 16. Mai 1997 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 17. November 1997 und des Widerspruchsbescheides vom 05. Januar 1998 teilweise aufgehoben und den Beklagten verurteilt, ab 01. Februar 1998 einen GdB von 70 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "aG" festzustellen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 70 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "aG" antragsgemäß ab 01. Februar 1998. Die Kammer halte in dieser Sache einen Gesamt-GdB von 70 für gerechtfertigt. Das von Dr. Ge ... erstattete Gutachten sowie die gutachterliche Stellungnahme zu den medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" rechtfertigten nach Ansicht der Kammer die Feststellung dieses Merkzeichens. Ab 01. Februar 1998 habe die Klägerin ferner auch einen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "aG". Die Kammer habe sich entgegen dem Vorschlag des medizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Gleichstellungstatbestandes erfülle. Sie sei mindestens so schwer gehbehindert wie ein beidseitig Unterschenkelamputierter. Diese Vergleichbarkeit bestehe vordergründig aufgrund der außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik. Der GdB sei dabei nicht maßgeblich. Die Kammer habe sich von der außergewöhnlichen Schmerzhaftigkeit in der mündlichen Verhandlung ein eigenes Bild machen können. Die Klägerin habe sich Morphinpräparate zuführen müssen, um die Schmerzen erträglich zu gestalten. Die mündliche Verhandlung habe aufgrund dessen unterbrochen werden müssen. An der Glaubhaftigkeit dieses außergewöhnlichen Schmerzsyndroms habe die Kammer keinen Zweifel. Dies bestätige gleichermaßen der medizinische Sachverständige sowie die Epikrise des Krankenhauses C ...-R ... Ferner sei die Klägerin nach dem vom Sachverständigen mitgeteilten Befund zwingend gehalten, stets zwei Unterarmstützen zu benutzen. Ansonsten sei eine Fortbewegung zwar möglich, aber wegen der erforderlichen Anstrengung nicht zumutbar. Aufgrund der rheumatischen Erkrankung im Bereich beider Hände sei es ihr regelmäßig jedoch nicht möglich, die Unterarmstützen zu benutzen. Dies erschwere neben der massiven Schmerzhaftigkeit die Fortbewegung noch einmal zusätzlich.

Gegen das dem Beklagten am 27. Februar 2001 zugestellte Urteil hat dieser am 27. März 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt, die sich gegen die Verurteilung, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen, richtet.

Unter dem 05. April 2001 erließ der Beklagte aufgrund des Teilanerkenntnisses vom 08. Januar 2001 und des Urteils des SG vom 08. Januar 2001 einen Ausführungsbescheid, mit dem er vorbehaltlich das Berufungsverfahren vor dem LSG feststellte, dass die Klägerin ab dem 01. Februar 1998 zusätzlich zu dem bereits festgestellten Merkzeichen "G" die gesundheitlichen Vorausetzungen für die Gewährung der Merkzeichen "B" und "aG" erfülle. Ab dem 01. Februar 1998 betrage der GdB 70. Es werde das Vorliegen weiterer Behinderungen zuerkannt: Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Schmerzausstrahlung in das linke Bein und chronischem Schmerzsyndrom, depressives Syndrom sowie Rheumatoidarthritis.

Unter Vorlage einer versorungsärztlichen Stellungnahme von Dipl.-Med. Schö ... vom 15. März 2001 ist der Beklagte der Ansicht, weder aus dem Sachverständigengutachten Dr. Ge ..., noch aus der Epikrise der Klinik C ...-R ... könne eine derartige Schmerzhaftigkeit abgeleitet werden, dass jeder Schritt der Klägerin mit unzumutbaren Schmerzen im Bereich der unteren Extremitäten verbunden sei. Aus dem Ausführungsbescheid vom 05. April 2001 ergebe sich versehentlich auch ein Vorbehalt bezüglich des Merkzeichens "B". Dieses Merkzeichen werde mit der mit der Berufung nicht angefochten, deshalb habe dieser Vorbehalt keine Bedeutung.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Soziaglerichts Chemnitz vom 08. Januar 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist unter Vorlage eines Arztbriefes Dr. W ... vom 06. Juni 2001 auf ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG den Beklagten verurteilt, ab 01. Februar 1998 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" festzustellen. Die Klägerin ist nicht außergewöhnlich gehbehindert und erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG". Die Bescheide des Beklagten vom 16. Mai 1997 und vom 17. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Januar 1998 sind rechtmäßig.

Statthafte Klageart für das Begehren der Klägerin ist eine mit der Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, Az: B 9 SB 3/99 R). Für eine derartige Klage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 54 Rn. 34). Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist daher das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1046), das am 01. Juli 2001 in Kraft getreten ist (Art. 68 Abs. 1 SGB IX).

Nach dem SGB IX hat das Versorgungsamt die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen (§ 69 Abs. 4 SGB IX, früher § 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz -SchwbG- vom 26. August 1986, BGBl. I, Seite 1421) und das Merkzeichen "aG" in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung -SchwbG-AwV in der Fassung von Art. 56 SGB IX). Er berechtigt den Behinderten, bei der Teilnahme am Straßenverkehr Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, die in § 46 Straßenverkehrsordung (StVO) und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschrift vom 22. Juli 1976 (BAnz. 1976 Nr. 142, Seite 3) geregelt sind. Der Ausweis mit dem Merkzeichen "aG" befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und des Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten (BSG SozR 3870 § 3 Nr. 28; BSG, Urteil vom 12. Februar 1997, Az.: 9 RVs 11/95 = SGb 1997, 217). Wann der Nachteilsausgleich "aG" zuzuerkennen ist, richtet sich nach den aufgrund § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zu § 26 Abs. 1 Nr. 1 StVO erlassenen Verwaltungsvorschriften (vgl. BAnz 1976 Nr. 142, Seite 3; vgl. auch Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 -AHP-, Seite 162 ff.). Nach der genannten Verwaltungsvorschrift sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Beispielhaft sind genannt: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.

Bei den in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften enumerativ aufgezählten Behindertengruppen liegen vornehmlich Schädigungen der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß vor, die bewirken, dass Beine und Füße die hinzukommende Funktion der Fortbewegung nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen erfüllen; für eine Gleichstellung mit dem in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften im Einzelnen genannten Personenkreis kommt es deshalb nicht entscheidend auf die vergleichbare allgemeine Schwere der Leiden an, sondern allein darauf, dass die Auswirkungen funktionell gleich zu achten sind. Der Leidenszustand muss also ebenfalls wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste einschränken, wobei es allein darauf ankommt, dass die Auswirkungen funktional im Hinblick auf die Fortbewegung gleich zu achten sind (BSG, Urteil vom 12. Februar 1997, a.a.O.). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn jeder Schritt des Behinderten mit erheblichen Schmerzen im Bereich der Extremitäten verbunden ist und die Fortbehinderung hierdurch zusätzlich erschwert wird (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 2000, Az.: B 9 SB 33/00 B). Insgesamt muss daher das Gehvermögen einer gleichzustellenden Person auf das Schwerste beeinträchtigt und zusätzlich eine Vergleichbarkeit mit den in Satz 2 der Vorschrift aufgezählten Personen gegeben sein (BSG, Urteil vom 11. März 1998, Az.: B 9 SB 1/97 R = SozR 3-3870 § 4 Nr. 23).

Nach Überzeugung des Senats leidet die Klägerin an folgenden Erkrankungen: - Hochschmerzhafte Pseudolumboischialgie linksseitig mit schwerer muskulärer Dysbalance, Segmentinstabilitätszeichen der Lendenwirbelsäule und aufsteigendem Schmerzsyndrom in die Hals- und Brustwirbelsäule, - Hüft-TEP links mit bereits erfolgtem Pfannenwechsel und erneuter leichter Lockerung der Pfanne, - Hüft-TEP rechts, ohne pathologischen Befund, - Rheumatoidarthritis mit Basistherapie ohne bereits bestehende Gelenkdeformierung, jedoch Funktionseinschränkung der rechten Hand im Sinne des morgendlichen Anlaufschmerzes, - Zustand nach Speiseröhrengleitbruchoperation, - anamnestisch Hepatitis B positiv, - depressiv-neurasthenisches Syndrom. Die Überzeugung des Senats gründet sich auf die Ausführungen im Gutachten Dr. Ge ... vom 25. November 1999, im Entlassungsbericht Dr. R ..., D ...Krankenhaus C ...-R ..., vom 09. Mai 2000, in den Befundberichten Prof. Dr. Schr ... vom 14. April 2000, Dr. G ... vom 21. Juli 1999, Dr. O ... vom 05. Juli 1999, Dr. St ... vom 01. Juli 1999, Dr. Sch ... vom 29. Juni 1999 sowie im Entlasungsbericht Dr. Ro ..., Orthopädisch-Rheumatologische Klinik der Klinik Ba ..., vom 28. April 1998.

Zu Recht hat das SG festgestellt, dass die Klägerin nicht zu dem in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO genannten Personenkreis gehört. Entgegen der Auffassung des SG ist die Klägerin jedoch nach Überzeugung des Senats diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen.

Der Orthopäde Dr. Ge ... hat in seinem Gutachten vom 26. November 1999 unter anderem ausgeführt: Das Bewegungsausmaß des rechten Hüftgelenks sei schmerzlos, es bestehe eine für eine Hüft-TEP normale Beweglichkeit. Beim linken Hüftgelenk bestehe nur ein leichtes Streckdefizit von 20 Grad, die Beugefähigkeit sei normal. Ungewöhnlich sei die starke Schmerzhaftigkeit im Hüftgelenk bei jeder Bewegung sowohl in allen Drehbewegungen als auch bei Spreizbewegungen ein erheblicher Leistenschmerz beiderseits. Ein Stauchungsschmerz im Sinne einer Lockerung bestehe nicht, ein Rüttelschmerz sei eher gering vorhanden. Schwerpunkt der Schmerzhaftigkeit im hinteren Rückenbereich sei ein extremer Dehnungsschmerz ligamentum ileolumbale. Es bestehe eine leichte Atrophie der Oberschenkelmuskulatur links. Die Bewegungsausmaße beider Kniegelenke seien im Normbereich, endphasige Beschwerden würden nicht angegeben. Es bestehe eine ausreichende stabile Bandführung in beiden Kniegelenken. Das obere und untere Sprunggelenk seien ohne pathologischen Befund. Es liege ein Spreizfuß mit deutlicher Abflachung des Quergewölbes, Druck- und Bewegungsschmerz der Zehengrundgelenke vor. Bei der Untersuchung der Muskulatur der unteren Extremität hätten keine Lähmungen gefunden werden können. Die arteriellen Durchblutungsverhältnisse seien unauffällig gewesen, die Pulsation der Hinterknöchel- und Fußrückenarterie beidseits normal. Links bestehe ein positiver Pseudolaseguetest ab 80 Grad. Die Endoprothese rechtsseitig habe einen normalen Sitz. Linksseitig liege eine leichte Pfannenlockerung mit Bruch einer Erkerschraube bei Wechseloperation der Hüftpfanne und zementiertem Schaft ohne pathologischen Befund vor. Für die Hüftgelenke wurden folgende Bewegungsmaße mitgeteilt: Streckung/Beugung rechts 0/10/110, links 0/20/110 (normal: 10/0/130); für das Abspreizen/Anführen rechts 40/0/30 und links 20/0/20 (normal: 30-45/0/20-30); für die Drehung auswärts/einwärts rechts 50/0/30 und links 20/0/40 (normal: 40-50/0/30-40). Ferner führte der Gutachter aus, vordergründig sei die Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule und des linken Beines. Hierbei könne die Klägerin nicht zwischen Hüftprothesenwechsel links und ischialgieformen Schmerzen links trennen. Klinisch handele es sich um ein massives Schmerzbild im Bereich der Lendenwirbelsäule, welches durch die statische Überlastung mit extremer Beckenkippung nach ventral ausgelöst worden sei, durch den muskulären Abbau sich verschlechtert habe und immer wiederkehrend mit massiven Schmerzattacken im linken Bein wüte. Auch wenn die Erkerschraube der Prothesenpfanne links erneut gebrochen sei, müsse man klinisch sagen, dass die leichte Lockerung der Pfanne nicht im Vordergrund stehe. Es stehe vielmehr die Segmentinstabilität der Lendenwirbelsäule mit Funktionseinschränkung in allen Bewegungsrichtungen und erheblichen Belastungsschmerzen im Vordergrund. Über diese funktionelle Störung komme es aufsteigend zu Funktionsbeeinträchtigungen der Halswirbelsäule und auch der Brustwirbelsäule. Diese vorgefundenen Funktionsstörungen seien reflektorischer Natur und nicht durch ein eigenes Krankheitsbild erklärbar. Von der Klägerin sei eine maximale mögliche Gehstrecke von 500 Metern angegeben worden, bei der jedoch mehrere Pausen notwendig seien. Das eingeschränkte Gehvermögen mit diesem deutlichen Überhang-, Trendelenburg- und Versteifungshinken sei auch ohne Unterarmstützen möglich, die Klägerin sei mit Sicherheit in der Lage, mit Unterarmstützen 500 Meter zurückzulegen. Auch wenn hier noch ein oder zwei Pausen notwendig sein sollten, bestehe mit Sicherheit noch nicht eine Vergleichbarkeit mit der Personengruppe, denen das Merkzeichen "aG" zustehe. Sie sei objektiv in der Lage, mit zwei Unterarmstützen außerhalb ihres Pkw s mindestens 500 Meter zurückzulegen. Die mögliche Gehstrecke liege noch beachtlich über dem, was einem an beiden Oberschenkeln Amputierten zugemutet werden könne. Sie sei nicht mindestens genauso schwer gehbehindert, wie ein einseitig Oberschenkelamputierter, der sein Kunstbein nicht tragen könne, der eine Beckenkorbprothese trage und der gleichzeitig noch armamputiert sei. Ihr Gehvermögen könne mit keiner der in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO aufgeführten Personengruppen verglichen werden. Vordergründig für das sich verschlechternde Fortbewegungsvermögen sei aus seiner Sicht die massive Lumboischialgie mit muskulärer Dysbalance. Die eigentliche Hüft-TEP stehe trotz des Pfannenwechsels für ihn nicht für die Gehbehinderung im Vordergrund. Das Gehen sei auch ohne Unterarmstützen möglich, hier sei ein deutliches Trendelenburghinken, Verkürzungshinken mit Versteifungskomponente erkennbar. Die Einbeinstandphase sei eingeschränkt, aber noch möglich. Obwohl es sich um ein progedientes Leiden handele, seien der Klägerin noch Wegstrecken über 500 Meter zumutbar. Es bestehe auch keine akute Gefahr, dass bei Wegstrecken über 100 Meter eine erhebliche Verschlimmerung eintrete. Trotz der Lockerungstendenz der Pfanne linksseitig sei das eingeschränkte Gehvermögen nicht durch die Hüfte allein bedingt. Auch beständen klinisch nicht die typischen Lockerungszeichen. Weiterhin besteht nur ein geringes Streckdefizit im Bereich beider Hüftgelenke. Die Klinik habe keinen TEP-Wechsel durchgeführt, weil die Pfannenlockerung links nicht ursächlich für das Beschwerdebild zuständig gewesen sei.

Der Senat schließt sich den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen an. Das Gutachten ist in Erhebung der Befunde, in der würdigenden Bewertung der Vorgeschichte und der bereits erhobenen Befunde sowie in der Beantwortung der Beweisfragen sachkundig erstellt, nachvollziehbar und im Ganzen schlüssig.

Das Krankheitsbild der Klägerin ist nicht durch eine statische, ständig gleichbleibende Beeintächtigung der unteren Extremitäten, sei es durch Amputation, sei es durch Lähmung, gekennzeichnet, so dass eine pauschale Gleichstellung mit den in der Verwaltungsvorschrift ausdrücklich genannten Krankheitenzuständen ausscheidet. Vielmehr kommt es auf die individuelle Ausformung des Leidens und seine Intensität sowie auf die Auswirkung auf das Gehvermögen im konkreten Einzelfall an. Als Vergleichsmaßstab ist dabei am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (vgl. Rohr/Strässer, AHP-Kommentar, Nr. 31 Abs. 4). Im Vergleich zu einem Doppeloberschenkelamputierten ist jedoch das Gehvermögen der Klägerin als wesentlich besser einzuschätzen. Ein Doppeloberschenkelamputierter ist nicht mehr in der Lage, ohne Unterarmstützen zu gehen oder einen Einbeinstand durchzuführen. Die Klägerin kann jedoch auch ohne Unterarmstützen gehen, die Einbeinstandphase ist bei ihr eingeschränkt noch möglich. Ebenso ist sie in der Lage, mit zwei Unterarmstützen außerhalb ihres Pkw s mindestens 500 Meter zurückzulegen. Dies kann ein Doppeloberschenkelamputierter nicht mehr. Aufgrund des noch bei der Klägerin bestehenden Geh- und Stehvermögens ist sie auch gegenüber Querschnittsgelähmten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüftexartikulierten und einseitig Oberschenkelamputierten, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, besser gestellt. Nach Überzeugung des Senats ist weder das Gehvermögen der Klägerin wie das des in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift § 46 StVO genannten Personenkreises auf das Schwerste beeinträchtigt noch ist eine Vergleichbarkeit mit den in der Vorschrift aufgezählten Personen gegeben. Aufgrund der schmerztherapeutischen Behandlung in der Schmerzklinik des D ...Krankenhauses C ...-R ... hat die Klägerin eine deutliche Schmerzreduktion erreicht, Schmerzspitzen sind ausgeblieben (vgl. Entlassungsbericht vom 09. Mai 2000).

Nach Auffassung des Gutachters, der sich der Senat insoweit anschließt, besteht auch keine akute Gefahr, dass bei Wegstrecken über 100 Meter eine erhebliche Verschlimmerung eintritt, also der Nachteil, der ausgeglichen werden soll, bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des schwerbehinderten Menschen (hier Verzicht auf jedes überflüssige Gehen) zeitlich hinausgezögert werden kann. Für das Vorliegen einer so schwerwiegenden Verschlimmerungsgefahr (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 1998, Az.: B 9 SB 1/97 R = SozR 3-3870 § 4 Nr. 23) ergeben sich aus den vorliegenden Akten jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung des SG ist es der Klägerin auch regelmäßig möglich, an zwei Unterarmstützen zu gehen. Der Gutachter Dr. Ge ... hat lediglich eine Weichteilschwellung im Bereich der Grundgelenke II, III und IV festgestellt, jedoch keinen Anhalt für rheumatische Knochenveränderungen im Handgelenksbereich. Die Beweglichkeit im linken Handgelenk sowie in allen Fingergelenken war unauffällig, die Bewegungsausmaße des rechten Handgelenks und aller Finger lagen im Normbereich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztbrief Dr. W ... vom 06. Juni 2001. Als Diagnose gibt dieser einen Zustand an der Pfannenwechsel an der linken Hüfte an und äußert den Verdacht auf eine Protheseninfektion. Gleichzeitig berichtet er, die Klägerin laufe mit zwei Unterarmstützen. Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens auf das Schwerste ergibt sich jedoch auch daraus nicht.

Eine Erkrankung innerer Organe der Klägerin, die eine Gleichstellung rechtfertigen, wie beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungswege mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades (AHP Nr. 31, S. 168) wurden von den behandelnden Ärzten nicht diagnostiziert. Ebenso wenig ergeben sich aus den vorliegenden Akten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer derartigen Erkrankung. Nach alledem hatte die Berufung Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved