L 11 B 30/03 KA ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 136/02 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 B 30/03 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.04.2003 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Beteiligung an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Beschluss vom 30.04.2001 lehnte der Antragsgegner es ab, ihn bedarfsunabhängig oder bedarfsabhängig als psychologischen Psychotherapeuten zuzulassen, weil es u.a. an der erforderlichen Approbation fehle. Der diesbezügliche Rechtsstreit ist unter dem Az S 14 KA 122/01 beim SG Dortmund, der auf Erteilung der Approbation gerichtete Rechtsstreit unter dem Az 7 K 5811/99 beim VG Gelsenkirchen anhängig.

Die Anträge des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihn einstweilig bis zur Rechtskraft der Entscheidung über seinen Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung als psychologischer Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, hilfsweise an der Kostenerstattung mit der Maßgabe teilnehmen zu lassen, dass gegenüber seinen Anträgen oder denjenigen seiner Patienten nicht eingewendet werden dürfe, es stünden ausreichend vertragsärztliche Behandler zur Verfügung, hilfsweise bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Zulassung zur Kostenerstattungstherapie an der Kostenerstattung mit der Maßgabe teilnehmen zu lassen, dass gegenüber seinen Anträgen oder denjenigen seiner Patienten nicht eingewendet werden dürfe, es stünden ausreichend vertragsärztliche Behandler zur Verfügung, hat das Sozialgericht Dortmund (SG) mit Beschluss vom 10.04.2003 mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht bis zum 31.03.1999 die Approbationsurkunde vorgelegt (§ 95 Abs. 10 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Das Kostenerstattungsverfahren sei sei Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) nicht mehr existent. Ob Art 10 EinfG-PsychThG insoweit übergangsweise einen Bestandsschutz für Kostenerstattungstherapeuten beinhalte, könne dahingestellt bleiben, weil hierauf jedenfalls keine Erweiterung der bis zum 31.12.1998 erworbenen Rechtsposition gestützt werden könne. Um eine solche gehe es dem Antragsteller jedoch, weil die Kostenerstattungstherapeuten eine förmliche Rechtsposition im Sinne der Anträge bis zum 31.12.1998 nicht inne gehabt hätten.

Mit der Beschwerde trägt der Antragsteller vor, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei offen. Im Rahmen der danach gebotenen Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, dass die Dauer des schwebenden Verfahrens zu erhebliche Umsatzeinbußen geführt habe (Umsatz 1999 insgesamt 121.195 DM, davon 44 % gesetzlich Versicherte, 2003 insgesamt hochgerechnet 59.610 DM, davon 7 % gesetzlich Versicherte).

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat es zu Recht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.

Hinsichtlich des Hauptantrages sind die Erfolgsaussichten der Klage offen und unter anderem vom Ausgang des beim VG Gelsenkirchen anhängigen Rechtsstreits abhängig. Die dort zu beurteilende Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Approbation als psychologischer Psychotherapeut hat, ist für den Antragsgegner ebenso wie für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit vorgreiflich (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 42/02 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Die danach gebotene Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.

Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits eingehend dargelegt hat, ist es dem Antragsteller grundsätzlich zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das gilt umso mehr, als er nicht eine Beibehaltung seiner bisherigen Lage, sondern eine Erweiterung seiner beruflichen Betätigungsfelder erstrebt. Da die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V durch die Eingliederung der Psychotherapeuten in das System der vertragsärztlichen Versorgung unverändert geblieben sind, droht ihm allein eine Verschlechterung seiner Erwerbschancen. Diese hat sich im vorliegenden Fall zwar realisiert. Das ist jedoch, wie das BVerfG ebenfalls ausgeführt hat, hinzunehmen, weil das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs. 1 GG) keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der Konkurrenzsituation bietet (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1797, 1780 f.).

Das aus Art 19 Abs. 4 Satz 1 GG abzuleitende Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt im vorliegenden Fall keine abweichende Beurteilung. Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller durch ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den Fall seines dortigen Obsiegens ein unwiederbringlicher Nachteil droht. Er hat insbesondere keine Umstände dargelegt, die seine Praxis in der Substanz bedroht erscheinen ließen. Vielmehr hat er aufgrund des vorgelegten Zahlenmaterials seit dem Jahr 2000 mit Privatbehandlungen kontinuierlich einen durchschnittlichen Umsatz von rund 50.000 DM jährlich erwirtschaftet, den er entsprechend seiner Hochrechnung im Jahr 2003 offenbar sogar noch hat steigern können. Der zunehmende Rückgang gesetzlich versicherter Klienten hat damit zwar insgesamt zu einem - aus den dargelegten Gründen hinzunehmenden - Umsatzrückgang geführt, ist jedoch zum Teil und in letzter Zeit offenbar sogar in steigendem Maße durch Privatbehandlungen kompensiert worden. Dementsprechend ist der Antragsteller unverändert in der Lage, seine durch ein etwaiges Obsiegen in der Hauptsache und die damit verbundene unbeschränkte Möglichkeit zur Behandlung gesetzlich versicherter Klienten erweiterten Erwerbschancen durch eine funktionsfähige Praxis unmittelbar zu nutzen.

Hinsichtlich der Hilfsanträge scheitert der Erlass einer einstweiligen Anordnung daran, dass der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

Soweit er verlangt, im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V an der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter teilnehmen zu dürfen, ohne dass hierbei ein entsprechender Sicherstellungsbedarf geprüft wird, fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Der Anspruch auf Kostenerstattung für den Fall des Systemversagens ist allein ein Anspruch der Versicherten, der dem Behandler keine eigene schützenswerte Rechtsposition verschafft. Erst recht gibt es eine solche nicht unabhängig von den in § 13 Abs. 3 SGB V geregelten auf den jeweiligen Einzelfall bezogenenen Voraussetzungen. Da diese Voraussetzungen durch das PsychThG unverändert geblieben sind und § 13 Abs. 3 SGB V den im Rahmen der Kostenerstattung tätigen Psychotherapeuten mithin auch vor dem 01.01.1999 keine eigene schützenswerte Rechtsposition vermittelt hat, ist eine solche auch nicht übergangsweise durch Art 10 EG-PsychThG zu schützen. Mit Rücksicht hierauf kann die weitergehende Frage, ob gegenüber den beigeladenen Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbänden gegebenenfalls gemäß § 75 Abs. 5 SGG eine einstweilige Anordnung ergehen könnte, dahingestellt bleiben.

Erst recht scheitert der Antragsteller mit seinem weiteren Antrag auf Zulassung zur Kostenerstattungstherapie. Einen derartigen Zulassungsanspruch hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Folglich gibt es ihn auch nicht übergangsweise.

Im Übrigen fehlt es hinsichtlich beider Hilfsanträge auch am Anordnungsgrund. Der Antragsteller erstrebt mit ihnen letztlich den Schutz vor einer Konkurrenzsituation, die sich infolge einer zunehmend restriktiveren Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V durch die Krankenkassen wegen der ausreichenden Verfügbarkeit niedergelassener Vertragspsychotherapeuten ergibt. Hierin ist aus den bereits dargelegten Gründen jedoch kein wesentlicher Nachteil im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu sehen, der im Wege der einstweiligen Anordnung abgewehrt werden müsste.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwal- tungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz. Es ist davon auszugehen, dass es dem Antragsteller wirtschaftlich darum geht, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (deren voraussichtliche Verfahrensdauuer der Senat auf etwa noch ein Jahr schätzt) seine psychotherapeutische Tätigkeit zugunsten gesetzlich Versicherter etwa im Umfang des Jahres 1999 weiterzuführen. Im Jahr 1999 hat er ausweislich seiner eigenen insoweit Angaben einen Umsatz von 53.326 DM erzielt, also 49.153 DM als er 2003 mutmaßlich erzielen wird. Bei der im Rahmen von Zulassungstreitigkeiten anzusetzenden Kostenquote von rund 40 % ergibt sich gerechnet auf ein Jahr damit ein Gewinn von rund 15.000 EUR.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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