L 1 SB 29/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 SB 72/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 29/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2000 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 13. März 2001 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den beim Kläger festzustellenden Grad der Behinderung (GdB).

Bei dem im ... geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 16 Dezember 1992 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, einen Leberschaden sowie eine Gonarthrose fest. Der GdB betrage 30.

Ein vom Kläger im Oktober 1994 gestellter Antrag auf Feststellung weiterer Behinderungen, Verschlimmerung bereits bestehender Behinderungen und auf Erhöhung des GdB blieb erfolglos (Bescheid vom 04. Januar 1995). Am 20. Mai 1997 stellte der Kläger bei dem Beklagten erneut einen Antrag (sinngemäß) auf Feststellung weiterer Behinderungen, Verschlimmerung bereits bestehender Behinderungen und auf Erhöhung des GdB. Dabei gab er an, "das Schädelhirn-Trauma, die linken Rippen und die rechte Wade" hätten sich verschlimmert. Neu aufgetreten seien Kopfschmerzen, Rippenschmerzen, ein zweimaliger Bruch der Rippen, eine Prellung der Wade sowie u. a. Beschwerden im HWS-Nacken- Schulter-Bereich mit Ausstrahlung in den rechten Arm.

Der Beklagte holte daraufhin Befundberichte von Dr. O ..., Facharzt für Chirurgie in L ..., von Dr. J ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin in L ..., sowie von Dipl.-Med. Sch ..., Facharzt für Orthopädie in L ..., ein. Er hat medizinische Unterlagen vom Kreiskrankenhaus B ... beigezogen. Dipl.-Med. P ..., Versorgungsärztlicher Dienst, gelangte unter dem 23. September 1997 zu der Einschätzung, bei dem Kläger liege eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen vor (Einzel-GdB 20), ein psychovegetatives Syndrom (Einzel-GdB 20), ein Leberschaden (Einzel-GdB 20) sowie Krampfadern rechts und eine Funktionsminderung bei Knorpelschäden beider Kniegelenke (Einzel-GdB 10). Der Gesamt-GdB betrage 40. Der Befundbericht von Dr. O ... sei knapp vier Wochen nach der Rippenfraktur erhoben worden, da seien Restbeschwerden nicht ungewöhnlich. Im aktuellen Hausarztbefund seien keine Folgen nach Rippenfraktur, SHT und Wadenkontusio mehr beschrieben. Die Kopfschmerzen seien bei der Feststellung des psychovegetativen Syndroms berücksichtigt worden.

Unter dem 15. Oktober 1997 erließ der Beklagte einen Änderungs- Bescheid. Als Behinderung wurden nunmehr festgestellt:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen,
2. psychovegetatives Syndrom,
3. Leberschaden,
4. Krampfadern rechts, Funktionsminderung bei Knorpelschäden beider Kniegelenke.
Die festgestellten Behinderungen bewirkten ein GdB von 40 für die Zeit ab 20. Mai 1997. Weitere Gesundheitsstörungen lägen bei dem Kläger nicht vor bzw. seien nicht nachgewiesen.

Dagegen legte der Kläger am 21. Oktober 1997 Widerspruch ein. Es seien noch unfallbedingte Nachwirkungen vorhanden: Narbe am Auge (Elektrifizierung).

Der Beklagte holte daraufhin erneut einen Befundbericht von Dr. J ... ein. In ihrem Befundbericht vom 19. November 1997 teilte sie mit, die ca. 4 cm große Augenbrauennarbe rechts sei chirurgisch versorgt worden. Während des stationären Aufenthaltes habe keine neurologische Herzsymptomatik festgestellt werden können. Eine nochmalige Diagnostik beim Neurologen im September 1997 habe keine pathologischen Befunde erbracht. Die geklagten Beschwerden des Klägers seien zurzeit nicht objektivierbar. Dr. S ..., Ärztlicher Dienst des Beklagten, stellte am 7. Januar 1998 fest, infolge eines Arbeitsunfalls habe eine Augenbrauenplatzwunde rechts bestanden, die bei stationärer Entlassung primär reizlos verheilt gewesen sei. Nachwirkungen oder Restfolgen diesbezüglich seien ärztlich nicht belegt. Von Dr. O ... sei kein Hinweis auf Restfolgen angegeben worden. Die Nachuntersuchung beim Neurologen habe keine pathologischen Befunde erbracht. Eine Behinderung mit einem GdB von mindestens 10 könne nicht festgestellt werden. Die vorliegenden Befunde rechtfertigten keine Anhebung des Gesamt-GdB.

Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. März 1998). Die Prüfung habe ergeben, dass der Beklagte den Sachverhalt zutreffend gewürdigt habe und die getroffene Entscheidung rechtsfehlerfrei sei. Die Behinderung und der GdB seien in Übereinstimmung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften vollständig erfasst und mit einem GdB von 40 richtig bewertet worden. Der Kläger sei deshalb nicht schwerbehindert (Mindest-GdB 50). Nicht berücksichtigt werden hätten die geltend gemachten Nachwirkungen seines Unfalls, da diese nach den eingeholten Befunden medizinisch nicht nachgewiesen werden konnten. Die Augenbrauenplatzwunde am rechten Auge sei nach dem mitgeteilten Befund primär reizlos verheilt. Auch die neurologische Nachuntersuchung habe keine pathologischen Befunde erbracht.

Am 23. März 1998 erhob der Kläger beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens legte er verschiedene medizinische Unterlagen vor. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dipl.-Med. Sch ..., Dr. J ... und Dr. Jä ..., Orthopädin in L ... Es hat von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft von Prof. Dr. G ..., Facharzt für Chirurgie und Traumatologie sowie leitender Chefarzt des E ... D ...krankenhauses in L ... (Gutachten vom 24. September 1997), von Dr. Gü ..., leitender Arzt des Fachbereiches Neurochirurgie des Städtischen Klinikums "S ..." L ... (Gutachten vom 30. Juni 1998) und von Dr. Ga ..., Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Handchirurgie und Chefarzt des Zentrums für Traumatologie mit Brandverletzungen beim Städtischen Klinikum "S ..." L ..., eingeholte Gutachten beigezogen. Prof. Dr. G ... führte in seinem Gutachten u. a. aus, die Halswirbelsäule zeige erhebliche degenerative Veränderungen mit Randzackenbildungen, eine Verschmälerung der Zwischenwirbelräume und Verkalkung an den kleinen Wirbelgelenken. Die Nervenaustrittsöffnungen insbesondere zwischen dem 3. und 4. sowie 4. und 5. Halswirbel seien stark eingeengt. Folgen der Verletzung vom 26. April 1997 fänden sich nicht. Die Rippenbrüche der 10. und 11. Rippe links seien in anatomisch exakter Stellung knöchern verheilt. Es finde sich ein altersgerechter Herz- und Lungenbefund. Ein Brustfellerguss bestehe nicht. Dr. Gü ... stellte fest, nach dem Durchgangsarztbericht vom 26. April 1997 habe sich der Kläger bei dem Unfall am 26. April 1997 eine Schädelprellung, eine Augenbrauenplatzwunde rechts, eine Rippenfraktur der 10. und 11. Rippe links ohne Dislokalisation sowie eine Kontusion der rechten Wade zugezogen. Eine Bewusstlosigkeit, eine Erinnerungslücke sowie Übelkeit oder Erbrechen hätten nicht bestanden. Eine Hirnverletzung habe somit nicht vorgelegen, so dass die Diagnose eines Schädel-Hirn-Traumas als Schädelprellung zu sehen sei. Bereits während des ersten stationären Aufenthaltes vom 26. April bis 12. Mai 1997 habe im EEG vom 30. April 1997 ein unauffälliger Befund nachgewiesen werden können. Die reizlose und auf der Unterlage gut verschiebliche Platzwunde am oberen Augenhöhlenrand rechts (neben der Augenbraue) sei nicht geeignet, die Kopfschmerzsymptomatik zu erklären. Die druckempfindlichen Nervenaustrittspunkte lägen anatomisch weiter mittelwärts, so dass der Nervenstrang bei dem Aufprall nicht betroffen sein konnte. Die unangenehmen Gefühle im Narbenbereich in so sensiblen Körperbereichen wie dem Kopf seien bekannt, bedingten jedoch keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit. Kopfschmerzen, ausgelöst durch tiefere, d. h. zentrale Hirnstrukturen, könnten mit dem Unfall vom 26. April 1997 nicht in Zusammenhang gebracht werden, da keine Hirnverletzung vorgelegen habe. Dies habe auch durch die Zusatzuntersuchung am 28. April 1998 ausgeschlossen werden können. Die vom Kläger angegebenen Kopfschmerzen, die letztendlich über den gesamten Kopf zögen (Stirn- bis Nackenbereich) ließen sich eher mit den erheblichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und/oder mit einer N.-Trigeminus-Affektion erklären. Dr. Ga ... führte unter dem 15. Juni 1998 aus, das angeschuldigte Ereignis habe auf unfallchirurgischem Gebiet keine Folgen hinterlassen. Die geklagten Kopfschmerzen seien unfallunabhängig.

Von Prof. Dr. v ... S ..., Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universität L ..., hat das SG ein medizinisches Sachverständigengutachten erstellen lassen. In seinem Gutachten vom 13. Dezember 1999 stellte der Gutachter beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet fest: 1. Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewe gungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle (Einzel-GdB 20), 2. beginnende Verschleißerkrankung der Hüft- und Kniege- lenke mit geringeren Bewegungseinschränkungen, Beinverkür zung links 2,0 cm (Einzel-GdB 20), 3. Fußfehlform beidseits (Einzel-GdB 0), 4. geringe Bewegungseinschränkung der Schultergelenke (Einzel- GdB 0), 5. reizlose Narbe rechtes Auge (Einzel-GdB 0).

Im Vordergrund stehe eine Gesundheitsstörung der Wirbelsäule, wobei alle Abschnitte betroffen seien. Die klinische Auswirkung der Veränderungen an der Wirbelsäule bestätigten zum einen die nachvollziehbaren belastungs- und bewegungsabhängigen Schmerzen, darüber hinaus liege eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades aller Abschnitte vor. Neurologische Ausfallserscheinungen lägen weder im Bereich der oberen noch der unteren Extremitäten vor. Unter Berücksichtigung der nur mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen auf Grund des Fehlens neurologischer Ausfälle sei der Einzelgrad der Behinderung für die Wirbelsäule entsprechend den Anhaltspunkten mit 20 zu bewerten. Im Bereich der Hüftgelenke ließen sich röntgenologisch beginnende Verschleißerscheinungen nachweisen, die links stärker ausgeprägt seien als rechts. Die Bewegungseinschränkung sei als geringgradig zu bezeichnen. Im Bereich der Kniegelenke fänden sich ebenfalls mäßiggradige Abnutzungserscheinungen aller Gelenkabschnitte, wodurch die belastungsabhängigen Schmerzen erklärt seien. Eine Bewegungseinschränkung liege nicht vor. Weiterhin finde sich eine Beinverkürzung links von 2,0 cm, die aber orthopädisch ausgeglichen sei. Die Funktionsstörungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke seien zusammengefasst mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die beidseits feststellbare Fußform sei nicht als Behinderung i.S.d. SchwbG aufzufassen, ein messbarer GdB resultiere hieraus nicht. Gleiches gelte für die als gering einzustufenden Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke. Ebenfalls kein Befund von Behinderungscharakter sei in der reizlosen Narbe am rechten Auge zu sehen, eine objektivierbare Funktionsstörung resultiere hieraus nicht. Folgen der früher erlittenen Thrombose seien klinisch nicht mehr nachweisbar, so dass hier kein Befund von Behinderungscharakter mehr festgestellt werden könne. Unter alleiniger Wertung der orthopädischen Behinderung resultiere ein Gesamt-GdB von 30. Unter Miteinbeziehung der Behinderung auf nichtorthopädischem Fachgebiet (psychovegetatives Syndrom und Leberschaden) resultiere ein Gesamtgrad der Behinderung von 40. Die Behinderungen des Klägers seien hiermit umfassend bewertet und berücksichtigt worden, weitere Gutachten seien nicht erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 125 - 136 der SG-Akte Bezug genommen.

Anträge des Klägers auf Erhöhung des GdB vom 25. Januar 1999 und 26. Mai 2000 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. März 2001 ab. Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid am 15. März 2000 abgewiesen. Das Gericht gehe davon aus, dass die orthopädischerseits bestehenden Behinderungen - auch unter Berücksichtigung des Neufeststellungsantrages aus dem Jahr 1999 - vom medizinischen Sachverständigen vollständig erfasst und bewertet worden seien. Für die beschriebenen Kopfschmerzen könne nach Art und Ausmaß der Beschwerden hierfür kein Einzel-GdB von wenigstens 10 festgestellt werden. Eine Untersuchung bzw. Begutachtung auf einem anderen medizinischen Fachgebiet sei nicht veranlasst gewesen. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Sachverständigen und mit seinem Vorschlag zur Bewertung der Behinderung gehe auch das Gericht von einem Gesamt-GdB von 40 aus. Ein höherer GdB habe sich medizinisch und rechtlich nicht feststellen lassen.

Gegen den dem Kläger am 10. Mai 2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 22. Mai 2000 beim SG Berufung eingelegt.

Der Kläger ist unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen der Auffassung, die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen seien in der erstinstanzlichen Entscheidung nicht umfassend gewürdigt worden. Weder von den beiden Amtsärztinnen Dr. Schu ... und Dr. H ... noch vom Notfallzentrum L ... seien ärztliche Unterlagen hinzugezogen worden. Bei einem Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet in Höhe von 30 dürfte ein Gesamt-GdB von mehr als 40 zu erheben sein, wenn auf nichtorthopädischen Fachgebieten Einzel-GdB für ein psychovegetatives Syndrom in Höhe von 20, für einen Leberschaden in Höhe von 20 sowie für Krampfadern rechts, Funktionsminderung bei Knorpelschäden beider Kniegelenke in Höhe von 10 festgestellt worden seien, selbst wenn man berücksichtige, dass der Gesamt-GdB frei eingeschätzt werde. Der Gutachter Prof. Dr. v ... S ... könne eine zuverlässige Aussage nur für sein eigenes Fachgebiet treffen. Insbesondere das bei ihm vorliegende psychovegetative Syndrom und der Leberschaden scheinen von ihm nicht hinreichend gewürdigt worden zu sein. Ebenso sei nicht gewürdigt worden, dass er unter Nervenschmerzen an der bekannten Narbe über der rechten Augenbraue leide sowie unter den Folgen einer Fraktur der 10. und 11. Rippe links nach einem Autounfall am 26. April 1997. Ebenfalls nicht berücksichtigt worden sei ein Zustand nach Thrombose, dessentwegen er regelmäßig Kompressionsstrümpfe trage.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2000 und die Bescheide des Beklagten vom 15. Oktober 1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10. März 1998 sowie vom 13. März 2001 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger eine Behinderung mit einem GdB von wenigstens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme SR B ... vom 16. Januar 2001 der Auffassung, die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung sei zutreffend. Das Begehren des Klägers sei in der Vorinstanz eingehend geprüft und gewürdigt worden. Es ergebe sich aus den beigezogenen Befundberichten kein Hinweis darauf, dass der bisher festgestellte GdB zu niedrig festgestellt worden sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dr. J ... und Dr. Jä ..., Dipl.-Med. Se ..., Facharzt für Urologie in L ..., und von Dr. W ..., Facharzt für Innere Medizin in L ... Dr. J ... teilte in ihrem Befundbericht vom 12. November 2000 folgende Diagnosen mit: vertebragenes Schmerzsyndrom, Koxarthrose beidseits, Gonarthrose beidseits, Hiatusgleithernie, Varikosis rechts, psychovegetative Dystonie sowie Struma nodosa links. Die von ihr erhobenen Befunde hätten sich weder erheblich verschlechtert noch deutlich gebessert. Dr. Jä ... führte unter dem 17. Nobember 2000 aus, bei dem Kläger liege eine Koxalgie links, Restbeschwerden nach Kontusion bei beginnender Koxarthrose beidseits sowie ein chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen bei pseudoradikulärer Beteiligung vor. Die Wirbelsäulen- Beweglichkeit sei endgradig in allen Abschnitten und Ebenen eingeschränkt. Der Trendelenburg sei negativ, der Lasegue negativ. Es beständen keine neurologischen Ausfälle, jedoch eine Rotationseinschränkung des linken Hüftgelenkes. Dipl.-Med. Se ... teilte in seinem Befundbericht vom November 2000 eine benigne Prostatahyperplasie sowie eine Nierenzyste links mit. Die Befunde seien seit 23. Januar 1997 unverändert. Am 02. April 2001 berichtete Dr. W ..., der Kläger befinde sich in fachärztlicher internistischer Behandlung wegen einer Struma nudosa, einer chronisch-venösen Insuffizienz im Stadium I, einer Interkostalneuralgie, eines rezidivierenden Cervicobrachialsyndroms sowie wegen einer Hernia Diaphragmatica mit Refluxösophagitis. Die vom Kläger geklagten pektanginösen Beschwerden seien aus internistischer Sicht i.S. einer Interkostalneuralgie gedeutet worden. Eine KHK sei mittels spezialisierter Diagnostik nicht zu verifizieren. Eine myokardiale Insuffizienz liege nicht vor (NYHA 0).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung einer Behinderung mit einem GdB von wenigstens 50. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1998 sowie der nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Bescheid vom 13. März 2001 sind rechtmäßig.

Statthafte Klageart für das Begehren des Klägers ist eine mit der Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten einhergehende Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, Az: B 9 SB 3/99 R). Für eine derartige Klage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 54 Rn. 34). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist daher das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1046), das am 01. Juli 2001 in Kraft getreten ist (Art. 68 Abs. 1 SGB IX).

Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellt der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständige Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen, ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich.

Der Beklagte hat dabei im Verfügungssatz eines Bescheides nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur das Vorliegen einer (ungenannten) Behinderung und den GdB festzustellen. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkung sind demgegenüber lediglich in der Begründung des Verwaltungsaktes anzugeben (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998, Az. B 9 SB 18/97 R; B 9 SB 20/97 R, B 9 SB 1/98 R und B 9 SB 17/97 R).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB IX ist die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung als GdB, nach 10er-Graden abgestuft, von 20 bis 100 festzustellen. Für den GdB gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG normierten Maßstäbe entsprechend. Für die Beurteilung ist danach maßgeblich, in welchem Ausmaß die aus einer Gesundheitsstörung hervorgehenden Beeinträchtigungen den Betroffenen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft behindern. Dabei sind einerseits besonders berufliche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, andererseits finden auch Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten im Haushalt oder in der Freizeit Berücksichtigung. Das SGB IX gilt gleichermaßen für Berufstätige wie auch für Nichtberufstätige. Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Umfang einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller behinderten Menschen die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 (Anhaltspunkte - AHP). Die Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die AHP umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigung an. In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Schwere der Beeinträchtigungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ansonsten ist es nicht zulässig, eine vom Gutachter festgestellte Behinderung mit einem GdB-Wert zu bemessen, der nicht im Einklang mit den Richtlinien der AHP steht. Das BSG hat mehrfach die Bedeutung der AHP auch für das Gerichtsverfahren herausgestellt und den AHP den Charakter antizipierter Sachverständigengutachten beigemessen (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1, 5 und 6). Vorliegend hat der Senat keine Bedenken, die AHP seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Dabei umschreibt der Begriff des GdB indes nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Begriff; seine Festlegung ist daher nicht Aufgabe von Sachverständigen. Sie beruht auch nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, welche allerdings mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der danach auf den zunächst festzustellenden medizinischen Tatsachen erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerung bilden zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; doch ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 1990, Az. 9 a/9 RVs 7/89 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Die Würdigung des Gutachtens Prof. Dr. v ... S ... vom 13. Dezember 1999, des Gutachtens Prof. Dr. G ... vom 24. September 1997, des Gutachtens Dr. Gü ... vom 29. Juni 1998, des Gutachtens Dr. Ga ... vom 15. Juli 1998, des Entlassungsberichtes der Reha-Klinik D ... der B ...-BKK in B ... D ... vom 4. Mai 2000 sowie weiterer ärztlicher Befundberichte und medizinischer Gutachten ergibt, dass der Kläger an folgenden Erkrankungen leidet: Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle, beginnende Verschleißerkrankung der Hüft- und Kniegelenke mit geringer Bewegungseinschränkung (Beinverkürzung links 2,0 cm), einer Fußfehlform beidseits, einer geringen Bewegungseinschränkung der Schultergelenke, einer reizlosen Narbe des rechten Auges, an einem psychovegetativen Syndrom, an einer Hiatusgleithernie, an einem Leberschaden, an einer Struma nodosa, einer Interkostalneuralgie, einem Zustand nach Thrombose sowie einem Zustand nach Rippenfraktur der 10. und 11. Rippe links. Der vom SG ernannte Gutachter Prof. Dr. v ... S ... hat in seinem orthopädischen Fachgutachten vom 13. Dezember 1999 ausgeführt: Im Vordergrund stehe eine Gesundheitsstörung der Wirbelsäule, wobei alle Abschnitte betroffen seien. Zum einen finde sich eine deutliche Fehlform i.S. eines Rundrückens, welche Folge einer früher erlittenen Scheuermannschen Erkrankung sei. Als Folge dieser Fehlform der Wirbelsäule hätten sich deutliche degenerative Veränderungen im Bereich der Brustwirbelsäule und am Brust-Lenden-Übergang entwickelt. An der Lendenwirbelsäule fänden sich darüber hinaus in den beiden untersten Segmenten deutliche degenerative Veränderungen, insbesondere i.S. einer Bandscheibenverschmälerung. Im Bereich der Halswirbelsäule fänden sich deutliche degenerative Veränderungen vom 3. bis 7. Halswirbel, wobei die Nervenwurzelaustrittslöcher nur gering eingeengt seien. Die klinische Auswirkung der beschriebenen Veränderungen an der Wirbelsäule beständen zum einen in nachvollziehbaren belastungs- und bewegungsabhängigen Schmerzen, darüber hinaus liege eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades aller Abschnitte vor, wobei neurologische Ausfallserscheinungen weder im Bereich der oberen noch der unteren Extremitäten vorlägen. Unter Berücksichtigung der nur mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen und auf Grund des Fehlens neurologischer Ausfälle sei der Einzelgrad der Behinderung für die Wirbelsäule entsprechend den AHP mit 20 zu bewerten. Der Senat folgt den schlüssigen, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Gutachters.

Die AHP sehen für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20 vor, für Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30 und für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen Beschwerden, funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 40 (AHP Nr. 26.18, Seite 139 bis 140). Mangels des Vorliegens schwerer funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder in mehreren Wirbelsäulenabschnitten des Klägers ist die Wirbelsäulenerkrankung nach Auffassung des Senats zutreffend mit einem Teil-GdB von 20 bewertet worden.

Im Bereich der Hüftgelenke hat der Gutachter festgestellt, dass sich röntgenologisch beginnende Verschleißerscheinungen nachweisen ließen, die links stärker ausgeprägt seien als rechts. Die hier geäußerten Beschwerden seien durch diese Veränderungen erklärlich, wobei ein fortgeschrittener Befund nicht konstatiert werden könne. Die Bewegungseinschränkung sei als geringgradig zu bezeichnen. Hinsichtlich der Beweglichkeit beider Hüftgelenke stellte er folgende Maße nach der Neutral- Null-Methode fest - im Wesentlichen identisch mit denen im Reha-Entlassungsbericht vom 04. Mai 2000 - Beugen/Strecken rechts 110/0/0 und links 100/0/0 (normal: 130/0/10), beim Abspreizen/Anspreizen rechts 30/0/30 und links 30/0/20 (normal: 30-45/0/20-30), beim Außendrehen/Innendrehen rechts und links 30/0/0 (normal: 40-50/0/30-45). Die AHP sehen für eine Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0/10/90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig einen GdB von 10 - 20 und beidseitig einen GdB von 20 - 30 vor (AHP Nr. 26.18, Seite 150). Nach Auffassung des Senats kommt für die Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke des Klägers hier allenfalls ein GdB in Höhe von 20 in Betracht. Bei der Untersuchung der Kniegelenke durch den Gutachter haben sich ebenfalls mäßiggradige Abnutzungserscheinungen aller Gelenkabschnitte gefunden, wodurch die belastungsabhängigen Schmerzen erklärt werden. Eine Bewegungseinschränkung liege nach Auffassung des Gutachters nicht vor, weiterhin finde sich eine Beinverkürzung links von 2,0 cm, die aber orthopädisch ausgeglichen sei. Die Beweglichkeit sei beidseits frei und betrage beim Beugen/Strecken 130/0/0 (normal: 120-150/0/0). Für eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90) stellen die AHP bei einseitiger Einschränkung einen GdB-Rahmen von 90 - 10 zur Verfügung, bei beidseitiger Einschränkung einen GdB von 10 - 20 vor (AHP Nr. 26.18, Seite 151). Da die Beweglichkeit der Kniegelenke beidseits frei ist, ist ein Teil-GdB hierfür nicht festzustellen. Für die beim Kläger vorliegende Fußfehlform beidseits ist ebenfalls kein Teil-GdB festzustellen. Für Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) sehen die AHP einen GdB von 0 vor (AHP Nr. 26.18, Seite 153).

Bei der Bewegungsprüfung der Schultergelenke beschreibt der Gutachter im Bereich beider Schultergelenke eine endgradige und dabei schmerzhafte Bewegungseinschränkung in alle Richtungen, wobei die Bewegungsausschlagung um 20° gegenüber der freien Beweglichkeit gemindert sei. Alle übrigen Gelenke seien seitengleich frei beweglich und ohne Hinweise für entzündliche oder degenerative Veränderungen. Ein GdB für die geringe Bewegungseinschränkung der Schultergelenke ist nicht festzustellen. Die AHP sehen bei einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtels) einen GdB von 10 vor, wenn der Arm nur um 120° zu heben ist, mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit (AHP Nr. 26.18, Seite 143) (Normalwerte beim Heben des Armes seitwärts/körperwärts 180/0/20-40 sowie beim Heben des Armes rückwärts/vorwärts 40/0/150-170).

Ebenso wenig ist ein GdB für die Platzwunde auf der rechten Augenbraue bzw. Narbe festzustellen. Die Gutachter Prof. Dr. G ... und Dr. Gü ... haben übereinstimmend festgestellt, dass die Kopfplatzwunde reizlos verheilt ist. Eine reizlose Narbe wird auch von Prof. Dr. v ... S ... bestätigt, eine objektivierbare Funktionsstörung resultiere hieraus nach seiner Ansicht nicht.

Es ergibt sich auch kein GdB hinsichtlich der erlittenen Rippenbrüche der 10. und 11. Rippe links. Diese sind nach den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. G ... in seinem Gutachten vom 24. September 1997 in anatomisch exakter Stellung verheilt. Dr. Bö ..., Facharzt für Radiologie im Kreiskrankenhaus B ..., teilte in einem Befund vom 15. Mai 1997 mit, die bekannte Rippenfraktur links sei aus einem Röntgenbild des Thorax im Stehen nicht zu objektivieren.

Dr. W ... führte in seinem Befundbericht vom 02. Juni 2000 aus, beim Kläger liege eine axiale Hiartusgleithernie mit Insuffizienz des unteren Ösophagus sphinkter und geringgradig ausgebildetem Refluxösophagitis im Stadium I vor nach Luftinsufflation Entfaltung eines normotonen Kaskadenmagens mit regelrechten Magenschleimhautverhältnissen in allen Abschnitten. Der kreisrunde Pylorus könne mühelos passiert werden, auch im Bulbus duodeni und im postbulbären Segment regelrechte SH-Verhältnisse. Es liege kein gastroösophagealer oder duodenogastraler Reflux vor. Die Refluxsösophagitis sei diskret ausgebildet. Bei Zwerchfellbrüchen mit Vorliegen einer Speiseröhrengleithernie liegt nach den AHP ein GdB von 0 bis 10 vor (AHP Nr. 26.11, Seite 104). Nach Auffassung des Senates ist daher hierfür allenfalls ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen.

Der Beklagte hat für das beim Kläger vorliegende psychovegetative Syndrom einen Einzel-GdB von 20 für angemessen gehalten. Die AHP sehen für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 bis 20 vor, für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40 (AHP Nr. 26.3, Seite 60). Aus den vorliegenden vielfältigen medizinischen Unterlagen ergeben sich nach Überzeugung des Senats jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Kläger eine stärker behindernde Störung vorliegt, eine solche ist auch nicht diagnostiziert. Die Diagnose "psychovegetative Dystonie" wird erstmals in einem Rehabilitations-Entlassungsbericht der Kurklinik S ... in B ... S ... vom 16. Dezember 1996 genannt. In der Anamnese wird von einem bestehenden physisch-psychischen Erschöpfungszustand mit Einschlafstörungen berichtet, im Aufnahmebefund war die Psyche des Klägers ohne Befund. Gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. v ... S ... wurden diese Beschwerden nicht mehr geäußert. Im Rehabilitations-Entlassungsbericht der Reha-Klinik D ... in B ... D ... vom 04. Mai 2000 wird in der vegetativen Anamnese von unruhe- und schmerzbedingten Ein- und Durchschlafstörungen berichtet, in der sozialmedizinischen Beurteilung von deutlichen Verhaltensstörungen im Laufe der hier und von psychosomatischer Labilität. Nach Auffassung des Senats erscheint hierfür ein Teil-GdB von allenfalls 20 als angemessen.

Ebenso wenig lässt sich ein GdB für die beim Kläger diagnostizierte Struma parenchinodosa (Befundbericht Dr. W ... vom 18. August 2000) feststellen. Raumforderungen sind nach Auskunft von Dr. W ... sonografisch nicht nachweisbar. Es bestehe kein retrosternaler Strumaanteil. Sonografisch finde sich kein Hinweis für eine Hyperthyreose. Die Beurteilung einer Schilddrüsenfunktionsstörung setzt in der Regel - insbesondere in leichteren Fällen - voraus, dass die Diagnose durch moderne Untersuchungsmethoden gesichert ist. Schilddrüsenfunktionsstörungen (Überfunktion und Unterfunktion (auch nach Schilddrüsenresektion)) seien gut behandelbar, so dass in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Bei der nicht operativ behandelten Struma richtet sich der GdB nach den funktionellen Auswirkungen (AHP Nr. 26.15, Seite 120 bis 121). Entsprechende funktionelle Auswirkungen dieser Erkrankung sind jedoch nicht beschrieben. Ein GdB hierfür lässt sich danach nicht feststellen.

Den beim Kläger bestehenden Leberschaden (leichter Parenchymschaden mit geringer Begleithepatitis), wobei seit Juni 1985 keine Zeichen einer Progredienz ärztlicherseits festgestellt wurden, hat der Beklagte mit einem GdB von 20 bemessen. Für eine chronische Hepatitis ohne Progression (chronisch-persistierende Hepatitis) sehen die AHP einen GdB von 20 vor, für eine chronische Hepatitis mit Progression (chronisch-aktive Hepatitis) mit geringer entzündlicher Aktivität einen GdB von 30, für eine Fettleber (auch nutritiv- toxisch) ohne Mesenchymreaktion ein GdB von 0 bis 10 (AHP Nr. 26.10, Seite 100). Ein Teil-GdB von 20 hierfür ist nach Auffassung des Senats schon großzügig bemessen.

Hinsichtlich der beim Kläger diagnostizierten chronisch-venösen Insuffizienz im Stadium I (vgl. Befundbericht Dr. W ... vom 02. April 2001) ist ein GdB von 0 festzusetzen. Für eine chronisch-venöse Insuffizienz (z. B. bei Krampfadern), postthrombotischem Syndrom mit geringem belastungsabhängigen Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden sehen die AHP ein- oder beidseitig einen GdB von 0 bis 10 vor (AHP Nr. 26.9, Seite 91). Der Gutachter Prof. Dr. v ... S ... hat in seinem Gutachten mitgeteilt, die arterielle Durchblutung im Bereich der unteren Extremitäten sei regelrecht. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik D ... vom 4. Mai 2000 wird ausgeführt, der Fußpuls mit SE beidseits sei gut tastbar gewesen, es hätten keine Ödeme vorgelegen. Folgen der früher erlittenen Thrombose waren zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Prof. Dr. v ... S ... klinisch nicht mehr nachweisbar. Aus den zeitlich darauf folgenden Befundberichten und datierenden medizinischen Unterlagen ergibt sich nicht, dass ärztlicherseits nach der Untersuchung bei dem Gutachter eine Thrombose diagnostiziert worden wäre. Ein GdB hierfür ist daher nicht festzusetzen.

Die beim Kläger von Dr. W ... diagnostizierte Interkostalneuralgie (Schmerzsyndrom eines oder mehrerer Zwischenrippennerven mit Hyper- oder Hypästhesie in den entsprechenden Interkostalräumen) (Befundbericht vom 02. April 2001) bedingt keine Funktionseinschränkungen. Eine KHK wurde von Dr. W ... mittels spezialisierter Diagnostik nicht verifiziert, ebenso wenig lag eine myokardiale Insuffizienz vor (NYHA 0). Mangels Vorliegen entsprechender Funktionseinschränkungen ergibt sich hieraus kein GdB.

Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsstörungen zusammen dürfen nach AHP Nr. 19 (Seite 33 f.) die einzelnen Teil-GdB-Werte nicht einfach addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Dabei führen indes leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Auch bei leichten Behinderungen mit einem Teil-GdB um 20 ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bestimmung des Gesamt-GdB ist daher in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und damit im Hinblick auf alle weiteren Funktionsstörungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsstörung dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Gesamtbehinderung gerecht zu werden.

Vor diesem Hintergrund bedingt die Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle einen Einzel-GdB von 20, die beginnende Verschleißerkrankung der Hüftgelenke mit geringer Bewegungseinschränkung einen Einzel-GdB von 20, die Hiatusgleithernie einen Teil-GdB von 10, das psychovegetative Syndrom allenfalls einen Teil-GdB von 20 sowie der Leberschaden allenfalls einen Teil-GdB von 20. Der Senat ist der Überzeugung, dass mit einem Gesamt-GdB von 40 bereits im Änderungs-Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 1997 dem Beschwerdebild des Klägers hinreichend Rechnung getragen worden ist.

Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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