Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 SB 245/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SB 46/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.10.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist nur noch, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) erfüllt.
Der am ... geborene Kläger beantragte am 16.12.1992 bei dem Beklagten, Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) zu treffen, insbesondere im Hinblick auf die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "RF" und "aG". Als Gesundheitsstörungen gab er u.a. offene Brüche des Mittelfußknöchels und Wadenbeins, Bänderriß linkes Knie, Arthrosen, Nieren-, Blasen- sowie Prostataleiden, starke Atembeschwerden, koronare Herzkrankheit sowie Spondylose des gesamten Bewegungsapparates an. Nachdem der Beklagte einen Befundbericht von SR Dr. med ... S ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, sowie den Bericht einer Ultraschalluntersuchung des Kreiskrankenhauses ... beigezogen hatte, stellte er mit Bescheid vom 14.06.1993 eine Behinderung mit einem GdB von 60 unter Zuerkennung des Merkzeichens "G" unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen (dort und auch im folgenden als "Behinderungen" bezeichnet) fest:
1. Herzleistungsminderung Durchblutungsstörung des Herzens
2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen
Hiergegen legte der Kläger am 01.07.1993 Widerspruch ein. Sein Gesundheitszustand habe sich im letzten Winter in Bezug auf die Gehfähigkeit und die Beweglichkeit und Belastbarkeit der Gelenke stark verschlechtert. Die Herztätigkeit sei eingeschränkt, er leide unter großer Atemnot.
SR Dr. S ... und von Frau Dr. L ..., Internistin, ein. Nach den Feststellungen von SR Dr. S ..., beträgt die Wegstrecke, die der Kläger ohne größere Atemnot schaffen kann, 50 Meter. Frau Dr. L ... fand Hinweise auf ein Lungenemphysem. Der Beklagte beauftragte Herrn Dr. M ... vom Versorgungsamt Chemnitz mit der Begutachtung des Klägers. Dieser bestätigte das Vorliegen eines Lungenemphysems, das den Grad einer erheblichen Obstruktion erreicht habe.
Der Beklagte half dem Widerspruch des Klägers teilweise ab, als er nunmehr folgende Behinderungen feststellte:
1. Lungenblähung, Lungenfunktionsbeeinträchtigung.
2. Durchblutungsstörung des Herzens, Herzleistungsminderung.
3. Funktionelle Reststörung nach Verlust der Gallenblase.
4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen.
5. Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk rechts.
Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.1995 als unbegründet zurück, da die Feststellung des Merkzeichens "aG" nicht möglich sei.
Hiergegen hat der Kläger am 15.03.1995 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben. Mit dieser begehrte er die Zuerkennung der Merkzeichen "aG", "RF" sowie die Feststellung des Grades der Behinderung von 80. Zur Begründung trug er vor, er sei so behindert, dass er das Haus zwar noch verlassen könne, aber schon jahrelang an keinen Veranstaltungen mehr habe teilnehmen können. Der Arzt komme schon jahrelang ins Haus. Einkäufe würden von Helferinnen erledigt. Zu Untersuchungen mit "Apparaten" gelange er mit Nachbarschaftshilfe, wenn er nicht in der Lage sei, diese mit seinem Pkw zu erreichen.
Das SG hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Frau Dr. L ..., Dr. H ..., Facharzt für Urologie, Dr. S ... und Dr. Z ..., Facharzt für Lungenkrankheiten, eingeholt. Nach Aussage von Dr. Z ... vom September 1998 ist der Kläger seit Ende 1996 mit einem stationären Sauerstoffgerät versorgt. Der Kläger sei in der Lage, seine Wohnung für ein bis zwei Stunden ohne Sauerstoffgerät zu verlassen. Er sei auch in die Sprechstunde nach ... gekommen. Auch den Urologen habe er in Freiberg aufgesucht. Oftmals hätten aber wegen verstärkter Beschwerden Termine nicht eingehalten werden können. Seitens der Lungenfunktion sei ein Veranstaltungsbesuch an besseren Tagen sicher möglich. Durch weitere multiple Beschwerden seien dem aber zusätzlich Grenzen gesetzt. Als solche hat Dr. Z ... häufiges Wasserlassen, Blähungen und Gelenkbeschwerden genannt.
Dem SG haben Krankenunterlagen des Kreiskrankenhauses ... vorgelegen, in dem sich der Kläger vom 26.02.1999 bis 31.03.1999 stationär wegen eines erlittenen Myokardinfarktes und vom 17.05.1999 bis 21.05.1999 zur Behandlung der festgestellten schweren restriktiven und mittelschweren obstruktiven Ventilationsstörungen befand.
Das SG hat bereits Ende 1997 Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens, erstattet von Dr ... nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 10.02.1998 in Dresden. Dr. F ... stellte beim Kläger in seinem Gutachten vom 23.03.1998 keine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades und keinen Herzschaden mit schweren Dekompensationserscheinungen fest. Der Kläger könne öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise mit Hilfe von Begleitpersonen besuchen. Der Besuch sei aber durch die erforderliche Sauerstofflangzeitbehandlung eingeschränkt. Die Mitnahme des Sauerstoffkonzentrators sei unzumutbar. Der Kläger sei vorwiegend durch die erforderliche Sauerstofflangzeitbehandlung vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens von Herrn Dr. F ... wird auf Bl. 112 bis 125 der SG-Akte verwiesen.
Der Beklagte hat zu den medizinischen Unterlagen Stellung bezogen. Im Hinblick auf die vom Kläger begehrten Merkzeichen "aG" und "RF" vertrat der Beklagte weiterhin die Auffassung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Entsprechend den von Dr. Z ... erhobenen Befunden bestehe bei dem Kläger zwar eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren bis schweren Grades, aber noch keine respiratorische Globalinsuffizienz mit einem GdB von 80, die das Merkzeichen "RF" begründen könnte. Die von Dr. F ... erforderliche Sauerstoffbehandlung schränke zwar den Besuch öffentlicher Veranstaltungen ein. Allerdings sei der Kläger nicht völlig vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, sonst wäre er nicht in der Lage, noch mit seinem Pkw nach Freiberg zu fahren. Es gäbe auch tragbare Sauerstoffgeräte, mit denen sogar Wochenendausflüge unternommen werden könnten. Die Mitnahme des tragbaren Sauerstoffgerätes sei zumutbar. Auch der erlittene Myokardinfarkt rechtfertige keine andere Beurteilung. Nach diesem sei der Kläger wieder mobilisierbar und in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen. Schwere kardiale Dekompensationserscheinungen hätten weder während des akuten Krankheitsereignisses noch im weiteren Verlauf bestanden.
Den Gesamt-GdB erkannte der Beklagte im Hinblick auf den lungenärztlichen Bericht von Dr. Z ... zunächst mit 70, später wegen der Verschlechterung der Herzleistung ab Februar 1998 mit 90 an (Anerkenntnis vom 16.06.1998; insoweit vom Kläger am 21.07.1998 angenommen; Bl. 129; 132 f. SG-Akte).
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 13.10.1999 die Klage abgewiesen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" und des - im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr streitigen - Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Nach dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses ... könne sich der Kläger weitgehend wieder selbst versorgen. Alleine die Versorgung mit einem Sauerstoffinhalator, den der Kläger nicht den ganzen Tag benutze, führe nicht dazu, dass er stets von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "aG", da er nicht außergewöhnlich gehbehindert sei.
Gegen das Urteil richtet sich die am 08.11.1999 eingelegte Berufung des Klägers, in der er darauf hinweist, dass sich sein Gesundheitszustand nach dem Krankenhausaufenthalt im Februar/März und Mai 1999 wesentlich verschlechtert habe. Von "Laufen" könne keine Rede sein.
Der Beklagte hat auf Grund der geltend gemachten Verschlechterung weitere Krankenunterlagen eingeholt. Nach dem Pflegegutachten von Frau Dr. O ..., erstattet auf Grund der Untersuchung des Klägers am 11.10.1999, besteht im Bereich der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) ein täglicher Hilfebedarf von 137 Minuten. Die Gutachterin hatte beim Kläger einen langsamen, schleppenden und kleinschrittigen Gang festgestellt. Die Fortbewegung erfolge unter Festhalten an den Möbeln. Pflegebegründend sei ein schweres chronisches Cor pulmonale bei chronischer Bronchitis mit erheblich dekompensierter globaler Herzinsuffiziens mit erheblicher Leistungsminderung bei CIHK (chronisch ischämischer Herzkrankheit) und respiratorischer Insuffiziens sowie Polyarthrosen der großen Gelenke und der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung. Außerdem leide der Kläger unter Nyktalopie (vermehrtes nächtliches Wasserlassen) und Pollakisurie (häufige Entleerung kleiner Harnmengen) mit teilweiser Harn- und Stuhlinkontinenz. Dem Beklagten hat ferner ein Befundbericht von SR Dr. S ... vom 06. März 2000 vorgelegen, wonach der Kläger im Laufe des letzten Jahres mehrfach kardial dekompensiert sei.
Der Beklagte hat daraufhin nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. S ... mit Änderungsbescheid vom 08.03.2000 eine Behinderung mit einem GdB von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe der Merkzeichen "B", "G" und "aG" unter Berücksichtigung folgender Behinderungen festgestellt:
1. Lungenblähung, Lungenfunktionsbeeinträchtigung, Herzleistungsminderung, Durchblutungsstörung des Herzens.
2. Beeinträchtigung der Gehirnfunktion mit unwillkürlichem Harnabgang und Afterschließmuskelschwäche.
3. Polyarthrose mit Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen und Bewegungseinschränkung der Gelenke.
4. Funktionelle Reststörungen nach Verlust der Gallenblase.
Die Feststellung des Anspruchs auf die Merkzeichen "aG", "B" gelte ab 22.09.1999. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen weiterhin nicht vor.
In Ergänzung ihres Bescheides vom 08.03.2000 hat die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2000 festgestellt, dass der GdB ab 10/96-01/98 70, ab 02/98-21.09.1999 90 und ab 22.09.1999 weiterhin 100 betrage.
Der Kläger hat mit beim Landessozialgericht am 19.02.2001 eingegangenen Schreiben erklärt, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Anerkennung des Nachteilsausgleiches "aG" (Bescheid vom 08.03.2000) insoweit erledigt habe.
Der nicht vertretene Kläger beantragt nunmehr (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.10.1999 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.1995 in der Fassung der Bescheide vom 08.03.2000 und vom 17.03.2000 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat zur Klärung des medizinischen Sachverhaltes Befundberichte von SR Dr. S ..., Dr. L ... und Dr. H ... beigezogen. Nach Auskunft von Dr. H ... bestand aus urologischer Sicht bis 1998 keine Einschränkung, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach Ende 1998 erfolgten keine weiteren urologischen Untersuchungen mehr. Nach den Feststellungen von SR Dr. S ... ist der Kläger quasi an die Wohnung gefesselt, da er nicht kontaktfähig sei und physisch unter Belas- tungsatemnot leide. Diese trete schon bei Ruhe, vor allem bei Erregung auf.
Ferner holte der Senat im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, der Kläger könne mit einem transportablen Sauerstoffgerät öffentliche Veranstaltungen besuchen, eine ergänzende Stellungnahme von dem vom SG bestellten Sachverständigen ein. Dieser stimmte den diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten zu. Der Kläger könne mit Hilfe eines transportablen Sauerstoffgerätes, das drei Kilogramm wiege und getragen oder auf einem kleinen Wägelchen gezogen werden könne, öffentliche Veranstaltungen in nennenswerter Zahl zumutbar besuchen. Auf die Stellungnahme im Übrigen wird verwiesen (Bl. 49 Gerichtsakte).
Dr. S ... führte schließlich in einer ergänzenden Stellungnahme aus, dass der Kläger kein tragbares O2-Gerät habe und auch keines wolle. Im Übrigen würde der Kläger, auch wenn er rein formal anhand der Befunde und der technischen Möglichkeiten das Haus verlassen könne, es nicht tun, so isoliert und zurückgezogen habe er die vergangenen Jahre seit dem Tod seiner Frau gelebt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Schwerbehinderten-Akte des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 14.06.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.1995 in der Fassung der Bescheide vom 08.03.2000 und vom 17.03.2000 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des begehrten Nachteilsausgleichs, die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, vorliegen (§ 4 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 SchwbG). Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen, die für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen sind.
Die Klage ist zulässig. Zwar fehlt es im Hinblick auf das Merkzeichen "RF" an dem erforderlichen Widerspruchsverfahren (§ 78 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 SGG). Andererseits hat der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" erneut mehrfach überprüft und es ergibt sich aus seinem Vorbringen, dass er im Widerspruchsbescheid voraussichtlich zu keinem anderen Ergebnis als im Verwaltungsverfahren gelangt wäre. Aus prozessökonomischen Gesichtspunkten war daher die Erteilung eines Widerspruchsbescheids, der das Merkzeichen "RF" zum Gegenstand hat, nicht erforderlich (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 78 Rn. 3d).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 06.01.1992 (SächsGVBl 1992, 16), der seine Ermächtigungsgrundlage in Artikel 4 § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 21.04.1991 i. V. m. Artikel 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 19.12.1991 (SächsGVBl 1991, 425) hat, werden auf Antrag von der Gebührenpflicht befreit: Behinderte, die nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 v. H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, der sich der Senat aus eigener Überzeugung anschließt, ist eine enge Auslegung der Gebührenbefreiungsvorschrift geboten. Danach wird dem Zweck der Befreiung von der Gebührenpflicht dann genügt, wenn der Schwerbehinderte wegen seiner Leiden ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch von Zusammenkünften politischer, christlicher, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn er praktisch an das Haus gebunden ist und allenfalls an einer nicht nennenswerten Zahl von Veranstaltungen teilnehmen kann (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 17, m.w.N.). Solange er mit technischen Hilfsmitteln (z.B. einem Rollstuhl) oder mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er von der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht ausgeschlossen (BSG SozR 3870 § 3 Nr. 15).
Bei dem Kläger ist nunmehr zwar der (Gesamt-)GdB mit 100 festgestellt. Gleichwohl ist er trotz der bei ihm vorliegenden Behinderungen nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Unabhängig vom Grad der Schwere der beim Kläger vorliegenden Lungenfunktionsstörung und Herzleistungsschwäche ist der Kläger noch in der Lage, zumindest mit Hilfe eines transportablen Sauerstoffgerätes, eines Rollstuhls und mit Hilfe einer Begleitperson an öffentlichen Veranstaltungen passiv und sitzend als Zuschauer oder Zuhörer teilzunehmen.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen, insbesondere aus dessen ergänzender Stellungnahme, der sich der Senat uneingeschränkt anschließt. Danach kann der Kläger mit einem transportablen Sauerstoffgerät öffentliche Veranstaltungen in nennenswerter Zahl zumutbar besuchen. Dabei hat der Kläger entweder die Möglichkeit, auf dem Weg zur Veranstaltung Sauerstoff zu inhalieren, dann ohne Gerät teilzunehmen und am Veranstaltungsende erneut zu inhalieren. So kann ein im Altersnormbereich liegenden Sauerstoffpartialdruck im Blut für die Zeit der Veranstaltung aufrechterhalten werden. Der Kläger kann aber auch, insbesondere im Hinblick auf seinen Vortrag, demzufolge er rund um die Uhr am Sauerstoffgerät hinge, das transportable Gerät mit in die Veranstaltung nehmen, da mit diesem ca. drei bis vier Stunden inhaliert werden kann. Auch diese Möglichkeit hält der Senat für zumutbar. Die Zeit von drei bis vier Stunden hält der Senat für die Hin- und Rückfahrt zu einer öffentlichen Veranstaltung und an deren Teilnahme für ausreichend. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger es ablehnt, mit einem tragbaren Sauerstoffgerät versorgt zu werden. Allein die Möglichkeit, mit einem solchen Gerät an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können, reicht aus, um den Nachteilsausgleich zu verwehren. Soweit es nach der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F ... zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers infolge des Myokardinfarktes kam, sah sich der Senat zu keiner neuen Begutachtung des Klägers veranlasst. Denn diese sind nach Auffassung des Senats nicht derart, dass der Kläger auch mit den beschriebenen Hilfsmitteln nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Zwar ist der Kläger nach Aussage von SR Dr. S ... von Februar 2000 im Laufe des letzten Jahres (1999) mehrfach kardial dekompensiert. Andererseits teilt er mit, dass sich das Befinden des Klägers etwas stabilisiert habe und er seitens der Cor pulmonale rekompensiert sei. Im Mai 2000 stellte der behandelnde Arzt keine Zeichen einer schweren kardiopulmonalen Verschlechterung fest. Gerade die kardiopulmonale Insuffizienz kann aber mit Hilfe des tragbaren Sauerstoffgerätes derart ausgeglichen werden, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Daher kann der Einschätzung von SR Dr. S ..., wonach der Kläger physisch aufgrund der Belastungsatemnot an die Wohnung "gefesselt" sei, nicht gefolgt werden.
Eine Störung anderer Teilnehmer ist durch die Benutzung des tragbaren Sauerstoffgerätes nicht ersichtlich. Eine solche Störung ist immer dann anzunehmen, wenn es den anderen Besuchern einer öffentlichen Veranstaltung unzumutbar ist, Behinderte wegen den Auswirkungen ihrer Behinderung zu ertragen, insbesondere, wenn diese durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken, z. B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung, unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können, oder bei ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten (BSG, a. a. O.). Die beim Kläger vorliegenden Behinderungen sind indes nicht mit derartigen Auswirkungen verbunden. Im Hinblick auf das mitzuführende Sauerstoffgerät ist es anderen Teilnehmern nach Auffassung des Senats ohne Weiteres zuzumuten, infolge des Sauerstoffgerätes mit der Behinderung des Klägers konfrontiert zu werden, die sich ansonsten nicht "nach außen" dokumentiert. Denn der Öffentlichkeit ist ein hohes Maß an Belastung durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten, da das Schwerbehindertengesetz die Eingliederung und nicht die Ausgrenzung Behinderter zum Ziel hat. Deshalb kann auch im Hinblick auf die teilweise bestehende Inkontinenz das Merkzeichen "RF" nicht vergeben werden, weil ein empfindsamer Behinderter mit Rücksicht auf andere Besucher aufgrund der Geruchsbelästigung öffentliche Veranstaltungen meidet (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91). Im Übrigen ist es dem Kläger zumutbar, Windelhosen zu benutzen, um öffentliche Veranstaltungen aufzuchen zu können, die den Harn bis zu zwei Stunden ohne Geruchsbelästigung für andere Menschen aufnehmen. Dies verstößt weder gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Grundgesetz - GG -) noch gegen den Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96).
Schließlich ist der Umstand, dass sich der Kläger, wie SR Dr. S ... mitteilt, nach dem Tod seiner Ehefrau zurückgezogen hat und daher an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnimmt, für die Vergabe des Merkzeichens "RF" unbeachtlich. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, reicht allein die aus gesundheitlicher Sicht mit der Benutzung von Hilfsmitteln objektiv bestehende Möglichkeit, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, aus, um den Nachteilsausgleich zu versagen.
Nachdem der Kläger auch weder blind noch vorübergehend wesentlich sehbehindert, noch hörgeschädigt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2a) und b) der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die strengen Kriterien für die Vergabe des Merkzeichens "RF" nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist nur noch, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) erfüllt.
Der am ... geborene Kläger beantragte am 16.12.1992 bei dem Beklagten, Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) zu treffen, insbesondere im Hinblick auf die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "RF" und "aG". Als Gesundheitsstörungen gab er u.a. offene Brüche des Mittelfußknöchels und Wadenbeins, Bänderriß linkes Knie, Arthrosen, Nieren-, Blasen- sowie Prostataleiden, starke Atembeschwerden, koronare Herzkrankheit sowie Spondylose des gesamten Bewegungsapparates an. Nachdem der Beklagte einen Befundbericht von SR Dr. med ... S ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, sowie den Bericht einer Ultraschalluntersuchung des Kreiskrankenhauses ... beigezogen hatte, stellte er mit Bescheid vom 14.06.1993 eine Behinderung mit einem GdB von 60 unter Zuerkennung des Merkzeichens "G" unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen (dort und auch im folgenden als "Behinderungen" bezeichnet) fest:
1. Herzleistungsminderung Durchblutungsstörung des Herzens
2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen
Hiergegen legte der Kläger am 01.07.1993 Widerspruch ein. Sein Gesundheitszustand habe sich im letzten Winter in Bezug auf die Gehfähigkeit und die Beweglichkeit und Belastbarkeit der Gelenke stark verschlechtert. Die Herztätigkeit sei eingeschränkt, er leide unter großer Atemnot.
SR Dr. S ... und von Frau Dr. L ..., Internistin, ein. Nach den Feststellungen von SR Dr. S ..., beträgt die Wegstrecke, die der Kläger ohne größere Atemnot schaffen kann, 50 Meter. Frau Dr. L ... fand Hinweise auf ein Lungenemphysem. Der Beklagte beauftragte Herrn Dr. M ... vom Versorgungsamt Chemnitz mit der Begutachtung des Klägers. Dieser bestätigte das Vorliegen eines Lungenemphysems, das den Grad einer erheblichen Obstruktion erreicht habe.
Der Beklagte half dem Widerspruch des Klägers teilweise ab, als er nunmehr folgende Behinderungen feststellte:
1. Lungenblähung, Lungenfunktionsbeeinträchtigung.
2. Durchblutungsstörung des Herzens, Herzleistungsminderung.
3. Funktionelle Reststörung nach Verlust der Gallenblase.
4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen.
5. Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk rechts.
Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.1995 als unbegründet zurück, da die Feststellung des Merkzeichens "aG" nicht möglich sei.
Hiergegen hat der Kläger am 15.03.1995 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben. Mit dieser begehrte er die Zuerkennung der Merkzeichen "aG", "RF" sowie die Feststellung des Grades der Behinderung von 80. Zur Begründung trug er vor, er sei so behindert, dass er das Haus zwar noch verlassen könne, aber schon jahrelang an keinen Veranstaltungen mehr habe teilnehmen können. Der Arzt komme schon jahrelang ins Haus. Einkäufe würden von Helferinnen erledigt. Zu Untersuchungen mit "Apparaten" gelange er mit Nachbarschaftshilfe, wenn er nicht in der Lage sei, diese mit seinem Pkw zu erreichen.
Das SG hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Frau Dr. L ..., Dr. H ..., Facharzt für Urologie, Dr. S ... und Dr. Z ..., Facharzt für Lungenkrankheiten, eingeholt. Nach Aussage von Dr. Z ... vom September 1998 ist der Kläger seit Ende 1996 mit einem stationären Sauerstoffgerät versorgt. Der Kläger sei in der Lage, seine Wohnung für ein bis zwei Stunden ohne Sauerstoffgerät zu verlassen. Er sei auch in die Sprechstunde nach ... gekommen. Auch den Urologen habe er in Freiberg aufgesucht. Oftmals hätten aber wegen verstärkter Beschwerden Termine nicht eingehalten werden können. Seitens der Lungenfunktion sei ein Veranstaltungsbesuch an besseren Tagen sicher möglich. Durch weitere multiple Beschwerden seien dem aber zusätzlich Grenzen gesetzt. Als solche hat Dr. Z ... häufiges Wasserlassen, Blähungen und Gelenkbeschwerden genannt.
Dem SG haben Krankenunterlagen des Kreiskrankenhauses ... vorgelegen, in dem sich der Kläger vom 26.02.1999 bis 31.03.1999 stationär wegen eines erlittenen Myokardinfarktes und vom 17.05.1999 bis 21.05.1999 zur Behandlung der festgestellten schweren restriktiven und mittelschweren obstruktiven Ventilationsstörungen befand.
Das SG hat bereits Ende 1997 Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens, erstattet von Dr ... nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 10.02.1998 in Dresden. Dr. F ... stellte beim Kläger in seinem Gutachten vom 23.03.1998 keine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades und keinen Herzschaden mit schweren Dekompensationserscheinungen fest. Der Kläger könne öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise mit Hilfe von Begleitpersonen besuchen. Der Besuch sei aber durch die erforderliche Sauerstofflangzeitbehandlung eingeschränkt. Die Mitnahme des Sauerstoffkonzentrators sei unzumutbar. Der Kläger sei vorwiegend durch die erforderliche Sauerstofflangzeitbehandlung vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens von Herrn Dr. F ... wird auf Bl. 112 bis 125 der SG-Akte verwiesen.
Der Beklagte hat zu den medizinischen Unterlagen Stellung bezogen. Im Hinblick auf die vom Kläger begehrten Merkzeichen "aG" und "RF" vertrat der Beklagte weiterhin die Auffassung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Entsprechend den von Dr. Z ... erhobenen Befunden bestehe bei dem Kläger zwar eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mittleren bis schweren Grades, aber noch keine respiratorische Globalinsuffizienz mit einem GdB von 80, die das Merkzeichen "RF" begründen könnte. Die von Dr. F ... erforderliche Sauerstoffbehandlung schränke zwar den Besuch öffentlicher Veranstaltungen ein. Allerdings sei der Kläger nicht völlig vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, sonst wäre er nicht in der Lage, noch mit seinem Pkw nach Freiberg zu fahren. Es gäbe auch tragbare Sauerstoffgeräte, mit denen sogar Wochenendausflüge unternommen werden könnten. Die Mitnahme des tragbaren Sauerstoffgerätes sei zumutbar. Auch der erlittene Myokardinfarkt rechtfertige keine andere Beurteilung. Nach diesem sei der Kläger wieder mobilisierbar und in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen. Schwere kardiale Dekompensationserscheinungen hätten weder während des akuten Krankheitsereignisses noch im weiteren Verlauf bestanden.
Den Gesamt-GdB erkannte der Beklagte im Hinblick auf den lungenärztlichen Bericht von Dr. Z ... zunächst mit 70, später wegen der Verschlechterung der Herzleistung ab Februar 1998 mit 90 an (Anerkenntnis vom 16.06.1998; insoweit vom Kläger am 21.07.1998 angenommen; Bl. 129; 132 f. SG-Akte).
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 13.10.1999 die Klage abgewiesen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" und des - im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr streitigen - Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Nach dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses ... könne sich der Kläger weitgehend wieder selbst versorgen. Alleine die Versorgung mit einem Sauerstoffinhalator, den der Kläger nicht den ganzen Tag benutze, führe nicht dazu, dass er stets von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "aG", da er nicht außergewöhnlich gehbehindert sei.
Gegen das Urteil richtet sich die am 08.11.1999 eingelegte Berufung des Klägers, in der er darauf hinweist, dass sich sein Gesundheitszustand nach dem Krankenhausaufenthalt im Februar/März und Mai 1999 wesentlich verschlechtert habe. Von "Laufen" könne keine Rede sein.
Der Beklagte hat auf Grund der geltend gemachten Verschlechterung weitere Krankenunterlagen eingeholt. Nach dem Pflegegutachten von Frau Dr. O ..., erstattet auf Grund der Untersuchung des Klägers am 11.10.1999, besteht im Bereich der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) ein täglicher Hilfebedarf von 137 Minuten. Die Gutachterin hatte beim Kläger einen langsamen, schleppenden und kleinschrittigen Gang festgestellt. Die Fortbewegung erfolge unter Festhalten an den Möbeln. Pflegebegründend sei ein schweres chronisches Cor pulmonale bei chronischer Bronchitis mit erheblich dekompensierter globaler Herzinsuffiziens mit erheblicher Leistungsminderung bei CIHK (chronisch ischämischer Herzkrankheit) und respiratorischer Insuffiziens sowie Polyarthrosen der großen Gelenke und der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung. Außerdem leide der Kläger unter Nyktalopie (vermehrtes nächtliches Wasserlassen) und Pollakisurie (häufige Entleerung kleiner Harnmengen) mit teilweiser Harn- und Stuhlinkontinenz. Dem Beklagten hat ferner ein Befundbericht von SR Dr. S ... vom 06. März 2000 vorgelegen, wonach der Kläger im Laufe des letzten Jahres mehrfach kardial dekompensiert sei.
Der Beklagte hat daraufhin nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. S ... mit Änderungsbescheid vom 08.03.2000 eine Behinderung mit einem GdB von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe der Merkzeichen "B", "G" und "aG" unter Berücksichtigung folgender Behinderungen festgestellt:
1. Lungenblähung, Lungenfunktionsbeeinträchtigung, Herzleistungsminderung, Durchblutungsstörung des Herzens.
2. Beeinträchtigung der Gehirnfunktion mit unwillkürlichem Harnabgang und Afterschließmuskelschwäche.
3. Polyarthrose mit Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen und Bewegungseinschränkung der Gelenke.
4. Funktionelle Reststörungen nach Verlust der Gallenblase.
Die Feststellung des Anspruchs auf die Merkzeichen "aG", "B" gelte ab 22.09.1999. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen weiterhin nicht vor.
In Ergänzung ihres Bescheides vom 08.03.2000 hat die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2000 festgestellt, dass der GdB ab 10/96-01/98 70, ab 02/98-21.09.1999 90 und ab 22.09.1999 weiterhin 100 betrage.
Der Kläger hat mit beim Landessozialgericht am 19.02.2001 eingegangenen Schreiben erklärt, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Anerkennung des Nachteilsausgleiches "aG" (Bescheid vom 08.03.2000) insoweit erledigt habe.
Der nicht vertretene Kläger beantragt nunmehr (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.10.1999 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14.06.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.1995 in der Fassung der Bescheide vom 08.03.2000 und vom 17.03.2000 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat zur Klärung des medizinischen Sachverhaltes Befundberichte von SR Dr. S ..., Dr. L ... und Dr. H ... beigezogen. Nach Auskunft von Dr. H ... bestand aus urologischer Sicht bis 1998 keine Einschränkung, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach Ende 1998 erfolgten keine weiteren urologischen Untersuchungen mehr. Nach den Feststellungen von SR Dr. S ... ist der Kläger quasi an die Wohnung gefesselt, da er nicht kontaktfähig sei und physisch unter Belas- tungsatemnot leide. Diese trete schon bei Ruhe, vor allem bei Erregung auf.
Ferner holte der Senat im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, der Kläger könne mit einem transportablen Sauerstoffgerät öffentliche Veranstaltungen besuchen, eine ergänzende Stellungnahme von dem vom SG bestellten Sachverständigen ein. Dieser stimmte den diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten zu. Der Kläger könne mit Hilfe eines transportablen Sauerstoffgerätes, das drei Kilogramm wiege und getragen oder auf einem kleinen Wägelchen gezogen werden könne, öffentliche Veranstaltungen in nennenswerter Zahl zumutbar besuchen. Auf die Stellungnahme im Übrigen wird verwiesen (Bl. 49 Gerichtsakte).
Dr. S ... führte schließlich in einer ergänzenden Stellungnahme aus, dass der Kläger kein tragbares O2-Gerät habe und auch keines wolle. Im Übrigen würde der Kläger, auch wenn er rein formal anhand der Befunde und der technischen Möglichkeiten das Haus verlassen könne, es nicht tun, so isoliert und zurückgezogen habe er die vergangenen Jahre seit dem Tod seiner Frau gelebt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Schwerbehinderten-Akte des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 14.06.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.1995 in der Fassung der Bescheide vom 08.03.2000 und vom 17.03.2000 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des begehrten Nachteilsausgleichs, die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, vorliegen (§ 4 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 SchwbG). Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen, die für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen sind.
Die Klage ist zulässig. Zwar fehlt es im Hinblick auf das Merkzeichen "RF" an dem erforderlichen Widerspruchsverfahren (§ 78 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 SGG). Andererseits hat der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" erneut mehrfach überprüft und es ergibt sich aus seinem Vorbringen, dass er im Widerspruchsbescheid voraussichtlich zu keinem anderen Ergebnis als im Verwaltungsverfahren gelangt wäre. Aus prozessökonomischen Gesichtspunkten war daher die Erteilung eines Widerspruchsbescheids, der das Merkzeichen "RF" zum Gegenstand hat, nicht erforderlich (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 78 Rn. 3d).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 06.01.1992 (SächsGVBl 1992, 16), der seine Ermächtigungsgrundlage in Artikel 4 § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 21.04.1991 i. V. m. Artikel 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 19.12.1991 (SächsGVBl 1991, 425) hat, werden auf Antrag von der Gebührenpflicht befreit: Behinderte, die nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 v. H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, der sich der Senat aus eigener Überzeugung anschließt, ist eine enge Auslegung der Gebührenbefreiungsvorschrift geboten. Danach wird dem Zweck der Befreiung von der Gebührenpflicht dann genügt, wenn der Schwerbehinderte wegen seiner Leiden ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch von Zusammenkünften politischer, christlicher, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn er praktisch an das Haus gebunden ist und allenfalls an einer nicht nennenswerten Zahl von Veranstaltungen teilnehmen kann (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 17, m.w.N.). Solange er mit technischen Hilfsmitteln (z.B. einem Rollstuhl) oder mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er von der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht ausgeschlossen (BSG SozR 3870 § 3 Nr. 15).
Bei dem Kläger ist nunmehr zwar der (Gesamt-)GdB mit 100 festgestellt. Gleichwohl ist er trotz der bei ihm vorliegenden Behinderungen nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Unabhängig vom Grad der Schwere der beim Kläger vorliegenden Lungenfunktionsstörung und Herzleistungsschwäche ist der Kläger noch in der Lage, zumindest mit Hilfe eines transportablen Sauerstoffgerätes, eines Rollstuhls und mit Hilfe einer Begleitperson an öffentlichen Veranstaltungen passiv und sitzend als Zuschauer oder Zuhörer teilzunehmen.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen, insbesondere aus dessen ergänzender Stellungnahme, der sich der Senat uneingeschränkt anschließt. Danach kann der Kläger mit einem transportablen Sauerstoffgerät öffentliche Veranstaltungen in nennenswerter Zahl zumutbar besuchen. Dabei hat der Kläger entweder die Möglichkeit, auf dem Weg zur Veranstaltung Sauerstoff zu inhalieren, dann ohne Gerät teilzunehmen und am Veranstaltungsende erneut zu inhalieren. So kann ein im Altersnormbereich liegenden Sauerstoffpartialdruck im Blut für die Zeit der Veranstaltung aufrechterhalten werden. Der Kläger kann aber auch, insbesondere im Hinblick auf seinen Vortrag, demzufolge er rund um die Uhr am Sauerstoffgerät hinge, das transportable Gerät mit in die Veranstaltung nehmen, da mit diesem ca. drei bis vier Stunden inhaliert werden kann. Auch diese Möglichkeit hält der Senat für zumutbar. Die Zeit von drei bis vier Stunden hält der Senat für die Hin- und Rückfahrt zu einer öffentlichen Veranstaltung und an deren Teilnahme für ausreichend. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger es ablehnt, mit einem tragbaren Sauerstoffgerät versorgt zu werden. Allein die Möglichkeit, mit einem solchen Gerät an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können, reicht aus, um den Nachteilsausgleich zu verwehren. Soweit es nach der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F ... zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers infolge des Myokardinfarktes kam, sah sich der Senat zu keiner neuen Begutachtung des Klägers veranlasst. Denn diese sind nach Auffassung des Senats nicht derart, dass der Kläger auch mit den beschriebenen Hilfsmitteln nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Zwar ist der Kläger nach Aussage von SR Dr. S ... von Februar 2000 im Laufe des letzten Jahres (1999) mehrfach kardial dekompensiert. Andererseits teilt er mit, dass sich das Befinden des Klägers etwas stabilisiert habe und er seitens der Cor pulmonale rekompensiert sei. Im Mai 2000 stellte der behandelnde Arzt keine Zeichen einer schweren kardiopulmonalen Verschlechterung fest. Gerade die kardiopulmonale Insuffizienz kann aber mit Hilfe des tragbaren Sauerstoffgerätes derart ausgeglichen werden, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Daher kann der Einschätzung von SR Dr. S ..., wonach der Kläger physisch aufgrund der Belastungsatemnot an die Wohnung "gefesselt" sei, nicht gefolgt werden.
Eine Störung anderer Teilnehmer ist durch die Benutzung des tragbaren Sauerstoffgerätes nicht ersichtlich. Eine solche Störung ist immer dann anzunehmen, wenn es den anderen Besuchern einer öffentlichen Veranstaltung unzumutbar ist, Behinderte wegen den Auswirkungen ihrer Behinderung zu ertragen, insbesondere, wenn diese durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken, z. B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung, unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können, oder bei ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten (BSG, a. a. O.). Die beim Kläger vorliegenden Behinderungen sind indes nicht mit derartigen Auswirkungen verbunden. Im Hinblick auf das mitzuführende Sauerstoffgerät ist es anderen Teilnehmern nach Auffassung des Senats ohne Weiteres zuzumuten, infolge des Sauerstoffgerätes mit der Behinderung des Klägers konfrontiert zu werden, die sich ansonsten nicht "nach außen" dokumentiert. Denn der Öffentlichkeit ist ein hohes Maß an Belastung durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten, da das Schwerbehindertengesetz die Eingliederung und nicht die Ausgrenzung Behinderter zum Ziel hat. Deshalb kann auch im Hinblick auf die teilweise bestehende Inkontinenz das Merkzeichen "RF" nicht vergeben werden, weil ein empfindsamer Behinderter mit Rücksicht auf andere Besucher aufgrund der Geruchsbelästigung öffentliche Veranstaltungen meidet (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91). Im Übrigen ist es dem Kläger zumutbar, Windelhosen zu benutzen, um öffentliche Veranstaltungen aufzuchen zu können, die den Harn bis zu zwei Stunden ohne Geruchsbelästigung für andere Menschen aufnehmen. Dies verstößt weder gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Grundgesetz - GG -) noch gegen den Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96).
Schließlich ist der Umstand, dass sich der Kläger, wie SR Dr. S ... mitteilt, nach dem Tod seiner Ehefrau zurückgezogen hat und daher an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnimmt, für die Vergabe des Merkzeichens "RF" unbeachtlich. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, reicht allein die aus gesundheitlicher Sicht mit der Benutzung von Hilfsmitteln objektiv bestehende Möglichkeit, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, aus, um den Nachteilsausgleich zu versagen.
Nachdem der Kläger auch weder blind noch vorübergehend wesentlich sehbehindert, noch hörgeschädigt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2a) und b) der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die strengen Kriterien für die Vergabe des Merkzeichens "RF" nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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