L 2 U 19/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 137/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 19/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 02. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Wiedergewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines am 12.01.1979 erlittenen Unfalls.

Die im Jahre ... geborene Klägerin stürzte ausweislich der Unfallmeldung des Betriebes vom 15. 01.1979 bei Eisglätte auf dem Weg zur Arbeit und fiel rücklings zu Boden. Noch am selben Tag suchte sie die Poliklinik K ... auf und berichtete über Schmerzen in der rechten Gesäßhälfte und Beschwerden beim Laufen. Am 05.02.1979 wurde eine "rechtsseitige typische Ischialgie" dokumentiert. In der Folgezeit kam es zu Rückenschmerzen bzw. ischialgieformen Beschwerden. Vom 13.08. bis zum 07.09.1979 wurde die Klägerin in der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses K ... stationär behandelt. Laut Entlassungsbericht vom 15.09.1979 ergaben sich für eine chronische Ischialgie keine eindeutigen pathologischen Befunde. Nachdem 1981 bei einer Kontrolluntersuchung der Verdacht auf eine Einengung des Spinalraumes bei dem Wirbelkörper L3 geäußert worden war, und die klinischen Beschwerden zugenommen hatten, wurde die Klägerin am 12.11.1981 im Krankenhaus R ... von Dr. R ... operiert. Beim Freilegen des Rückenmarkskanals fanden sich umschriebene erhebliche Verwachsungen der Spinnwebenhäute unter Ausbildung einer Knochenleiste, deren Entstehung jedoch unklar blieb. Bei völlig intakten Bandscheiben bestand eine schwere Entzündung der weichen Spinnwebenhaut im Sinne einer schweren, fast tumorösen Arachnitis spinalis. Die histologischen Untersuchung ergab epidurales Fettgewebe, wobei eine gutartige Fettgeschwulst nicht ausgeschlossen werden konnte. Die neurologische Untersuchung durch Dr. S ... am 05.07.1982, die auch eine ENG- und EMG-Untersuchung umfaßte, zeigte normale Befunde. Unter dem Datum vom 19.08.1982 erstattete Dr. R ... ein Gutachten, in welchem er ausführte, die bei der Operation gefundenen Veränderungen könnten durch einen Unfall im Jahre 1968 entstanden sein. Die erneute Traumatisierung im Jahre 1979 habe zu einer richtungsweisenden Verschlechterung geführt. Den Körperschaden schätzte der Gutachter mit 25 v.H. ein, und machte dafür insbesondere das Schmerzsyndrom und die muskuläre Insuffizienz verantwortlich.

Die Verwaltung der Sozialversicherung der DDR anerkannte den Sturz vom 12.01.1979 als Arbeitsunfall und gewährte eine Unfallteilrente nach einem Körperschaden von 25% ab 01.11.1981. Diese wurde jedoch mit dem Bescheid der Sozialverwaltung vom 19.7.1988 mit Wirkung zum 31.08.1988 eingestellt, nachdem die Ärzte Sch ..., F ... und P ... von der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Akademie D ... in einem Gutachten vom 12.01.1988 ausgeführt hatten, das Unfallereignis vom 12.01.1979 habe nur zu einer vorübergehenden Verschlechterung eines bereits vorbestehenden Leidens geführt. Die im November 1981 durchgeführte Laminektonomie und Neurolyse sei nicht unfallbedingt erforderlich gewesen, so dass auch die Postlaminektomiebeschwerden nicht auf den Unfall sondern auf die Grundkrankheit zurückgeführt werden müßten. Bereits vor dem Sturz am 12.01.1979 sei die Klägerin wegen lumbaler Beschwerden in fachärztlicher orthopädischer Behandlung gewesen. Bei der Erstvorstellung nach dem Unfall in der Poliklinik K ... seien weder Wirbelsäulen- noch radikuläre Schmerzen erwähnt worden. Es gebe keinen Hinweis auf eine Verletzung der LWS. Die damals beschriebene Hypästhesie sei mit der lokalen Prellung zu erklären. Die später festgestellte Arachnitis spinalis könne nicht mit dem Sturz am 12.01.1979 in Verbindung gebracht werden. Die bestehenden lumbalen vertebragenen Beschwerden seien daher keine Unfallfolgen. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Entscheidung der Beschwerdekommission aufgrund der Sitzung vom 20.10.1988, Beklagten-Akte Bl. 74).

Die im Dezember 1992 über den Unfall unterrichtete Beklagte zog medizinischer Unterlagen bei, u.a. ein seit 1957 geführtes Krankenblatt (Beklagten-Akte Bl. 92). Darin ist am 4.1.1974 festgehalten, daß die Klägerin vor 6 Jahren einen Unfall mit Bandscheibenschaden erlitten hatte. Seit dieser Zeit habe sie laufend Beschwerden. Bei der letzten Vorstellung sei ein verstärkter Schmerz im Bereich des Steißbeines festgestellt worden. Die genannten Beschwerden wurden am 7.8.1978 erneut behandelt und besserten sich gegen Ende des Monats etwas. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. L ... führte in seiner Stellungnahme vom 05.10.1993 (Beklagten-Akte Bl. 100) aus, zum Zeitpunkt des Ereignisses im Jahre 1979 hätte die Klägerin seit mehr als 10 Jahren behandlungsbedürftige Störungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehabt. Am Unfalltag sei ein Beschwerdebild beschrieben worden, das sich vornehmlich auf die rechte Gesäßhälfte konzentriert habe. Drei Wochen später sei dann das Beschwerdebild einer Ischiasnervenreizung beschrieben worden, wie es seit Jahren rezidivierend bei der Klägerin bekannt gewesen und therapiert worden sei. Ein Zusammenhang der jetzt bestehenden Beschwerden mit dem Unfallereignis könne daher nicht anerkannt werden. Der von der Beklagten herangezogene Sachverständige Dr. G ..., Klinik und Poliklinik für Unfall- und Wiederherstellungschiurgie des Universitätsklinikums D ..., diagnostizierte bei der Klägerin eine Beweglichkeitseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule, eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik mit rechtsbetonter radikulärer Symptomatik bei den Wirbelkörpersegmenten L5/S1 sowie einen Zustand nach Hemilaminektonomie L4/L5 linksseitig mit nun ausgeprägter röntgenologischer Instabilität im Bewegungssegment L5/S1 und führte aus, es sei nahezu unmöglich, einen Unfallzusammenhang mit Sicherheit abzuklären. Zusammenfassend könne aber festgehalten werden, dass sofort nach dem Unfallereignis vom 12.01.1979 eine ischialgieforme Beschwerdesymptomatik im Bereich des rechten Beines aufgetreten sei. Die schließlich im Jahre 1981 erfolgte operative Revision mit anschließender ausgeprägter narbiger Verwachsung im unteren Lendenwirbelsäulenabschnitt sei daher ebenso wie die vorgefundene Instabilität des Bewegungssegmentes L5/S1 als Unfallfolge zu werten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte der medizinische Sachverständige auf 20 v.H. ein (Gutachten vom 03.03.1995).

Der von der Beklagten nunmehr befragte Dr. N ..., Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in F ..., wies darauf hin, dass sich auf den vorgelegten Röntgenaufnahmen von 30.01.1995 wesentliche degenerative Veränderungen im Lenden-Kreuzbein-Übergangssegment L5/S1 nicht erkennen ließen. Zwar könne eine Spinnenhautentzündung (Arachnitis) durch häufige Injektionen ausgelöst werden. Es gebe jedoch keinen vernünftigen Grund anzunehmen, bei der Klägerin seien Injektionen zur Bekämpfung von Verletzungsfolgen erfolgt. Im übrigen sei nach den Röntgenaufnahmen eine Instabilität im Bereich L5/S1 gerade nicht nachgewiesen. Den Ausführungen im Gutachten von Dr. G ... könne daher nicht zugestimmt werden (Stellungnahme nach Aktenlage vom 07.10.1995).

Mit Bescheid vom 11.12.1995 lehnte die Beklagte daraufhin die Neufeststellung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalles vom 12.01.1979 ab. Das Krankheitsbild an der Lendenwirbelsäule sei nicht auf das Unfallereignis vom 12.01.1979, sondern vielmehr auf unfallunabhängig bestehende anlagebedingte Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule zurückzuführen.

Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 01.01.1996 und 04.02.1996. Seit dem Unfall vom 12.01.1979 sei sie nie wieder voll einsatzfähig gewesen. Gegen die Entziehung der Teilrente im Jahre 1988 habe sie Einspruch eingelegt, der jedoch sofort abgelehnt worden sei. Da sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert habe, sei die Aberkennung der Teilrente nicht rechtens.

Mit Bescheid vom 12.04.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dr. N ... habe nach Auswertung der Unterlagen und insbesondere der Röntgenaufnahmen festgestellt, dass Folgen des Unfalles vom 12.01.1979 nicht mehr vorlägen und sich somit keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit begründen lasse.

Am 13.05.1996 hat die Klägerin das Sozialgericht Dresden angerufen. Aufgrund der Ausführungen der Gutachter Dr. R ... sowie Dr. G ... sei auch weiterhin von unfallbedingten Funktionsstörungen auszugehen, durch die ihre Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaße gemindert sei.

Das Gericht hat medizinische Unterlagen beigezogen und Chefarzt Dr. P ..., Städtisches Klinikum D ..., zum Sachverständigen bestellt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 19.1.1998 zu dem Ergebnis gelangt, das bei der Klägerin bestehende vertebragene lumbale Schmerzsyndrom sei ausschließlich ein Vorschaden, der Unfall von 1979 sei weder als Ursache noch als Verschlimmerung einzuschätzen, eine unfallbedingte MdE bestehe nicht (SG-Akten Bl. 142-155). Die Ärzte Z ... und G ... hätten in ihrer Stellungnahme vom 27.7.1998 zu diesem Gutachten ausgeführt, es sei - was die Beschwerdesymptomatik betreffe - durch den Sturz durchaus zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung gekommen, es sei aber nahezu unmöglich, den Unfallhergang mit Sicherheit abzuklären (Bl. 182 f.). Dr. P ... seinerseits hat dem entgegengehalten (Schr. v. 23.9.1998), die ischialgieformen Beschwerden seien damals erst etwa drei Wochen nach dem Sturz dokumentiert worden (Bl. 188).

Mit Urteil vom 2. Dezember 1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 215 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) in Verbindung mit § 1150 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) gälten Unfälle, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten, und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung gewesen seien, als Arbeitsunfälle im Sinne der RVO. Die Verwaltung der Sozialversicherung der DDR habe das Ereignis vom 12.01.1979 als Arbeitsunfall anerkannt. Zu Recht habe dies auch die Beklagte als für sie bindend angesehen. Für derartige Arbeitsunfälle bestimme § 215 Abs. 6 SGB VII in Verbindung mit § 1154 Abs. 1 Satz 2 RVO, dass für die Bemessung des Körperschadens § 581 RVO anzuwenden sei, wenn Renten nach dem 31.12.1991 erstmals festgestellt oder neu festgestellt würden. Eine Unfallteilrente anläßlich des Ereignisses vom 12.01.1979 sei nur bis zum 31.08.1988 gezahlt worden. Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO erhielten Versicherte für einen bei einer versicherten Tätigkeit erlittenen Unfall den Teil der Vollrente, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspreche, solange infolge des Unfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um mindestens 1/5 gemindert sei und die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauere. Entgegen der Auffassung der Klägerin lägen keine Unfallfolgen mehr vor, die einen Körperschaden bzw. eine MdE in rentenberechtigendem Grade bedingten. Die Kammer stütze sich auf das Gutachten von Chefarzt Dr. P ... vom 19.1.1998 sowie das Gutachten der Drs. Sch ..., F ... und P ... vom 12.01.1988, das im Wege des Urkundenbeweises herangezogen werde. Dr. P ... habe ausgeführt, bei der Klägerin bestehe seit fast 30 Jahren ein chronisches vertebragenes lumbales Schmerzsyndrom. Daneben fänden sich nur diskrete degenerative Veränderungen im Bereich L5/S1, die seit 1984 nicht wesentlich fortgeschritten seien, sowie seit 1995 mit hinreichender Sicherheit eine deutliche und generalisierte Osteoporose. Ausweislich der Unfallmeldung und des ärztlichen Erstbefundes sei es bei dem Unfall vom 12.01.1979 zu einer Prellung der rechten Gesäßseite gekommen. Erstmals am 05.02.1975, also drei Wochen nach dem Unfallereignis, seien Beschwerden im Sinne einer Ischialgie dokumentiert. Diese Beschwerden hätten nachweisbar schon jahrelang vor dem Unfall bestanden, was durch die Behandlungen in den Jahren 1974, 1976 und 1978 in der chirurgischen Abteilung der Poliklinik Kamenz belegt werde. Für das Vorliegen einer posttraumatischen Arachnitis, wie sie von Dr. R ... am 19.08.1982 diagnostiziert worden sei, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Eine Arachnoiditis finde sich nur als Folgen operativer Eingriffe oder als Reaktion auf schwere Traumatisierungen des Spinalkanals. Eine derartig schwere Verletzung habe sich aber am 12.01.1979 nicht ereignet. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei es damals (nur) zu einer in kurzer Zeit abgeklungenen Prellung des Gesäßes bzw. der rechten Hüftregion gekommen, die keinerlei Dauerschäden hinterlassen habe. Diese Ausführungen würden untermauert durch die Feststellungen der Drs. Sch ..., F ... und P ... in dem Gutachten vom 12.01.1988, wonach der Unfall nur eine vorübergehende Verschlechterung eines bereits vorbestehenden Leidens ausgelöst habe. Die im November 1981 vorgenommene Laminektonomie und die Neurolyse seien nicht unfallbedingt, sondern müssten der Grunderkrankung zugerechnet werden. Die Klägerin sei bereits vor dem Sturz am 12.01.1979 wegen lumbaler Beschwerden in Hoyerswerda behandelt worden. Bei der Erstvorstellung nach dem Unfall in der Poliklinik K ... habe sie weder Wirbelsäulen- noch radikuläre Schmerzen erwähnt. Es fänden sich in den Unterlagen keine Hinweise auf eine Verletzung der Lendenwirbelsäule. Die lumbalen vertebragenen Beschwerden seien somit als unfallunabhängig einzuschätzen. Unfallfolgen bestünden nicht mehr. Soweit hingegen Oberarzt Dr. G ... in seinem Gutachten vom 03.03.1995 zu der Einschätzung gelangt sei, die festgestellte Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule sowie die ausgeprägte Instabilität im Bereich L5/S1 seien unfallbedingt, vermöge dies die gutachterlichen Feststellungen von Chefarzt Dr. P ... und der Drs. Sch ..., F ... und P ... nicht zu widerlegen. Dr. G ... unterstelle eine Stauchung der Wirbelsäule mit dem sofortigen Eintritt einer ischialgieformen Beschwerdesymptomatik im Bereich des rechten Beines. Es seien jedoch weder ein axiales Stauchungstrauma noch der sofortige Eintritt ischialgieformer Beschwerden belegt. Wie Dr. P ... zu Recht ausgeführt habe, seien ischialgieforme Beschwerden erstmals etwa drei Wochen nach dem Unfall dokumentiert. Sowohl die Klägerin selbst als auch die Aufzeichnungen in der Unfallmeldung sprächen von einem Sturz auf das rechte Gesäß bzw. die rechte Hüftgegend. Auch beim ersten Arztbesuch nach dem Unfall würden lediglich Schmerzen in der rechten Gesäßseite und beim Laufen angegeben. Da es somit gerade keinen Nachweis für eine Verletzung der Wirbelsäule durch den Unfall gebe, seien die weiteren Ausführungen von Dr. G ... nicht schlüssig, da sie von falschen Voraussetzungen ausgingen. Gleiches gelte für die Feststellungen von Dr. H ... in seinem Gutachten vom 19.08.1982. Seine Behauptungen - obwohl kein eindeutiger neurologischer Befund dokumentiert sei, müsse eine Traumatisierung auch der Lendenwirbelsäule als denkbar angenommen werden; ausgehend davon, sei es bei dem Unfall zu einer richtungsweisenden Verschlechterung eines vorbestehenden Leidens gekommen - begründe er jedoch nicht.

Gegen das ihr am 25.1.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.2.1999 Berufung eingelegt. Es sei auffallend, dass hier zwei verschiedene medizinische Auffassungen vorgetragen würden. Sie rege deshalb eine erneute Begutachtung an. Auch habe das SG fehlerhaft festgestellt, am 5.2.1979 sei eine Wiedervorstellung erfolgt, bei der eine "rechtsseitige typische Ischialgie" dokumentiert worden sei. Tatsächlich aber sei damals von typischen Beschwerden "im Sinne einer Ischialgie" die Rede gewesen, was sich aus der Dokumentation von Dr. B ... (Bekl.-Akten Bl. 92) ergebe. Der Arzt sei sich damals also über die genaue Diagnose im Unklaren gewesen. Noch am 12.2.1979 sei keine wesentliche Besserung eingetreten gewesen. Im Krankenhaus M ..., wo sie sich wegen resistenter Beschwerden in der letzten Septemberwoche des Jahre 1980 aufgehalten habe, sei man sich ebenfalls über die Diagnose unschlüssig gewesen. Die Einschätzung von Chefarzt Dr. H ... vom 19.8.1982 sei für sie schlüssig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 2. Dezember 1998 mit dem Bescheid der Beklagten vom 11.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekommission vom Oktober 1988 der Klägerin ab dem 01.01.1992 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und bezieht sich im wesentlichen auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des angegriffenen Urteils.

Dem Senat liegen neben den Prozeßakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Die hier maßgebenden Normen hat das SG bereits zutreffend genannt. Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:

Da bereits eine Entscheidung eines Sozialrechtsträgers der DDR vorliegt, mit welcher der Klägerin eine zuvor zuerkannte Leistung wieder entzogen wurde und die Klägerin nicht geltend macht, es sei seit damals wieder eine Verschlechterung eingetreten, sondern ihr Vortrag darauf hinausläuft, ihr hätte die Rente nicht entzogen werden dürfen, ist der Anspruch nach § 44 SGB X iVm. Art. 19 EinigVtr zu beurteilen. Dies schließt ein Wiederaufgreifen einer früheren Entscheidung nicht von vornherein aus, wie der Senat bereits entschieden hat (Urt. v. 30.5.2000 - L 2 U 19/95). Im Falle der Klägerin sind jedoch die Voraussetzungen von § 44 SGB X nicht erfüllt. Denn es ergibt sich nicht, daß bei Erlaß des Entziehungsbescheides von einem Sachverhalt ausgegangen wäre, der sich nunmehr als unrichtig erweist.

Auch der Sache nach hat das SG richtig entschieden. Der Klägerin steht eine Verletztenrente nicht zu. Die von ihr gegen das Urteil des SG erhobenen Einwände greifen nicht durch; eine weitere Begutachtung ist nicht erforderlich.

Die Begründung, mit welcher seinerzeit der Klägerin eine Rente nach einem Körperschaden von 25 v.H. zugesprochen worden war, ist schon mehr als zweifelhaft. Dr. H ... war in seinem Gutachten v. 19.8.1982 selbst davon ausgegangen, daß im Jahre 1979 nicht die Wirbelsäule verletzt wurde, sondern der Unfall nur zu einer Verschlechterung des Leidens führte, das im Jahre 1968 durch die damals erfolgte Wirbelsäulen-Verletzung verursacht worden war. Nur da "das Gegenteil nicht beweisbar" sei, "würde" er einen Zusammenhang sehen zwischen dem zur Operation am 12.11.1981 (Laminektomie L 5 - Entfernung des Wirbelbogens des Wirbelkörpers L 5) führenden Leiden und den Arbeitsunfähigkeitszeiten, die wegen der Ischialgie erfolgt seien, "mit dem Unfall von 1968 bzw. richtungsweisend verschlechternd 1979". Maßgebend für die Höhe des Körperschadens (25 %) waren insbesondere das Schmerzsyndrom und die muskuläre Insuffizienz, die Folge einer neurogenen Innervationsschwäche seien.

Bei der Untersuchung am 29.12.1987, die dem - schließlich zur Rentenentziehung führenden - Gutachten der Drs. Sch ..., F ... und P ... vom 12.1.1988 zugrunde lag, ergab sich als Diagnose (1) ein lumbales vertebragenes pseudoradikuläres Schmerzsyndrom mit fraglichen rechtsseitigen radikulären Residuen, (2) ein lumbales Postlamektomiesyndrom sowie (3) ein zervikokranielles [den Übergang Hals/Schädel betreffendes] vertebragenes Schmerzsyndrom. Die letztgenannte Störung kommt von vornherein als Verletzungsfolge nicht in Betracht, weil dieser Bereich weder von Sturz noch von Operation betroffen war. Aber auch die Diagnosen (1) und (2) hängen nicht mit dem Unfall 1979 zusammen. Das steht fest insbesondere aufgrund des vom SG eingeholten Gutachtens von Dr. P ... Schon im Gutachten 1988 ist festgestellt, daß die Laminektomie nicht unfallbedingt erforderlich geworden ist. Dies wird von Dr. P ..., aber - indirekt - auch vom Gutachten Drs. Z .../G ... bestätigt, die anhand des Krankenblattes auflisten, wie oft die Klägerin seit 1968 wegen Schmerzen im Bereich des Steißbeines behandelt wurde (Beklagten-Akte Bl. 139). Bereits am 4.1.1974 ist festgehalten worden, daß die Klägerin seit einem vor sechs Jahren erlittenen Bandscheibenschaden "laufend Beschwerden" hatte. Diese setzten sich in der Folgezeit fort, zuletzt vor dem Unfall wurden sie für August 1978 notiert (21.8.: "Erneut etwas Verschlimmerung eingetreten. Dexamethason-Inj.", 25.8.: Besserung - Dexamethason"). Dr. P ...hat diese Beschwerden als ein chronisches vertebragenes lumbales Schmerzsyndrom mit ischialgieähnlicher Ausstrahlung qualifiziert. Bedeutsam ist hier, daß für den Unfalltag am 12.1.1979 selbst nur über "Schmerzen in der rechten Gesäßseite. Beim Laufen Beschwerden" berichtet wird, während erst am 5.2.1979, also mehr als drei Wochen später, "Typ. Beschwerden im Sinne einer Ischialgie" festgehalten sind. Es hat sich also das alte Beschwerdebild fortgesetzt, die auf die rechts Gesäßseite lokalisierten Schmerzen waren offenbar abgeklungen. Dieser Ablauf wird im Gutachten Drs. Z .../G ... ungenau wiedergegeben, wenn es dort heißt, es sei "sofort" eine ischialgieförmige Beschwerdesymptomatik aufgetreten (Beklagten-Akte Bl. 144). Genau an dieser Unmittelbarkeit fehlt es. Damit aber ist der weiteren Argumentation der Boden entzogen, wonach die Operation im Jahre 1981 durch die unfallbedingten Beschwerden indiziert gewesen und somit deren Auswirkung mittelbare Folge des Unfalls sei (Beklagten-Akte Bl. 144). Das Gutachten Drs. Z .../G ... geht deshalb zu Unrecht und ohne jede Begründung davon aus, daß es der Unfall gewesen sei, der die ischialgieförmige Beschwerdesymptomtik "ausgelöst" habe. Dr. Z ... und Dr. G ... haben Dr. P ...entgegengehalten (Stellungnahme v. 27.7.1998), durch den Sturz sei es zu einer "richtungsweisenden Verschlimmerung (Vorbeschwerden nur im Steißbein mit Druckschmerzhaftigkeit, nach dem Unfall Schmerzen im gesamten Bein und Gefühlsstörung)" gekommen. Dies hält einer Nachprüfung nicht stand. Denn die wiedergegebene Beschreibung des Beschwerdebildes bezieht sich allein auf die - vor fünf Jahren erfolgte - Aufzeichnung vom 4.1.1974, besagt also nichts über den genauen Zustand unmittelbar vor dem Unfall, und für den Unfalltag selbst sind nur "Schmerzen in der re. Gesäßseite" festgestellt worden, keinesfalls aber solche "im gesamten Bein". Daran hat sich auch jedenfalls bis zum 10.4.1979 nichts geändert. Die von diesen Sachverständigen offenbar ins Auge gefaßte Änderung von Grund und Art der bisherigen Beschwerden läßt sich somit nicht einmal plausibel, geschweige denn überhaupt nur wahrscheinlich machen.

Im Gutachten Drs. Z .../G ... wird die dort gegebene Einschätzung der MdE (20 v.H.) mit der Bewegungseinschränkung der LWS sowie der ausgeprägten L5/S1-Instabilität begründet, also Befunden, die schon seit 1981 bestanden und - wie dargelegt - nicht auf den Unfall zurückzuführen sind. Es läßt sich damit auch nicht zugunsten der Klägerin von einer seit der Entziehung eingetretenen Verschlechterung ausgehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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