Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 RA 231/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 1).
Die Klägerin betreibt ein Geschäft zum Verkauf von Heimtextilien.
Nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin machte die Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2001 rückständige Sozialversicherungsbeiträge unter anderem für die Beigeladene zu 1), die bei der Klägerin als Aushilfsverkäuferin arbeitete, geltend. Die Nachforderung bezog sich auf Beiträge aus tarifvertraglich geschuldetem, der Beigeladenen zu 1) aber nicht ausgezahltem und von dieser nicht gefordertem Arbeitsentgelt. Die Beigeladene zu 1) wurde als geringfügig Beschäftigte bei der Klägerin versicherungsfrei geführt, weil das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt von 600/- DM monatlich bei einem vereinbarten Stundenlohn von 10,- DM die Geringfügigkeitsgrenze nicht überstieg. Seit dem 01.04.1999 waren für die Beigeladene zu 1) die pauschalierten Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung gezahlt worden. Die Hochrechnung der gezahlten Gehälter auf das tarifvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt führte nach den Berechnungen der Beklagten zu einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze und damit zur Versicherungspflicht. Die Beitragsnachforderung bezüglich der Beigeladenen zu 1) betraf den Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 31.03.2000.
Hiergegen erhob die Klägerin am 12.02.2001 durch ihren Steuerberater Widerspruch. Sie machte geltend es sei wirtschaftlich nicht möglich, Aushilfen pauschal mit 16,00 DM zu entlohnen. Ab dem 01.04.2000 bestehe keine Tarifbindung mehr. Die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge sei existenzgefährdend. Im Sozialversicherungsrecht gelte das Zuflussprinzip.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.07.2001 zurück. Die Prüfung habe ergeben, dass die Beitragsberechnungen nicht nach dem Arbeitsentgelt erfolgt sei, auf das im Zeitpunkt der Arbeitsleistung nach den Regelungen des allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages im Wirtschaftsbereich Groß- und Außenhandel sowie im Wirtschaftsbereich Einzelhandel in NRW ein Rechtsanspruch bestanden habe. Der Beitragsanspruch hänge nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde/ es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Auch aus dem geschuldeten/ aber vom Arbeitgeber nicht gezahlten Arbeitsentgelt seien bereits mit dem Entstehen des Anspruchs Beiträge fällig geworden.
Hiergegen richtet sich die am 15.08.2001 erhobene Klage. Die Klägerin meint/ nur vom tatsächlich gezahlten Arbeitslohn seien Beiträge zu entrichten. Zudem beruft sie sich auf Vertrauensschutz.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 in Höhe der auf die Beigeladene zu 1) entfallenen nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint die Einzugsstellen hätten zurecht nach dem Entstehungsprinzip über die Versicherungs- und Beitragspflicht erkannt. Ein Vertrauensschutz gegen die Beitragsforderungen komme nicht in Betracht. Der Beitragschuldner sei durch die Verjährungsfrist von vier Jahren vor unzumutbaren Beitragsnachforderungen hinreichend geschützt. Die Verwirkung von Ansprüchen unterhalb der Verjährung setze voraus dass ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukomme welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hätte, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde. Die etwaige Untätigkeit der Einzugsstellen bei der Einziehung der Beiträge oder im Rahmen von Betriebsprüfungen führten daher nicht zu einem derartigen Vertrauensschutz. Das Entstehensprinzip sei nie in Frage gestellt worden. Bereits mit Schreiben vom 04.02.1999 an den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes habe der Bundesminister für Arbeit- und Sozialordnung dargelegt, dass im Interesse der Arbeitnehmer und der Sozialversicherung nicht zugunsten der betroffenen Arbeitgeber von der Beitragspflicht des tariflich geschuldeten Arbeitslohns abgewichen werden könne. Ebenso habe die Beklagte am 12.04.1999 Vertreter der Bundessteuerberaterkammer über den Umfang der Beitragsüberwachung nach dem Entstehungsprinzip und die rechtlichen Grundlagen informiert. Auch durch die Presse, einer Aufsatzreihe in der Zeitschrift "Impulse" im September 1998 sei für die breite Öffentlichkeit über die Prüfungspraxis ausgiebig berichtet worden. Ein Arbeitgeber, der Beiträge vom nicht ausgezahlten Lohn zu entrichten habe, werde nicht stärker belastet, als ein Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten den Tariflohn unter Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Lohn gewährt habe.
Das Gericht hat die Beigeladenen zu 1) bis 4) beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist auch insoweit nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, als Gesamtversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) nachgefordert werden.
Die Beklagte war gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB IV berechtigt, bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchzuführen und gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV die sich anlässlich der Betriebsprüfung ergebenen Beitragsnachforderungen per Bescheid festzustellen und einzuziehen. Die Beigeladene zu 1) war auch in der Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.03.2000 nicht versicherungsfrei. Versicherungsfrei sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nur diejenigen Personen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV ausüben. Danach liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt im Monat 630,00 DM nicht übersteigt. Arbeitsentgelte sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht unter welcher Beziehung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Klägerin zahlte der Beigeladenen zu 1) ein monatliches Entgelt von 600,00 DM, woraus sich ein Stundenlohn von 10,00 DM errechnete in den Jahren 1999 und 2000.
Allerdings sind bei der Bemessung des Arbeitsentgeltes nicht nur die tatsächlich gezahlten/ sondern auch die geschuldeten Entgelte zu beachten (vgl. BSGE 59, 183, 189; BSG Urteil vom 30.08.1994 Az.: 12 RK 59/92). Für die Klägerin waren im maßgeblichen Zeitraum die Tarifverträge für den Wirtschaftsbereich Groß- und Außenhandel und den Wirtschaftsbereich Einzelhandel im Bundesland Nordrhein-Westfalen maßgeblich. Die Geltung dieser Tarifverträge ergibt sich aus § 5 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes danach waren die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt worden. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnorm des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aufgrund dieses allgemeinverbindlichen Tarifvertrages schuldete die Klägerin der Beigeladenen für die Zeit von Januar bis Juni 1999 ein monatliches Entgelt von 986,40 DM und für die Zeit von Juli 1999 bis zum März 2000 ein monatliches Entgelt von 1.115,80 DM. Damit ist die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten. Für dieses Arbeitsentgelt sind daher Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzufordern es besteht eine Sozialversicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Die Entstehung des Beitragsanspruchs hängt nicht davon ab/ ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt wurde es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.08.1994- 12 RK 59/92; vom 26.11. 1985, Az 12 RK 51/83). Der Beitragsanspruch entsteht vielmehr zu dem in § 23 Abs. 1 SGB IV bestimmten Zeitpunkt, wenn nur das Entgelt durch die Arbeitsleistung "verdient" worden ist. Es ist deshalb unerheblich, auf Grund welchen Tatbestandes nachträglich die Lohnzahlung unterbleibt. Die Beitragsforderung ist eine öffentlich-rechtliche Forderung, die hinsichtlich ihres Entstehens, ihrer Fälligkeit und ihrer Verjährung in den §§ 22/ 23 und 25 SGB IV dem öffentlichen Recht unterliegt und nicht davon abhängt, ob die Beigeladene das zusätzlich geschuldete Arbeitsentgelt noch beanspruchen kann.
Die Klägerin kann sich gegenüber der mit dem Bescheid vom 06.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 geltend gemachten Nachforderung bezüglich der Beigeladenen zu 1) nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Klägerin ist durch die Verjährungsfrist von vier Jahren vor unzumutbaren Beitragsnachforderungen hinreichend geschützt. Ferner setzt die Verwirrung von Ansprüchen unterhalb der Verjährung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus/ dass die Beklagte den Beitrag über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht hat und besondere Umstände hinzutreten, die ein späteres Geltendmachen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) missbräuchlich erscheinen lassen (vgl. BSGE 47, 194; 41, 275). Nicht zur Verwirkung führt es, wenn im Anschluss an eine Betriebsprüfung lediglich keine Beiträge nacherhoben worden sind. Darin liegen keine besonderen Umstände, die ein späteres Geltendmachen innerhalb der Verjährungsfrist als unzumutbar erscheinen lassen. Ein bloßes Nichtstun reicht als Verwirkungshandlung nicht aus.
Ein konkretes Verhalten der Beklagten, welches bei der Klägerin die berechtigte Erwartung erweckt haben könnte, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde, liegt nicht vor. Vielmehr ist den sonstigen der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Erklärungen zu entnehmen, dass Sozialversicherungsbeiträge von dem Arbeitsentgelt zu erheben sind, auf das der Arbeitnehmer einen Anspruch erworben hat, unabhängig davon, in welche Höhe ihm das Arbeitsentgelt tatsächlich ausgezahlt worden ist. Dies ergibt sich beispielsweise aus der von der Beklagten vorgelegten Erklärung des Bundesministers für Arbeit- und Sozialordnung Walter Riester vom 04.02.1999 an den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, ferner aus dem Ergebnisprotokoll der Beklagten mit der Bundessteuerberaterkammer von Oktober 1999 sowie aus dem ausführlichen Aufsatz in der Zeitschrift "Impulse" von September 1998. Nichts anderes ist auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der letzten Jahre zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 1).
Die Klägerin betreibt ein Geschäft zum Verkauf von Heimtextilien.
Nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin machte die Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2001 rückständige Sozialversicherungsbeiträge unter anderem für die Beigeladene zu 1), die bei der Klägerin als Aushilfsverkäuferin arbeitete, geltend. Die Nachforderung bezog sich auf Beiträge aus tarifvertraglich geschuldetem, der Beigeladenen zu 1) aber nicht ausgezahltem und von dieser nicht gefordertem Arbeitsentgelt. Die Beigeladene zu 1) wurde als geringfügig Beschäftigte bei der Klägerin versicherungsfrei geführt, weil das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt von 600/- DM monatlich bei einem vereinbarten Stundenlohn von 10,- DM die Geringfügigkeitsgrenze nicht überstieg. Seit dem 01.04.1999 waren für die Beigeladene zu 1) die pauschalierten Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung gezahlt worden. Die Hochrechnung der gezahlten Gehälter auf das tarifvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt führte nach den Berechnungen der Beklagten zu einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze und damit zur Versicherungspflicht. Die Beitragsnachforderung bezüglich der Beigeladenen zu 1) betraf den Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 31.03.2000.
Hiergegen erhob die Klägerin am 12.02.2001 durch ihren Steuerberater Widerspruch. Sie machte geltend es sei wirtschaftlich nicht möglich, Aushilfen pauschal mit 16,00 DM zu entlohnen. Ab dem 01.04.2000 bestehe keine Tarifbindung mehr. Die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge sei existenzgefährdend. Im Sozialversicherungsrecht gelte das Zuflussprinzip.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.07.2001 zurück. Die Prüfung habe ergeben, dass die Beitragsberechnungen nicht nach dem Arbeitsentgelt erfolgt sei, auf das im Zeitpunkt der Arbeitsleistung nach den Regelungen des allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages im Wirtschaftsbereich Groß- und Außenhandel sowie im Wirtschaftsbereich Einzelhandel in NRW ein Rechtsanspruch bestanden habe. Der Beitragsanspruch hänge nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde/ es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Auch aus dem geschuldeten/ aber vom Arbeitgeber nicht gezahlten Arbeitsentgelt seien bereits mit dem Entstehen des Anspruchs Beiträge fällig geworden.
Hiergegen richtet sich die am 15.08.2001 erhobene Klage. Die Klägerin meint/ nur vom tatsächlich gezahlten Arbeitslohn seien Beiträge zu entrichten. Zudem beruft sie sich auf Vertrauensschutz.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 in Höhe der auf die Beigeladene zu 1) entfallenen nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint die Einzugsstellen hätten zurecht nach dem Entstehungsprinzip über die Versicherungs- und Beitragspflicht erkannt. Ein Vertrauensschutz gegen die Beitragsforderungen komme nicht in Betracht. Der Beitragschuldner sei durch die Verjährungsfrist von vier Jahren vor unzumutbaren Beitragsnachforderungen hinreichend geschützt. Die Verwirkung von Ansprüchen unterhalb der Verjährung setze voraus dass ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukomme welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hätte, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde. Die etwaige Untätigkeit der Einzugsstellen bei der Einziehung der Beiträge oder im Rahmen von Betriebsprüfungen führten daher nicht zu einem derartigen Vertrauensschutz. Das Entstehensprinzip sei nie in Frage gestellt worden. Bereits mit Schreiben vom 04.02.1999 an den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes habe der Bundesminister für Arbeit- und Sozialordnung dargelegt, dass im Interesse der Arbeitnehmer und der Sozialversicherung nicht zugunsten der betroffenen Arbeitgeber von der Beitragspflicht des tariflich geschuldeten Arbeitslohns abgewichen werden könne. Ebenso habe die Beklagte am 12.04.1999 Vertreter der Bundessteuerberaterkammer über den Umfang der Beitragsüberwachung nach dem Entstehungsprinzip und die rechtlichen Grundlagen informiert. Auch durch die Presse, einer Aufsatzreihe in der Zeitschrift "Impulse" im September 1998 sei für die breite Öffentlichkeit über die Prüfungspraxis ausgiebig berichtet worden. Ein Arbeitgeber, der Beiträge vom nicht ausgezahlten Lohn zu entrichten habe, werde nicht stärker belastet, als ein Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten den Tariflohn unter Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Lohn gewährt habe.
Das Gericht hat die Beigeladenen zu 1) bis 4) beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist auch insoweit nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, als Gesamtversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) nachgefordert werden.
Die Beklagte war gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB IV berechtigt, bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchzuführen und gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV die sich anlässlich der Betriebsprüfung ergebenen Beitragsnachforderungen per Bescheid festzustellen und einzuziehen. Die Beigeladene zu 1) war auch in der Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.03.2000 nicht versicherungsfrei. Versicherungsfrei sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nur diejenigen Personen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV ausüben. Danach liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt im Monat 630,00 DM nicht übersteigt. Arbeitsentgelte sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht unter welcher Beziehung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Klägerin zahlte der Beigeladenen zu 1) ein monatliches Entgelt von 600,00 DM, woraus sich ein Stundenlohn von 10,00 DM errechnete in den Jahren 1999 und 2000.
Allerdings sind bei der Bemessung des Arbeitsentgeltes nicht nur die tatsächlich gezahlten/ sondern auch die geschuldeten Entgelte zu beachten (vgl. BSGE 59, 183, 189; BSG Urteil vom 30.08.1994 Az.: 12 RK 59/92). Für die Klägerin waren im maßgeblichen Zeitraum die Tarifverträge für den Wirtschaftsbereich Groß- und Außenhandel und den Wirtschaftsbereich Einzelhandel im Bundesland Nordrhein-Westfalen maßgeblich. Die Geltung dieser Tarifverträge ergibt sich aus § 5 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes danach waren die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt worden. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnorm des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aufgrund dieses allgemeinverbindlichen Tarifvertrages schuldete die Klägerin der Beigeladenen für die Zeit von Januar bis Juni 1999 ein monatliches Entgelt von 986,40 DM und für die Zeit von Juli 1999 bis zum März 2000 ein monatliches Entgelt von 1.115,80 DM. Damit ist die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten. Für dieses Arbeitsentgelt sind daher Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzufordern es besteht eine Sozialversicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Die Entstehung des Beitragsanspruchs hängt nicht davon ab/ ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt wurde es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.08.1994- 12 RK 59/92; vom 26.11. 1985, Az 12 RK 51/83). Der Beitragsanspruch entsteht vielmehr zu dem in § 23 Abs. 1 SGB IV bestimmten Zeitpunkt, wenn nur das Entgelt durch die Arbeitsleistung "verdient" worden ist. Es ist deshalb unerheblich, auf Grund welchen Tatbestandes nachträglich die Lohnzahlung unterbleibt. Die Beitragsforderung ist eine öffentlich-rechtliche Forderung, die hinsichtlich ihres Entstehens, ihrer Fälligkeit und ihrer Verjährung in den §§ 22/ 23 und 25 SGB IV dem öffentlichen Recht unterliegt und nicht davon abhängt, ob die Beigeladene das zusätzlich geschuldete Arbeitsentgelt noch beanspruchen kann.
Die Klägerin kann sich gegenüber der mit dem Bescheid vom 06.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 geltend gemachten Nachforderung bezüglich der Beigeladenen zu 1) nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Klägerin ist durch die Verjährungsfrist von vier Jahren vor unzumutbaren Beitragsnachforderungen hinreichend geschützt. Ferner setzt die Verwirrung von Ansprüchen unterhalb der Verjährung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus/ dass die Beklagte den Beitrag über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht hat und besondere Umstände hinzutreten, die ein späteres Geltendmachen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) missbräuchlich erscheinen lassen (vgl. BSGE 47, 194; 41, 275). Nicht zur Verwirkung führt es, wenn im Anschluss an eine Betriebsprüfung lediglich keine Beiträge nacherhoben worden sind. Darin liegen keine besonderen Umstände, die ein späteres Geltendmachen innerhalb der Verjährungsfrist als unzumutbar erscheinen lassen. Ein bloßes Nichtstun reicht als Verwirkungshandlung nicht aus.
Ein konkretes Verhalten der Beklagten, welches bei der Klägerin die berechtigte Erwartung erweckt haben könnte, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde, liegt nicht vor. Vielmehr ist den sonstigen der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Erklärungen zu entnehmen, dass Sozialversicherungsbeiträge von dem Arbeitsentgelt zu erheben sind, auf das der Arbeitnehmer einen Anspruch erworben hat, unabhängig davon, in welche Höhe ihm das Arbeitsentgelt tatsächlich ausgezahlt worden ist. Dies ergibt sich beispielsweise aus der von der Beklagten vorgelegten Erklärung des Bundesministers für Arbeit- und Sozialordnung Walter Riester vom 04.02.1999 an den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, ferner aus dem Ergebnisprotokoll der Beklagten mit der Bundessteuerberaterkammer von Oktober 1999 sowie aus dem ausführlichen Aufsatz in der Zeitschrift "Impulse" von September 1998. Nichts anderes ist auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der letzten Jahre zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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