L 1 V 23/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 V 215/94
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 V 23/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. April 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der bei dem Kläger nach dem Bundesversorgungsgesetz anzuerkennenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und in Abhängigkeit hiervon über die Gewährung einer Beschädigtenversorgung.

Der am ... geborene Kläger war von April bis Oktober 1944 im Arbeitsdienst tätig; im Anschluss hieran leistete er bis März 1945 Wehrdienst und befand sich sodann bis Januar 1946 in Kriegsgefangenschaft. Er beantragte am 04.12.1990 bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Als kriegsbedingte Gesundheitsstörungen gab er einen Schulterdurchschuss mit Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenkes sowie Rückgratbeschwerden und Kopfschmerzen an. Diese Verletzungen habe er sich im März 1945 im Rahmen von Kampfhandlungen mit den Amerikanern bei Linz am Rhein zugezogen. Dem Beklagten lagen u.a. der Entlassungsschein des Klägers, ein Befundbericht von Dr. F ... auf orthopädischem Fachgebiet, Mitteilungen der "Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht" sowie Unterlagen des Krankenbuchlagers Berlin mit einem Tauglichkeitsgutachten des Klägers. Ferner zog der Beklagte ein Gutachten auf allgemeinmedizinischem Fachgebiet von Dipl.-Med. K ... und Dr. Sch ... bei.

Mit Bescheid vom 05.04.1993 stellte der Beklagte als Schädigungsfolgen fest:

1. Schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk.
2. Narben im Bereich des rechten Nackens und am linken Oberarm.

Die MdE wurde mit weniger als 20 v.H. eingeschätzt. Gegen diese Einschätzung legte der Kläger am 06.05.1993 bei dem Beklagten Widerspruch ein den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.1994 zurückwies; auf der Grundlage der beigezogenen medizinischen Unterlagen sei die MdE für die Schädigungsfolgen zutreffend eingeschätzt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 04.11.1994 Klage beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben, mit der er neben der Feststellung einer höheren MdE auch Kopfschmerzen geltend gemacht hat.

Das SG hat zur Klärung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht von Dr. L ... auf orthopädischem Fachgebiet beigezogen. Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens durch Prof. Dr. U ... und eines neurologischen Gutachtens durch Dr. Sch ... Prof. Dr. U ... kommt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde zusammenfassend in Beantwortung der Beweisfragen des Gerichts zu dem Ergebnis, dass die MdE zwischen 20 bis 25 v.H. festzustellen sei; Dr. Sch ... führt in seinem Gutachten zusammenfassend aus, dass die Schädigungsfolgen insgsamt mit einer MdE von 25 v.H. zutreffend bewertet seien; auf Nachfrage des Gerichts teilte der Sachverständige ergänzend mit, eine Knochenneubildung im Schultergelenk werde mit einer MdE von 10 v.H. und die Bewegungseinschränkung im Schultergelenk mit einer MdE mit 20 v.H. bewertet. Auf die Gutachten und ergänzende Stellungnahme im Übrigen wird Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 26.04.1999 hat der Kläger erklärt, er halte an der Anerkennung seiner Kopfschmerzen als Schädigungsfolge nicht mehr fest.

Das SG hat auf die mündliche Verhandlung mit Urteil vom 26.04.1999 den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 05.04.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbe- von 30 v.H. ab 01.01.1991 festzustellen. Bei der Prüfung der Akten sei der Kammer aufgefallen, dass die Bewegungsmaße der linken Schulter des Klägers sowohl bei allen Befundberichten als auch bei den Gutachten differierten, ja sogar die linke und rechte Schulter verwechselt worden seien. Der Sachverständige Prof. Dr. U ... habe sich in seinem Gutachten letztendlich nicht festlegen können, ob eine MdE von 20 oder 25 v.H. angemessen sei. Insoweit sei das Gutachten nicht brauchbar gewesen. Auch Dr. Sch ... sei zwar unter Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" zur Bildung eines MdE-Grades gekommen, dieser sei jedoch fehlerhaft. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich erschienen sei und seine Beschwerden nochmals geschildert habe, habe sich die Kammer persönlich ein Bild von den Bewegungsmöglichkeiten der linken Schulter des Klägers gemacht. Gemäß Ziffer 26.18 der "Anhaltspunkte" (S. 144) sei die Kammer der Überzeugung, dass die Schädigungsfolgen des Klägers umfassend und hinreichend mit einer MdE von 30 v.H. einzuschätzen sei. Hierbei habe die Kammer auf Grund der sehr starken Bewegungseinschränkungen davon leiten lassen, dass diese eher den Kriterien der "Versteifung des Schultergelenkes in günstiger Stellung bei gut beweglichem Schultergürtel" vergleichbar seien.

Gegen das am 11.05.1999 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 08.06.1999. Die MdE von 30 v.H. sei durch das Gericht in "Augenscheinnahme" des Klägers festgestellt worden. Fraglich bleibe, welche Bewegungsebene dem Gericht demonstriert worden sei. Üblicherweise werde nach der Neutral-Null-Methode mehrere Richtungen angegeben, wobei die Abduktion die Wichtigste von allen sei. Auch für den medizinischen Laien dürfe festzustellen sein, dass für den Fall, wenn der Nackengriff möglich sei, das Schultergelenk mindestens 50 °, wenn nicht noch mehr, abduziert werden müsse. Wenn der Nackengriff möglich sei, könne von einer Versteifung des Schultergelenkes in günstiger Stellung jedoch nicht gesprochen werden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26.04.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zur Klärung des medizinischen Sachverhaltes Befundberichte von Dipl.-Med. K ... auf allgemeinmedizinischem Fachgebiet beigezogen, von Dr. L ... auf orthopädischem Fachgebiet. Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens durch Prof. Dr. D ... Der Sachverständige kommt zusammenfassend auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde zu dem Ergebnis, dass aktuell die MdE 20 v.H. betrage, da der Funktionszustand des Klägers immer noch eindeutig besser sei, als bei einem versteiften Schultergelenk. Auf das Gutachten im Übrigen wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 144, 153 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und in der Sache auch begründet. Zu Unrecht hat das SG den Beklagten unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger eine MdE von 30 v.H. festzustellen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer MdE der bei ihm vorliegenden Schädigungsfolgen in rentenberechtigender Höhe und auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Der angefochtene Bescheid vom 05.04.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.1994 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 1 Abs. 1 BVG erhält derjenige, der durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung Versorgung. Daraus folgt, dass der militärische oder militärähnliche Dienst, das schädigende Ereignis, der damalige Primärschaden und die daraus nunmehr resultierenden Schädigungsfolgen im Sinne des Strengbeweises nachgewiesen werden müssen. Demgegenüber genügt für den die Tatbestandsmerkmale verknüpfenden Ursachenzusammenhang, insbesondere die für die Anerkennung einer Schädigungsfolge notwendige ursächliche (medizinische) Verknüpfung lediglich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Diese liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch- wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht. Die bloße Möglichkeit des Bestehens eines Ursachenzusammenhangs neben anderen, einen solchen Zusammenhang ausschließenden Möglichkeiten genügt indes nicht, um auf eine Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG schließen zu können. Erforderlich ist demnach für den Ursachenzusammenhang zwar nicht der Vollbeweis im Sinne einer zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Gewissheit der Kausalität; umgekehrt müssen nach dem festgestellten Sachverhalt aber jedenfalls mehr Anhaltspunkte für als gegen den Ursachenzusammenhang sprechen.

Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte - was zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig ist, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die ursprünglich auch begehrte Anerkennung von "Kopfschmerzen" als weitere Schädigungsfolgen nicht mehr weiter verfolgt hat - die bei dem Kläger anzuerkennenden Schädigungsfolgen in Form einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk und Narben im Bereich des rechten Nackens und am linken Oberarm zutreffend bezeichnet und festgestellt. Entgegen der Ansicht des Klägers bedingen diese Schädigungsfolgen indes keine MdE in rentenberechtigendem Umfang von wenigstens 25 bzw. 30 v.H.

Gemäß § 31 Abs. 1 und 2 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente, wenn sie in ihrer Erwerbsfähigkeit durch die Schädigungsfolgen mindestens um 25 v.H. gemindert sind; im Übrigen bestimmt sich die Höhe der Beschädigtenversorgung nach der festgestellten MdE. Die MdE ist nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Es kommt im Ganzen darauf an, um wie viel die Befähigung zu einer üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt ist.

Grundlage für die Feststellung, in welcher Höhe eine MdE für eine Schädigungsfolge vorliegt, bilden die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht nach dem Schwerbehindertengesetz", aktualisiert im Jahre 1996 (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. Urteil des BSG vom 18.12.1996, Az.: 9 RV 70/95). Die Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die Anhaltspunkte - auch wenn ihnen kein Normcharakter nach dem eigentlichen Sinne zukommt - umfassend in Form von antizipierten Sachverständigengutachten als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere einer Gesundheitsstörung an. Denn in den Anhaltspunkten ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der Schwere der Beeinträchtigung, die dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz genügt.

Dabei umschreibt indes der Begriff der MdE nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Begriff; seine Festlegung ist daher nicht Aufgabe von Sachverständigen. Sie beruht auch nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, welche allerdings mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der danach der Feststellung der medizinischen Tatsachen nachfolgenden rechtlichen Schlussfolgerung bilden zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; doch es ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.1995 - 4 RJ 120/54; Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 = BSGE 67, 204 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 1 zur vergleichbaren Situation bei Feststellungen des GdB nach dem Schwerbehindertenrecht).

Vor diesem Hintergrund sind die bei dem Kläger anzuerkennenden Schädigungsfolgen lediglich mit einer Gesamt-MdE von 20 v.H. zu bemessen. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest: Der Sachverständige führt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Befunde aus, dass die Beweglichkeit des linken Schultergelenkes eingeschränkt sei und über erhebliche Bewegungsschmerzen geklagt werde. Die Bewegungsmaße für das linke Schultergelenk betrügen Elevation/Reklination 60/0/50-Grad, Abduktion/Adduktion 40/0/50-Grad, Einwärts-/Auswärtsrotation 70/0/30-Grad. Die in dem angefochtenen Bescheid vom 05.04.1993 festgestellten Schädigungsfolgen seien richtig und vollständig bezeichnet. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe es sich bei der Schussverletzung im 2. Weltkrieges um eine Weichteilverletzung gehandelt. Ein Schusskanal im Knochen sei nicht sichtbar. Der Kläger gebe auch an, dass er lediglich mit einem Bindenverband behandelt worden wäre und dass es dann noch geeitert hätte, weshalb Spülungen erfolgt seien. Bei einer Knocheneiterung wäre es im Schulterbereich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Versteifung des Schultergelenks gekommen. Es seien jedoch keine Residuen eines abgelaufenen eitrig-entzündlichen Prozesses am Knochen nachweisbar. Die Struktur, die im Röntgenbefund in der Beurteilung vom 19.02.1993 als Schusskanal bezeichnet werde, sei in Wirklichkeit die Basis des Anschnittes des dann auf der Röntgenaufnahme vom 18.12.1995 zweifelsfrei zur Darstellung kommenden Osteochondromes. Die 1993 als Schusskanal deklarierte Struktur liege auch viel zu weit kaudal des Ein- und Austritts des vom Kläger bezeichneten Projektilweges, so dass in diesem Bereich eine Läsion gar nicht stattgefunden haben könne. Ebenso sei die acromioclavikulare Arthrose, die Teil des Schmerzkomplexes an der linken Schulter sei, nicht Folge des Kriegsgeschehens, denn das Acromioclavikulargelenk liege eindeutig ventral des Verlaufes des Schusskanals. Die acromioclavikulare Arthrose habe außerdem erst in den letzten Jahren eine eindeutige Zunahme erfahren, denn noch auf den Röntgenbildern von 1995 sei sie nicht in indizierter Weise ausgeprägt. Der Hochstand das Humeruskopfes sei in der Regel Ausdruck degenerativer Prozesse im Schultergelenk, meist der Rotatorenmanschette, dieses seien schicksalshafte Prozesse. Die Weichteilverletzung am linken Schultergelenk habe offensichtlich zunächst zu keiner bedeutsamen funktionellen Einschränkung nach dem Krieg geführt, denn immerhin sei der Kläger von 1948 bis 1951 Polizeiangestellter, später dann Kraftfahrer gewesen. Für beide Tätigkeiten, insbesondere für seine Anstellung als Polizeiangehöriger sei eine leibliche körperliche Leistungsfähigkeit sicher Voraussetzung. Es fänden sich auch in der Akte bis 1982 keinerlei Hinweise auf eine nennenswerte Beeinträchtigung der Schulterbeweglichkeit links. Erst am 14.05.1982 anläßlich der Beantragung eines Beschädigtenausweises nach dem Verlust des zweiten, vierten und fünften Fingers links, sei die Teilversteifung der linken Schulter miterwähnt. Das Heben des Armes war bis 30° über die Horizontale noch möglich. Es habe also offensichtlich seinerzeit eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit des linken Schultergelenkes bestanden, die sich dann in den Folgejahren verstärkt habe. Der Sachverständige weist sodann darauf hin, dass interessanterweise Anfang der 90iger Jahre die objektiven Befunde sehr stark differiert hätten. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen habe der Kläger wiederum über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung am linken Schultergelenk geklagt. Diese sei in ihrer jetzigen Ausprägung auf progrediente degenerative Prozesse, nicht aber auf die Schussfolgen zurückzuführen, zumal progrediente Verschleißprozesse neben einem gutartigen Tumorprozess in Form eines Osteochondroms am proximalen Humerus nachweisbar seien. Einzige schädigende Wirkung des Krieges seien die beschriebenen Narben und eine leichte Bewegungseinschränkung der linken Schulter, die erst in den letzten 10 oder 15 Jahren an Intensität zugenommen habe, durch hinzutretende schicksalhafte degenerative Veränderungen. Beleg für die ursprünglich nur leichte Bewegungseinschränkung sei zum einen eine dementierte Schulterbeweglichkeit ansich. In der Entlassungsbescheinigung in englischer Sprache wurde der Befund von Dr. K ..., der eine Teilversteifung der linken Schulter attestiere, aber noch eine Hebe mit 30° über die Horizontale beschreibe. Weitere Gesundheitsstörungen als die leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes infolge einer Weichteilverletzung der dorsolateralen Schultergelenkanteile links seien nicht festzustellen. Die auch offensichtlich in den 90iger Jahren sich verschlechternden Bewegungsmaße seien nicht Resultat der als Kriegseinwirkung eingetretenen Weichteilverletzungen, sondern Folge von Verschleißprozessen und eines Osteochondroms. Bei der Bemessung der MdE müsse man davon ausgehen, dass der annehmbar Schädigungsfolgen bedingte Zustand durch Dr. K ... 1982 erfasst worden sei, als der linke Oberarm noch 30° über die Horizontale zu heben gewesen sei. Danach würde die MdE 10 v.H. betragen. Diese Tatsache würde sich auch mit dem Befund vom 19.02.1993 decken, als eine Elivation von 130-Grad möglich gewesen sei. Aktuell betrage die MdE 20 v.H., da der Funktionszustand des Klägers immer noch eindeutig besser als bei einem versteiften Schultergelenk gegeben sei.

Der Senat schließt sich den gutachterlichen Ausführungen an. Das Gutachten ist in der Erhebung der Befunde, in der würdigenden Bewertung der Vorgeschichte und der bereits erhobenen Befunde, sowie in der Beantwortung der Beweisfragen sachkundig erstellt, nachvollziehbar und im Ganzen schlüssig.

Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die nunmehr bei dem Kläger vorliegenden Funktionseinschränkungen im linken Schultergelenk nicht ausschließlich auf die Weichteilverletzung infolge Schulterdurchschusses während des 2. Weltkreig zurückzuführen sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass als ursächlich kausale, kriegsbedingte Schädigungsfolge lediglich eine leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes anzuerkennen ist, während die in den letzten 10 bzw. 15 Jahren an Intensität zugenommenen Funktionseinschränkungen auf Grund von schicksalhaft degenerativen Veränderungen beruhen, welche nicht im Zusammenhang mit der Kriegsverletzung zu sehen sind und daher bei der Bemessung der kriegsbedingten MdE auch außer Ansatz zu bleiben haben. Die Höhe der MdE für Funktionseinschränkungen in Form von Bewegungseinschränkungen des Schultergelenkes bestimmt sich nach Ziffer 26.18 der Anhaltspunkte (S.143/144). Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes einschließlich Schultergürtels können danach mit einer MdE von 10 v.H. eingeschätzt werden, wenn der Arm nur um 120° zu heben ist, mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit. Wenn hingegen der Arm nur um 90° zu erheben ist, mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, kann die MdE hierfür mit 20 v.H. eingeschätzt werden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen lag bei dem Kläger kriegsbedingt eine leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes vor, welche hinsichtlich des Umfanges der Bewegungseinschränkungen nach der Neutral-Null-Methode hinreichend durch den Befund von Dr. K ... aus dem Jahre 1982 erfasst worden ist, als der linke Oberarm noch um 30-Grad über die Horizontale zu erheben war. Da die Horizontale insoweit 90° beträgt, bedeutet dies, dass kriegsfolgenbedingt der Kläger seinen Arm noch bis 120° erheben konnte. Nach den obigen Ausführungen beträgt somit die MdE für diese lediglich anzuerkennende kriegsbedingte Bewegungseinschränkung 10 v.H., so dass die Einschätzung von Prof. Dr. D ... hinsichtlich einer kriegsbedingten MdE von 20 v.H. bereits großzügig erscheint. Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen, da auch diese Einschätzung mit einer MdE von 20 v.H. jedenfalls nicht einen rentenberechtigenden Grad der MdE von wenigstens 25 v.H. erreicht. Demgegenüber konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die kriegsbedingten Schädigungsfolgen des Klägers einer Versteifung des Schultergelenkes in günstiger Stellung bei gut beweglichen Schultergürtel, die nach Ziffer 26.18 der Anhaltspunkte (S. 143) eine MdE von 30 v.H. bedingen könnten, vergleichbar ist. Denn eine solche Betrachtungsweise könnte allenfalls berechtigt sein, wenn man die aktuellen Bewegungsmaße des linken Schultergelenkes mit einer Abduktion/Adduktion von 40/0/5-Grad zugrunde legen wollte. Dies ließe aber das Kausalitätsprinzip der Kriegsopferversorgung außer Betracht, wonach nur die kriegsbedingte MdE festzustellen ist, demgegenüber aber aktuell vorliegende, stärkere Bewegungs- und Funktionseinschränkungen, die nicht auf kriegsbedingte Ereignisse zurückzuführen sind, nicht versorgt werden können. Auch der Senat ist damit auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens der Überzeugung, dass bei dem Kläger kriegsbedingt nur die oben beschriebene leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes anzuerkennen ist.

Diese Bewegungseinschränkung führt auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Narben nicht zu einer rentenberechtigenden MdE von wenigstens 25 v.H. Gemäß Ziffer 26.17 der Anhaltspunkte (S. 28) können Narben nämlich durch Ausdehnung, Beschaffenheit (z.B. Verhärtung, Verdünnung, Narbenzüge), Sitz oder Einwirkung auf ihre Umgebung zu Störungen führen. Diese Störungen bestimmen die Höhe des MdE-Grades. Die bei dem Kläger vorliegenden Narben im Bereich des rechten Nackens und am linken Oberarm beinhalten indes nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen keine weitergehenden Funktionsstörungen, die mit einer MdE zu versorgen wären.

Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Chemnitz vom 26.04.1999 aufzuheben und die auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung von wenigstens 30 v.H. gerichtete Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved