Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 17 V 288/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 V 40/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.08.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Gewährung von Versorgung nach einem höheren Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Der 1939 geborene Kläger war von 1961 bis zum 00.00.1993 Soldat der Bundeswehr. Dabei war er nach seinen Angaben bei Schießübungen 1961, 1962 und 1966 bis 1969 Lärm ausgesetzt. Zudem war er von 1969 bis 1976 in Q für die Flugsicherheit an einer Start- und Landesbahn verantwortlich. Von 1976 bis 1993 oblag ihm im Versorgungsbatallion des Bundesverteidigungsministeriums in C die Flugsicherung auf Hubschrauberlandeplätzen.
Auf der Basis der Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. L (05.04.1990, 29.10.1991) bewilligte die Wehrbereichsverwaltung dem Kläger mit Bescheid vom 09.07.1992 Ausgleich gem. § 85 SVG nach einem Grad der MdE von 30 vom Hundert (v.H.) für die Zeit ab Mai 1991 für folgende Wehrdienstbeschädigungen:
Abgeklungene Kopf- und Rückenprellung (1963) Verheilte Radiusfraktur links Schmerzhafte Teilversteifung des linken Kniegelenks mit Belastungsminderung des gesamten linken Beines bei Pranarthrosenentwicklung Chronisches fehlstatisches Lumbalsyndrom durch Fehlbelastung und unkoordiniertem Gang mit Unterarmgehstützen. Aufgrund des Überprüfungs- und Verschlimmerungsantrags vom 30.04.1993, des Tonaudiogramms vom 02.03.1992, des HNO-Gutachtens von Dr. F (17.03.1994), des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. H, Dr. L1 und OStA L2 (06.04.1994) sowie des Gutachtens von Dr. L (15.03.1994) stellte die Wehrbereichsverwaltung eine "geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" als weitere Wehrdienstbeschädigung fest und bewertete den Grad der MdE ab Januar 1992 mit 40 v.H. (Überprüfungsbescheid vom 07.08.1995, sogenannter Berichtigungsbescheid vom 09.10.1995, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 12.03.1996). Sie führte aus, das Hördefizit habe auch unter Berücksichtigung des Ton- und Sprachaudiogramms sowie des teilweise vorhandenen beiderseitigen Ohrgeräusches eine MdE von insgesamt 15 v.H. ergeben. Seine diesbezügliche Klage zum Sozialgericht (SG) Köln (S 15 V 103/96) nahm der Kläger zurück.
Im Dezember 1993 beantragte der Kläger, ihm Versorgung nach dem SVG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren. Nach Auswertung der Unterlagen der Wehrbereichsverwaltung stellte das Versorgungsamt die Gesundheitsstörungen
Abgeklungene Kopf- und Rückenprellung (1963), Verheilte Radiusfraktur links, Schmerzhafte Teilversteifung des linken Kniegelenkes mit Belastungsminderung des gesamten linken Beines bei Pramarthroseentwicklung, Chronisches fehlstatisches Lumbalsyndrom durch Fehlbelastung und unkoordiniertem Gang bei Unterarmgehstützen und Geringgradige Innenohrschwerhörigkeit bds. als Wehrdienstbeschädigung fest und bewilligte Versorgungsbezüge nach einer MdE von 40 v.H. ab dem 01.01.1994 (Bescheid vom 24.10.1995). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er wegen einer Verschlimmerung des schädigungsbedingten Gesundheitszustandes Versorgung nach einer MdE von mindestens 50 v.H. geltend machte. Das Versorgungsamt ließ den Kläger durch die Chirurgin Dr. S begutachten (25.03.1997). Sie bestätigte eine MdE von 40 v.H. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.06.1997).
Zur Begründung seiner Klage zum SG Köln hat der Kläger vorgetragen, ein Grad der MdE von 40 v.H. werde seinem schädigungsbedingten Gesundheitszustand nicht gerecht. Als zusätzliche Schädigungsfolgen seien Schäden an der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Veränderungen durch Mehrbelastung am rechten Kniegelenk zu berücksichtigen. Die Schäden des linken Beines, das Lumbalsyndrom und die beiderseitige Innenohrschwerhörigkeit seien nicht hinreichend gewürdigt worden.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Sachverständigen Dr. N, Arzt für Orthopädie (28.10.1998) und Prof. Dr. C, Chefarzt der HNO-Klinik der Stadt L (18.06.1998). Prof. Dr. C hat ausgeführt, beim Kläger bestehe schädigungsbedingt eine ganz geringfügige Hochtonschwerhörigkeit, die eine MdE von weniger als 10 v.H. bedinge, und die unter Einbeziehung der wahrscheinlich wehrdienstbedingten Ohrgeräusche insgesamt eine MdE von 10 v.H. rechtfertige. Die angebliche Zunahme der Schwerhörigkeit sei ebenso wenig zu objektivieren wie eine Zunahme der Ohrgeräusche, eine Hörverschlechterung nach Ende der Lärmexposition sei schädigungsunabhängig. Dr. N ist zu dem Ergebnis gekommen, eine wesentliche Befundänderung könne nicht festgestellt werden, die MdE sei weiterhin insgesamt mit 40 v.H. zutreffend bewertet. Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten von Prof. Dr. I, Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der Universität L (07.06.1999) und ein Gutachten von Prof. Dr. N1, Ltd. Arzt der HNO-Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses V (05.01.2001) eingeholt. Prof. Dr. I hat ausgeführt, es seien keine weiteren Schädigungsfolgen anzuerkennen. Die bisherige Beurteilung treffe zu. Prof. Dr. N1 hat gemeint, die berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus begründe ab dem Zeitpunkt des Begutachtungstages eine schädigungsbedingte MdE von 20 v.H.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.08.2001). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass der Bescheide der Wehrbereichsverwaltung vorlagen, nicht eingetreten. Dies ergäben die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. C, Dr. N und Dr. I. Wegen Abweichens von der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung sei Prof. Dr. N1 nicht zu folgen.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger weiterhin Versorgung nach dem Grad einer MdE von 50 v.H. Er trägt vor, die Ärzte im Sanitätszentrum des Bundesverteidigungsministeriums hätten anlässlich der Verschlimmerungsanträge 1993 und 1994 eine Zunahme seiner Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat festgestellt und die Ansicht vertreten, die schädigungsbedingte MdE müsse auf 50 v.H. angehoben werden. Darüber hinaus habe Prof. Dr. N1 für die Lärmschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.08.2001 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 24.10.1995 und 12.06.1997 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab Januar 1994 Versorgung nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren, hilfsweise, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Betroffenheit durch den Tinnitus einzuholen sowie eine ergänzende Stellungnahme zum Ausmaß der Lärmschädigung.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akte S 15 V 103/96, der Verwaltungsakten des Beklagten, der SchwbG-Akten des Versorgungsamts L sowie der Akten des Wehrbereichsgebührnisamtes III Düsseldorf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.1997 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht (§ 54 Absatz (Abs.) 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 80 (S.) 1 SVG in Verbindung mit §§ 88 Abs. 3 S. 3 SVG, 48 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Versorgung nach einer MdE von 50 v.H. ab Januar 1994. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer Verschlimmerung der Wehrdienstbeschädigung einschließlich ihrer Folgen gegenüber den Verhältnissen, die beim Erlass des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung vom 09.07.1992 vorgelegen haben.
Nach § 88 Abs. 3 S. 1 SVG ist die Entscheidung der Bundeswehrverwaltung über einen Ausgleich bei Wehrdienstbeschädigung (§ 85 SVG) für die Entscheidung der Versorgungsverwaltung über eine Versorgung bei Wehrdienstbeschädigung (§ 80 SVG) verbindlich. Diese in § 88 Abs. 3 SVG angeordnete Bindung umfasst auch die für eine Ausgleichsleistung festgestellte MdE (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.07.1997, 9 RV 21/95, SozR 3-3200 § 88 Nr. 2 SVG; Urteil vom 28.06.2000, B 9 VS 1/99 R). Nach § 88 Abs. 3 S. 3 SVG kann die Versorgungsverwaltung jedoch von der Entscheidung der Bundeswehrverwaltung unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X abweichen. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X gegenüber den Verhältnissen vom 09.07.1992 nicht eingetreten.
Hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen des Funktionssystems Rumpf und Beine (Abgeklungene Kopf- und Rückenprellung (1963), Verheilte Radiusfraktur links, Schmerzhafte Teilversteifung des linken Kniegelenks mit Belastungsminderung des gesamten linken Beines bei Panarthrosenentwicklung und Chronisches fehlstatisches Lumbalsyndrom durch Fehlbelastung und unkoordinierten Gang mit Unterarmgehstützen) ist es weder zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen gekommen.
Die Schädigungsfolgen an Rumpf und Beinen haben sich gegenüber den Befunden, die Dr. L in 1990 und 1991 erhoben hat, nach übereinstimmender Beurteilung der Sachverständigen Dr. N und Prof. Dr. I nicht geändert. Nichts anderes ergibt das urkundsbeweislich verwertbare Gutachten von Dr. L (15.03.1994) und Dr. S. Die Gutachten von Dr. N und Prof. Dr. I sind schlüssig, umschreiben das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und stehen im Einklang mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996. Sie haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts normähnliche Wirkung und können wie antizipierte Sachverständigengutachten verstanden werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1996, 9 RV 17/95 (SGb 1997, 165) mit weiteren Nachweisen und Hinweis auf BSGE 72, 285 (286) in SozR 3 3870 § 4 SchwbG Nr. 6). Eine Zunahme der Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat, die eine höhere schädigungsbedingte MdE rechtfertigte, ist danach nicht erkennbar. Nach den Nummern 26.18 und 18 Absatz 8 der AHP 1996 schließen die MdE-Grade für Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen bereits die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände; in den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte angesetzt werden (das gilt insbesondere bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputation). Der Kläger hat gegenüber den Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren gehörten Ärzten konkrete Angaben über seine Schmerzen gemacht. Daraus und aus den objektiven Befunden hat keiner von ihnen abgeleitet, dass außergewöhnliche Schmerzen vorliegen, die sich MdE-erhöhend auswirken. Einer speziellen ärztlichen Schmerzbehandlung hat sich der Kläger bis heute nicht unterzogen.
Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Die Bewertung der Schädigungsfolgen des Funktionssystems Rumpf und Beine ist im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung (09.07.1992) nach den AHP 1983 erfolgt. Diese sind mit Wirkung ab 01.01.1997 durch die AHP 1996 ersetzt worden (vgl. BSG, Urteil vom 01.09.1999, B 9 V 25/98 R). Der Beklagte hat bei Erlass seines letzten Bescheides (12.06.1997) die AHP 1996 zugrundegelegt. Die AHP 1996 sehen in Nr. 26.18 hinsichtlich des relevanten Funktionssystems eine differenziertere Bewertung von Wirbelsäulenschäden vor als noch die AHP 1983. Änderungen der AHP wirken sich wie Änderungen der Rechtsverhältnisse im Sinne des § 48 SGB X aus (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1996, 9 RVs 5/95 in SozR 3-1300 § 48 SGB X Nr. 57 mit weiteren Nachweisen). Dies ist hier aber nicht rechtserheblich und damit nicht wesentlich, da die anerkannten Schäden an der Lendenwirbelsäule auch nach den Bewertungsmaßstäben der AHP 1996 eine Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. bedingen. Das Zeichen nach Schober (10/14) - Anhaltspunkte zur Feststellung einer Bewegungseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule - zeigt durchgehend eine normal mögliche Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule des Klägers. Sowohl Dr. N als auch Prof. I haben im übrigen ihre Bewertung nach den AHP 1996 vorgenommen und ausgeführt, dass eine höhere Bewertung als in den früheren Gutachten angesetzt nicht gerechtfertigt ist.
Hinsichtlich der Schädigungsfolgen des Funktionssystems "Hör- und Gleichgewichtsorgan" (Nr. 26.5 der AHP) lässt sich eine Änderung in den Verhältnissen gegenüber denjenigen, die bei Erlass des Bescheides vom 09.07.1992 vorgelegen haben, nicht feststellen.
Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Der Senat folgt dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. C. Danach haben die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit und die Ohrgeräusche nicht zugenommen. Es besteht unter Auswertung sowohl des Sprach- als auch des Tonaudiogramms eine ganz geringfügige Hochtonschwerhörigkeit, die eine MdE von weniger als 10 v.H. bedingt, und die unter Einbeziehung der wahrscheinlich wehrdienstbedingten Ohrgeräusche insgesamt eine MdE von 10 v.H. für das Funktionssystem "Hör- und Gleichgewichtsorgan" rechtfertigt. Das entspricht auch den Werten des Hörvermögens im Tonaudiogramm vom 02.03.1992. Das Gutachten steht mit den AHP in Einklang.
Demgegenüber überzeugt die Einschätzung von Prof. Dr. N1 nicht. Er stützt seinen Ansatz einer MdE von 20 v.H. für das Funktionssystem "Hör- und Gleichgewichtsorgan" für die Zeit ab 12.10.2000 auf die Werte seiner Untersuchung (Hörverlust von rechts 40 % und links 30 %) mit grenzwertig kompensiertem Tinnitus. Die Untersuchung durch Prof. Dr. C im Mai 1998 hatte hingegen für das rechte Ohr einen Hörverlust von 10 % und für das linke einen solchen von 0 % sowie Ohrgeräusche beidseits ergeben. Selbst wenn insofern davon ausgegangen würde, dass bei dem Kläger im Zeitraum von Mai 1998 bis Oktober 2000 eine Verschlechterung eingetreten ist, könnte diese nicht kausal auf die Lärmexposition des Klägers im Rahmen seines Wehrdienstes zurückgeführt werden. Vielmehr geht der Senat mit Prof. Dr. C davon aus, dass eine solche Verschlimmerung, wenn sie bei dem Kläger zugrunde zu legen wäre, schädigungsunabhängig eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geben die AHP den der herrschenden Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Erkenntnis- und Wissensstand u.a. über die Ursachen von Gesundheitsstörungen nach versorgungsrechtlich geschützten Tatbeständen wieder; die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter sind an die in den AHP enthaltenen Erkenntnisse für die Begutachtung gebunden (BSG, Urteil vom 27.08.1998; B 9 VJ 2/97 R (in VersorgVerw 1999, 14 f.) und Urteil vom 28.07.1999, B 9 V 27/98 R). Dabei sind die Gerichte gehalten zu prüfen, ob die Kausalitätsbeurteilung der medizinischen Sachverständigen mit den Beurteilungskriterien der AHP zur Kausalitätsbeurteilung übereinstimmen oder diesen widersprechen. Nach Nr. 86 Absatz 2 der AHP können Lärmeinwirkungen über einen längeren Zeitraum Dauerschäden verursachen, sind in der Regel seitengleich, nehmen unter weiterer Exposition zu, führen aber nicht zur Taubheit; dabei ist ein schädigungsbedingtes Fortschreiten der Schwerhörigkeit nach Wegfall der Lärmeinwirkung nicht erwiesen. Dieser durch die AHP vorgegebene Erkenntnis- und Wissensstand entspricht - worauf der Senat die Beteiligten hingewiesen hat - dem Erkenntnis- und Wissensstand bei der Beurteilung der Lärmschwerhörigkeit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei der Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit nach dem Königsteiner Merkblatt (4. Auflage von Januar 1996) zur Berufskrankheit 2301 ist nach beendeter Lärmexposition nicht mehr mit einem Fortschreiten der Lärmschwerhörigkeit zu rechnen (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKVO, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2301, Seite 26; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 416). Anhaltspunkte für neuere Erkenntnisse in der sozialmedizinischen Wissenschaft, die eine abweichende Kausalitätsbeurteilung rechtfertigen könnten, hat Prof. Dr. N1 nicht angeführt. Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass die von Prof. Dr. N1 für die Zeit ab Oktober 2000 angenommene Verschlechterung - ihr tatsächliches Vorliegen unterstellt - entschädigungsrechtlich unbeachtlich ist. Sie ist erst nach dem Ende der Lärmexposition des Klägers, die bis Ende 1993 angedauert hat, eingetreten. Die hiervon abweichende Ansicht von Prof. Dr. N1, Entwicklung und Verlauf der Hörstörung seien typisch für eine Lärmschwerhörigkeit, vermag danach nicht zu überzeugen. Sie widerspricht, wie dargelegt, der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft. Von einer Änderung der Beeinträchtigung durch die Ohrgeräusche ist auch Prof. Dr. N1 nicht ausgegangen. Ihm hat der Kläger diesbezüglich geklagt, der Tinnitus mache eine normale Kommunikation in der Gruppe fast unmöglich. Seit dem subjektiven Empfinden der Schwerhörigkeit während der Bundeswehrzeit habe er auch den ihn sehr stark störenden Tinnitus wahrgenommen. Dementsprechend hat Prof. Dr. N1 den Grad der MdE ausgehend von einem Hörverlust von 40 % für das rechte und 30 % für das linke Ohr - der aber wie dargelegt nicht zugrundegelegt werden kann - den MdE-Wert nicht mit 15 v.H. geschätzt, wie es einem solchen schädigungsbedingten Hörverlust entspräche (vgl. AHP 26.5, Tabeke D). Vielmehr hat er unter integrierender Einbeziehung der Ohrgeräusche eine um 5 v.H. höhere MdE, nämlich eine solche von 20 v.H. angenommen.
Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Die geänderte Bewertung von Ohrgeräuschen in den AHP wirkt sich nicht aus. Die zusammenfassende Beurteilung des Funktionssystems "Ohren" (vgl. AHP 1996, Nr. 18, Abs. 4) führt zu keiner höheren MdE als 10 v.H. Die AHP 1983 sahen eine Bewertung von Ohrgeräuschen nicht vor. Nach den AHP 1996, Nr. 26.5 kann der MdE-Grad entsprechend höher bewertet werden, wenn mit einer Hörstörung andere Erscheinungen (z.B. Ohrgeräusche) verbunden sind. Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen bedingen eine MdE von 0 v.H. bis 10 v.H ... So liegt es hier. Erst Ohrgeräusche mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen rechtfertigen eine MdE um 20 v.H. Daran fehlt es. Weder aus den Angaben gegenüber den im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren gehörten Ärzten noch aus dem Vortrag des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ergeben sich Ansatzpunkte dafür, dass durch den Tinnitus bedingte erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen bestehen. Davon sind auch weder Prof. Dr. C noch Prof. Dr. N1 ausgegangen. Die urkundsbeweislich verwertbare Beurteilung von Dr. H, Dr. L1 und OStA L2 (06.04.1994) ergibt nichts anderes. Danach zeigt sich das Bild einer histrionischen Persönlichkeitsstörung ohne Relevanz bezüglich der Wehrdienstbeschädigung. Die Hörstörung mit einer MdE von weniger als 10 v.H. und die Ohrgeräusche mit einer MdE von 0 v.H. bis 10 v.H. ergeben entsprechend Prof. Dr. C insgesamt keine höhere MdE als 10 v.H. für die Funktionseinheit "Hör- und Gleichgewichtsorgan".
Weitere Beweisaufnahme drängt sich nicht auf. Das Ausmaß der schädigungsbedingten Lärmschwerhörigkeit ist durch das Gutachten von Prof. Dr. C geklärt. Die Auswirkungen des Tinnitus auf die Psyche bedürfen nicht weiterer Aufklärung. Nach Nr. 8 Absatz 16 der AHP 1996 ist eine psychiatrische Zusatzuntersuchung bei Ohrgeräuschen nur dann angezeigt, wenn wesentliche psychovegetative Begleiterscheinungen bestehen. Dafür ergibt sich - wie dargestellt - kein Anhalt. Der Grundsatz der Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen verpflichtet diese nicht zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" (vgl. Urteil des BSG vom 14.05.1996, 4 RA 60/94, in BSGE 78, 207 = SozR 3-2200 § 43 SGB VI Nr. 13).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Absatz 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Gewährung von Versorgung nach einem höheren Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Der 1939 geborene Kläger war von 1961 bis zum 00.00.1993 Soldat der Bundeswehr. Dabei war er nach seinen Angaben bei Schießübungen 1961, 1962 und 1966 bis 1969 Lärm ausgesetzt. Zudem war er von 1969 bis 1976 in Q für die Flugsicherheit an einer Start- und Landesbahn verantwortlich. Von 1976 bis 1993 oblag ihm im Versorgungsbatallion des Bundesverteidigungsministeriums in C die Flugsicherung auf Hubschrauberlandeplätzen.
Auf der Basis der Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. L (05.04.1990, 29.10.1991) bewilligte die Wehrbereichsverwaltung dem Kläger mit Bescheid vom 09.07.1992 Ausgleich gem. § 85 SVG nach einem Grad der MdE von 30 vom Hundert (v.H.) für die Zeit ab Mai 1991 für folgende Wehrdienstbeschädigungen:
Abgeklungene Kopf- und Rückenprellung (1963) Verheilte Radiusfraktur links Schmerzhafte Teilversteifung des linken Kniegelenks mit Belastungsminderung des gesamten linken Beines bei Pranarthrosenentwicklung Chronisches fehlstatisches Lumbalsyndrom durch Fehlbelastung und unkoordiniertem Gang mit Unterarmgehstützen. Aufgrund des Überprüfungs- und Verschlimmerungsantrags vom 30.04.1993, des Tonaudiogramms vom 02.03.1992, des HNO-Gutachtens von Dr. F (17.03.1994), des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. H, Dr. L1 und OStA L2 (06.04.1994) sowie des Gutachtens von Dr. L (15.03.1994) stellte die Wehrbereichsverwaltung eine "geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" als weitere Wehrdienstbeschädigung fest und bewertete den Grad der MdE ab Januar 1992 mit 40 v.H. (Überprüfungsbescheid vom 07.08.1995, sogenannter Berichtigungsbescheid vom 09.10.1995, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 12.03.1996). Sie führte aus, das Hördefizit habe auch unter Berücksichtigung des Ton- und Sprachaudiogramms sowie des teilweise vorhandenen beiderseitigen Ohrgeräusches eine MdE von insgesamt 15 v.H. ergeben. Seine diesbezügliche Klage zum Sozialgericht (SG) Köln (S 15 V 103/96) nahm der Kläger zurück.
Im Dezember 1993 beantragte der Kläger, ihm Versorgung nach dem SVG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren. Nach Auswertung der Unterlagen der Wehrbereichsverwaltung stellte das Versorgungsamt die Gesundheitsstörungen
Abgeklungene Kopf- und Rückenprellung (1963), Verheilte Radiusfraktur links, Schmerzhafte Teilversteifung des linken Kniegelenkes mit Belastungsminderung des gesamten linken Beines bei Pramarthroseentwicklung, Chronisches fehlstatisches Lumbalsyndrom durch Fehlbelastung und unkoordiniertem Gang bei Unterarmgehstützen und Geringgradige Innenohrschwerhörigkeit bds. als Wehrdienstbeschädigung fest und bewilligte Versorgungsbezüge nach einer MdE von 40 v.H. ab dem 01.01.1994 (Bescheid vom 24.10.1995). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er wegen einer Verschlimmerung des schädigungsbedingten Gesundheitszustandes Versorgung nach einer MdE von mindestens 50 v.H. geltend machte. Das Versorgungsamt ließ den Kläger durch die Chirurgin Dr. S begutachten (25.03.1997). Sie bestätigte eine MdE von 40 v.H. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.06.1997).
Zur Begründung seiner Klage zum SG Köln hat der Kläger vorgetragen, ein Grad der MdE von 40 v.H. werde seinem schädigungsbedingten Gesundheitszustand nicht gerecht. Als zusätzliche Schädigungsfolgen seien Schäden an der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Veränderungen durch Mehrbelastung am rechten Kniegelenk zu berücksichtigen. Die Schäden des linken Beines, das Lumbalsyndrom und die beiderseitige Innenohrschwerhörigkeit seien nicht hinreichend gewürdigt worden.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Sachverständigen Dr. N, Arzt für Orthopädie (28.10.1998) und Prof. Dr. C, Chefarzt der HNO-Klinik der Stadt L (18.06.1998). Prof. Dr. C hat ausgeführt, beim Kläger bestehe schädigungsbedingt eine ganz geringfügige Hochtonschwerhörigkeit, die eine MdE von weniger als 10 v.H. bedinge, und die unter Einbeziehung der wahrscheinlich wehrdienstbedingten Ohrgeräusche insgesamt eine MdE von 10 v.H. rechtfertige. Die angebliche Zunahme der Schwerhörigkeit sei ebenso wenig zu objektivieren wie eine Zunahme der Ohrgeräusche, eine Hörverschlechterung nach Ende der Lärmexposition sei schädigungsunabhängig. Dr. N ist zu dem Ergebnis gekommen, eine wesentliche Befundänderung könne nicht festgestellt werden, die MdE sei weiterhin insgesamt mit 40 v.H. zutreffend bewertet. Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten von Prof. Dr. I, Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der Universität L (07.06.1999) und ein Gutachten von Prof. Dr. N1, Ltd. Arzt der HNO-Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses V (05.01.2001) eingeholt. Prof. Dr. I hat ausgeführt, es seien keine weiteren Schädigungsfolgen anzuerkennen. Die bisherige Beurteilung treffe zu. Prof. Dr. N1 hat gemeint, die berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus begründe ab dem Zeitpunkt des Begutachtungstages eine schädigungsbedingte MdE von 20 v.H.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.08.2001). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass der Bescheide der Wehrbereichsverwaltung vorlagen, nicht eingetreten. Dies ergäben die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. C, Dr. N und Dr. I. Wegen Abweichens von der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung sei Prof. Dr. N1 nicht zu folgen.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger weiterhin Versorgung nach dem Grad einer MdE von 50 v.H. Er trägt vor, die Ärzte im Sanitätszentrum des Bundesverteidigungsministeriums hätten anlässlich der Verschlimmerungsanträge 1993 und 1994 eine Zunahme seiner Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat festgestellt und die Ansicht vertreten, die schädigungsbedingte MdE müsse auf 50 v.H. angehoben werden. Darüber hinaus habe Prof. Dr. N1 für die Lärmschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.08.2001 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 24.10.1995 und 12.06.1997 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab Januar 1994 Versorgung nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren, hilfsweise, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Betroffenheit durch den Tinnitus einzuholen sowie eine ergänzende Stellungnahme zum Ausmaß der Lärmschädigung.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akte S 15 V 103/96, der Verwaltungsakten des Beklagten, der SchwbG-Akten des Versorgungsamts L sowie der Akten des Wehrbereichsgebührnisamtes III Düsseldorf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.1997 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht (§ 54 Absatz (Abs.) 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 80 (S.) 1 SVG in Verbindung mit §§ 88 Abs. 3 S. 3 SVG, 48 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Versorgung nach einer MdE von 50 v.H. ab Januar 1994. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer Verschlimmerung der Wehrdienstbeschädigung einschließlich ihrer Folgen gegenüber den Verhältnissen, die beim Erlass des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung vom 09.07.1992 vorgelegen haben.
Nach § 88 Abs. 3 S. 1 SVG ist die Entscheidung der Bundeswehrverwaltung über einen Ausgleich bei Wehrdienstbeschädigung (§ 85 SVG) für die Entscheidung der Versorgungsverwaltung über eine Versorgung bei Wehrdienstbeschädigung (§ 80 SVG) verbindlich. Diese in § 88 Abs. 3 SVG angeordnete Bindung umfasst auch die für eine Ausgleichsleistung festgestellte MdE (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.07.1997, 9 RV 21/95, SozR 3-3200 § 88 Nr. 2 SVG; Urteil vom 28.06.2000, B 9 VS 1/99 R). Nach § 88 Abs. 3 S. 3 SVG kann die Versorgungsverwaltung jedoch von der Entscheidung der Bundeswehrverwaltung unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X abweichen. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X gegenüber den Verhältnissen vom 09.07.1992 nicht eingetreten.
Hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen des Funktionssystems Rumpf und Beine (Abgeklungene Kopf- und Rückenprellung (1963), Verheilte Radiusfraktur links, Schmerzhafte Teilversteifung des linken Kniegelenks mit Belastungsminderung des gesamten linken Beines bei Panarthrosenentwicklung und Chronisches fehlstatisches Lumbalsyndrom durch Fehlbelastung und unkoordinierten Gang mit Unterarmgehstützen) ist es weder zu einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen gekommen.
Die Schädigungsfolgen an Rumpf und Beinen haben sich gegenüber den Befunden, die Dr. L in 1990 und 1991 erhoben hat, nach übereinstimmender Beurteilung der Sachverständigen Dr. N und Prof. Dr. I nicht geändert. Nichts anderes ergibt das urkundsbeweislich verwertbare Gutachten von Dr. L (15.03.1994) und Dr. S. Die Gutachten von Dr. N und Prof. Dr. I sind schlüssig, umschreiben das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und stehen im Einklang mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996. Sie haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts normähnliche Wirkung und können wie antizipierte Sachverständigengutachten verstanden werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1996, 9 RV 17/95 (SGb 1997, 165) mit weiteren Nachweisen und Hinweis auf BSGE 72, 285 (286) in SozR 3 3870 § 4 SchwbG Nr. 6). Eine Zunahme der Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat, die eine höhere schädigungsbedingte MdE rechtfertigte, ist danach nicht erkennbar. Nach den Nummern 26.18 und 18 Absatz 8 der AHP 1996 schließen die MdE-Grade für Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen bereits die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände; in den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte angesetzt werden (das gilt insbesondere bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputation). Der Kläger hat gegenüber den Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren gehörten Ärzten konkrete Angaben über seine Schmerzen gemacht. Daraus und aus den objektiven Befunden hat keiner von ihnen abgeleitet, dass außergewöhnliche Schmerzen vorliegen, die sich MdE-erhöhend auswirken. Einer speziellen ärztlichen Schmerzbehandlung hat sich der Kläger bis heute nicht unterzogen.
Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Die Bewertung der Schädigungsfolgen des Funktionssystems Rumpf und Beine ist im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung (09.07.1992) nach den AHP 1983 erfolgt. Diese sind mit Wirkung ab 01.01.1997 durch die AHP 1996 ersetzt worden (vgl. BSG, Urteil vom 01.09.1999, B 9 V 25/98 R). Der Beklagte hat bei Erlass seines letzten Bescheides (12.06.1997) die AHP 1996 zugrundegelegt. Die AHP 1996 sehen in Nr. 26.18 hinsichtlich des relevanten Funktionssystems eine differenziertere Bewertung von Wirbelsäulenschäden vor als noch die AHP 1983. Änderungen der AHP wirken sich wie Änderungen der Rechtsverhältnisse im Sinne des § 48 SGB X aus (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1996, 9 RVs 5/95 in SozR 3-1300 § 48 SGB X Nr. 57 mit weiteren Nachweisen). Dies ist hier aber nicht rechtserheblich und damit nicht wesentlich, da die anerkannten Schäden an der Lendenwirbelsäule auch nach den Bewertungsmaßstäben der AHP 1996 eine Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. bedingen. Das Zeichen nach Schober (10/14) - Anhaltspunkte zur Feststellung einer Bewegungseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule - zeigt durchgehend eine normal mögliche Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule des Klägers. Sowohl Dr. N als auch Prof. I haben im übrigen ihre Bewertung nach den AHP 1996 vorgenommen und ausgeführt, dass eine höhere Bewertung als in den früheren Gutachten angesetzt nicht gerechtfertigt ist.
Hinsichtlich der Schädigungsfolgen des Funktionssystems "Hör- und Gleichgewichtsorgan" (Nr. 26.5 der AHP) lässt sich eine Änderung in den Verhältnissen gegenüber denjenigen, die bei Erlass des Bescheides vom 09.07.1992 vorgelegen haben, nicht feststellen.
Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Der Senat folgt dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. C. Danach haben die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit und die Ohrgeräusche nicht zugenommen. Es besteht unter Auswertung sowohl des Sprach- als auch des Tonaudiogramms eine ganz geringfügige Hochtonschwerhörigkeit, die eine MdE von weniger als 10 v.H. bedingt, und die unter Einbeziehung der wahrscheinlich wehrdienstbedingten Ohrgeräusche insgesamt eine MdE von 10 v.H. für das Funktionssystem "Hör- und Gleichgewichtsorgan" rechtfertigt. Das entspricht auch den Werten des Hörvermögens im Tonaudiogramm vom 02.03.1992. Das Gutachten steht mit den AHP in Einklang.
Demgegenüber überzeugt die Einschätzung von Prof. Dr. N1 nicht. Er stützt seinen Ansatz einer MdE von 20 v.H. für das Funktionssystem "Hör- und Gleichgewichtsorgan" für die Zeit ab 12.10.2000 auf die Werte seiner Untersuchung (Hörverlust von rechts 40 % und links 30 %) mit grenzwertig kompensiertem Tinnitus. Die Untersuchung durch Prof. Dr. C im Mai 1998 hatte hingegen für das rechte Ohr einen Hörverlust von 10 % und für das linke einen solchen von 0 % sowie Ohrgeräusche beidseits ergeben. Selbst wenn insofern davon ausgegangen würde, dass bei dem Kläger im Zeitraum von Mai 1998 bis Oktober 2000 eine Verschlechterung eingetreten ist, könnte diese nicht kausal auf die Lärmexposition des Klägers im Rahmen seines Wehrdienstes zurückgeführt werden. Vielmehr geht der Senat mit Prof. Dr. C davon aus, dass eine solche Verschlimmerung, wenn sie bei dem Kläger zugrunde zu legen wäre, schädigungsunabhängig eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geben die AHP den der herrschenden Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Erkenntnis- und Wissensstand u.a. über die Ursachen von Gesundheitsstörungen nach versorgungsrechtlich geschützten Tatbeständen wieder; die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter sind an die in den AHP enthaltenen Erkenntnisse für die Begutachtung gebunden (BSG, Urteil vom 27.08.1998; B 9 VJ 2/97 R (in VersorgVerw 1999, 14 f.) und Urteil vom 28.07.1999, B 9 V 27/98 R). Dabei sind die Gerichte gehalten zu prüfen, ob die Kausalitätsbeurteilung der medizinischen Sachverständigen mit den Beurteilungskriterien der AHP zur Kausalitätsbeurteilung übereinstimmen oder diesen widersprechen. Nach Nr. 86 Absatz 2 der AHP können Lärmeinwirkungen über einen längeren Zeitraum Dauerschäden verursachen, sind in der Regel seitengleich, nehmen unter weiterer Exposition zu, führen aber nicht zur Taubheit; dabei ist ein schädigungsbedingtes Fortschreiten der Schwerhörigkeit nach Wegfall der Lärmeinwirkung nicht erwiesen. Dieser durch die AHP vorgegebene Erkenntnis- und Wissensstand entspricht - worauf der Senat die Beteiligten hingewiesen hat - dem Erkenntnis- und Wissensstand bei der Beurteilung der Lärmschwerhörigkeit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei der Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit nach dem Königsteiner Merkblatt (4. Auflage von Januar 1996) zur Berufskrankheit 2301 ist nach beendeter Lärmexposition nicht mehr mit einem Fortschreiten der Lärmschwerhörigkeit zu rechnen (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKVO, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2301, Seite 26; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 416). Anhaltspunkte für neuere Erkenntnisse in der sozialmedizinischen Wissenschaft, die eine abweichende Kausalitätsbeurteilung rechtfertigen könnten, hat Prof. Dr. N1 nicht angeführt. Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass die von Prof. Dr. N1 für die Zeit ab Oktober 2000 angenommene Verschlechterung - ihr tatsächliches Vorliegen unterstellt - entschädigungsrechtlich unbeachtlich ist. Sie ist erst nach dem Ende der Lärmexposition des Klägers, die bis Ende 1993 angedauert hat, eingetreten. Die hiervon abweichende Ansicht von Prof. Dr. N1, Entwicklung und Verlauf der Hörstörung seien typisch für eine Lärmschwerhörigkeit, vermag danach nicht zu überzeugen. Sie widerspricht, wie dargelegt, der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft. Von einer Änderung der Beeinträchtigung durch die Ohrgeräusche ist auch Prof. Dr. N1 nicht ausgegangen. Ihm hat der Kläger diesbezüglich geklagt, der Tinnitus mache eine normale Kommunikation in der Gruppe fast unmöglich. Seit dem subjektiven Empfinden der Schwerhörigkeit während der Bundeswehrzeit habe er auch den ihn sehr stark störenden Tinnitus wahrgenommen. Dementsprechend hat Prof. Dr. N1 den Grad der MdE ausgehend von einem Hörverlust von 40 % für das rechte und 30 % für das linke Ohr - der aber wie dargelegt nicht zugrundegelegt werden kann - den MdE-Wert nicht mit 15 v.H. geschätzt, wie es einem solchen schädigungsbedingten Hörverlust entspräche (vgl. AHP 26.5, Tabeke D). Vielmehr hat er unter integrierender Einbeziehung der Ohrgeräusche eine um 5 v.H. höhere MdE, nämlich eine solche von 20 v.H. angenommen.
Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Die geänderte Bewertung von Ohrgeräuschen in den AHP wirkt sich nicht aus. Die zusammenfassende Beurteilung des Funktionssystems "Ohren" (vgl. AHP 1996, Nr. 18, Abs. 4) führt zu keiner höheren MdE als 10 v.H. Die AHP 1983 sahen eine Bewertung von Ohrgeräuschen nicht vor. Nach den AHP 1996, Nr. 26.5 kann der MdE-Grad entsprechend höher bewertet werden, wenn mit einer Hörstörung andere Erscheinungen (z.B. Ohrgeräusche) verbunden sind. Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen bedingen eine MdE von 0 v.H. bis 10 v.H ... So liegt es hier. Erst Ohrgeräusche mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen rechtfertigen eine MdE um 20 v.H. Daran fehlt es. Weder aus den Angaben gegenüber den im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren gehörten Ärzten noch aus dem Vortrag des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ergeben sich Ansatzpunkte dafür, dass durch den Tinnitus bedingte erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen bestehen. Davon sind auch weder Prof. Dr. C noch Prof. Dr. N1 ausgegangen. Die urkundsbeweislich verwertbare Beurteilung von Dr. H, Dr. L1 und OStA L2 (06.04.1994) ergibt nichts anderes. Danach zeigt sich das Bild einer histrionischen Persönlichkeitsstörung ohne Relevanz bezüglich der Wehrdienstbeschädigung. Die Hörstörung mit einer MdE von weniger als 10 v.H. und die Ohrgeräusche mit einer MdE von 0 v.H. bis 10 v.H. ergeben entsprechend Prof. Dr. C insgesamt keine höhere MdE als 10 v.H. für die Funktionseinheit "Hör- und Gleichgewichtsorgan".
Weitere Beweisaufnahme drängt sich nicht auf. Das Ausmaß der schädigungsbedingten Lärmschwerhörigkeit ist durch das Gutachten von Prof. Dr. C geklärt. Die Auswirkungen des Tinnitus auf die Psyche bedürfen nicht weiterer Aufklärung. Nach Nr. 8 Absatz 16 der AHP 1996 ist eine psychiatrische Zusatzuntersuchung bei Ohrgeräuschen nur dann angezeigt, wenn wesentliche psychovegetative Begleiterscheinungen bestehen. Dafür ergibt sich - wie dargestellt - kein Anhalt. Der Grundsatz der Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen verpflichtet diese nicht zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" (vgl. Urteil des BSG vom 14.05.1996, 4 RA 60/94, in BSGE 78, 207 = SozR 3-2200 § 43 SGB VI Nr. 13).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Absatz 2 SGG).
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